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Das vatikanische Dokument "Mensuram Bonam" (dt.: "Ein gutes Maß") bietet katholischen Kapitalanlegern ethische Leitlinien für glaubenskonforme Investments. Basierend auf der katholischen Soziallehre werden Prinzipien wie Menschenwürde, Gemeinwohl und Nachhaltigkeit als Maßstäbe für verantwortungsvolles Investieren definiert. Das Werk versteht sich als Aufruf zum Handeln für eine gerechtere Finanzwelt im Einklang mit christlichen Werten.
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Seitenzahl: 194
Veröffentlichungsjahr: 2025
Stiftung Centesimus Annus pro Pontifice – Deutsche Sektion
MENSURAM BONAM
Glaubensbasierte Maßstäbe für katholische Kapitalanleger
Ein Ausgangspunkt und Aufruf zum Handeln
aus dem Englischen übersetzt von Stiftung Centesimus Annus pro Pontifice – Deutsche Sektion
Ulrich Schürenkrämer mit Elmar Nass, Peter Schallenberg, Sylvia Trimborn-Ley und Christoph Wagener
© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2025Hermann-Herder-Str. 4, 79104 FreiburgAlle Rechte vorbehalten www.herder.de
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Die Bibelzitate sind entnommen derEinheitsübersetzung der Heiligen Schrift© 2016 Katholische Bibelanstalt GmbH, StuttgartAlle Rechte vorbehalten.
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E-Book-Konvertierung: Daniel Förster
ISBN Print 978-3-451-60159-0ISBN E-Book (EPUB) 978-3-451-83788-3
Der Päpstlichen Stiftung Centesimus Annus Pro Pontifice mit ihrer Deutschen Sektion ist sehr zu danken für die Ermöglichung der deutschen Übersetzung des vatikanischen Dokuments »Mensuram Bonam« zu ausgewählten Fragen der Finanzethik und zu einer hinter dieser Ethik stehenden katholischen Anthropologie.
Durch diese Übersetzung kann der wichtige Text weiterverbreitet werden und damit Anstoß geben zur weiterführenden Diskussion finanzethischer Fragen, insbesondere im Feld von impact investment und damit zusammenhängender Probleme einer personengerechten Ökonomie.
Diesem Ziel dienen auch die hinzugefügten Kommentare, die den Hintergrund des Dokuments ausleuchten wollen, und zugleich damit die reiche Tradition der Katholischen Soziallehre ausschnitthaft in Erinnerung rufen, wie auch Hinweise geben können auf noch ausstehende Probleme und ihre möglichen Lösungen hinsichtlich einer integralen und nachhaltigen Finanzethik. Die Kommentare verstehen sich dabei ausdrücklich als nicht zum übersetzten Originaltext gehörig, sondern als Anstöße und Inspiration einer fruchtbaren Lektüre des Dokuments; sie sind ganz unabhängig vom Dokument entstanden und beziehen sich doch auf dessen Grundaussagen; sie bedenken einige Punkte des Textes und erheben keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit.
All dies ist getragen vom großen Dank gegenüber den Autoren des Dokuments »Mensuram Bonam« unter Federführung von Peter K. Kardinal Turkson, mittlerweile Kanzler der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften und der Sozialwissenschaften, die sehr eindrucksvoll einen Schritt voran getan haben in der Weiterentwicklung der Katholischen Soziallehre, ohne dabei die Verwurzelung in der Tradition zu verleugnen. So kann das Dokument auch gleichsam zum Lackmustest einer notwendig aktualisierten und in einer langen Geschichte stehenden Katholischen Sozialethik werden, die sich neuen Fragen und Problemen zu stellen hat. Und dies bleibt stets verbunden mit der Frage: Welche Wege und Mittel, welche Märkte und Regeln sind geeignet, um eine wirkliche integrale Entwicklung der menschlichen Person, verstanden als Gottesebenbild, zu ermöglichen?
Oxford, Blackfriars House, 1. Dezember 2024
Prof. Dr. Peter Schallenberg
Die Konzilsväter erteilten der Kirche auf der zweiten Sitzungsperiode des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–1965) den Auftrag, mit der gesamten Menschheitsfamilie, mit der sie verbunden ist, ins Gespräch und in den Dialog über ihre verschiedenen Probleme zu treten. Sie glaubten, dass diese Geste »ein Zeugnis für den Glauben der Kirche und ein beredtes Zeugnis und ein Beweis für ihre Solidarität mit der Menschheit und ihre Achtung vor ihr« sein würde.1 Seitdem haben mehrere Initiativen der Dikasterien der römischen Kurie versucht, den Auftrag des Konzils umzusetzen. Das hier vorgestellte Werk Mensuram Bonam (MB) reiht sich in diese Tradition kirchlicher Initiativen ein, die den Dialog mit der Menschheitsfamilie über ihre verschiedenen Erfahrungen und Herausforderungen suchen. Mit seiner Veröffentlichung möchte MB das Licht des Evangeliums und der Katholischen Soziallehre (KSL) auf den spezifischen Bereich der Wirtschaft und der Finanzwelt werfen, den man auch als Verwaltung von Finanzvermögen oder Kapitalanlagen bezeichnen kann.
Als Vertreter von Institutionen und als Einzelpersonen können Menschen mit Vermögenswerten betraut werden, um sie anzulegen, anstatt sie nur auszugeben. Da das Finanzwesen auf allen Ebenen menschlichen Handelns eine immer größere Rolle spielt, ist es für die Kirche noch kritischer geworden, über die Anforderungen der christlichen Nachfolge nachzudenken, einschließlich der Berufung von Menschen zur Verwaltung in diesem Bereich. Es ist wichtig, dass der Umgang mit den geschaffenen Gütern, einschließlich aller Formen finanzieller Aktivitäten, insbesondere der Vermögensverwaltung, so ausgerichtet wird, dass er dieses Geschenk Gottes an die menschliche Familie widerspiegelt, indem er dem Gemeinwohl dient und Gerechtigkeit und ethische Normen achtet.2
Die Art und Weise, wie die Kirche ihre Gläubigen für eine solche Aufgabe rüstet, erinnert an dieBemerkung von Papst Benedikt XVI. über Kirche und Politik. In Anlehnung an die Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils stellt Papst Benedikt XVI. fest, dass »die Kirche keine technischen Lösungen anzubieten hat«3 und sich daher in keiner Weise in die staatlichen Belange einmischt. Allerdings hatdie Kirche »zu allen Zeiten und unter allen Gegebenheiten eine Sendung der Wahrheit zu erfüllen, für eine Gesellschaft, die dem Menschen und seiner Würde und seiner Berufung gerecht wird. […]Die Treue zum Menschen erfordert die Treue zur Wahrheit, die allein Garant der Freiheit (vgl. Joh 8,32) und der Möglichkeit einer ganzheitlichen menschlichen Entwicklung ist«.4 MB nimmt die gleiche Haltung gegenüber der Finanzwelt ein. Das Licht des Evangeliums und der KSL, das MB auf die »Verwaltung des Finanzvermögens« werfen will, gehörtdemnach zur Wahrheitsmission der Kirche, die nicht nur die Wahrheit des Glaubens, sondern auch die Wahrheit der Vernunft ist. Die Soziallehre der Kirche ist eine besondere Anwendung dieser Begegnung zwischen dem Licht des Glaubens und dem Licht der Vernunft.5
Dieser in MB enthaltene Aufruf könnte zu keinem besseren Zeitpunkt kommen. Wie Papst Franziskus oft bemerkt, hat die anhaltende Krise aufgrund der Covid-19-Pandemie andere Pandemien dysfunktionaler sozialer Systeme aufgedeckt, wie Arbeitsplatzunsicherheit, schlechten Zugang zur Gesundheitsversorgung, Ernährungsunsicherheit und Korruption. Aber Papst Franziskus sieht diese Krise auch als Gelegenheit, einen Blick auf die Zukunft zu werfen, von der wir gemeinsam träumen können, und in der Lehre unseres Glaubens und ihrer Weisheit Werte und Prioritäten zu entdecken, um eine solche Zukunft aufzubauen und unser Investieren mit glaubenskonformen Kriterien zu inspirieren.
Verwurzelt in den Lehren des Glaubens und in der Soziallehre der Kirche, spricht MB all jene an und unterstützt sie, die täglich im Finanzsektor arbeiten (Institutionen, aber auch Einzelpersonen) und nach Wegen suchen, ihren Glauben zu leben und zur Förderung eines integrativen und ganzheitlichen Wohlergehens oder Vorwärtskommens der Menschen beizutragen. MB möchte diesen Menschen eine Gelegenheit zur Unterscheidung bieten und ihnen Orientierung und Grundsätze an die Hand geben, die es ihnen ermöglichen, dem Ruf des Evangeliums und der Weisheit der kirchlichen Tradition zu folgen, indem sie die Sozial- und Morallehre der Kirche stärker in die Verwaltung ihres Finanzvermögens integrieren, mit dem Schwerpunkt auf Kapitalanlagen in börsennotierten Wertpapieren oder Investmentfonds.
Das Ziel dieser Veröffentlichung ist ein zweifaches:
i.Wo es Anlagerichtlinien und -kriterien gibt, sollten die Einrichtungen dazu ermutigt werden, die KSL systematisch in ihre Kapitalanlagestrategie einzubeziehen und sie gegebenenfalls von Zeit zu Zeit anzupassen.
ii.Wo solche Richtlinien noch nicht entwickelt wurden, bietet MB einen Anreiz und ein Modell/Beispiel, um Institutionen zu helfen und sie zu ermutigen, eine klare Kapitalanlagestrategie zu entwickeln, indem sie die KSL in ihren Investitionsprozess integrieren.
Aufbauend auf der guten Arbeit, die von vielen in der Kirche sowie von unseren Schwestern und Brüdern in anderen Glaubenstraditionen und von Männern und Frauen guten Willens geleistet wurde, hoffen wir, dass diese katholische Perspektive für glaubenskonformes Investieren eine Quelle der Inspiration und Orientierung für katholische Institutionen und Gläubige sowie für bereitwillige Zuhörer überall sein wird. Denn die Vorschläge dieses Dokuments, die aus dem Schatz der kirchlichen Lehre geschöpft sind, wollen allen Menschen unserer Zeit helfen, ob sie an Gott glauben oder Ihn nicht ausdrücklich anerkennen. Wenn sie angenommen werden, werden sie in der Menschheitsfamilie eine schärfere Einsicht in ihre volle Bestimmung fördern und sie so dazu führen, eine Welt zu gestalten, die der überragenden Würde des Menschen besser entspricht, eine universale und tiefer verwurzelte Geschwisterlichkeit zu suchen und den dringenden Erfordernissen unserer Zeit mit einer mutigen und einheitlichen Anstrengung zu begegnen, die aus der Liebe geboren ist6 (vgl. GS,91).
Mensuram Bonam freut sich auch darauf, in den kommenden Jahren sein Engagement in der Investmentbranche fortzusetzen, um über die Grundsätze nachzudenken, die sich aus ihrem Glauben, ihren Wertesystemen und ihrer Lebensaufgabe ergeben.
An dieser Stelle möchten wir allen, die an der Vorbereitung dieses Aufrufs zum Handeln mitgewirkt haben, herzlich danken: einer engagierten Arbeitsgruppe,7 die sich für den Wahrheitsauftrag der Kirche eingesetzt hat, und dem ECHo-Fonds8 , der die Diskussion über Mensuram Bonam in der Akademie für Sozialwissenschaften des Heiligen Stuhls ermöglicht hat.
Peter Kodwo Kardinal Turkson
(Kanzler: Päpstliche Akademien der Wissenschaften &der Sozialwissenschaften)
Vatikan, 10.11.2022
Nachdem er im Lukasevangelium die Seligpreisungen verkündet und die Feindesliebe gelehrt hat, sagt Jesus: »Und richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet. Verdammt nicht, so werdet ihr nicht verdammt. Vergebet, so wird euch vergeben. Gebet, so wird euch gegeben. Ein voll, gedrückt, gerüttelt, überfließend Maß wird man in euren Schoß geben; denn eben mit dem Maß, mit dem ihr messet, wird man euch wieder messen.« (Lukas 6:37-38)
1 Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute, vgl. Gaudium et spes, 7. Dezember 1965, 3, https://www.vatican.va/archive/hist_councils/ii_vatican_council/documents/vat-ii_ const_19651207_gaudium-et-spes_en.html.
2 Das Finanzwesen ist ein wichtiger Wirtschaftszweig, der mehrere Tätigkeiten umfasst, darunter auch Kapitalanlagen. Als Tätigkeit muss das Finanzwesen jedoch aktiv in den Dienst der Realwirtschaft gestellt werden und darf nicht nur als Mittel für unproduktive Spekulationen genutzt werden.
3Caritas in veritate, 9.
4 Ebd.
5 Ebd.
6Gaudium et spes, 91.
7 Elena Beccalli, Paolo Camoletto, John Dalla Costa, Jean-Baptiste Douville de Franssu, Pater Séamus Finn, Robert G. Kennedy, Mark Krcmaric, Pierre de Lauzun, Pater Thomas McClain, Pater Nicola Riccardi, Antoine de Salins, Anna Maria Tarantola, Alessandra Viscovi, Helge Wulsdorf, Stefano Zamagni.
8 ECHo Fund ist eine Beratungsgruppe mit Sitz in 55 Silwood Road Bramely, Johannesburg und Vertretungen in Ostafrika (Kenia), Westafrika (Ghana) und Zentralafrika (DR Kongo), die den Kirchen vor Ort bei der Finanzierung der kirchlichen Mission hilft.
1. Noch nie war die Kapitalanlage so wichtig und anspruchsvoll wie heute. Viele Unwägbarkeiten, darunter geopolitische Spannungen, Pandemien und der Klimawandel, machen selbst die fundiertesten Risikoanalysen zu einem unübersichtlichen Gebilde. Noch komplizierter werden die Entscheidungen durch die zunehmenden Überlegungen zur Bewertung finanzieller Erträge im Rahmen einer Verknüpfung von sozialen und ökologischen Ergebnissen. Unabhängig davon, ob die Anleger Optionen fordern, die dieser vielfältigen Verantwortung gerecht werden, oder ob sie sich ihnen widersetzen, ist das Wesen des Investierens einem grundlegenden Wandel unterworfen. Die Volatilität unserer zahlreichen globalen Krisen verunsichert die Märkte und Wirtschaftstheorien und bringt die Anleger in eine prekäre Lage. Während die Anleger innerhalb des angestammten ökonomischen Paradigmas – das immer noch gilt und immer noch starke Kräfte ausübt – wirtschaften, müssen sie bereits neue Kriterien für Vermögenswerte und Risiken einführen, um die Wirtschaft auf die Zukunft auszurichten. Jedes Investment ist unverzichtbar. Jedes Investment schafft nicht nur materielle Kapazitäten für den notwendigen Wandel, sondern verleiht auch Werten einen konkreten Ausdruck, die entweder zur Zukunft beitragen oder darauf verzichten. Fragen gibt es viele. Nicht nur schwierige Fragen, die die Bewertungskapazitäten der Kapitalanleger an ihre Grenzen bringen, sondern auch Fragen, die sich den Antworten entziehen; Dringlichkeiten, mit denen sich die Kapitalanleger befassen müssen, noch bevor neue Architekturen der Theorie oder Normen festgelegt werden.
2. Dieses Dokument – Mensuram Bonam(MB) – steht Anlegern in diesem Schmelztiegel der Zwickmühlen und Fragen zur Seite. Angesichts dessen, was für die Menschheit und künftige Generationen auf dem Spiel steht, ist MB ein inbrünstiger »Aufruf zum Handeln« für glaubensbasierte, glaubenskonforme und vom Glauben inspirierte Kapitalanlagen, die auf dem Licht des Evangeliums und der Orientierung der kirchlichen Lehre basieren. Papst Franziskus stellt fest, dass »der Kauf immer ein moralischer – und nicht nur ein wirtschaftlicher – Akt ist«.1 Aufgrund ihrer Macht und ihres Potenzials ist das Investieren mit diesen moralischen Dimensionen besonders belastet und befrachtet. Ein Teil dessen, was diesen Moment so verwirrend und bedrohlich für Anleger macht, ist, dass die vorherrschenden Wirtschaftstheorien diese Dimensionen noch nicht berücksichtigt haben. Nach der globalen Finanzkrise hat Papst Benedikt XVI. die Vorstellung korrigiert, dass die Wirtschaft unabhängig von der Ethik funktionieren kann. Er betonte, dass die Gültigkeit und Glaubwürdigkeit wirtschaftlichen Handelns von einer Ethik abhängig sind, die auf dem Potenzial der »ganzheitlichen menschlichen Entwicklung« beruht.2 Was bedeutet das? Ganz einfach, dass die wahre Norm für den Fortschritt und für die Wirtschaft das Aufblühen der Menschheit ist – das, was der heilige Paul VI. als den Übergang »von weniger menschlichen zu menschlicheren Lebensbedingungen« beschrieb.3
3. MB regt alle Kapitalanleger zum Nachdenken über menschliche Werte für die Entwicklung an und wendet sich speziell an katholische Kapitalanleger mit Glaubensgrundsätzen, anhand derer sie alle ihre Finanzinstrumente bewerten können. Es muss anerkannt werden, dass viele Anleger, darunter auch Katholiken, die von den örtlichen Bischofskonferenzen inspiriert wurden, bereits an der äußerst schwierigen Aufgabe arbeiten, neue Muster für verantwortungsvolle Kapitalanlagen entsprechend ihrem persönlichen Glauben oder ihren Werten zu erkennen. Diese Muster gehören zu den bahnbrechenden Bemühungen, die das heutige exponentielle Wachstum ethischer, grüner, sozial verantwortlicher oder ökologisch nachhaltiger Fonds ermöglicht haben. MB würdigt diese Bemühungen und Bewegungen und erkennt gleichzeitig an, dass die Dynamik für strukturelle Veränderungen aus zwei grundlegenden Gründen schwieriger ist: Das sind Motive und Maßstäbe. Sind beispielsweise die Ziele und Forderungen für verantwortungsvolle Kapitalanlagen authentisch in einer ganzheitlichen menschlichen Entwicklung verwurzelt? Oder werden menschliche Werte instrumentalisiert? Die Anleger haben zwar immer mehr Möglichkeiten, aber diese tragen oft nur zur Verwirrung bei, weil der Zweck und die Glaubwürdigkeit von Innovationen undurchsichtig, wenn nicht gar unverständlich bleiben. Es werden neue Maßstäbe benötigt, um die Normen für eine ganzheitliche menschliche Entwicklung festzulegen und vertrauenswürdige Messkriterien für diese multidimensionale Leistung zu schaffen. MB schöpft aus der Quelle des Glaubens und nutzt Lehren aus der Heiligen Schrift und der KSL, um die Fähigkeit der Kapitalanleger zu ethischer Reflexion und moralischer Innovation messbar zu steigern.
MB schöpft aus der Quelle des Glaubens und nutzt Lehren aus der Heiligen Schrift und der Katholischen Soziallehre, um die Fähigkeit der Kapitalanleger zu ethischer Reflexion und moralischer Innovation messbar zu steigern.
4. Mensuram Bonam bedeutet »ein gutes Maß«.Es setzt das Engagement der Kirche in der Wirtschafts- und Finanzwelt fort, um ihren Wahrheitsauftrag im Lichte des Evangeliums zu erfüllen. Wie Jesus im Lukasevangelium sagt, hat das gute Maß mehrere Bedeutungen. Es bezieht sich auf den personalen und sozialen Überschuss, der entsteht, wenn menschliche Beziehungen die bestehenden Normen der Gegenseitigkeit mit der von Gott geschenkten Barmherzigkeit und Vergebung durchdringen. Solche Gaben aus Gottes »Überfluss« setzen auch die ethische Norm für den Glauben – das moralische Maß, an dem sich messen lässt, wie der Glaube gelebt wird.
Andere Implikationen warten auf weitere Überlegungen und Studien zu dieser Passage. Für Kapitalanleger und für diesen Kontext hat das von MB initiierte gute Maß eine zweifache Bedeutung. Zum einen bietet es einen vorläufigen Prozess für die Formulierung glaubensbasierter Standards – Maßstäbe oder Schritte, die zu ergreifen sind, um zu erkennen, was der Glaube im Hier und Jetzt gebietet. Das Navigieren im Spannungsfeld zwischen finanziellen Treuhandpflichten und den Pflichten des Glaubens für ein gerechtes und nachhaltiges gemeinsames Haus kann nicht auf eine Checkliste reduziert werden. Ohne Ergebnisse vorwegzunehmen, legt MB Prozesse für die Reflexion dar, um die Möglichkeiten zur Nutzung von Glaube und Vernunft weiterzuentwickeln; und für den Dialog, um von Vorreitern zu lernen und die Zusammenarbeit zu fördern.
5. MB ruft alle Katholiken, die Kapitalanlagen tätigen, dazu auf, glaubensbasierte Kriterien bei der Verwaltung ihrer Finanzen förmlich zu übernehmen und anzuwenden. MB wendet sich insbesondere sowohl an diejenigen Anleger, die diesen Prozess des Überdenkens jetzt beginnen, als auch an diejenigen, die ihren Anlagehorizont und ihre Anlagepraxis weiter verfeinern. Im Lichte des Zweiten Vatikanischen Konzils wird jede Arbeit als Gelegenheit betrachtet, im täglichen Leben Nachfolge zu üben.5 Der heilige Paul VI. bezeichnete »jeden, der arbeitet, als Schöpfer«. Papst Benedikt XVI. unterstreicht dieses Konzept, indem er schreibt, dass »die unternehmerische Tätigkeit noch vor ihrer beruflichen eine menschliche Bedeutung hat«, was bedeutet, dass »sowohl die berufliche Vorbereitung als auch die moralische Konsequenz vonnöten sind«.6 Für gläubige Anleger bedeutet dies, als Ausgangspunkt die Vereinbarkeit wirtschaftlicher Ziele mit den übergreifenden Prinzipien der kirchlichen Moral- und Soziallehre zu berücksichtigen. Außerdem werden katholische Anleger aufgefordert, ihr Fachwissen, ihre Fertigkeiten und ihre ethischen Bedenken einzusetzen, um zu einer Veränderung der Wirtschaftskultur beizutragen und so das Gedeihen einer ganzheitlichen menschlichen Entwicklung zu beschleunigen.
6. Das Kompendium der Soziallehre der Kirche war die Hauptquelle für die in MB entwickelten Grundsätze für glaubenskonformes Investieren. Zahlreiche Projekte wurden bereits in Angriff genommen, um die Wertschätzung der Soziallehre der Kirche in allen menschlichen Bereichen zu fördern. Im Dienst der Wirtschaft haben Symposien und Veröffentlichungen die beruflichen Aspekte der Unternehmensführung und -ausbildung untersucht7 und ethische Grundlagen für die Erneuerung der Wirtschaft nach der globalen Finanzkrise angesprochen.8 In jüngster Zeit hat Papst Franziskus Fachleute aus den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Finanzen und Strategie eingeladen, um eine neue Generation zu formen, die er »integrale Berater« nennt. Der Heilige Vater erklärt, dass viel getan werden kann, um die vielfältigen Krisen, die unsere Welt heimsuchen, zu bewältigen, wenn sie »ihre Analysen und Vorschläge mit einer integralen Perspektive und Vision organisieren«.9 Ausgehend von der Einsicht von Papst Franziskus unterstützt MB eine neue Generation von sogenannten »integralen Kapitalanlegern«, die die Lehren der Kirche zur Verfügung stellen, um eine Vision zu veranlassen und eine Perspektive zu entwickeln, die breiter und umfassender ist.
7. MB wendet sich speziell an Katholiken – an diejenigen, die das Vermögen der Kirche, ihre Kapitalanlagen und Einrichtungen beaufsichtigen, an die Verantwortlichen katholischer Organisationen, Einrichtungen und Orden sowie an einzelne katholische Anleger, katholische Lehrer und Studenten in den Bereichen Wirtschaft, Finanzen und Kapitalanlagen, um nur einige zu nennen. Gleichzeitig erkennt MB an, dass die Glaubensorientierung für Kapitalanleger in vielen religiösen Traditionen eine rationale Resonanz findet. Ehrlichkeit, Vertrauen, Wahrheit, Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Aufrichtigkeit, Verantwortung, Rechenschaftspflicht und die grundlegende Gegenseitigkeit der Goldenen Regel sind Beispiele für weit verbreitete Tugenden. Papst Franziskus unterstreicht die Gaben dieser Zusammenarbeit als Schwestern und Brüder: »Die dringende Herausforderung, unser gemeinsames Haus zu schützen, schließt die Sorge ein, die gesamte Menschheitsfamilie in der Suche nach einer nachhaltigen und ganzheitlichen Entwicklung zu vereinen, denn wir wissen, dass sich die Dinge ändern können […] Die Menschheit besitzt noch die Fähigkeit zusammenzuarbeiten, um unser gemeinsames Haus aufzubauen.«10
1 Papst Franziskus, Enzyklika, Evangelii Gaudium, Vatikanstadt, 3. November 2013, 57, https://www.vatican.va/content/francesco/en/apost_exhortations.index.html, Zugriff am 21. Juli 2022.
2 Papst Benedikt XVI., Enzyklika, Caritas in veritate, Vatikanstadt, 29. Juni 2009, 45-46, https://www.vatican.va/content/benedict-xvi/en/encyclicals/documents/hf_ben-xvi_enc_20090629_caritas-in-veritate.htm, Zugriff am 21. Juli 2022.
3 Paul VI., Enzyklika, Populorum Progressio, 26. März 1967, 20, https://www.vatican.va/content/paul-vi/en/encyclicals/documents/hf_p-vi_enc_26031967_populorum.html, Zugriff am 21. Juli 2022.
4 UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon bei der Vorstellung der SDGs (Sustainable Development Goals) auf der UN-Generalversammlung (2015). Es ist bemerkenswert, dass die Katholische Soziallehre (KSL) im Kern eine Vision der menschlichen Person, ihrer ganzheitlichen Entwicklung und Berufung in Beziehung zu Gott, zu anderen Menschen und zur Schöpfung hat und dass die KSL in Bezug auf die moralische Verantwortung viel weiter geht als alle bestehenden Grundsätze des sozial verantwortlichen Investierens (SRI) und der Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführung (ESG). Dementsprechend muss die Kirche die KSL und ihre Vorteile bei der Verwaltung und Betreuungvon Finanzanlagen aktiv fördern. Ebenso ruft die Kirche alle kirchlichen Aufsichtsbehörden auf, die in Mensuram Bonam dargelegten und von den entsprechenden Bischofskonferenzen weiter ausgearbeiteten Grundsätze vollständig zu übernehmen.
5 Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen Gentium, 21. November 1964, (Kapitel IV:33), https://www.vatican.va/archive/hist_councils/ii_vatican_council/documents/vat-ii_const_19641121_lumen-gentium_en.html, Zugriff am 16. September 2022.
6Caritas in veritate, 41, 71.
7 Dicastery for Promoting Integral Human Development, Vocation of the Business Leader: A Reflection, 5th Edition, 2018; und die 8th International Conference on Catholic Social Thought and Management Education: »Renewing Mission and Identity in Catholic Business Education«, University of Dayton, 18.–20. Juni 2012.
8 »Banking on the common good, finance for the Common good«, Seminarpapier, San Calisto, 13. Mai 2013. Und, Peter Turkson, »Die Zukunft der Gesellschaft: From Best in the World to Best for the World«, Universität der Anden, Chile, 2016. Vgl. auch den Blog von Michael Sean Winter (https://www.ncronline.org/blog/distinctly-catholic/cardinal-turkson-business-vocation).
9 Presseamt des Heiligen Stuhls, Bulletin N. 075, 22. September 2022, Audienz für die Teilnehmer des Deloitte Global Meeting.
10 Papst Franziskus, Enzyklika, Laudato Si', 24. Mai 2015, 13, https://www.vatican.va/content/francesco/en/encyclicals/documents/papa-francesco_20150524_enciclica-laudato-si.html, Zugriff am 16. Juli 2022.