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Politiker sind jetzt mehr im Rampenlicht als je zuvor. Die Politik dreht sich immer mehr um die Personen hinter den Entscheidungen. Das führt dazu, dass Politik immer mehr zu einem Spektakel in den Medien wird. Wenn ein Politiker häufig im Fernsehen, in Zeitungen und vor allem im Internet zu sehen ist, bekommt er mehr Aufmerksamkeit. In diesem Buch geht es darum, wie man Politiker auf eine neue Weise betrachten und verstehen kann. Es zeigt, wie man typische Verhaltensmuster und Wirkungen in der politischen Kommunikation erkennen kann, wie zum Beispiel Körpersprache, Emotionen, Macht oder auch Stress. Es behandelt auch Themen wie Politiker-Bashing, populistische Methoden und sogar physische Gewalt.
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Seitenzahl: 171
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Vorwort
I. Was Sie erwartet
II. Der Wähler nimmt mehr wahr, als er weiss
III. Personifizierung in der Poltik
IV. Menschen in ihren politischen Anzügen
#1 Sieh mal, wie der spricht
#2 Die Macht der Stimme
#3 Tränen lügen nicht
#4 Die Magie der subtilen Schwingungen zwischen Politiker und dem Gegenüber
#5 Gleich und gleich und doch so anders
#6 Kopf an Kopf: Dann geht es um die Haltung des Politikers im Rennen
#7 Ein Beispiel von Politiker-Bashing
#8 Macht: Gemeinsam (auch) einsam
#9 Einen Politiker zu verstehen bedeutet nicht für ihn Verständnis zu haben.
#
10 Persönliche Wirkung sticht politische Fachkompetenz
#11 Ein Erfinder des Rechtspopulismus
#12 Er flog hoch, stürzte tief und ist weiterhin beliebt
#13 Die Demokratie gewinnt das stark umstrittene TV-Duell: Höcke gegen Voigt
#14 Die Macht eines Babys über einen Marktschreier
#15 Psycho-Experten haben eine spezielle Verantwortung Politikern gegenüber, wenn von diesen möglicherweise eine Gefahr ausgeht (Tarasoff-Doktrin)
V. Ein Empörungsgewitter als Ausdruck von versteckter tiefer Sehnsucht (# 16)
VI. Blick in den Regieraum der Vorbereitung auf ein TV-Duell
VII. Ausblick
VIII. Liste der Quellen
IX. Angaben zum Autor
Mein Dank gilt den Redaktionen von Der Spiegel, Tagesspiegel, Tagesschau, Fokus und anderer Medien, die seit vielen Jahren meine Analysen abdrucken.
Der Carl-Auer-Verlag gibt mir bereits seit 2013 in meinem Körperleserblog die Möglichkeit, aktuelle Ereignisse zu kommentieren.
Da die Idee für dieses Buch Mitte März sehr kurzfristig entstand, danke ich vor allem für ihre tatkräftige und fachkundige Unterstützung: Leonie Böhmer, Christin Unruh und Christian Wohs.
Die Zeichnungen entstammen der kundigen und hintergündigen Feder meines Freundes Günter Rückert.
Ein besonderer Dank gilt den Kommentaren meiner Frau. Gibt sie doch nie auf, mir wohlwollend aber auch offensiv den Spiegel vorzuhalten, damit ich die Bodenhaftung nicht verliere.
Meine Kinder spiegeln mir im Alltag, dass andere Menschen auch Menschen sind, gerade dadurch, dass sie anders sind.
Schließlich bin ich darüber erleichtert, dass Menschen, die in meinen Analysen auftauchen, mir noch nicht den Kopf abgerissen haben. 😊
Bochum, Mitte Mai 2024
Medienpräsenz ist zur Erfolgsbedingung für Politiker geworden. Politiker inszenieren sich als Medienereignis.
Wie steht es aber um das schwierige Verhältnis von Medien und Politikern? Wie wirken Politiker als medial inszenierte Figuren? Wie gestaltet sich das Zusammenspiel von Medienmaske und persönlichen Verhaltens- und Wirkungsmustern des Politikers?
Personifizierung in der Politik beschränkt sich nicht mehr nur auf die Wirkung eines einzelnen Politikers in der Öffentlichkeit. Parteien bauen „Frontmänner und Frontfrauen“ auf, im Bemühen als Partei ein „Gesicht zu bekommen“.
Inzwischen gibt es in Deutschland auch die erste namensbezogene Partei. Der Name dieser Partei spiegelt nicht mehr wie bisher die politische Ausrichtung der Partei wie z. B. sozial, christlich, frei oder sonst wie, sondern nutzt den Namen der Parteigründerin, um sich von anderen Parteien zu unterscheiden. Partei wird zur Marke. Dies bekommt besonders in Zeiten von Wahlen eine besondere Bedeutung.
(Spitzen-) Politiker rücken als Person in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung. Politik wird zur Personifizierung von Politik. Politik wird gerade hierdurch zu einem Medienspektakel. Je mehr ein Politiker im / als Bild medial in Erscheinung tritt, desto höher ist sein Aufmerksamkeitsbonus.
In diesem Buch erfahren Sie, wie Sie die Menschen in ihren politischen Anzügen neu, differenziert und anders wahrnehmen und einschätzen können. Es geht um typische Verhaltens- und Wirkungsmuster von politischer Kommunikation: Körpersprache, Ausdruck von Emotion, Haltung, Macht, Politiker-Bashing, Stress, populistische Verführung sowie Manipulation.
Sie können sich nach der Lektüre des Buchs ein noch genaueres Bild von der Wirkung politischer Kommunikation als bisher machen. Einerseits werden Sie vertraut gemacht mit der Entwicklung von Personifizierung in der Politik. Andererseits werden Ihnen spezifische Blickwinkel aufgezeigt, um neu und anders als bisher auf das Verhalten von Politiken schauen zu können.
Es geht dabei nicht um das individuelle Verhalten von Politikern, sondern um typische Verhaltens- und Wirkungsmuster, die in der politischen Kommunikation eine Rolle spielen. Je mehr Sie sich hiermit vertraut machen, desto differenzierter können Sie das, was Sie beobachtetet und wahrgenommen haben, einschätzen und bewerten.
Der Einfachheit halber illustriere ich die einzelnen Aspekte jeweils in Form einer Geschichte (siehe Kapitel IV). In der Regel geht es mir nicht um den einzelnen Politiker. Er oder sie ist lediglich die besondere Figur in der jeweiligen Geschichte. Es macht also nichts, wenn Sie den einen oder anderen Politiker nicht kennen sollten.
Personifizierung in der Politik bekommt aktuell eine besondere brisante Note. Ich denke dabei an den Ausdruck von physischer und körperlicher Gewalt gegen Politiker in der Öffentlichkeit. Während sich bislang Personifizierung in der Politik auf die Einschätzung und Wirkung des Politikers als Person in der Öffentlichkeit beschränkte, wird der Politiker vermehrt zur Zielscheibe von Übergriffen und (Androhung von) körperlicher Gewalt. Gemeint ist dabei nicht mehr (nur) der Politiker in seiner Rolle und Funktion als Vertreter von Partei oder Regierung, sondern unmittelbar als Person.
Durch die jüngsten Vorfälle von Gewalt Politikern gegenüber erfährt die Bedeutung von Emotionalität eine völlig neue und gefährliche Qualität.
Die Wirkung des Politikers in der Öffentlichkeit ist immer auch emotionaler Ausdruck. Menschen erleben diesen auf eine jeweils eigene Art und Weise. Je mehr man dann einen Politiker „mag“, desto eher wird dieser auch gewählt. Emotionalität ist also ein wichtiges Mittel der virtuellen Beziehung zwischen Politiker und Wähler. Das Kreuz auf dem Wahlzettel wird somit zur wichtigen politischen Währung. Drückt dies doch einerseits die Entscheidung für eine bestimmte Partei aus. Andererseits spiegelt das Kreuz auf dem Wahlzettel auch die erlebte Emotionalität sowie die Intensität derselben dem jeweiligen Politiker gegenüber.
Bislang noch waren Menschen neugierig auf den Politiker als Person. Je hilfloser, je ohnmächtiger sie sich aufgrund von Krisen, Kriegen und Katastrophen Politik gegenüber erlebten, desto stärker wandelte sich die anfangs noch als positiv erlebte Emotionalität in eine negative Emotionalität. Aus Kritik wurde Entrüstung. Aus Entrüstung wurde Empörung. Aus Empörung wurde Wut. Und Wut wandelte sich jüngst in vermehrte Angriffe auf Leib und Leben von Politikern.
Wie sollte man, so fragen sich viele, auf den gewaltsamen Ausdruck von Emotionalität in der Gesellschaft reagieren? Was heißt dies für den Umgang mit rechtsgerichteten politischen Strömungen? Und wie haben Populisten (indirekt oder direkt) Einfluss auf den Ausdruck von emotionaler und physischer Gewalt?
Das Buch will dazu anregen, sich intensiver hiermit zu befassen, auch aus psychologischer Sicht. Bietet es doch Einblicke in typische (emotionale) Verhaltens- und Wirkungsmuster von Politik in der Öffentlichkeit. Es will ebenso für den Blick auf spezifische Muster von Populisten sensibilisieren sowie Wirkmechanismen von medialer Inszenierung aufdecken.
Psychologie gewinnt hierdurch verstärkt Einfluss auf die Einschätzung von Politik und die von medialer Inszenierung. Bietet Psychologie doch durch ihre Expertise Antworten auf zentrale Fragen in Bezug auf den Umgang mit Emotionalität in der Politik.
Menschen profitieren insoweit davon, als sie ihre bereits vorhandene „Menschenkompetenz“ durch eine differenziertere Einschätzung und Bewertung der Situation verbessern können.
Das TV-Duell ist seit 22 Jahren in deutschen Wahlkämpfen jeweils Höhepunkt und spektakuläres Medienereignis. Man will sehen, wie die beiden Spitzenkandidaten ihre eigene Politik vorstellen und verteidigen. Man will sehen, wer und vor allem wie die beiden Politiker sind. Man ist gespannt, wie sie sich schlagen. Und man will ein Gefühl dafür bekommen, wer als Vertreter einer bestimmten Partei genügend Sachverstand, Selbstsicherheit und vor allem verlässliches Vertrauen ausstrahlt.
Doch was passiert bei einem solchen TV-Duell genau? Was geschieht davor, während der Vorbereitung und danach? Wie wird es inszeniert und welche Auswirkung hat diese Inszenierung auf mich und meine eigene Wahrnehmung der beiden Kontrahenten? Wie kann ich erkennen, was gespielt, was inszeniert und was authentisch ist?
Einerseits sind diese TV-Duelle inzwischen Teil des Medienzirkus – ein virtuelles Theater der Unterhaltung am Sonntagabend. Andererseits kann man die beiden Spitzenpolitiker hautnah, 90 Minuten lang beobachten, was für die meisten Menschen eine erst- und einmalige Gelegenheit darstellt, sich ein Bild von den Kandidaten in ihren politischen Anzügen zu machen.
Direkt nach dem Duell spekulieren dann diverse Experten live – gefolgt durch eine vertiefte journalistische Berichterstattung am Wochenanfang − über die Aussagekraft der vorgebrachten Argumente, deren Schlüssigkeit und die Plausibilität der vorgestellten Zukunftsentwürfe. Doch diese Spekulationen beziehen sich vor allem auf persönliche Merkmale des jeweiligen Politikers. War er glaubwürdig? Weckte er Vertrauen? War er offensiv genug? Wie steht es um seine Ausstrahlung? Konnte er schlagfertig kontern? Und: Wer hat gewonnen?
In Zeiten von extremer Polarisierung − bis hin zu hasserfüllten Kommentaren im Internet − bekommen solche Diskussionen überraschend schnell eine fast kämpferische Note. Da fällt es vielen Zuschauern schwer, sich ein ausgewogenes Bild von den Politikern zu machen. Einerseits überlagert der virtuelle und medial inszenierte Lärm die Sachinhalte und vorgebrachten Argumente. Andererseits setzt das unmittelbare Miterleben einer solchen Auseinandersetzung in jedem einzelnen Zuschauer ein kleines Erregungsgewitter frei.
Dieses Buch versucht Ihnen Hilfen an die Hand zu geben, wie Sie anders auf die Menschen in ihren politischen Anzügen blicken können, als dies z. B. durch TV-Duells oder öffentliche Auftritte von Politikern möglich ist. Gleichzeitig soll Sie das Buch ermutigen, sich selbstbewusster und selbstwirksamer im politischen Geschehen zu erleben. Je bewusster und differenzierter Sie die Politiker und deren Verhalten wahrnehmen, desto sicherer setzen Sie am Wahltag Ihr Kreuz an die richtige Stelle.
Dabei möchte ich gleich zu Anfang betonen, dass es mir nicht um die Inhalte der Parteien oder der vorgetragenen Argumente geht. Es geht mir nicht um Faktenchecks. Vielmehr geht es mir um einen differenzierten und anschaulichen Blick auf die jeweiligen Politiker als Person. Um die Art ihrer Kommunikation, ihr öffentlichen Auftreten, die mediale Inszenierung ihrer Person. Mir ist es ein Anliegen, dass Sie sich selbst gegebenenfalls eine neue Perspektive erlauben können.
Jeder kann selbst (auch) Experte 1 sein
In diesem Buch möchte ich Sie einerseits einladen, mehr darüber zu erfahren, wie Politiker in der Öffentlichkeit als Person zur Wirkung kommen, andererseits konkret mehr über das Medienphänomen TV-Duell im Wahlkampf. Einladen, in Zukunft genauer auf Politiker und ihre öffentliche Wirkung zu achten. Und einladen, sich selbst dabei auch als Experten zu erleben, der wohl in der Lage ist, genau hinzuschauen, um sich ein Bild von dem Menschen zu machen, den er im TV-Duell im Fernsehen sieht. Man ist dann in der Lage, in seiner Einschätzung nicht nur von Anderen, von Experten oder Journalisten und deren Einschätzung abhängig zu sein oder „Opfer“ des Erregungsgewitters auf Social Media zu werden.
Geht es doch, wie gesagt, bei einem TV-Duell und bei der Wahrnehmung eines Politikers in der Öffentlichkeit gerade darum, sich selbst ein differenzierteres Bild von der Wirkung der Person machen zu können. (siehe auch #1, #4, #6, #10) Dies ist gerade in der heutigen Zeit unbedingt vonnöten, aber leichter gesagt als getan. Kann man doch oft nicht zwischen Information und Fake unterscheiden. Ist es doch immer schwieriger, mediale oder politische Manipulation zu identifizieren. (siehe auch #10, #11, #12) Und ist es doch fast unmöglich, der Verführung durch den Zuckerberg` schen Daumen zu entgehen. Lässt dieser doch oft nur ein „LIKE“ oder ein „HATE“ (im Sinne von Dislike) zu. Man fühlt sich dann vielleicht wohl in der Gemeinschaft von „Likern“ oder „Hatern“ und wähnt sich gar in guter Gesellschaft. Diese bietet einem nicht unbedingt den inneren, (selbst-)kritischen Freiraum bzw. die erforderlichen klaren Gedanken, um, in der Gruppe von ähnlich politisch
Denkenden, sich auch sein eigenes Bild von Politik machen zu können. (siehe auch #4, #7, #13, #15)
Es ist ja inzwischen kein Geheimnis mehr, dass die politische Landschaft in Deutschland, und auch darüber hinaus, zunehmend und stärker noch als vor einigen Jahren durch rechtspopulistische Strömungen beeinflusst wird. (siehe auch #11, #12, #13, #15)
Warum nehme ich Bezug auf populistische Strömungen? Sie sind ein unübersehbarer, oft schon prägender Teil von heutiger Politik. Sie verkörpern, neben allen angebotenen politischen Inhalten, über die man sicherlich streiten kann, einen tiefen Wunsch vieler Menschen endlich wieder von der Politik wahrgenommen zu werden. Die Menschen wollen nicht nur gehört werden, sondern wollen selbstwirksam sein und sich selbst wieder als wirkmächtig erleben können. 2 (siehe auch #5, #6, #9, #10) Populisten geben den Menschen ein Gefühl, endlich wieder verstanden worden zu sein. Dies Gefühl verstärkt das verloren gegangene Selbstvertrauen der Menschen. Da viele Menschen sich daher stark mit besagten Populisten unbewusst verbunden fühlen, vertrauen sie deren Aussagen. Nicht nur das, man erlebt sich gerade dadurch als wirkmächtig, dass man besagte Populisten wählt. Populisten wecken durch ihre Versprechungen auch neue Hoffnungen, indem man sich selbst als „Heilsbringer“ oder gar als „Erlöser“ bezeichnet. (vgl. z. B. die Aussagen des FPÖ-Chefs in Österreich) Man unterscheidet sich hierdurch nicht nur von demokratischen Politikern, sondern polarisiert in „wir sind gut und die sind schlecht“.
Sich solchen Politikern anzuvertrauen, ihren Versprechungen zu glauben und ihnen schließlich zu folgen, unterscheidet sich aber deutlich von Wirkmächtigkeit.
Drei wesentliche Merkmale von Populismus sind: Einfache Antworten und einfache Lösungen zu präsentieren. Ferner Menschen so zu beeinflussen, dass andere Meinungen, individuelle Wahrnehmungen oder gar eigene Ansichten im populistischen Gleichklang untergehen. Drittens schließlich führt die propagierte und praktizierte Polarisierung zur Ausgrenzung anderer. (siehe auch #13, #15)
Mir geht es, und das möchte ich noch einmal deutlich betonen, in diesem Buch nicht um die Diskussion von Politikinhalten, um die Bewertung von Parteien. Mir geht es nicht um die Unterscheidung von „richtig und falsch“. Mir geht es nicht um einzelne Politiker. Stattdessen möchte ich Sie zu einer Wahrnehmungsschule einladen mit dem Ziel: Ihre eigene bereits vorhandene Wahrnehmungsfähigkeit besser zu nutzen, um einerseits Politiker in der Öffentlichkeit noch genauer, d.h. vor allem differenzierter wahrnehmen zu können. Andererseits will ich Sie vertraut machen mit typischen Verhaltens- und Wirkungsmustern von politischer (nonverbaler) Kommunikation. Diese Muster helfen das, was man wahrnimmt, differenzierter einschätzen und verstehen zu können. (siehe auch #1, #5, #6, #8, #9)
Schritt für Schritt
Ich werde Sie mit einigen grundsätzlichen Überlegungen zur Entwicklung des TV-Duells in der deutschen Politik vertraut machen. Ebenso mit wichtigen Etappen der Entstehungsgeschichte des TV-Duells als einem Instrument in Wahlkämpfen überhaupt. Gegen Ende stelle ich Ihnen an einem anonymisierten Beispiel kurz vor, wie die Vorbereitung eines TV-Duells laufen kann und berichte aus meiner eigenen diesbezüglichen Praxis.
Im Hauptteil beschreibe und erläutere ich zudem spezielle, typische Aspekte / Muster der Wirkung von Politikern in der Öffentlichkeit und im TV-Duell. Das Wissen um solche Muster kann Ihnen dazu verhelfen, beim nächsten TV-Duell neu und anders auf die Wirkung der Politiker zu achten. Einige von Ihnen sagen dann vielleicht, „ja, genau, so mache ich es bereits“. Andere könnten sagen, „oh je, da hab` ich noch nicht genau genug hingeschaut“. Jedes Beispiel wird kurz erläutert und dann in einer Geschichte illustriert. (Worum geht es? Was ist passiert? Was bedeutet das?) Einige der Politiker, auf die ich mich beziehe, sind nicht (mehr) bekannt. Ich beziehe mich dennoch auf sie, um einerseits die in den Geschichten skizzierten spezifischen Verhaltensmuster zu veranschaulichen und andererseits darum eine jeweils spezielle Perspektive der Betrachtung in den Fokus der Aufmerksamkeit zu rücken. Ich hoffe somit darauf, dass die Geschichten jeweils als Geschichte nachvollziehbar sind. Die Namen der Politiker sind dabei eher unbedeutend (außer die der Politiker aus den Geschichten #13, #14, #15).
Die meisten meiner Geschichten sind bereits publiziert, u.a. in: Der Spiegel, beim Focus, bei www.tagesschau.de, dem Tagesspiegel. Die z. T. hohen Zugriffsquoten auf die bereits publizierten Geschichten spiegeln das große Interesse vieler Menschen an einem solchen Blick auf die Menschen in ihren politischen Anzügen. So gab es z. B. 285 000 Zugriffe allein auf die Analyse des ersten TV-Duells in 2002 bei Spiegel Online – an einem Tag. Wenn vorhanden nenne ich am Ende zum Nachlesen die Links zu den Originalen der Geschichten.
Sie können das Buch also von vorne bis hinten lesen. Sie können aber auch nur einige Geschichten rauspicken, die Ihr besonderes Interesse wecken.
Was das Buch nicht ist
Die aktuelle politische Situation in Deutschland, auch in Europa, ist geprägt durch Krisen, internationale Konflikte, Kriege, Klimawandel und Verwerfungen im Alltag der Menschen. In Anbetracht der anstehenden Landtagswahlen und der Bundestagswahl 2025 dreht sich viel um rechtsgerichtete politische Strömungen in der Gesellschaft sowie um die Auftritte von Populisten.
Ich verstehe meinen Buchbeitrag nicht primär als Mahnung, als Warnung, oder Appell, dies oder jenes zu tun. Es gibt dieser Warnungen schon genug.
Kritische politische Analysen, hieraus abgeleitete Warnungen sind wichtig, Demonstrationen machen Sinn, politische Diskussionen ebenso. Mein Interesse ergänzend hierzu ist der genaue Blick auf die öffentliche Wirkung von Politikern. Diesbezüglich können Sie die hier vorgestellten Geschichten als Einladung zu einer Wahrnehmungsschule verstehen.
Ich bin davon überzeugt, dass Menschen bereits ihr Gegenüber, insbesondere auch Politiker, intuitiv sehr gut beobachten und wahrnehmen können. Ich werde dies exemplarisch durch meine eigene Erfahrung mit einer Bäckereifachverkäuferin beschreiben. Menschen sind jedoch nicht (mehr) mit genügend differenzierten Erklärungen für das vertraut, was sie genau wahrnehmen. Erleben sich viele in der Gesellschaft doch zunehmend als orientierungslos, als voller Angst, als ohnmächtig, heimatlos oder verzweifelt. Die Sehnsucht nach Heimat, einem „als sicher erlebten Ort“, als einem „Ort, wo es gut ist“, ist meines Erachtens eine tiefe Sehnsucht sehr vieler Menschen in der heutigen Zeit. Ohne an dieser Stelle näher hierauf eingehen zu können, möchte ich auf die InstrumentaIisierung des „Heimat-Begriffs“ durch Rechtspopulisten hinweisen (siehe auch #16). Einerseits spiegelt die Sehnsucht nach Heimat ein tiefenpsychologisches Bedürfnis der Menschen, vor allem in Zeiten von Krisen, Kriegen und sonstigen Verwerfungen in der Welt. Andererseits wird der „Heimat-Begriff“ von rechtsgerichteter Politik insbesondere zur Diffamierung und Ausgrenzung anderer Menschen missbraucht. Nicht nur das, gerade Rechtspopulisten suggerieren hierdurch ein Gefühl von Sicherheit, das aber bei näherer Betrachtung das Zusammenleben sowie die Sicherheit aller Menschen, die Achtung der Menschenrechte und ein auf Demokratie aufbauendes soziales Gefüge gefährdet. Bricht aber das vielschichte soziale Gefüge auseinander, gehen Selbstwirksamkeit und Wirkmächtigkeit verloren.
Sich nicht mehr als selbstwirksam und wirkmächtig zu erleben, versperrt einem aber den Zugang zu wichtigen eigenen Ressourcen wie z. B. der Fähigkeit sich einen differenzierten Eindruck von der Vielfalt der Welt und dem eigenen Lebensraum machen zu können. Diese Fähigkeit erleichtert eigene Entscheidungen, gemeinsam mit anderen machen zu können, um die Welt im Respekt andern gegenüber zu gestalten
Diese Ressourcen zu stärken, wiederzuentdecken oder zu entwickeln ist eine wichtige zwischenmenschliche, gemeinschaftliche und politische Aufgabe.
Last but not least
Wer als Berater im Bereich öffentliche Wirkung von Politikern oder Managern unterwegs ist, findet sicherlich zahlreiche konzeptionelle und praktische Anregungen für seine eigene Arbeit mit Politikern, Managern und Celebrities.
Lesson-Learned:
Politik ist immer auch Personifizierung von PolitikEs ist wirklich nicht leicht, dem medialen Erregungsgewitter zu entgehenVertrauen Sie auf Ihre eigene Wahrnehmung und nicht so sehr auf den medialen MainstreamPopulistische Strömungen verführen, manipulieren und wirken grundsätzlich durch die Botschaft „wir sind gut und die andern sich schlecht“.1 Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird im Text das generische Maskulinum verwendet. Gemeint sind jedoch immer alle Geschlechter.
2 „Selbstwirksamkeit bedeutet, die innere Überzeugung zu haben und auch zu spüren, schwierige oder herausfordernde Situationen gut meistern zu können – und das aus eigener Kraft heraus“. Menschen, die sich als selbstwirksam erleben, empfinden mehr Selbstvertrauen, auch wenn sie nicht mehr als andere können. "Wirkmächtigkeit" bezeichnet erweiternd hierzu die potenzielle oder tatsächliche Fähigkeit, in seinem Leben wirksam zu sein und Veränderungen herbeizuführen.
Es begann am Nachmittag bei der Geburtstagfeier meines Schwagers im Ruhrgebiet. Einige der Gäste standen zusammen und sprachen über einen Untersuchungsausschuss, der am kommenden Tag in Berlin stattfinden würde. Der ehemalige Außenminister Joschka Fischer sollte von dem Ausschuss intensiv befragt werden. Einige der Gäste wussten, dass ich hierzu eine Analyse über Joschka Fischers Verhalten und Kommunikation für Der Spiegel machen sollte. Eine Frau mittleren Alters, von Beruf Bäckereifachverkäuferin, unterbrach unser Gespräch mit den Worten, dass sie Fischer wohl kennen würde. Damit meinte sie, den Politiker oft im Fernsehen gesehen zu haben. An mich gewandt führte sie weiter aus, dass es Fischer wohl nicht gut gehen würde. Auf meine Frage hin, wie sie zu dem Eindruck käme, beschrieb sie die ständig in krause Falten gelegte Stirn Fischers. Dies hätte bei ihr den Eindruck von Fischers „Unwohlsein“ hinterlassen. Ich stimmte ihr zu, zumal ich mich seit langem mit Fischers nonverbaler Wirkung und öffentlicher Wirkung befasst hatte. Ich fragte die Frau weiterhin, warum es Fischer wohl nicht gut gehen würde. Woraufhin sie ihrer Vermutung Ausdruck verlieh, Fischer bräuchte wohl eine Brille.
Auf den ersten Blick könnte dies stimmen, zumal viele Menschen, die eine Brille brauchen, ihre Stirn in Falten legen oder mit den Augen blinzeln, was wiederum zu einer faltigen Stirn führt.
Dies ist jedoch nur eine Erklärung. Eine Erklärung, die nicht mit meiner jahrelangen Analyse von Fischers Wirkung in der Öffentlichkeit übereinstimmt.
Fischers Stirn zeigte im Vorfeld der Bundestagswahl 1998 nur ganz selten derart krause Stirnfalten. In den Medien verfügbares Bildmaterial zeigt hingegen seit 1998 Fischers Stirn ständig in besagte krause Stirnfalten gelegt. Fischer wurde nach gewonnener Wahl 1998 deutscher Außenminister.