Memoiren einer preußischen Königstochter. -  - E-Book

Memoiren einer preußischen Königstochter. E-Book

0,0
22,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die Memoiren Wilhelmines von Bayreuth erscheinen erst im Jahre 1810 – rund 50 Jahre nach ihrem Tod – nicht zufällig also zur Franzosenzeit, als Napoleon der preußischen Zensur den Arm abschneidet. Denn dieser in elegantem Französisch geschriebene Text der preußischen Prinzessin bietet ein grelles, abstoßendes Bild der Zeit Friedrich Wilhelms I., zeigt ihren Vater als prügelnden Wüterich, die Mutter Sophie Dorothea als ehrgeizige Intrigantin, entwirft vom ›Lieblingsbruder‹ Friedrich ein ambivalentes Porträt, das seine Verschlagenheit und Machtbesessenheit nicht ausspart. Darüber hinaus lässt die Erzählerin eine Galerie von Herrschaften auftreten, deren körperliche Defizite und charakterlichen Schwächen sie in ihrer unfreiwilligen Komik entlarvt. Kein Wunder, dass preußische Historiker des 19. Jahrhunderts die Einseitigkeit der Memoiren als Ausgeburt enttäuschter Heiratsambitionen denunzierten, ohne sich um das Spezifische der Gattung zu kümmern: dem Leser privilegierte Einblicke aus persönlicher hochadliger Perspektive in die Geheimnisse höfischen Lebens zu gewähren. Mit dieser gründlich überarbeiteten Neuauflage der Memoiren wird erstmals der Kosmos der Markgräfin in seiner ganzen Personenvielfalt möglichst vollständig erschlossen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2019

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Memoiren einer preußischen Königstochter

Memoiren einer preußischen Königstochter

Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth

Übersetzung, Anmerkungen und Nachwort von Günter Berger

Dritte, überarbeitete Auflage

Duncker & Humblot · Berlin

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Markgräfin Wilhelmine Gesellschaft e. V., Bayreuth

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Die 1. und 2. Auflage erschienen 2007 bzw. 2012 im Verlag Ellwanger Bayreuth

Alle Rechte vorbehalten © 2018 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany

ISBN 978-3-428-15215-5 (Print) ISBN 978-3-428-55215-3 (E-Book) ISBN 978-3-428-85215-4 (Print & E-Book)

Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 ♾

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Inhalt

Memoiren einer preußischen Königstochter. Wilhelmine von Bayreuth

Nachwort: Die höfische Welt aus der Sicht der Markgräfin

Stammtafel der Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth

Bildnachweis

Personenverzeichnis

Friedrich Wilhelm, König von Preußen, heiratete damals noch als Kronprinz im Jahre 1706 Sophie Dorothea von Hannover. König Friedrich I., sein Vater, hatte ihm die Wahl zwischen drei Prinzessinnen gelassen: der von Schweden, der Schwester Karls XII., der von Sachsen-Zeitz und der von Oranien, der Nichte des Fürsten von Anhalt. Ihm hatte der Kronprinz von jeher innige Verbundenheit bezeugt und so hatte er sich eingebildet, dass dessen Wahl auf seine Nichte fiele. Da aber das Herz des Kronprinzen den Reizen der Prinzessin von Hannover verfallen war, schlug er diese drei Partien aus und verstand es mit seinen Bitten und Intrigen, die Zustimmung seines königlichen Vaters zu seiner Heirat mit ihr zu bekommen.

Es ist angebracht, dass ich eine Vorstellung des Charakters der Hauptpersonen gebe, welche den Hof von Berlin bildeten, besonders aber desjenigen des Kronprinzen. Dieser Prinz, dessen Erziehung dem Grafen Dohna anvertraut war, besitzt alle Eigenschaften, die einen großen Mann auszeichnen. Er ist hochbegabt und der größten Taten fähig; er hat eine rasche Auffassungsgabe, große Urteilskraft und Beharrlichkeit; er hat ein von Natur aus gutes Herz. Seit seiner frühesten Jugend hat er immer eine entschiedene Neigung zum Militär gezeigt; das war seine Hauptleidenschaft und er hat sie durch die hervorragende Ordnung gerechtfertigt, die er in seine Armee brachte. Sein Temperament ist lebhaft und aufbrausend und hat ihn häufig zu Gewalttätigkeiten verleitet, die er später heftig bereut hat. Meistens zog er Gerechtigkeit der Milde vor. Sein übertriebener Hang zum Geld hat ihm den Ruf eines Geizkragens eingetragen. Man kann ihm dieses Laster jedoch nur mit Blick auf seine eigene Person und seine Familie vorwerfen; denn seine Günstlinge und diejenigen, die ihm anhänglich dienten, überhäufte er mit Wohltaten. Die wohltätigen Stiftungen und die Kirchen, die er gebaut hat, sind ein Beweis seiner Frömmigkeit. Seine Gottesfurcht ging bis zur Frömmelei; er liebte weder Prunk noch Luxus. Er war misstrauisch, eifersüchtig und oft falsch. Sein Erzieher es hatte darauf angelegt, ihm Verachtung für das andere Geschlecht einzuflößen. Er hatte eine so schlechte Meinung von allen Frauen, dass seine Vorurteile der Kronprinzessin, auf die er in höchstem Maße eifersüchtig war, großen Kummer bereiteten.

Der Fürst von Anhalt zählt mit Recht zu den größten Feldherren dieses Jahrhunderts. Er vereint vollendete Kriegserfahrung mit einer ausgeprägten Begabung für die Staatsangelegenheiten. Sein brutales Aussehen flößt Furcht ein und sein Gesichtsausdruck verleugnet seinen Charakter nicht. Sein maß[1]loser Ehrgeiz verleitet ihn zu allen möglichen Missetaten, um sein Ziel zu erreichen. Er ist ein treuer Freund, aber ein unversöhnlicher Feind und über die Maßen rachsüchtig gegenüber denen, die das Pech haben, ihn zu beleidigen. Er ist grausam und falsch; er ist gebildet und sehr angenehm in der Konversation, wenn er es will.

Herr von Grumbkow zählt ohne Zweifel zu den schlauesten Ministern, die es seit langem gegeben hat. Er ist ein äußerst höflicher Mann, gewandt und geistreich in der Konversation; als gebildeter Kopf und anpassungsfähiger Schmeichler weiß er vor allem dank seiner gnadenlosen Spottlust zu gefallen, einer heutzutage stark in Mode gekommenen Fähigkeit. Er vermag zugleich ernst und gefällig aufzutreten. Hinter diesem schönen Äußerem verbergen sich Heimtücke, Egoismus und Perfidie. Seine Lebensführung ist unmoralisch bis zum Exzess; sein gesamter Charakter ist nichts als eine Ansammlung von Lastern, die ihn zum Abscheu aller Leute von Ehre gemacht haben.

Von solchem Schlag waren die Günstlinge des Kronprinzen. Als enge Freunde und Vertraute waren sie, wie man sich denken kann, ohne weiteres in der Lage, schädlichen Einfluss auf einen jungen Prinzen auszuüben und ein ganzes Staatswesen zum Umsturz zu bringen. Ihr Plan, an die Macht zu kommen, wurde durch die Heirat des Kronprinzen vereitelt. Der Fürst von Anhalt konnte es der Kronprinzessin nicht verzeihen, dass sie den Vorzug vor seiner Nichte erhalten hatte. Er fürchtete, dass sie das Herz ihres Gatten gewinnen könnte. Um das zu verhindern, versuchte er, Zwietracht zwischen ihnen zu säen. Um von der Neigung des Kronprinzen zur Eifersucht zu profitieren, legte er es darauf an, ihn auf seine Gattin eifersüchtig zu machen. Die arme Prinzessin erlitt ein wahres Martyrium unter dem Jähzorn des Kronprinzen; und welche Tugendbeweise auch immer sie abzulegen vermochte, sie konnte ihn am Ende einzig durch ihre Duldsamkeit von seiner Voreingenommenheit abbringen, die man ihm ihr gegenüber eingeflößt hatte.

Die Prinzessin wurde unterdessen schwanger und gebar 1707 einen Sohn. Die Freude über diese Geburt wandelte sich rasch in Trauer, als der Prinz ein Jahr später starb. Eine zweite Schwangerschaft weckte im ganzen Land wieder Hoffnung. Die Kronprinzessin brachte am 3. Juli 1709 eine Prinzessin zur Welt, die übel aufgenommen wurde, weil alle leidenschaftlich einen Prinzen herbeisehnten. Diese Tochter ist meine Wenigkeit. Ich erblickte das Licht der Welt zur selben Zeit, als die Könige von Dänemark und Polen in Potsdam waren, um hier den Bündnisvertrag gegen Karl XII., den König von Schweden, zu unterzeichnen und so die Auseinandersetzungen in Polen beizulegen. Diese beiden Herrscher und der König, mein Großvater, waren meine Paten und nahmen an meiner Taufe teil, bei der es sehr feierlich, prunkvoll und prächtig zuging. Man nannte mich Friederike Sophie Wilhelmine.[2]

Königin Sophie Dorothea von Preußen, Porträtgemälde, Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, nach 1737

König Friedrich Wilhelm I. von Preußen, Porträtgemälde, Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, nach 1737

Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth als Kind, Antoine Pesne, um 1711

Kinderporträt Wilhelmines und Friedrichs im Alter von sechs bzw. vier Jahren, Antoine Pesne, 1716

Der König, mein Großvater, gewann mich rasch sehr lieb. Mit eineinhalb Jahren war ich viel weiter fortgeschritten als die übrigen Kinder, sprach recht deutlich und lief mit zwei Jahren selbständig. Meine Albereien zerstreuten den guten König, der sich mit mir ganze Tage lang amüsierte.

Im Jahr darauf gebar die Kronprinzessin nochmals einen Prinzen, der ihr ebenfalls genommen wurde. Die vierte Schwangerschaft schenkte im Januar des Jahres 1712 einem dritten Prinzen, der Friedrich genannt wurde, das Leben. Mein Bruder und ich wurden der Obhut von Frau von Kamecke anvertraut, der Frau des Oberhofmeisters und großen Günstlings des Königs. Doch wenig später, als die Kronprinzessin nach Hannover gereist war, um den Kurfürsten, ihren Vater, zu besuchen, empfahl ihm Frau von Kielmansegg, die spätere Lady Darlington, ein Fräulein aus ihrer Begleitung, das sich um meine Erziehung kümmern sollte. Diese Person hieß Leti und war die Tochter eines italienischen Mönchs, der aus seinem Kloster entflohen war, um sich in Holland niederzulassen, wo er dem katholischen Glauben abgeschworen hatte. Seine Feder lieferte ihm das zum Unterhalt Notwendige. Er ist Verfasser der heftig kritisierten Geschichte Brandenburgs und der Biographien Karls V. und Philipps II. Seine Tochter hatte ihren Lebensunterhalt mit der Korrektur von Zeitungen verdient. Ihr Verstand und ihr Herz waren italienisch, also sehr lebhaft, sehr anpasslerisch und sehr rachsüchtig. Sie war egoistisch, überheblich und aufbrausend. Ihre Sitten verleugneten ihre Herkunft nicht; ihre Koketterie lockte etliche Verehrer an, die sie nicht lange schmachten ließ. Ihre Manieren waren holländisch, also äußerst ungeschliffen; aber sie verstand es, diese Fehler unter einem derart schönen Äußeren zu verbergen, dass sie alle bezauberte, die sie sahen. Die Kronprinzessin war von ihr geblendet wie alle anderen und beschloss, ihr bei mir eine Anstellung als Fräulein zu geben, mit dem Vorrecht allerdings, mich überallhin zu begleiten und zu meiner Tafel Zugang zu erhalten.

Der Kronprinz hatte seine Gattin nach Hannover begleitet. Die Kurfürstin hatte dort 1707 einen Kurprinzen geboren. Da wir vom Alter her zueinander passten, wollten unsere Eltern ihre Freundschaftsbande noch enger knüpfen, indem sie uns füreinander bestimmten. Zur selben Zeit begann mein kleiner Verehrer, mir Geschenke zu schicken, und es verging keine Post, ohne dass die beiden Prinzessinnen sich über die künftige Verbindung ihrer Kinder unterhielten.

Schon seit einiger Zeit ging es dem König, meinem Großvater, gar nicht gut; immer wieder einmal hatte man Hoffnung auf Wiederherstellung seiner Gesundheit gehabt, aber seine äußerst schwache Konstitution vermochte den Attacken der Schwindsucht nicht lange Widerstand zu leisten. Er verschied [7] im Februar des Jahres 1713. Als man ihm seinen Tod ankündigte, unterwarf er sich standhaft und ergeben dem Ratschluss der göttlichen Vorsehung. Als er sein Ende nahen fühlte, nahm er Abschied vom Prinzen und der Kronprinzessin und trug ihnen auf, für das Heil des Landes und das Wohl seiner Untertanen Sorge zu tragen. Er ließ meinen Bruder und mich anschließend holen und erteilte uns um acht Uhr abends seinen Segen. Sein Tod folgte alsbald auf diese Trauerzeremonie. Er verschied am 25. Februar, allseits im gesamten Königreich beklagt und beweint.

Noch am Tag seines Todes ließ sich König Friedrich Wilhelm, sein Sohn, die Liste seines Hofstaats geben und bildete Letzteren völlig um, mit der Maßgabe, dass niemand sich vor der Beisetzung des verschiedenen Königs entferne. Ich übergehe mit Schweigen die Pracht der Trauerfeierlichkeiten. Sie fanden erst einige Monate später statt. In Berlin nahm alles ein anderes Gesicht an. Diejenigen, welche die Gewogenheit des neuen Königs behalten wollten, legten Helm und Harnisch an: Alles wurde militärisch, und vom früheren Hof blieb nicht die geringste Spur erhalten. Herr von Grumbkow wurde an die Spitze der Staatsgeschäfte gestellt und der Fürst von Anhalt erhielt den Oberbefehl über die Armee. Es waren diese beiden Persönlichkeiten, die sich des Vertrauens des jungen Monarchen bemächtigten und ihm die Last der Staatsgeschäfte zu tragen halfen. Das ganze Jahr verging allein damit, sie zu regeln und die Finanzen in Ordnung zu bringen, die sich durch die ungeheuren Verschwendungen des verschiedenen Königs in einiger Unordnung befanden.

Das folgende Jahr brachte ein neues, für die Königin und den König sehr wichtiges Ereignis. Das war der Tod der Königin Anna von Großbritannien. Der Kurfürst von Hannover, der durch den Ausschluss des Kronprätendenten oder, besser gesagt, des Sohns Jakobs II., ihr Erbe geworden war, begab sich nach England, um den Thron zu besteigen. Der Kurfürst, sein Sohn, begleitete ihn dorthin und nahm den Titel eines Prinzen von Wales an. Dieser ließ seinen Sohn, der zum Herzog von Gloucester ernannt wurde, in Hannover zurück, weil er ihm in einem so zarten Alter eine Überquerung des Meeres nicht zumuten wollte. Die Königin, meine Mutter, gebar zur selben Zeit eine Prinzessin, die man Friederike Luise nannte.

Mein Bruder ließ unterdessen eine sehr schwache Konstitution erkennen. Sein schweigsames Gemüt und seine geringe Lebhaftigkeit gaben zu berechtigten Sorgen um sein Leben Anlass. Seine häufigen Krankheiten ließen die Hoffnungen des Fürsten von Anhalt bald wieder steigen. Um seinen Einfluss zu erhalten und noch zu vermehren, überredete er den König, ich solle seinen Neffen heiraten. Dieser Prinz war ein leiblicher Cousin des Königs. Der Kur[8]fürst Friedrich Wilhelm, ihr Ahn, hatte zwei Frauen gehabt. Mit der Prinzessin von Oranien, die er in erster Ehe heiratete, hatte er Friedrich I. und zwei Prinzen, die kurz nach ihrer Geburt starben. Die zweite Gattin, die Prinzessin von Holstein-Glücksburg, eine Witwe des Herzogs Christian Ludwig von Lüneburg, schenkte ihm fünf Prinzen und drei Prinzessinnen, und zwar Karl, der auf Geheiß seines königlichen Bruders in Italien vergiftet wurde, Prinz Kasimir, ebenfalls vergiftet von einer Prinzessin von Holstein, die zu heiraten er sich geweigert hatte, sowie die Prinzen Philipp, Albrecht und Ludwig. Der erste dieser drei Prinzen heiratete eine Prinzessin von Anhalt, die Schwester desjenigen, den ich beschrieben habe. Er hatte mit ihr zwei Söhne und eine Tochter. Nach dem Tod des Markgrafen Philipp wurde sein ältester Sohn, der Markgraf von Schwedt, der erste Prinz von Geblüt und mutmaßlicher Thronerbe im Fall des Aussterbens der königlichen Linie. In diesem letzten Fall fielen mir alle Allodialländer und -güter zu.

Da der König nur einen Sohn hatte, machte ihn der Fürst von Anhalt mit Unterstützung Grumbkows glauben, es sei politisch geboten, mich mit seinem Cousin, dem Markgrafen von Schwedt, zu vermählen. Sie brachten vor, die schwächliche Gesundheit meines Bruders gestatte keine großen Aussichten für sein Überleben und die Königin werde allmählich so beleibt, dass zu befürchten sei, sie könne keine Kinder mehr bekommen; der König müsse rechtzeitig an den Erhalt seiner Staaten denken, die zerstückelt würden, wenn ich eine andere Ehe einginge; und schließlich würde sein Schwiegersohn und Nachfolger an die Stelle des Sohnes treten, falls er das Unglück hätte, meinen Bruder zu verlieren.

Der König begnügte sich eine Zeitlang damit, ihnen nur ausweichende Antworten zu geben; aber am Ende schafften sie es, ihn zu Saufgelagen zu schleppen, wo er im Weinrausch ihren Wünschen nachgab. Es wurde sogar vereinbart, dass der Markgraf von Schwedt von nun an Zutritt bei mir hätte und mit allen möglichen Mitteln versucht werden sollte, uns gegenseitige Zuneigung einzuflößen. Die von der Anhalter Clique bestochene Leti lobte unaufhörlich den Markgrafen von Schwedt in den höchsten Tönen und setzte jedes Mal noch hinzu, er würde einmal ein großer König und ich könne mich höchst glücklich schätzen, wenn ich ihn heiraten dürfe.

Dieser 1700 geborene Fürst war für sein Alter schon recht groß. Sein Gesicht ist schön, aber sein Gesichtsausdruck überhaupt nicht einnehmend. Obwohl er erst 15 Jahre alt war, zeigte sich schon sein übler Charakter: Er war brutal und grausam, hatte ungeschliffene Manieren und niedere Instinkte. Ich empfand eine natürliche Abneigung gegen ihn und versuchte, ihm Streiche zu spielen und ihn zu erschrecken, denn er war ein Angsthase. Die Leti [9] verstand da keinen Spaß und bestrafte mich hart. Die Königin, die von dem Zweck der Besuche des Fürsten nichts wusste, duldete sie umso eher, als ich auch die der übrigen Prinzen von Geblüt empfing und sie angesichts meines zarten Alters ohne Belang waren.

Trotz aller Anstrengungen hatten es die beiden Günstlinge bis dahin noch nicht geschafft, zwischen dem König und der Königin Zwietracht zu säen. Doch obwohl der König sie leidenschaftlich liebte, behandelte er sie dennoch schlecht und ließ sie in keiner Weise an den Staatsgeschäften teilhaben. Er ging so mit ihr um, weil man, wie er zu sagen pflegte, die Frauen unter der Fuchtel halten müsse, sonst tanzten sie ihren Männern auf der Nase herum. Dennoch dauerte es nicht lange, bis sie von dem Plan meiner Verheiratung erfuhr. Der König vertraute ihn ihr an: Das traf sie wie der Blitz.

Es ist angebracht, dass ich an dieser Stelle eine Vorstellung von ihrem Charakter und ihrem Aussehen gebe. Die Königin ist niemals schön gewesen; ihre Züge sind ausgeprägt, doch keiner von ihnen ist schön. Sie hat helle Haut, ihre Haare sind dunkelbraun, ihre Figur war eine der schönsten der Welt. Ihre edle, majestätische Haltung flößt allen, die sie sehen, Respekt ein. Ihre große Weltgewandtheit und ihr glänzender Kopf versprechen mehr Ernsthaftigkeit, als sie besitzt. Sie hat ein gutes, weites, wohltätiges Herz; sie schätzt die schönen Künste und die Wissenschaften, ohne sich groß mit ihnen abgegeben zu haben. Jeder hat seine Fehler, sie ist davon nicht ausgenommen. Der ganze Stolz und Hochmut des Hauses Hannover sind in ihr vereint. Ihr Ehrgeiz ist maßlos, ihre Eifersucht ohne Maß, ihr Gemüt misstrauisch und rachsüchtig und sie verzeiht niemals denen, durch die sie sich beleidigt glaubt.

Die Allianz mit England, die sie durch die Heirat ihrer Kinder geplant hatte, lag ihr sehr am Herzen, weil sie sich einbildete, dadurch nach und nach die Oberhand über den König zu gewinnen. Ihr weiteres Ziel war es, sich einen starken Schutz gegen die Verfolgungen des Fürsten von Anhalt zu verschaffen und die Vormundschaft über meinen Bruder zu erhalten für den Fall, dass der König nicht mehr da sein sollte. Der Herrscher befand sich häufig unpässlich und man hatte der Königin versichert, dass er nicht mehr lange zu leben habe.

Ungefähr zu dieser Zeit erklärte der König den Schweden den Krieg. Die preußischen Truppen begannen im Mai ihren Einmarsch nach Pommern, wo sie sich mit den dänischen und sächsischen Truppen vereinten. Man eröffnete den Feldzug mit der Einnahme der Festung Wismar. Die gesamte vereinte Armee von 36.000 Mann marschierte dann nach Stralsund, um es zu belagern. Die Königin, meine Mutter, begleitete trotz erneuter Schwangerschaft [10] den König auf diesem Feldzug. Ich werde hiervon keine detaillierte Darstellung geben: Er endete ruhmreich für den König, meinen Vater, der die Herrschaft über einen großen Teil von Schwedisch-Pommern gewann.

Man vertraute mich während der Abwesenheit meiner Mutter allein der Obhut der Leti an, und Frau von Roucoulles, die den König aufgezogen hatte, wurde mit der Erziehung meines Bruders betraut. Die Leti gab sich unendliche Mühe, um mich zu bilden; sie lehrte mich die wichtigsten Grundzüge der Geschichte und Geographie und versuchte gleichzeitig, mir gute Umgangsformen beizubringen. Die große Zahl an Leuten von Welt, denen ich begegnete, trug dazu bei, dass ich Manieren annahm; ich war recht lebhaft und ein jeder machte sich ein Vergnügen daraus, sich mit mir zu unterhalten.

Die Königin war bei ihrer Rückkehr entzückt von meinem Auftreten. Ihre überschwänglichen Liebkosungen riefen in mir eine solche Freude hervor, dass mein ganzes Blut darüber in Wallung geriet und ich einen Blutsturz bekam, der mich fast ins Jenseits befördert hätte. Nur durch ein Wunder erholte ich mich von diesem Vorfall, der mich einige Wochen ans Bett fesselte. Kaum war ich wiederhergestellt, da wollte die Königin meine wunderbare Leichtigkeit im Lernen nutzen. Sie gab mir mehrere Lehrer, darunter den berühmten La Croze, der sich mit seinem Wissen in der Geschichte, den orientalischen Sprachen und der christlichen und heidnischen Antike einen Namen gemacht hatte. Die einander abwechselnden Lehrer hielten mich den ganzen Tag in Beschlag und ließen mir nur ganz wenig Zeit zur Entspannung.

Obwohl fast alle Adligen, die den Hof von Berlin bildeten, Militärs waren, war er dennoch durch die dorthin geströmten Ausländer sehr groß. Die Königin gab während der Abwesenheit des Königs allabendlich Empfänge. Dieser war die meiste Zeit über in Potsdam, einer kleinen vier Meilen von Berlin entfernten Stadt. Er lebte dort eher wie ein Edelmann denn wie ein König, seine Tafel war einfach, es gab da nur das Nötigste. Seine Hauptbeschäftigung war es, einem Regiment Disziplin beizubringen, das er zu Lebzeiten Friedrichs I. begonnen hatte aufzustellen und das sich aus Riesen von sechs Fuß Größe zusammensetzte. Alle europäischen Herrscher waren eifrig darum bemüht, Rekruten hierfür zu stellen. Man konnte dieses Regiment als Gunstkanal bezeichnen, denn es reichte, dem König große Männer zu schenken oder zu verschaffen, um jeden Wunsch von ihm erfüllt zu bekommen. Er ging nachmittags auf Jagd und veranstaltete abends Tabakkollegium mit seinen Generälen. [11]

Es gab zu dieser Zeit viele schwedische Offiziere in Berlin, die bei der Belagerung von Stralsund gefangen genommen worden waren. Einer dieser Offiziere, mit Namen Kron, hatte durch sein astrologisches Wissen Berühmtheit erlangt. Die Königin war begierig, ihn zu sehen. Er prophezeite ihr, sie würde eine Prinzessin gebären. Er weissagte meinem Bruder, er würde einer der größten Herrscher, die jemals regiert hätten, große Eroberungen machen und als Kaiser sterben. Meine Hand zeigte weniger Glück an als die meines Bruders. Er untersuchte sie lange und sagte kopfschüttelnd, dass mein gesamtes Leben nichts als eine Kette von Schicksalsschlägen würde, dass ich von vier gekrönten Häuptern, denen von Schweden, England, Russland und Polen, umworben werden würde und ich dennoch niemals einen dieser Könige heiraten würde. Diese Weissagung erfüllte sich, wie wir in der Folge sehen werden.

Ich kann nicht umhin, an dieser Stelle von einer Begebenheit zu berichten, die den Leser mit dem Charakter Grumbkows vertraut machen wird, und obwohl sie keinen Bezug zu den Memoiren meines Lebens hat, trotzdem unterhalten wird. Die Königin hatte unter ihren Damen ein Fräulein von Wakenitz, die zu dieser Zeit ihre Favoritin war. Die Mutter dieses Fräuleins war Erzieherin der Markgräfin Albrecht, einer Tante des Königs. Frau von Wakenitz verbarg unter dem äußeren Anschein von Frömmigkeit ein höchst skandalöses Leben: Ihr intrigantes Wesen brachte sie dazu, sich und ihre Töchter den Günstlingen des Königs und denen, welche mit den Staatsgeschäften befasst waren, feilzubieten; auf diesem Weg erfuhr sie von Staatsgeheimnissen, die sie umgehend an den Grafen von Rothenburg, den französischen Gesandten, verkaufte. Zu diesem Zweck zog Frau von Wakenitz Herrn Kreutz, einen Günstling des Königs, hinzu. Dieser Mensch war Sohn eines Schultheißen. Vom Regimentsauditor war er zum Rang eines Finanzdirektors und Ministers aufgestiegen. Seine Seele war ebenso niedrig wie seine Herkunft; er war ein Ausbund von Lastern. Obwohl sein Charakter dem Grumbkows äußerst ähnlich war, waren sie geschworene Feinde, die einander ihre Gunst neideten. Kreutz genoss das Wohlwollen des Königs, weil er sich darum gekümmert hatte, die Schatzkammern des Königs zu füllen und seine Einkünfte auf Kosten des armen Volkes zu erhöhen. Er war begeistert von dem Plan der Frau von Wakenitz, stimmte dieser doch mit seinen Absichten überein. Wenn er eine Mätresse beim König unterbrächte, könnte er sich eine Stütze verschaffen und damit erreichen, Grumbkows Stellung als Günstling zu unterminieren und selbst allein das Denken des Königs und die Staatsgeschäfte zu bestimmen. Er übernahm es, der künftigen Haremsdame die Mittel und Wege beizubringen, die zum Erfolg führten. Mehrere Verabredungen mit ihr weckten in ihm eine starke Leidenschaft für dieses Fräulein. Er war äu[12]ßerst vermögend. Die prachtvollen Geschenke, die er ihr machte, entwaffneten rasch die spröde Schöne; sie gab sich ihm hin, ohne jedoch ihren ursprünglichen Plan aus den Augen zu verlieren. Kreutz besaß geheime Kundschafter in der Umgebung des Königs. Diese Schurken versuchten, ihn durch Sprüche, die sie im rechten Moment fallen ließen, gegenüber der Königin mit Abneigung zu erfüllen. Man rühmte vor ihm sogar die Schönheit der Wakenitz und ließ keine Gelegenheit aus, ihm das Glück, eine so reizende Person zu besitzen, vor Augen zu führen. Grumbkow, der seine Spione überall hatte, blieben diese Machenschaften nicht lange verborgen. Er wollte schon, dass der König Mätressen hatte, aber er wollte es sein, der sie ihm verschaffte. Er beschloss also, diese ganze Intrige zu vereiteln und sich derselben Waffen zu bedienen, die Kreutz gegen ihn zu seiner Vernichtung einsetzen wollte. Die Wakenitz war schön wie ein Engel, aber ihr Esprit war nur aufgesetzt. Schlecht erzogen, besaß sie ein ebenso böses Herz wie ihre Mutter und obendrein eine unerträgliche Überheblichkeit. Ihre Lästerzunge machte gnadenlos alle herunter, die das Pech hatten, ihr zu missfallen.

Von daher ist wohl klar, dass sie kaum Freunde hatte. Grumbkow, der sie hatte ausspionieren lassen, erfuhr, dass sie ausgedehnte Konferenzen mit Kreutz hatte, die sich offensichtlich nicht immer um Staatsgeschäfte drehten. Um vollständige Aufklärung zu bekommen, bediente er sich eines Küchenjungen, der einen ausreichend hellen Kopf für die Rolle besaß, die er spielen sollte. Er wählte die Zeit, zu der der König und die Königin in Stralsund waren, um sein Vorhaben auszuführen. Eines Nachts, als alles in Schlaf versunken war, erhob sich schrecklicher Lärm im Palast. Alle Welt wachte auf im Glauben, dass es Feuer war, doch man war höchst überrascht zu erfahren, dass ein Gespenst diesen ganzen Lärm verursachte. Die vor dem Gemach meines Bruders und dem meinen aufgestellten Wachen waren halbtot vor Angst und sagten, sie hätten diesen Geist vorbeigehen und in einen Gang einbiegen sehen, der zu den Damen der Königin führte. Der wachhabende Offizier verdoppelte sofort die Posten vor unseren Schlafzimmern und ging selbst auf Durchsuchung des ganzen Schlosses, ohne etwas zu finden. Sobald er sich jedoch zurückgezogen hatte, erschien der Geist aufs Neue und erschreckte die Wachen derart, dass man sie ohnmächtig auffand. Sie sagten, das sei der Oberteufel, den die schwedischen Zauberer entsandt hätten, um den Kronprinzen zu töten.

Am folgenden Tag war die ganze Stadt in Aufruhr; man fürchtete, dass es sich um einen Anschlag der Schweden handelte, die unter Mithilfe dieses Geistes Feuer im Palast legen und versuchen könnten, meinen Bruder und mich zu entführen. Man ergriff also sämtliche für unsere Sicherheit und die Ergreifung des Gespenstes notwendigen Vorsichtsmaßnahmen. Erst in der [13] dritten Nacht fing man den sogenannten Teufel. Durch seinen Einfluss fand Grumbkow Mittel und Wege, ihn durch seine Kreaturen untersuchen zu lassen. Er machte beim König einen Scherz daraus und ließ die strenge Bestrafung, die der Herrscher an dem Unglücklichen vollziehen lassen wollte, in eine mildere abwandeln, wonach er drei Tage lang auf einem Holzesel in seinem gesamten Geisteraufzug reiten musste. Grumbkow jedoch bekam aus dem falschen Teufel heraus, was er wissen wollte, das heißt, die nächtlichen Zusammenkünfte von Kreutz und der Wakenitz. Überdies berichtete ihm die Kammerfrau jener Dame, die er erfolgreich mit Geld bestochen hatte, dass ihre Herrin schon einmal eine Fehlgeburt gehabt hatte und gerade schwanger war. Er wartete die Rückkehr des Königs nach Berlin ab, um ihm diese Skandalgeschichte mitzuteilen. Den König ergriff heftiger Zorn auf dieses Fräulein und er wollte sie auf der Stelle vom Hof jagen, aber die Königin erreichte es durch ihre Bitten, dass sie noch eine Weile bleiben konnte, um sie unter einem Vorwand in Gnaden zu entlassen. Der König gewährte ihr nur unter größten Schwierigkeiten diese Gnadenfrist, verlangte jedoch von der Königin, dass sie ihr noch am selben Tage ihre Entlassung ankündigte. Er erzählte ihr sämtliche Intrigen dieses Fräuleins und all ihre Bemühungen, seine Mätresse zu werden. Die Königin ließ sie holen. Sie hatte für diese Kreatur eine Schwäche, die sie nicht zu überwinden vermochte. Sie sprach mit ihr in Gegenwart von Frau von Roucoulles, die sie angesichts ihrer Schwangerschaft nicht alleinlassen wollte. Sie erklärte ihr den Befehl des Königs und wiederholte ihr vollständig die Worte des Herrschers. „Sie müssen sich dem Willen des Königs unterwerfen“, fügte sie hinzu, „in drei Wochen komme ich nieder; wenn ich einen Sohn zur Welt bringe, werde ich als erstes um Ihre Begnadigung bitten.“ Weit davon entfernt, die Güte der Königin anzuerkennen, schaffte die Wakenitz es nur mit Mühe, das Ende ihrer Worte abwarten. Sie erklärte ihr unumwunden, sie habe mächtige Unterstützer, die sie zu schützen wüssten. Die Königin wollte ihr antworten, doch das Fräulein geriet in so heftigen Zorn, dass sie tausend Flüche gegen die Königin und gegen das Kind, das sie trug, ausstieß. Die Rage, von der sie besessen war, ließ sie in Zuckungen ausbrechen. Frau von Roucoulles führte die Königin fort, die ganz verwirrt war. Sie wollte den König überhaupt nicht von dieser ganzen Unterredung informieren, weil sie immer noch hoffte, ihn besänftigen zu können; doch die Wakenitz vereitelte selbst diese guten Absichten. Sie ließ tags darauf eine heftige Schmähschrift gegen den König und die Königin anschlagen. Die Verfasserin war bald entdeckt. Der König verstand nun keinen Spaß mehr und ließ sie in Schande vom Hof jagen. Die Mutter folgte ihr auf dem Fuße.[14]

Grumbkow verriet dem König die Intrigen dieser Dame mit dem französischen Botschafter. Sie konnte von Glück reden, mit dem Exil davonzukommen und nicht für den Rest ihres Lebens in Festungshaft eingesperrt zu werden. Kreutz hielt sich in seiner Gunst trotz aller Bemühungen seines Gegners, ihn zu stürzen. Was die Königin angeht, so tröstete sie sich bald über den Verlust dieses Fräuleins hinweg. Frau von Blaspiel folgte ihr als Favoritin nach.

Kurze Zeit nach dieser schönen Geschichte brachte die Königin einen Sohn zur Welt. Seine Geburt löste allgemeine Freude aus; er wurde Wilhelm genannt. Dieser Prinz starb 1719 an Ruhr. Die Schwester des Markgrafen von Schwedt verheiratete sich ebenfalls in diesem Jahr mit dem Erbprinzen von Württemberg. Die Launen dieser Prinzessin sind schuld daran, dass das Herzogtum Württemberg in die Hände der Katholiken fiel.

Ich will dieses Jahr abschließen mit der Erfüllung einer der Prophezeiungen, die mir der schwedische Offizier gemacht hatte. Graf Poniatowski traf zu dieser Zeit inkognito in Berlin ein; er war seitens des schwedischen Königs Karl XII. dorthin geschickt worden. Da der Graf mit dem Großmarschall von Printzen zu der Zeit, als beide Botschafter in Russland waren, eine besonders gute Bekanntschaft geschlossen hatte, wandte er sich an ihn, um eine Geheimaudienz beim König zu erhalten. Dieser begab sich in der Abenddämmerung zu Herrn von Printzen, der damals im Schloss wohnte. Herr von Poniatowski machte ihm seitens des schwedischen Hofes sehr vorteilhafte Vorschläge und schloss mit dem Herrscher einen Vertrag ab, der immer derart sorgfältig geheim gehalten wurde, dass ich nur zwei Artikel davon in Erfahrung bringen konnte: den ersten, wonach der König von Schweden für immer Schwedisch-Pommern an den König abtreten und dieser ihm als Entschädigung eine sehr beträchtliche Summe zahlen sollte; der zweite Artikel war der Beschluss meiner Verheiratung mit dem schwedischen Monarchen; es wurde vereinbart, dass ich im Alter von zwölf Jahren nach Schweden gebracht sollte, um dort aufzuwachsen.

Ich konnte bis jetzt nur Dinge erzählen, die mich nicht persönlich betrafen. Ich war erst acht Jahre alt. Mein allzu zartes Alter erlaubte mir nicht, an dem teilzunehmen, was sich ereignete. Meine Lehrer gaben mir tagtäglich Beschäftigung und meine einzige Erholung war es, meinen Bruder zu besuchen. Niemals gab es eine Zuneigung, die der unseren gleichkam. Er war geistvoll, sein Gemüt war düster. Er dachte lange nach, bevor er antwortete, aber dafür gab er richtige Antworten. Er lernte nur schwer und man erwartete, dass er mit der Zeit mehr gesunden Menschenverstand als Geist besitzen würde. Ich hingegen war höchst lebhaft, hatte auf alles eine prompte Antwort und ein [15] wunderbares Gedächtnis; der König liebte mich über alles. Er hat niemals seinen übrigen Kindern so viel Aufmerksamkeit gewidmet wie mir. Mein Bruder dagegen war ihm verhasst und er begegnete ihm nie, ohne von ihm malträtiert zu werden, was ihm eine unüberwindliche Furcht vor seinem Vater einflößte, die er sogar bis ins Erwachsenenalter bewahrte.

Der König und die Königin unternahmen eine zweite Reise nach Hannover. Nachdem der König von Schweden und der von Preußen reiflich über die Verbindung nachgedacht hatten, die ihre Häuser miteinander eingehen sollten, fanden sie unser beider Alter so unpassend, dass sie beschlossen, sie aufzugeben. Der König von Preußen nahm sich vor, wieder diejenige mit dem Herzog von Gloucester zu knüpfen, die schon einmal aufs Tapet gekommen war.

König Georg I. von England willigte erfreut in diese Pläne ein, doch er wünschte, dass eine Doppelhochzeit ihre Freundschaftsbande noch enger knüpfen sollte, also auch noch die meines Bruders mit der Prinzessin Amelia, der zweiten Schwester des Herzogs. Diese doppelte Verbindung wurde beschlossen, zur großen Zufriedenheit der Königin, die sie immer so glühend herbeigewünscht hatte. Sie brachte meinem Bruder und mir die Verlobungsringe. Ich ging sogar eine Korrespondenz mit meinem kleinen Verehrer ein und erhielt mehrere Geschenke von ihm. Die Intrigen des Fürsten von Anhalt und Grumbkows gingen indessen weiter. Die Geburt meines zweiten Bruders hatte ihre Vorhaben lediglich gestört, ohne dass sie sie deshalb aus den Augen verloren hätten. Es war nur nicht der rechte Zeitpunkt, sie zu verwirklichen.

Die neue Verbindung, die der König mit England eingegangen war, schien ihnen kein unüberwindliches Hindernis. Da die Interessen der Häuser von Brandenburg und Hannover immer gegensätzlich gewesen waren, bauten sie darauf, dass ihre Einigkeit nicht von Dauer sein würde. Sie kannten von Grund auf das Gemüt des Königs, das leicht in Wallung geriet und der in seiner ersten Erregung keinerlei Maß kannte und unpolitisch handelte. Sie beschlossen also, ruhig abzuwarten, bis ein zu ihren Absichten passendes Ereignis eintreffen würde.

Genau in diesem Jahr deckte man eine geheime Verschwörung auf, die ein gewisser Klement angezettelt hatte. Er wurde der Majestätsbeleidigung angeklagt, der Fälschung der Unterschrift mehrerer großer Herrscher und des Versuchs, verschiedene Großmächte gegeneinander aufzubringen. Dieser Klement hielt sich in Den Haag auf und hatte mehrmals an den König geschrieben. Sein schlechtes Gewissen gestattete ihm nicht, diesen Zufluchtsort zu verlassen, und der König hatte es nicht geschafft, ihn in sein Land zu locken. Schließlich bediente er sich der Vermittlung eines kalvinistischen [16] Geistlichen namens Jablonski, um dieses Mannes habhaft zu werden. Jablonski, der mit ihm zusammen studiert hatte, begab sich nach Holland und verstand es so gut, ihn von der guten Aufnahme und den Ehren zu überzeugen, die ihm seitens des Königs zuteilwürden, dass er ihn am Ende dazu brachte, sich gemeinsam mit ihm nach Berlin zu begeben. Kaum hatte Klement einen Fuß auf den Boden von Kleve gesetzt, als er auch schon verhaftet wurde. Es war allgemeine Ansicht, dass dieser Mensch von hoher Abkunft war; die einen hielten ihn für einen natürlichen Sohn des Königs von Dänemark, die anderen für einen des Herzogs von Orléans, des Regenten von Frankreich. Seine große Ähnlichkeit mit dem Letzteren führte zu der Ansicht, dass er mit ihm verwandt war. Sobald er in Berlin angekommen war, eröffnete man den Prozess gegen ihn. Es wird behauptet, dass er dem König sämtliche Intrigen Grumbkows verriet und sich erbot, seine Beschuldigung durch Briefe dieses Ministers, die er dem König übergeben wollte, zu belegen. Grumbkow stand haarscharf vor seinem Sturz. Doch zum Glück für ihn konnte Klement die versprochenen Briefe nicht beibringen. Daher wurde seine Beschuldigung als Verleumdung betrachtet. Die Umstände seines Prozesses sind durchgehend so geheim gehalten worden, dass ich nur die wenigen Einzelheiten erfahren konnte, die ich soeben niedergeschrieben habe. Der Prozess dauerte sechs Monate, nach deren Ablauf man ihm das Urteil sprach. Es besagte, dass er dreimal mit der Zange gefoltert und anschließend gehängt werden sollte. Er vernahm die Verlesung seines Urteils mit heroischer Standhaftigkeit und ohne Gesichtsregung. „Der König“, sagte er, „ist Herr über mein Leben und meinen Tod; den habe ich mitnichten verdient; ich habe nur das getan, was die Gesandten des Königs tagtäglich tun. Sie versuchen, diejenigen der anderen Mächte hereinzulegen und zu täuschen, und sind nichts als ehrenwerte Spione an den Höfen. Wäre ich wie sie akkreditiert gewesen, dann wäre ich jetzt vielleicht ganz oben, statt mich ganz oben auf dem Galgen einzurichten.“ Seine Standfestigkeit verließ ihn bis zu seinem letzten Seufzer nicht. Man darf ihn zu den großen Begabungen zählen: Er hatte ein ausgedehntes Wissen, beherrschte mehrere Sprachen und begeisterte durch seine Redekunst. Er stellte sie in einer Rede unter Beweis, die er an das Volk richtete. Da sie gedruckt worden ist, übergehe ich sie mit Schweigen. Lehmann, einer seiner Komplizen, wurde gevierteilt; sie hatten einen weiteren Gesinnungsgenossen, der für ein anderes Verbrechen bestraft wurde. Er hieß Heydekampf und war zur Zeit der Herrschaft Friedrichs I. geadelt worden. Er hatte geäußert und geschrieben, dass der König kein legitimer Sohn sei. Er wurde zur Auspeitschung durch die Hand des Henkers verurteilt, für ehrlos erklärt und für den Rest seines Lebens in Spandau eingekerkert. [17]

Während der Haft Klements erkrankte der König lebensgefährlich an Nierenkolik, die mit starkem Fieber einherging. Er schickte auf der Stelle einen Kurier nach Berlin, um die Königin darüber zu informieren und sie zu bitten, ihn aufzusuchen. Die Königin machte sich unverzüglich auf den Weg und beeilte sich so, dass sie am Abend in Brandenburg eintraf. Sie fand den König sehr krank vor. In der Überzeugung, sein Tod sei nahe, war der Herrscher damit beschäftigt, sein Testament zu machen. Diejenigen, denen er seinen letzten Willen diktierte, waren Leute von anerkannter Rechtschaffenheit und Treue. Er ernannte darin die Königin zur Regentin des Königreichs während der Minderjährigkeit meines Bruders und den Kaiser sowie den König von England zu Vormunden des jungen Prinzen. Er erwähnte darin weder Grumbkow noch den Fürsten von Anhalt mit einem Wort, den Grund dafür kenne ich nicht. Dennoch hatte man einen Eilkurier einige Stunden vor der Ankunft der Königin zu ihnen geschickt, um ihnen aufzutragen, sich zu ihm zu begeben. Ich weiß nicht, was ihnen bei ihrem Aufbruch dazwischengekommen war. Der König hatte sein Testament nicht unterschrieben; es ist anzunehmen, dass er sie kommen ließ, um es ihnen auszuhändigen und vielleicht den einen oder anderen Artikel zu ihren Gunsten einzufügen. Er war so verärgert über ihre Verspätung und sein Zustand verschlimmerte sich so stark, dass er seine Unterschrift nicht länger hinausschob. Die Königin erhielt die Abschrift und das Original wurde in die Berliner Archive gebracht. Kaum war der Testamentsakt vollzogen, da wurde der Herrscher langsam ruhiger. Sein Regimentsarzt Holtzendorff wandte im rechten Moment ein zu jener Zeit stark in Mode gekommenes Medikament an: den Brechwurz. Dieses Mittel rettete ihm das Leben; das Fieber und die Schmerzen, unter denen er litt, nahmen gegen Morgen stark ab und machten zuversichtlich für seine Genesung. Das war der Beginn der Karriere und Gunst Holtzendorffs, worüber ich in der Folge noch zu reden habe.

Unterdessen trafen gegen Morgen der Fürst von Anhalt und sein Kumpan ein. Der König war ihnen gegenüber in großer Verlegenheit und auf heftige Vorwürfe von ihnen gefasst, weil er sie von seinem Testament ausgeschlossen hatte. Weil er nicht wusste, wie er sich aus der Affäre ziehen sollte, verlangte er von der Königin, den Zeugen und denen, die das Testament aufgesetzt hatten, den Inhalt in ewiges Schweigen zu hüllen. Trotz aller Vorkehrungen des Königs erfuhren die beiden Betroffenen bald, was passiert war. Die Geheimniskrämerei, die man darum veranstaltete, ließ sie auf die Wahrheit der Sache schließen, zumal sie erfuhren, dass die Kopie dieser Akte der Königin übergeben worden war. Das war ein vernichtender Schlag für sie. Dem König ging es besser, aber er war noch nicht vollständig außer Gefahr. Sie wagten nicht, ihn darauf anzusprechen, weil jede noch so kleine [18] Aufregung ihn das Leben kosten konnte. Aber ihre Besorgnis ging schnell vorüber; seine Krankheit ging so stark zurück, dass er nach acht Tagen vollständig wiederhergestellt war. Sobald er in der Lage war auszugehen, kehrte er nach Berlin zurück. Von dort begab er sich nach Wusterhausen, wohin ihm die Königin folgte.

Der König wurde von Tag zu Tag argwöhnischer und misstrauischer. Seit der Aufdeckung der Intrigen von Klement ließ er sich alle Briefe von und nach Berlin aushändigen und legte sich nicht mehr schlafen, ohne sein Schwert und ein paar geladene Pistolen neben seinem Bett zu haben. Der Fürst von Anhalt und Grumbkow schliefen nicht, die Geschichte mit dem Testament lag ihnen immer noch auf der Seele und ihre früheren Pläne hatten sie auch nicht aufgegeben. Der König und mein Bruder waren zu jener Zeit bei recht schwächlicher Gesundheit und mein zweiter Bruder lag noch in der Wiege. Ihre Schläue ließ sie Mittel und Wege finden, den Inhalt dieses für sie wichtigen Aktenstückes zu erfahren und es den Händen der Königin womöglich zu entwinden; sie hatten keinen Zweifel, dass sie, wenn ihnen dies gelänge, es schaffen würden, das Testament kassieren zu lassen, den König und die Königin völlig zu entzweien und ihre Pläne in die Tat umzusetzen. Folgendermaßen stellten sie es an: Ich habe schon Frau von Blaspiel, die Favoritin der Königin, erwähnt. Diese Dame konnte man als Schönheit bezeichnen; ihr zugleich heiterer und gründlicher Sinn erhöhte noch die Reize ihres Äußeren. Ihr Herz war edel und aufrichtig, aber zwei wesentliche Schwächen, die leider der überwiegende Teil des weiblichen Geschlechts besitzt, überschatteten diese schönen Eigenschaften: Sie war intrigant und kokett. Ein sechzigjähriger gichtbrüchiger, unansehnlicher Ehemann war ein nur schwer verdaulicher Appetithappen für eine junge Frau. Etliche Leute behaupteten sogar, dass sie mit ihm wie die Kaiserin Pulcheria mit Kaiser Marcian zusammengelebt habe. Graf Manteuffel, der sächsische Gesandte am Hof von Preußen, hatte einen Weg gefunden, ihr Herz zu rühren. Ihre Liebesbeziehung hatten sie bis dahin so heimlich betrieben, dass man niemals auch nur den geringsten Zweifel an der Tugend dieser Dame gehabt hatte. Der Graf unternahm eine kurze Reise nach Dresden. Um sich über die Abwesenheit seiner Geliebten hinwegzutrösten, schrieb er ihr mit jeder Post und erhielt von ihr Antwort. Diese fatale Korrespondenz war für das Unglück von Frau von Blaspiel verantwortlich: Ihre Briefe und die ihres Liebhabers fielen dem König in die Hände. Der misstrauische König argwöhnte Staatsintrigen und zeigte sie Grumbkow, um Aufklärung zu bekommen. Der war erfahrener in der Sprache der Liebe als der König und erriet sofort die Wahrheit. Er ließ sich indessen nichts anmerken, betrachtete er doch diesen Zufall als den glücklichsten, der ihm passieren konnte. Er war ein vertrauter Freund [19] Manteuffels und stand mit dem König von Polen auf gutem Fuße. Der hatte Grund, große Rücksicht auf den Berliner Hof zu nehmen. Der schwedische König Karl XII. war noch am Leben, was ihn andauernd neue Umstürze in Polen befürchten ließ, vor denen ihn die Unterstützung durch den König, meinen Vater, bewahren konnte. Grumbkow bot seine Dienste an und verpflichtete sich, immer ein gutes Einvernehmen zwischen den beiden Höfen zu halten, wenn er seine Ziele unterstützte und dem Grafen Manteuffel dahingehend Instruktionen gebe. Der König von Polen zögerte nicht mit seiner Zustimmung und schickte den Gesandten nach Berlin zurück. Grumbkow eröffnete ihm die ganze Geschichte um das Testament; er wies ihn sogar darauf hin, dass er über seine Liebesbeziehung mit Frau von Blaspiel Bescheid wusste und dass man von ihm verlangte, diese Frau dazu zu bringen, das Testament des Königs den Händen der Königin zu entwinden. Die Sache war heikel: Manteuffel kannte ihre Ergebenheit für die Königin. Dennoch riskierte er es, sie darauf anzusprechen. Frau von Blaspiel fiel es äußerst schwer, seinen Wünschen nachzugeben; doch die Liebe ließ sie am Ende vergessen, was sie sich selbst und ihrer Herrin schuldig war. Von den Ergebenheitsbeteuerungen Manteuffels gegenüber der Königin geblendet, hielt Frau von Blaspiel die Angelegenheit für nicht so gravierend, und da sie um ihre absolute Kontrolle über den Willen der Königin wusste, spielte sie derart verschiedene Rollen, dass sie es am Ende schaffte, sie zu überreden, ihr das verhängnisvolle Schriftstück anzuvertrauen – unter der Bedingung immerhin, es ihr nach der Lektüre zurückzugeben … war nicht weniger ereignisträchtig. Kaum sah sich Graf Manteuffel im Besitz des Testaments, fertigte er eine Abschrift davon an, die er Grumbkow übergab. Die Pläne des Ministers hatten sich nur halb erfüllt, denn sein Augenmerk war auf das Original gerichtet. Er zweifelte nicht daran, dass er es bei geschicktem Vorgehen mit der Zeit bekäme. Die Königin gewann nach und nach die Oberhand über das Denken des Königs. Sie besorgte ihm Rekruten für sein Regiment und der König von England bezeugte ihm äußerste Aufmerksamkeit. Die kühle Reaktion des Königs auf das Drängen des Fürsten von Anhalt und Grumbkows zu meiner Heirat mit dem Markgrafen von Schwedt hatte sie erkennen lassen, dass ihr Stern im Sinken war. Mehrere Umstände bestärkten sie in diesem Glauben. Der König zeigte sich nur noch selten in der Öffentlichkeit; er litt an einer Art Hypochondrie, die ihn schwermütig werden ließ; er hatte nur die Königin und seine Kinder um sich und speiste allein mit uns. Um ihrem Fall in Ungnade zuvorzukommen, unternahmen sie es, den Einfluss der Königin zu verringern.

Aus dem Porträt, das ich vom König gemacht habe, lässt sich herauslesen, dass er leicht zu erregen war und dass einer seiner Hauptfehler sein Hang [20] zum Geld war. Grumbkow wollte von diesen Schwächen profitieren. Er weihte den Staatsminister von Kamecke in den Plan ein. Doch dieser ehrenwerte Mann ließ die Königin davon unterrichten. Diese liebte das Spiel und hatte dabei beträchtliche Verluste gemacht, was sie dazu gebracht hatte, heimlich eine Summe von 30.000 Talern zu leihen. Der König hatte ihr kurz zuvor ein Paar sehr kostbare mit Brillanten besetzte durchwirkte Ohrringe zum Geschenk gemacht. Sie trug sie nur selten, weil sie sie schon mehrfach verloren hatte. Grumbkow, der seine Spione überall hatte, war rasch über den schlechten Stand ihrer Finanzen informiert und zu dem Schluss gekommen, dass die Königin diese Ohrringe verpfändet hatte, um an die von mir erwähnte Summe zu gelangen, und entschloss sich, den König darüber zu benachrichtigen; denn er kannte ihn nur allzu gut, um von vornherein zu wissen, dass er darüber tief verletzt sein würde. Die Königin versäumte nicht, den König zu warnen und ihm zu zeigen … die gegen sie ersonnenen Anschuldigungen. Empört über die üble Machenschaft Grumbkows flehte sie den König an, ihr zu gestatten, sich Genugtuung zu verschaffen. Und auf seine Antwort hin, man könne niemanden ohne ausreichenden Beweis bestrafen, gestand sie ihm unklugerweise, dass es Herr von Kamecke war, der ihr den Hinweis gegeben hatte. Der König ließ ihn auf der Stelle holen. Die gnädige Art und Weise seines Empfangs ermutigte ihn dazu, das zu bestärken, was er bei der Königin vorgebracht hatte. Er fügte sogar noch weitere gravierende Punkte gegen Grumbkow hinzu. Doch weil er von dessen Plänen nur aus Gesprächen informiert war, die er mit ihm ohne Zeugen geführt hatte, behielt das Dementi des Anderen die Oberhand und er wurde nach Spandau geschickt.

Diese Festung, die nur vier Meilen von Berlin entfernt ist, war bald voll von berühmten Gefangenen. Ein gewisser Troski, ein schlesischer Adliger, war gerade festgenommen worden. Dieser hatte während des Feldzuges gegen Stralsund den Spion im Lager der Schweden gespielt. Obwohl er dem König nützliche Dienste erwiesen hatte, konnte der ihn nicht leiden und behielt eine heimliche Abneigung ihm gegenüber. Man klagte ihn an, in Berlin dieselbe Rolle gespielt zu haben, die er im Lager der Schweden gespielt hatte. Seine Papiere, die man beschlagnahmt hatte, bewiesen das auch in gewisser Hinsicht. Troski war äußerst geistreich und schrieb ganz nett; diese beiden Begabungen ersetzten bei ihm ein angenehmes Äußeres. Seine Kassette enthielt sämtliche Liebesanekdoten des Hofes, auf die er eine äußerst beißende Spottschrift verfasst hatte, und etliche Briefe einiger Damen von Berlin, in denen der König nicht geschont wurde. Diejenigen von Frau von Blaspiel gegen ihn waren starker Tobak: Sie bezeichnete ihn als Tyrannen und schrecklichen Scriblifax. Grumbkow, der mit der Untersuchung dieser [21] Papiere beauftragt wurde, ergriff diese Gelegenheit, um die Dame zu vernichten. Er hatte sie in einen Teil seiner Pläne eingeweiht, in der Hoffnung, sie auf seine Seite zu ziehen und ihm das Testament des Königs auszuhändigen. Frau von Blaspiel hatte seine Absichten durchschaut und ihn mit falschen Versprechen hingehalten, um ihm seine Geheimnisse zu entreißen. Da sie überhaupt keine ausreichenden Beweise gegen ihn hatte und auch das Unglück Kameckes noch nicht lange zurücklag, wagte sie es nicht, sie dem König zu enthüllen, bevor sie nicht überzeugende Beweise vorbringen konnte. Als Grumbkow dem König ihre Briefe an Troski hatte vorlesen lassen und ihn damit stark gegen sie eingenommen hatte, ließ der sie herbeiholen, machte ihr sehr heftige Vorwürfe und ließ ihr diese fatalen Briefe zeigen. Sie ließ sich keineswegs ins Bockshorn jagen … [gab zu] sie seien von ihrer Hand und ihr Inhalt sei wahrheitsgemäß und ergriff die Gelegenheit, ihm all seine Schwächen vorzuhalten, und fügte hinzu, dass sie trotz allem, was sie gegen ihn geschrieben habe, ihm viel ergebener sei als alle Anderen und sie als Einzige die Kühnheit habe, ihm gegenüber offen und ehrlich zu reden. Ihre energischen und geistvollen Worte machten Eindruck auf den König. Nachdem er eine Weile nachgedacht hatte, sagte der König: „Ich verzeihe Ihnen und bin Ihnen für Ihre Handlungsweise verbunden; Sie haben mich, indem Sie mir offen die Wahrheit gesagt haben, davon überzeugt, dass Sie eine wahrhafte Freundin sind; wir wollen beide die Vergangenheit vergessen und Freunde sein.“ Danach reichte er ihr die Hand, geleitete sie zur Königin und sagte: „Hier ist eine ehrenwerte Frau, die ich unendlich hochschätze.“ Frau von Blaspiel indessen war nicht beruhigt. Sie kannte alle Umstände des furchtbaren Komplotts, das Grumbkow und der Fürst von Anhalt gegen den König und meinen Bruder im Schilde führten. Sie sah, dass sie jeden Moment losschlagen konnten, und wusste nicht, wozu sie sich entscheiden sollte, weil sie sowohl im Reden als auch im Schweigen eine offensichtliche Gefahr erblickte.

Doch es ist Zeit, dieses grauenvolle Geheimnis zu offenbaren. Die Absichten der beiden Spießgesellen liefen auf nichts weniger hinaus, als den Markgrafen von Schwedt auf den Thron zu setzen und sich der Herrschaft völlig zu bemächtigen. Der Gesundheitszustand sowohl des Königs als auch des Kronprinzen verbesserte sich von Tag zu Tag und löste alle ihre imaginären Vorstellungen von deren bevorstehendem Ableben in Luft auf. Sie beschlossen, dem abzuhelfen. Die Sache war verzwickt: Es ging um nichts weniger als ihr Leben und sie warteten nur auf eine günstige Gelegenheit, um ihr infames Vorhaben auszuführen. Diese Gelegenheit bot sich ganz nach Wunsch. Seit einiger Zeit war eine Truppe von Seiltänzern in Berlin, die deutsche Stücke auf einer recht hübschen auf dem Neumarkt errichteten Bühne spielte. [22] Der König fand großes Gefallen daran und verpasste keine Aufführung. Sie wählten diesen Ort als Schauplatz ihrer grauenhaften Tragödie aus. Es galt meinen Bruder ebenfalls dorthin zu locken, um sie beide auf dem Altar ihres abscheulichen Ehrgeizes opfern zu können. Es sollte zur selben Zeit an der Bühne und im Schloss Feuer gelegt werden, um jeden Verdacht von ihnen abzulenken und während des Aufruhrs, den der Brand unweigerlich verursachen würde, den König und meinen Bruder zu erdrosseln; denn das Haus, wo gespielt wurde, war nur aus Holz, hatte nur ganz schmale Ausgänge und war immer derart voll, dass man sich darin nicht rühren konnte: Das erleichterte den Plan. Ihre Anhängerschaft war so stark, dass sie sicher waren, sich während der Abwesenheit des Markgrafen von Schwedt, der noch in Italien war, der Regentschaft zu bemächtigen, während die Armee dem Fürsten von Anhalt als ihrem Kommandanten unterstand und ihm sehr gewogen war. Es ist anzunehmen, dass Manteuffel aus Abscheu über diese grässliche Verschwörung sie Frau von Blaspiel verriet und ihr den dafür vorgesehenen Tag nannte. Ich erinnere mich ganz genau … [und] Grumbkow bedrängten den König sehr, meinen Bruder mit ins Theater zu nehmen unter dem Vorwand, dass man sein düsteres Gemüt erheitern und ihn durch Vergnügungen zerstreuen müsse. Es war Mittwoch. Der folgende Freitag war zur Ausführung ihres Plans ausgewählt worden. Der König fand ihre Überlegung richtig und stimmte zu. Frau von Blaspiel, die dabei war und ihr Vorhaben kannte, erschauerte. Da sie nicht mehr schweigen konnte, machte sie der Königin Angst, ohne ihr jedoch zu sagen, worum es ging, und riet ihr, koste es, was es wolle, zu verhindern, dass mein Bruder den König begleitete. Da sie den furchtsamen Charakter meines Bruders kannte, flößte sie ihm panische Angst vor dem Spektakel ein und erschreckte ihn derart, dass er in Tränen ausbrach, wenn man ihn darauf ansprach. Als es schließlich Freitag war, befahl mir die Königin, nachdem sie mich tausendmal liebkost hatte, den König hinzuhalten, um ihn die für das Stück angesetzte Stunde vergessen zu lassen; sie fügte hinzu, wenn ich es nicht schaffen würde und der König meinen Bruder mitnehmen wolle, solle ich schreien und heulen, um ihn, wenn möglich, zurückzuhalten. Um mir noch mehr Eindruck zu machen, sagte sie zu mir, es gehe um mein und meines Bruders Leben. Ich spielte meine Rolle so gut, dass es schon halb sieben war, ohne dass es der König bemerkte. Auf einmal erinnerte er sich, erhob sich und machte sich mit seinem Sohn an der Hand schon zur Tür auf, als der sich loszureißen begann und furchtbare Schreie ausstieß. Der erstaunte König versuchte es im Guten, ihn zur Vernunft zu bringen, doch als er sah, dass es nichts half und das arme Kind ihm nicht folgen wollte, wollte er ihn schlagen. Die Königin stellte sich ihm in den Weg, doch der König nahm ihn auf den Arm und wollte ihn mit Gewalt forttragen. Da warf ich mich ihm zu Füßen, küsste ihn und benetzte ihn mit [23] meinen Tränen. Die Königin stellte sich vor die Tür und flehte ihn an, an diesem Tag im Schloss zu bleiben. Erstaunt über dieses seltsame Vorgehen, wollte er den Grund dafür erfahren. Die Königin wusste nicht, was sie ihm antworten sollte. Doch der von Natur aus argwöhnische König witterte eine Verschwörung gegen ihn. Der Prozess gegen Troski war noch nicht abgeschlossen; er meinte, dass diese Affäre Anlass für die Befürchtungen der Königin war. Nachdem er sie bis aufs Äußerste gedrängt hatte, ihm zu sagen, worum es sich handle, begnügte sie sich damit, ihm zu antworten, es gehe um sein und um meines Bruders Leben, ohne ihm Frau von Blaspiels Namen zu nennen. Diese hatte sich am Abend zur Königin begeben und war nach der Szene, die sich gerade abgespielt hatte, zu der Auffassung gelangt, dass sie nicht länger schweigen könne. Sie verriet ihr also das ganze Komplott und bat sie inständig, ihr für den nächsten Tag eine Geheimaudienz beim König zu verschaffen. Die Königin hatte keine Mühe, sie zu erhalten. Nachdem Frau von Blaspiel ihm alle Einzelheiten verraten hatte, über die sie informiert war, fragte sie der König, ob sie auch im Beisein von Grumbkow aufrechterhalten würde, was sie gerade vorgebracht hatte; als sie mit Ja geantwortet hatte, wurde der Minister geholt. Er hatte schon von langer Hand seine Vorkehrungen getroffen und nichts zu befürchten. Der Generalfiskal Katsch, ein Mann von obskurer Herkunft, verdankte ihm seinen Aufstieg. Der Protektion Grumbkows würdig, war er das lebende Abbild des ungerechten Richters aus dem Evangelium. Er war bei allen Leuten von Ehre gefürchtet und verhasst. Darüber hinaus hatte Grumbkow eine große Menge von Kreaturen in der Justiz und in den Ministerien. Er erschien also dreist vor dem König, der ihm die Aussage von Frau von Blaspiel mitteilte. Er beteuerte seine Unschuld und verkündete lauthals, es gebe keinen treuen Minister, der nicht Verfolgungen ausgesetzt sei, und es gehe aus den Briefen von Frau von Blaspiel an Troski klar und deutlich hervor, dass diese Dame einzig darauf aus sei, zu intrigieren und den Hof zu entzweien. Er warf sich dem König zu Füßen, bat ihn inständig, diese Affäre rigoros und schonungslos untersuchen zu lassen, und erbot sich, die Unwahrheit der Anschuldigungen mit authentischen Beweisen zu belegen. Der König ließ also Katsch holen, wie Grumbkow vorausgesehen hatte. Trotz all seiner Ränke sah sich Letzterer am Rande des Abgrunds. Katsch wusste es zu verhindern. Er verfügte über eine erstaunliche Geschicklichkeit, Angeklagte außer Fassung zu bringen, die das Pech hatten, ihn zum Richter zu haben. Fangfragen und schlaue Kunstgriffe brachten sie in Verwirrung. Frau von Blaspiel fiel ihnen zum Opfer. Sie konnte keine eindeutigen Beweise für ihre Anschuldigungen beibringen, die daraufhin als Verleumdung angesehen wurden. Als Katsch den König in heftigem Zorn sah, schlug er ihm vor, sie der Folter zu unterwerfen. Ein Rest an Rücksicht auf ihr Geschlecht und ihren Rang bewahrten sie vor [24] dieser Schande. Der König begnügte sich damit, sie noch am selben Abend nach Spandau zu schicken, wohin man Troski einige Tage später brachte. Die Dame hielt diesem Schicksalsschlag mit heroischer Willensstärke stand. Anfangs behandelte man sie mit Strenge und Härte. Eingesperrt in einen vergitterten, feuchten Raum ohne Bett und Möbel, blieb sie drei Tage lang in diesem Zustand und erhielt lediglich das zum Leben absolut Notwendigste. Obwohl die Königin schwanger war, schonte sie der König nicht und verkündete ihr auf sehr rücksichtslose Art und Weise das Unglück ihrer Favoritin. Sie war darüber so heftig betroffen, dass man eine Fehlgeburt befürchten musste. Neben ihrer Freundschaft zu Frau von Blaspiel versetzte sie der Gedanke an das in den Händen dieser Dame verbliebene Testament des Königs in Todesängste. Ein glücklicher Zufall half ihr aus der Bedrängnis. Der Marschall von Natzmer, ein Mann von höchstem Verdienst und anerkannter Rechtschaffenheit, erhielt den Befehl, ihre Wohnung zu versiegeln. Die Königin bediente sich der Vermittlung ihres Kaplans namens Boshart, um dem Marschall die Besorgnis mitzuteilen, in der sie sich befand, und um ihn zu beschwören, ihr das Testament des Königs zu übergeben. Der Kaplan schilderte ihm, in welche Gefahr die Königin geriete, wenn man dieses Aktenstück fände, und erledigte seinen Auftrag so gut, dass er ihn dazu brachte, den Wünschen der Königin Folge zu leisten; das störte die Pläne Grumbkows erheblich. Man fand unter den Papieren von Frau von Blaspiel nichts Verdächtiges und stellte keine weiteren Ermittlungen an. Ich habe all diese Einzelheiten, die ich gerade niedergeschrieben habe, von der Königin, meiner Mutter, erfahren; sie sind nur ganz wenigen Leuten bekannt. Die Königin hat große Sorgfalt darauf verwendet, sie geheim zu halten, und mein Bruder hat nach seiner Thronbesteigung alle Akten des Prozesses verbrennen lassen.

Frau von Blaspiel wurde nach einem Jahr freigelassen und ihre Haftstrafe in eine Verbannung nach Kleve umgewandelt. Der König besuchte sie einige Jahre danach, erwies ihr allerlei Höflichkeiten und verzieh ihr das Vergangene. Nach dem Tode des Herrschers gab ihr der König, mein Bruder, um der Königin einen Gefallen zu tun, eine Stellung als Hofmeisterin bei meinen beiden jüngeren Schwestern und sie hat diesen Posten auch heute noch inne.

Unterdessen hatten all diese tagtäglichen Intrigen in Berlin schließlich die Geduld des Königs erschöpft: Er war zu schlau, um nicht zu bemerken, dass der Fürst von Anhalt und Grumbkow daran nicht völlig unschuldig waren. Er wollte also diesen ganzen Machenschaften ein für allemal ein Ende machen und beschloss, den Markgrafen von Schwedt zu verheiraten. Seine enge Allianz mit Russland veranlasste ihn dazu, den Blick in diese Richtung lenken. Herr von Mardefeld, sein Gesandter in Petersburg, erhielt den Befehl, bei der Herzogin von Kurland, der späteren Zarin, für den Prinzen anzuhalten. Der [25] Zar war sehr geneigt, den Plänen des Königs zu folgen. Der Markgraf von Schwedt wurde also aus Italien zurückgeholt, wo er sich damals befand. Sobald er in Berlin eingetroffen war, ließ der König ihm diese Verbindung vorschlagen. Er hielt ihm vor Augen, wie vorteilhaft sie für ihn sei und wie gut sie seinem Ehrgeiz entspreche. Doch der Prinz, der sich noch Hoffnungen machte, mich zu heiraten, lehnte es rundheraus ab, den Wünschen des Königs nachzukommen. Da er 18 Jahre alt und damit volljährig war, konnte der König ihn nicht zwingen zu gehorchen und so blieb es dabei.

Ich habe vergessen, im Vorjahr die Ankunft des Zaren Peter des Großen in Berlin zu erwähnen. Diese Anekdote ist kurios genug, um einen Platz in diesen Memoiren zu verdienen. Der Zar, der gern reiste, kam aus Holland. Er war gezwungen, in Kleve Halt zu machen, weil die Zarin eine Fehlgeburt hatte. Weil er weder große Gesellschaft noch Zeremoniell liebte, ließ er den König bitten, ihn in einem Lustschlösschen der Königin in den Vororten Berlins unterzubringen. Sie war höchst verärgert darüber, denn sie hatte ein sehr hübsches Haus bauen lassen, auf dessen prächtige Ausstattung sie Wert gelegt hatte. Die Porzellangalerie, die es dort zu sehen gab, war ebenso herrlich wie all die Spiegelzimmer, und da dieses Schloss ein wahres Schmuckstück war, hieß es auch Monbijou. Der Garten war sehr hübsch und von einem Flusslauf gesäumt, was ihm große Annehmlichkeit verlieh. Um dem Chaos vorzubeugen, das die Herren Russen überall angerichtet hatten, wo sie logiert hatten, ließ die Königin das ganze Haus ausräumen und das Zerbrechlichste wegschaffen. Der Zar, seine Gemahlin und ihr gesamter Hofstaat kamen ein paar Tage später auf dem Schiffsweg in Monbijou an. Der König und die Königin empfingen sie am Flussufer. Der König reichte der Zarin die Hand, um sie an Land zu geleiten. Sobald der Zar ausgestiegen war, streckte er dem König die Hand hin und sagte zu ihm: „Es freut mich sehr, Sie zu sehen, mein Bruder Friedrich.“ Er näherte sich danach der Königin, um sie zu küssen, doch sie stieß ihn zurück. Die Zarin küsste zunächst der Königin die Hand und wiederholte das mehrmals. Anschließend stellte sie ihr den Herzog und die Herzogin von Mecklenburg vor, die sie begleitet hatten, samt 400 sogenannten Damen in ihrem Gefolge. In der Mehrzahl waren das deutsche Dienstmägde, die als Hofdamen, Kammerzofen, Köchinnen und Wäscherinnen fungierten. Fast alle diese Kreaturen hatten ein reich gekleidetes Kind auf dem Arm, und wenn man sie fragte, ob es ihre eigenen seien, antworteten sie mit russisch-untertänigster Verbeugung: „Der Zar hat mir die Ehre erwiesen, mir dieses Kind zu machen.“ Die Königin wollte diese Kreaturen nicht begrüßen. Im Gegenzug behandelte die Zarin die Prinzessinnen von Geblüt äußerst hochmütig und der König konnte sie nur mühsam dazu bewegen, sie zu begrüßen.[26]

Ich sah diesen ganzen Hofstaat am Tag darauf, als der Zar und seine Gemahlin der Königin einen Besuch abstatteten. Die Herrscherin empfing sie in den Prunkgemächern des Schlosses und geleitete sie bis zum Gardesaal. Die Königin reichte der Zarin die Hand, überließ ihr die rechte Seite und führte sie in ihren Audienzsaal. König und Zar folgten ihnen. Kaum hatte dieser mich erblickt, erkannte er mich, denn er hatte mich fünf Jahre zuvor gesehen. Er nahm mich in seine Arme und zerkratzte mir das ganze Gesicht mit seiner Küsserei. Ich verabreichte ihm Ohrfeigen, versuchte mich loszureißen und erklärte ihm, dass ich solcherlei Vertraulichkeiten überhaupt nicht wolle und dass er mich entehre. Er lachte schallend über diese Vorstellung und unterhielt sich lange mit mir. Man hatte mich gut vorbereitet: Ich redete mit ihm über seine Flotte und seine Eroberungen, was ihn derart entzückte, dass er mehr als einmal der Zarin sagte, für ein Kind wie mich gäbe er gern eine seiner Provinzen her. Auch die Zarin schmeichelte mir sehr. Die Königin und sie nahmen jede in einem Sessel unter dem Baldachin Platz, ich neben der Königin und die Prinzessinnen von Geblüt ihr gegenüber.