Messengers of Destiny 2 - Jezabel Taylor - E-Book

Messengers of Destiny 2 E-Book

Jezabel Taylor

0,0
4,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Prickelnd und spannend - ein mystischer Erotikthriller von Jezabel Taylor! Sophie Sturm glaubt sich im siebten Himmel: Endlich darf sie an der Seite ihres Traummannes Andreas König leben! Doch ihr Glück währt nicht lange, denn ihr Andreas landet im Gefängnis, weil er angeblich der russischen Mafia angehören soll. Zeitgleich verschwindet seine 15-jährige Tochter. Während Andreas sich gegen andere Insassen im Gefängnis behaupten muss, folgt Sophie einer blutigen Schnitzeljagd, die sie quer durchs Ruhrgebiet treibt. Der diensthabende Polizist, der sie dabei unterstützt, ist ausgerechnet der einzige Mann, für den sie neben ihrem Traummann jemals zärtliche Gefühle empfunden hatte. Die Tarotkarten deuten drohendes Unheil an und Sophie weiß jetzt, dass man seinem Schicksal nicht entgehen kann... »Verlorene Freunde« ist der zweite Roman aus der mystischen Erotiktriller-Reihe »Messengers of Destiny» von Jezabel Taylor. Der erste Teil, »Verlorene Prinzessin«, ist ebenfalls bei feelings - emotional ebooks erschienen. feelings-Skala (1=wenig, 3=viel): Gefühlvoll: 2, Witzig: 1, Erotisch: 2, Spannend: 2 Begeisterte Leserstimmen: »Die Autorin lässt uns in das Leben und die Köpfe der Protagonisten schauen. Dieses Buch verdient es, dass man sich dafür Zeit zu nimmt.« »Was für eine spannende Fortsetzung der Geschichte. Ich konnte gar nicht mehr aufhören zu lesen da mich die Story echt gefesselt hat.« »Das ist mal keine lahme Liebesstory. Toll!!!« »Messengers of Destiny - Verlorene Freunde« ist ein eBook von feelings*emotional eBooks. Mehr von uns ausgewählte erotische, romantische, prickelnde, herzbeglückende eBooks findest Du auf unserer Facebook-Seite: www.facebook.de/feelings.ebooks. Genieße jede Woche eine neue Geschichte - wir freuen uns auf Dich!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 424

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Jezabel Taylor

Messengers of Destiny

Verlorene Freunde

Knaur e-books

Über dieses Buch

Prickelnd, spannend und verwirrend - ein mystischer Erotikthriller: Sophie Sturm glaubt sich im siebten Himmel: Endlich darf sie an der Seite ihres Traummannes Andreas König leben! Doch ihr Glück wärt nicht lange, denn ihr Andreas landet im Gefängnis, weil er angeblich der russischen Mafia angehören soll. Zeitgleich verschwindet seine 15-jährige Tochter. Während Andreas sich gegen andere Insassen im Gefängnis behaupten muss, folgt Sophie einer blutigen Schnitzeljagd, die sie quer durchs Ruhrgebiet treibt. Der Diensthabende Polizist, der sie dabei unterstützt, ist ausgerechnet der einzige Mann, für den sie neben ihrem Traummann jemals zärtliche Gefühle empfunden hatte. Die Tarotkarten deuten drohendes Unheil an und Sophie weiß jetzt, dass man seinem Schicksal nicht entgehen kann ...

 

»Verlorene Freunde« ist der zweite Roman aus der mystischen Erotiktriller-Reihe »Messengers of Destiny» von Jezabel Taylor. Der erste Teil, »Verlorene Prinzessin« ist ebenfalls bei feelings - emotional ebooks erschienen.

 

»Messengers of Destiny - verlorene Freunde« ist ein eBook von feelings – emotional eBooks*. Mehr von uns ausgewählte romantische, prickelnde, herzbeglückende eBooks findest Du auf unserer Facebook-Seite: www.facebook.de/feelings.ebooks. Genieße jede Woche eine neue Liebesgeschichte - wir freuen uns auf Dich!

Inhaltsübersicht

Prolog1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel9. Kapitel10. Kapitel11. Kapitel12. Kapitel13. Kapitel14. Kapitel15. Kapitel16. Kapitel17. Kapitel18. Kapitel19. Kapitel20. Kapitel21. Kapitel22. Kapitel23. Kapitel24. Kapitel25. Kapitel26. Kapitel27. Kapitel28. Kapitel29. Kapitel30. Kapitel31. Kapitel32. Kapitel33. Kapitel34. Kapitel35. Kapitel36. Kapitel37. Kapitel38. Kapitel39. Kapitel40. Kapitel41. Kapitel42. Kapitel43. Kapitel44. Kapitel45. Kapitel46. Kapitel47. Kapitel48. Kapitel49. Kapitel50. Kapitel51. Kapitel52. Kapitel53. KapitelEpilogund zum guten Schluss ...
[home]

Prolog

Es dämmerte bereits, und feiner Nieselregen fiel, als das Treffen an dem frei stehenden Haus stattfand. Das Gebäude wirkte unscheinbar, lag am Rande eines Wäldchens, und die Nachbarschaftsgrenze lag mindestens fünfzig Meter entfernt. Hier würde niemand etwas mitbekommen, was er nicht sollte.

Eine der Personen war ein elegant gekleideter Mann. Nachdem man sich förmlich die Hand geschüttelt hatte, schloss er die Haustür auf, führte die andere Person herum und bemerkte schnell, dass nicht viele Erklärungen vonnöten waren. Warum auch immer? Interesse zum sofortigen Kauf war vorhanden. Er war froh, dass man sich nicht mit oberflächlichem Smalltalk aufhalten musste.

Es bedurfte nur noch der Abwicklung des Kaufvertrages. Er rieb sich die Hände und freute sich darüber, einen dummen Menschen gefunden zu haben, der in diese Bruchbude auch noch investierte.

Kaum trennten sich die Wege der beiden wieder, griff die andere Person zum Telefon. Handwerker wurden routiniert beauftragt – und ein Großhandel, der SM-Möbel herstellte und lieferte. Dem Handel wurden die Adresse, ein genaues Lieferdatum und eine Rechnungsanschrift genannt.

Der Deal war perfekt! Die Show konnte beginnen!

[home]

1

Sie hatten ein wundervolles Picknick beendet, das alles, was das Herz begehrte, bot. Trauben, Wein, verschiedene Käsesorten. Nach dem opulenten Mahl hatten sie sich noch ausgiebiger geliebt. Er konnte ihren süßen Geschmack noch auf seiner Zunge kosten. Gleich, im Waldsee, würde er mehr von ihr bekommen. Das hatten sie sich versprochen.

In freudiger Erwartung trieb er seine Stute zur Eile an. Die Bäume schienen nur so an ihm vorbeizufliegen. Feine Äste peitschten in sein Gesicht. Aber er spürte keinen Schmerz. Seine Geliebte ritt dicht hinter ihm. Er warf einen Blick zurück und erkannte an ihren strahlenden Augen, dass sie genauso glücklich war wie er selbst.

Sein Pferd sprang über einen breiten knorrigen Baumstamm.

Blitzt da etwas am Wegesrand auf?

Der athletische Reiter war verwirrt, zügelte seine Stute und sah sich nach seiner Begleitung um. Er sah etwas fallen, hörte, wie die Vorderhufe des Pferdes seiner Begleiterin auf trockenem Laub landeten.

Hier stimmt etwas nicht!

Das Bild, welches ihm geboten wurde, war bizarr. In dem Sattel, wo vorher seine lebenslustige Geliebte gesessen hatte, befand sich …

Nein, ich will es nicht wahrhaben! Das kann nicht sein!

Etwas rollte gegen die Hufe seiner Stute und ließ sie wiehernd scheuen.

Er hielt sich im Sattel und blickte fassungslos auf das Gesicht, welches mit dem weit aufgerissenen Mund und den Augen wahren Horror spiegelte.

Der Frauenkopf lag abgetrennt vor ihm auf dem Boden. Das Laub und der Waldboden hatten sich unter ihm blutrot gefärbt.

Das Unvermeidliche war ihm nun vollauf bewusst. Sein Klageruf hallte bis in die tief umherliegenden Wälder. »Sophie!«

*

Schweißgebadet schreckte Andreas König aus seinem grausamen Albtraum auf. Das darf nicht wahr sein! Hektisch glitt sein Blick auf den Platz neben ihm. Augenblicklich beruhigte sich sein rasender Pulsschlag. Dort lag sie und lächelte sogar im Schlaf.

Eine schwere Last schien von ihm abzufallen. Erleichtert atmete er aus.

Sie lebt! Meine Sophie! Es war wieder einmal nur ein böser Traum. Sie scheint von keinem Albtraum geplagt zu werden. Gott sei Dank!

Sanft strichen seine Fingerkuppen über ihre nackte Haut. Er konnte beobachten, wie seine Finger auf ihrem Körper eine feine Gänsehaut hinterließen. Seine Hände wanderten weiter, glitten über die zarten Knospen ihres festen Busens und entlockten seiner schlafenden Freundin ein Stöhnen. Andreas beugte sich über sie, neckte die härter werdenden Nippel mit seiner Zunge, bis ihr leises Stöhnen in ein wacheres Seufzen überging. Ist es jetzt so weit? Sie hatten beide sehnsüchtig auf ihr erstes Mal gewartet. Immer hatte das Schicksal ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Sophie war erst vor ein paar Tagen aus dem Krankenhaus entlassen worden. Den längeren Aufenthalt hatte sie Andreas’ psychopathischer Exgeliebten, Julia Richter, zu verdanken. Die Verletzung, die das Messer der Wahnsinnigen Sophie zugefügt hatte, heilte sehr langsam. Anschließend entzündete sich die Wunde, was die ganze Sache verkomplizierte.

Die ersten Nächte nach der Entlassung hatten sie zusammen in Sophies Wohnung übernachtet. Aber die Unruhe war einfach zu groß gewesen. Immer und immer quälten Sophie und Andreas grausame Träume. An Sex war nicht zu denken. Sophie erzählte ihm, dass sie in ihren Träumen gegen Julia kämpfen musste. Was ihn aber auch nicht wunderte.

Diese Irre hatte in der Vergangenheit furchtbar gewütet. Sophie hatte wirklich großes Glück gehabt, aus der ganzen Sache lebendig herausgekommen zu sein.

Julia Richter hatte geglaubt, Andreas König zu lieben. Sie hatte den attraktiven Architekten voll für sich und ihre abartigen Zukunftspläne in Anspruch genommen. Um ihre Ziele zu verwirklichen, schreckte sie auch vor dunkler Magie und einer Schwangerschaft nicht zurück. Ihre Eifersucht auf andere Frauen, die Andreas gefielen, hatte übergroßen Hass in ihr geweckt. In ihrer Wahnvorstellung erschien ihr ebenfalls paranoider Vater, der schon immer die Rolle des in seinen Augen gerechten Richters blutig ausgelebt hatte. Julia hatte bereits als Kind als sein Werkzeug funktionieren müssen, und diese Rolle hatte sie erneut angenommen.

Aber das Kapitel war ja nun mit Julias Tod endgültig vorbei.

Andreas hatte Sophie den Vorschlag unterbreitet, mit ihrer Katze vorerst bei ihm, in seiner luxuriösen Penthouse-Wohnung, zu wohnen.

Und nun war es endlich so weit, und sie hatten die Gelegenheit, sich ihren zärtlichen Gefühlen hinzugeben. Schon in der ersten Nacht in Andreas’ Wohnung schlief Sophie ruhiger. Sie lächelte sogar im Schlaf, was ein eindeutiges Zeichen dafür war, dass sie etwas Schönes träumte.

*

Sophie glaubte, zu verglühen. Alles in ihr schrie nach seinem Körper. Er sollte sie überall küssen, an ihr saugen und lecken. Nur er alleine darf das! Ihr Andrej. Sein heißer Atem streichelte ihre Scham und ließ sie noch lauter aufstöhnen. Sie griff nach seinen muskulösen Oberarmen, umklammerte sie. Ihr schlanker Unterleib bog sich ihm geradewegs entgegen. Seine Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Gekonnt peitschte seine Zunge über die süße Feuchte ihres Paradieses. Sophie schrie vor Lust und spürte, wie ein fantastischer Orgasmus gnadenlos über sie hereinbrach.

»Oh, Andrej!«

*

Andreas schmunzelte. Sophie rief ihn in ihren Träumen mit seinem russischen Namen – in den Träumen, die sie immer noch parallel begleiteten. Er war in ihnen der Prinz und Sophie mittlerweile seine Prinzessin. Damals war Julia seine Prinzessin, und Sophie wurde als böse Hexe verfolgt, um den Flammen des Scheiterhaufens übergeben zu werden. Zum Glück stellte sich auch dort heraus, dass Julia die böse Zauberin war. Das Schicksal der grausamen Intrigantin war besiegelt. Sie musste, statt Sophie, in den Flammen sterben. Sophie wurde zur Prinzessin, und sie hatten schon so manch heiße Liebesnacht zusammen verlebt.

Aber sein heutiger Traum weckte starke Unruhe in ihm. Was hat das zu bedeuten? Die bösen Bilder seines Albtraums störten ihn. Er wollte zu gerne Zärtlichkeiten mit ihr austauschen. Aber der Anblick des blutigen Kopfes seiner Geliebten ließ ihm keine Ruhe. Er küsste sanft ihre Stirn und richtete sich auf.

*

Sophie war noch im Wirbel der Glückseligkeit, wünschte sich mehr davon. Sie hatte das Gefühl, aus allen Wolken zu stürzen, als Andreas sich aufrichtete und sie weder seine Zunge noch seine Hände auf ihrem Körper spürte. Hier stimmt etwas nicht!

Sofort war der Liebestaumel verflogen, und sie war klar im Kopf.

Sie richtete sich ebenfalls auf und bemerkte seinen ernsten Gesichtsausdruck.

»Hey, alles in Ordnung?«

*

Sanft strichen ihre Finger über seine Wange. Andreas erschrak unter der Berührung, als hätte Sophie ihn aus einer anderen Welt gerissen.

»Was?«

Er bemerkte, dass er sich gerade merkwürdig benahm. Eine satte Röte schoss ihm ins Gesicht. Was soll ich ihr jetzt sagen?

»Andreas, was ist denn los?«

Sie sorgt sich um mich. Ich muss mich zusammenreißen. Sie darf keine Angst um mich haben. Er zwang sich zu einem Lächeln.

»Entschuldige, mein Schatz. Ich hatte vorhin wieder einen ziemlich heftigen Albtraum. Der hat mich doch mehr aus der Bahn geworfen, als ich gedacht hatte.«

Sophies Blick wurde sanfter. Sie rückte noch näher an ihn heran und schloss ihn in ihre Arme.

»Ich kenne das sehr gut. Möchtest du mir von deinem Traum erzählen?«

Andreas schloss die Augen, aber die Bilder, die sich in ihm wie ein blutrünstiger Horrorfilm abspielten, waren einfach zu bestialisch.

Er schüttelte den Kopf, löste sich von Sophie.

»Nein, aber danke. Ich werde jetzt eiskalt duschen, um diese Bilder zu vertreiben.«

*

Sie nickte und sah ihm wehmütig hinterher.

Ich will nicht, dass er jetzt geht. Ich will ihn festhalten. Er braucht mich doch jetzt. Aber sie wusste, dass es keinen Sinn machte, hinter ihm herzurufen oder ihm gar zu folgen. Sie war froh, die erste Nacht seit Langem ohne grausame Bilder erlebt zu haben. Sie verstand Andreas nur allzu gut.

Seufzend blickte sie auf den Wecker: 6.30 Uhr. Soll ich versuchen, weiterzuschlafen? Macht das jetzt überhaupt noch einen Sinn?

Sie wünschte sich so sehr, ihr Prinz würde ins Bett zurückkommen und ein heißes Liebesspiel beginnen. Vielleicht hatte er ja Lust nach einem ausgiebigen Frühstück. Sicherlich würde das seine Laune heben.

Sophie schwang die langen, schlanken Beine aus dem Bett, zog sich einen seidigen Morgenmantel über und ging in die Küche.

Auch dieser Raum war so modern ausgestattet wie die restliche Wohnung. Ihre nackten Füße berührten die dunklen, glänzenden Bodenfliesen. Durch die Fußbodenheizung waren sie angenehm warm.

Andreas' Küchenmöbel waren weiß mit schwarzen Applikationen. Im schwarzen Fliesenspiegel war das Bild von übereinander getürmten Kieselsteinen eingefasst. In der Mitte des Raumes befand sich eine breite Holztheke, die als Esstisch diente. In Sachen Küchenutensilien war Andreas bestens ausgestattet, was Sophie anfangs doch sehr verwundert hatte. Sie hatte immer gedacht, ihr Traummann würde immer nur auswärts essen gehen. So viel Kochwerkzeug hatte sie einem Singlehaushalt nicht zugetraut. Sie selbst backte für ihr Leben gern, aber trotzdem war ihre eigene Küche nur zweckmäßig bestückt.

Sie kochte Eier, schob Brötchen vom Vortag in den Backofen, setzte Kaffee auf und deckte die Theke. Anschließend entnahm sie dem gigantischen amerikanischen Kühlschrank diverse Wurst- und Käsesorten. Nachdem sie alles auf die Theke gestellt hatte, schaltete sie das Radio ein.

Fetzige Musik plärrte ihr entgegen.

Andreas erschien im Türrahmen. Er hatte sich einen blauen Bademantel übergezogen, was seine Augen leuchten ließ.

Oh Mann, was sieht dieser Typ toll aus!, dachte Sophie wahrscheinlich zum tausendsten Mal und erschrak über das plötzliche Signal des Eierkochers.

»Ich hoffe, es ist alles in deinem Sinne.«

Andreas blickte auf die übervolle Theke und lächelte. Er trat auf sie zu, umarmte sie und küsste sie zärtlich auf den Mund. »Du bist hier. Da ist auf jeden Fall alles in meinem Sinne. Danke.«

»… ist ein psychopathischer Mörder aus der Forensik ausgebrochen. Eckhard Ri…«

»Ich kann es nicht mehr hören. Ich habe genug von Psychopathen.«

Sophie löste sich aus seiner Umarmung und suchte einen anderen Sender, der unterhaltsamer war.

Andreas schloss sie zum Trost fest in seine Arme.

Sophie genoss die Wärme und Geborgenheit, die er ihr schenkte. Sie seufzte, während sie den intensiven Duft seines neuen Aftershaves einzog.

Er streichelte ihr über das Haar und hauchte ihr einen Kuss auf den Mund.

»Sollen wir zum Büro fahren?«, fragte er leise.

»Aber wir wollten doch …«, unterbrach ihn Sophie.

»Wir haben doch alle Zeit der Welt, mein Schatz«, beruhigte sie Andreas mit einem zärtlichen Lächeln.

»Ja, aber …«

Seine Lippen unterbrachen ihre Widerworte. »Das erste Mal soll für dich wunderschön werden, das hatte ich dir versprochen.«

Sophie seufzte erneut, stimmte ihm dennoch nickend zu.

Sie machten sich fertig und fuhren schweigend zu Andreas’ Architekturbüro, das er sich mit seinem Jugendfreund Gregor Abelt teilte.

[home]

2

Der Zoom der Kamera fing das unbeholfen wirkende Mädchen ein. Sekunde für Sekunde vergrößerte sich das Bild, schien alles abzuschneiden, bis nur noch eine dunkle Armschiene erkennbar war. Sie verdeckte komplett die Finger der rechten Hand und führte bis zum Ellbogen.

Die Kamera schwenkte auf das wütende Gesicht des Mädchens. Ihre Lippen formten das Wort ›Scheiße‹. Aber aufgrund der Entfernung konnte man keinen Laut hören.

Die Kamera schwenkte erneut und verharrte dieses Mal auf ihren Brüsten. Sie trug trotz der Kälte nur ein dünnes T-Shirt. Ihre zarten Knospen drückten sich unverkennbar gegen den Stoff. Der Zoom vergrößerte sich.

Das Aufkeuchen, welches folgte, konnte die junge Frau nicht hören. Frustriert ging sie in den Laden, an dessen Schaufenster sie ihr Fahrrad gelehnt hatte. In dem Fahrradkorb lag etwas. Die Kamera nahm den Gegenstand genau unter die Lupe. Es war ein schwarzes Buch mit pinkfarbener Schrift.

Als das Mädchen zehn Minuten später das Gebäude verließ, war das Buch verschwunden.

*

Fassungslos starrte Marie auf ihren leeren Korb und ärgerte sich darüber, dass sie ihr Buch nicht mit in den Laden genommen hatte. Natürlich wusste sie die Antwort. Wie hätte ich alles mit einer Hand tragen sollen? Und nun war ihr neuer, spannender Roman weg. Marie verfluchte in diesem Augenblick ihre Mutter, die ihr kein Taschengeld gab. Jeder normale Teen bekommt Taschengeld. Nur ich nicht! Das ist so gemein! Nun werde ich nie erfahren, ob Zoey wirklich ins House of Night einziehen wird. Keine ihrer Klassenkameradinnen würde ihr das Buch ausleihen.

»Das Leben ist doch echt ungerecht.«

Während sie langsam nach Hause fuhr, kam ihr die rettende Idee. Sie würde ihrem Vater von dem Diebstahl erzählen. Sicherlich würde er ihr das Geld für ein neues Buch geben. Ihre Mutter und deren Lover dürften davon nichts mitbekommen.

Mit besserer Laune erreichte sie den alten Bauernhof, der seine besten Zeiten lange hinter sich hatte. Das Anwesen gehörte ihrer Mutter Silke und Thomas, ihrem neuen Lebensgefährten. Das war auch das Einzige, was die beiden als ihr Eigentum bezeichnen konnten. Ansonsten hatten sie nichts, lebten von Hartz IV und den Produkten, die sie durch eigene Ernte erzeugten.

Marie hatte den plötzlichen Sinneswandel ihrer Mutter nie verstehen können. Bevor sie Thomas kennenlernte, war sie glücklich verheiratet, und sie wohnten alle gemeinsam in einem schönen großen Haus. Marie besaß alles, was ein normaler Teenager in ihren Augen hatte. Aber nichts davon war ihr geblieben. Thomas hatte dafür gesorgt, dass sie sich von allen neumodischen und kommerziellen Dingen trennen musste.

Marie wäre viel lieber bei ihrem Vater geblieben. Ihre Eltern hatten das gemeinsame Sorgerecht. Da Andreas mit seinem Architekturbüro zu stark beschäftigt war und sich nicht genügend um seine Tochter kümmern konnte, musste Marie bei ihrer Mutter leben. Diese beantragte mit Thomas Hartz IV, damit sie einen geregelten Unterhalt nachweisen konnten. Ansonsten hätten sie sogar auf diese Unterstützung verzichtet. Nur allzu oft spendete Thomas von dem bisschen Geld, das sie hatten, auch noch einen Teil an Bedürftige, wie er es nannte. Was waren sie denn in seinen Augen? Aber für Maries Fragen hatte er immer eine passende Antwort auf Lager. »Wir sind glücklich, und das alleine zählt.«

Marie seufzte. Ich bin nicht glücklich! Unter Glück verstand sie etwas anderes. Sie war heilfroh, wenigstens ein Handy zu besitzen. Thomas bezeichnete alle elektronischen Geräte als ›Teufelswerk‹. Und ihre Mutter nickte immer nur zustimmend. Sie schien überhaupt keine eigene Meinung mehr zu besitzen.

Vielleicht gefiel Marie deshalb das Buch, welches vorhin gestohlen wurde, so besonders gut. Sie konnte genau nachempfinden, was Zoey Redbird fühlte, wenn sie von ihrem Stiefpenner erzählte. Thomas war genauso wie der Kerl aus dem Roman, und ihre Mutter benahm sich so, als wäre Marie nicht mehr wichtig für sie. Aber warum lässt sie mich nicht zu Papa ziehen? Er sei oberflächlich und hätte keinen Sinn für die Dinge, die wirklich wichtig im Leben wären. Das war ihre Meinung. Ihr Vater würde Marie nur auf einen schlechten Weg bringen. Marie hatte deutlich Thomas’ Worte in denen ihrer Mutter erkannt. So ein dummes Zeugs hätte sie früher nie erzählt. Da liebte sie schöne Kleider, die sie damals auch noch tragen konnte. Seit sie mit Thomas zusammen war, hatte sie ganz schön zugenommen. Thomas war ebenfalls recht füllig. Sie passten optisch sehr gut zusammen. Nur Marie wollte sich ihnen nicht anpassen und hungerte lieber, als die Pampe, die sie ihr oft vorsetzten, zu essen. Sie hatte in den letzten Monaten extrem viel abgenommen, sodass ihre Ärztin ernsthafte Bedenken äußerte.

Ihre Blutwerte waren schlecht. Marie hatte ihrer freundlichen Ärztin versprochen, die Eisentabletten zu nehmen und mehr zu essen. Mit kritischem Blick hatte die Frau Doktor sie mit einem neuen Termin entlassen.

Ich werde nicht mehr essen! Auf keinen Fall! Es war schon tragisch genug, dass sie diese doofe Armschiene tragen musste. Außerdem waren ihre Klamotten das Allerletzte. Marie wusste nicht, wo ihre Mutter die Sachen auftrieb, sie waren schäbig und völlig unmodern. Aber Marie wollte trotzdem hübsch sein. Ihre langen blonden Haare trug sie meistens zu einem Zopf. Schminken durfte sie sich wegen Thomas nicht. Zum Glück hatte sie ein ansprechendes Gesicht. Es war fein geschnitten und erinnerte sie manchmal an ihren Vater. Auch die Augenfarbe hatte sie von ihm. Ein strahlendes Blau. Die Form ihrer Augen hatte sie dann eher von ihrer Mutter. Schön groß und kugelig. Auch ihre Lippen waren voll und wirkten sinnlich.

Marie war durchaus zufrieden mit ihrem Gesicht und eigentlich auch mit ihrem Körper, wenn man den rechten Arm mal ausschloss. Für ihre fünfzehn Jahre war sie bereits sehr gut entwickelt und war glücklich, den vollen Busen ihrer Mutter geerbt zu haben. Wenigstens etwas Positives. Trotzdem wollten die anderen Kids nichts mit ihr zu tun haben. Weder die Jungen noch die Mädchen.

Die Welt war für sie ein weiteres Mal zusammengebrochen, als ihre einzige Freundin Kim mit ihren Eltern nach Berlin gezogen war. Mit Kim verband sie etwas ganz Besonderes. Sie hatte sie als Einzige nicht belächelt, als sie auf einmal dieses andere Leben führen musste. Im Gegenteil, Kim hatte sie getröstet und ihr coole, angesagte Sachen geliehen. Sie hatte Marie immer ermuntert, sie müsse nur ein paar Jahre durchhalten, dann könne sie ausziehen und wieder das Leben führen, das sie sich wünschte. Aber nun war Kim weg und auch die Klamotten, mit denen sie sie immer versorgt hatte. Seitdem machten viele ihrer Mitschüler einen großen Bogen um sie. Es war ihnen sogar peinlich, mit ihr zusammen gesehen zu werden. Es war die Hölle!

Ich will doch nur dazugehören und Spaß haben, wie alle anderen auch.

Aber auch das war ihrer Mutter egal. Sie war ja so glücklich mit ihrem Thomas. Marie spürte, wie ihr die Tränen in die Augen schossen. Sie schwor sich, nie so gemein zu ihren eigenen Kindern zu sein. Sie sollten glücklich aufwachsen, wenn sie überhaupt einmal eigene Kinder bekommen würde. Die Sehnsucht nach Kim wurde übergroß, und Marie nahm sich vor, die Freundin sofort, wenn sie zu Hause war, anzurufen.

[home]

3

Noch in Gedanken versunken, betrat Sophie hinter Andreas das Architekturbüro, welches in einem schicken verklinkerten Altbau über zwei Etagen untergebracht war. Das noble Bürogebäude war nur ein Indiz dafür, wie gut das kleine Architekturbüro König und Abelt lief.

Sophie weinte in Gedanken immer noch der verpassten Chance nach, endlich mit Andreas zu schlafen. Wieder einmal hatte ihnen das Schicksal einen Strich durch die Rechnung gemacht, und sie stellte sich die Frage, warum.

Tina Becker, Andreas’ Assistentin, saß am Empfang und schien nur auf sie gewartet zu haben. Wie so oft trug sie eine neue Haarfarbe. Ein Tick von ihr, der viele belustigte. Tinas richtige Haarfarbe hatte Sophie noch nie gesehen. Im Moment trug sie ein sattes Blau. Ein total unpassender Ton für die junge Frau. Es ließ ihr dünnes Gesicht noch blasser wirken. Die breite Narbe, die sich quer über ihre linke Wange zog, sprang dem Betrachter regelrecht entgegen.

»Bis später«, verabschiedete sich Andreas von Sophie, nachdem er Tina begrüßt hatte.

Er hauchte Sophie einen sanften Kuss auf die Wange und ging die breite Treppe hoch, die mitten in der Empfangshalle nach oben führte.

Tinas missgünstiger Blick schien Sophie geradewegs zu durchbohren. Sie ist immer noch eifersüchtig, dachte sie und versuchte, Tinas Hasstiraden auszublenden.

»Hast du vergessen, dass Eva Urlaub hat?«, fauchte die Arbeitskollegin sie an.

Ja, das habe ich tatsächlich vergessen, sonst wäre ich natürlich früher am Arbeitsplatz erschienen.

Tina und sie wechselten sich in den zwei Wochen, in denen Eva Urlaub hatte, in der Zentrale ab, und Sophie hatte gleich die erste Woche Dienst.

»Entschuldige«, entgegnete Sophie zerknirscht.

»Sei morgen pünktlich! Ich hätte auch lieber ausgeschlafen.«

Warum ist sie überhaupt so früh im Büro? Sie konnte doch gar nicht wissen, dass ich es vergessen habe.

»Ja, natürlich«, brummte Sophie und ließ sich am Empfang nieder.

Tina würdigte sie keines Blickes mehr und ging wortlos nach oben in ihr Büro, Andreas’ Vorzimmer. Sie war in erster Linie seine Assistentin.

Sophie seufzte. Wahrscheinlich werden wir nie Freundinnen werden. Das lag hauptsächlich daran, dass Tina glaubte, Sophie hätte ihr Andreas vor der Nase weggeschnappt.

Die Eingangstür öffnete sich und ein ziemlich zerknautscht aussehender Arbeitskollege betrat die Empfangshalle. Sophie musste bei seinem Anblick unwillkürlich lächeln.

»Guten Morgen, Tom. Du solltest erstmal einen ganz starken Kaffee trinken.«

Er sah sie an, und sein verkniffener Mund verzog sich ebenfalls zu einem Grinsen.

»Guten Morgen, Sophie. Den brauche ich jetzt nicht mehr. Wenn ich dich sehe, geht die Sonne für mich auf.«

Sophie ahnte, dass Tom schon von Anfang an auf sie stand, aber ihr Herz gehörte nun einmal ausschließlich Andreas. Das schien den netten Kollegen, der Mitte zwanzig war und optisch den perfekten Nerd abgab, aber nicht zu stören. Sie ärgerte sich, dass sich ihre Wangen bei seinen Worten gerötet hatten.

Zum Glück unterbrach ein eingehendes Telefonat die für sie peinliche Situation.

»König und Abelt. Sie sprechen mit Sophie Sturm. Guten Morgen.«

»Sergej Kapatrev hier.« Die Stimme des Buchhalters klang kratzig.

»Hallo.« Sie hatte den Mann von Anfang an nicht gemocht und konnte sich diese starke Antipathie nicht erklären. Sie war einfach da, und Sophie zwang sich, ihn ihre Abneigung nicht allzu deutlich spüren zu lassen.

Kapatrev hustete, und Sophie entfernte den Hörer etwas vom Ohr.

Tom winkte ihr zu und ging die Treppe, die zu den Toiletten führte, nach unten. Sophie winkte zurück und lauschte dann wieder Kapatrevs Worten.

»Sophie, mir geht es heute hundeelend. Ich bleibe zu Hause.«

»Ich mache eine Krankmeldung fertig und informiere Gregor und Andreas«, kommentierte Sophie knapp.

»Man sieht sich, Sophie.«

»Denken Sie bitte daran, morgen einen Arzt aufzusuchen, wenn es Ihnen immer noch nicht besser gehen sollte, und dann auch eine AU einzureichen.«

»Eine AU, was ist das denn?«

Sophie verdrehte genervt die Augen. Wo hatte Kapatrev eigentlich vor diesem Job gearbeitet? Sie nahm sich vor, seine Bewerbungsunterlagen noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Kapatrevs spontane Einstellung durch Abelts Alleingang hatte einen riesigen Krach zwischen Andreas und Gregor verursacht. Schmerzlich konnte Sophie sich daran erinnern, dass Andreas sie eigentlich für die Einstellung des neuen Buchhalters verantwortlich gemacht hatte. Sie hatten deshalb einen bösen Streit.

»Eine AU ist eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Die stellt der Arzt Ihnen aus und die müssen Sie uns dann vorlegen.«

»Ah, okay. Werde ich dann machen. Auf Wiedersehen.«

»Gute Besserung, Herr Kapatrev.«

Obwohl sich alle Mitarbeiter des Architekturbüros mit dem Vornamen ansprachen, konnte sich Sophie nicht überwinden, ihn Sergej zu nennen. Der Typ war ihr viel zu suspekt. Sie hielt so viel Distanz zu ihm, wie es ihr möglich war.

Ein unheimliches Gefühl hatte sie während des Gesprächs beschlichen, aber sie hatte keine Zeit, diesem Gefühl nachzuspüren, denn zwei Männer hatten das Büro betreten und steuerten geradewegs auf sie zu.

»Guten Morgen«, begrüßte Sophie sie höflich.

Beide Männer hatte sie noch nie zuvor gesehen. Sind das neue Kunden?

»Morgen!«, erwiderte der größere von beiden und trat an den Empfangstresen.

»Wir wollen zu Gregor Abelt, zu Sergej Kapatrev und zu Andreas König.«

Gleich zu allen dreien? Merkwürdig!

»Haben Sie einen Termin?«

Der kleinere der beiden Männer zog einen Dienstausweis aus seiner Tasche und hielt ihn Sophie direkt vor die Nase: »LKA, NRW, Martin Schoppenhauer.«

Sophie verstand nicht und blickte Schoppenhauer direkt ins Gesicht.

Der Mann blickte auf ihr Namensschild, welches auf dem Tresen stand.

»Ohne Voranmeldung, Frau Sturm!«

Übelkeit überfiel sie. Was geht hier gerade ab? Was will die Polizei von den beiden Geschäftsführern und dem Buchhalter?

»Sergej Kapatrev hat gerade angerufen und sich krankgemeldet.«

Der größere der beiden Männer griff in seine Jackentasche und holte ein Handy heraus. Er informierte seine Kollegen über die Tatsache, dass Kapatrev höchstwahrscheinlich in seiner Wohnung anzutreffen wäre.

»Herr König ist oben in seinem Büro, Treppe hoch, erste Tür auf der linken Seite. Herrn Abelt habe ich heute noch nicht gesehen, er müsste aber eigentlich anwesend sein. Ich sehe an meiner Telefonanlage, dass er gerade telefoniert.«

»Wer ist noch im Gebäude?«

Sophie zuckte mit den Schultern. Ihre Hände fühlten sich mit einem Mal eiskalt an. Ist das hier ein Zugriff, so wie man es immer in Filmen sieht? Aber was will die Polizei von Andreas? Er hat doch nichts gemacht.

»Ich bin gerade erst angekommen. Tina Becker, das ist die Assistentin von Herrn König, ist oben, und Herr Tom Luft sitzt in dem gegenüberliegenden Zimmer von Herrn Abelt. Aber im Moment ist er unten auf der Toilette.«

Sie zeigte zu der Treppe, die nach unten führte, und bemerkte, dass ihr Finger zitterte.

Die Tür zur Empfangshalle wurde aufgestoßen, und mehrere Polizisten in schweren Uniformen stürmten das Bürogebäude.

Sophie nahm noch wahr, dass die Lampe von Abelts Telefon auf Grün wechselte. Sie musste sich setzen, aber einer der Polizisten kam zu ihr hinter den Tresen und machte sich an ihrem PC zu schaffen.

Himmel, bitte mach, dass es nur ein verrückter Traum ist!, dachte Sophie.

Ein Polizist lief die Treppe zum Untergeschoss hinunter, um Tom abzufangen. Mehrere Polizisten stürmten die Treppe nach oben, um die dortigen Büros zu untersuchen.

»Frau Sturm, folgen Sie mir bitte«, forderte Schoppenhauer sie auf.

Er wirkte angespannt, und Sophie wünschte sich nichts sehnlicher, als aufzuwachen und in Andreas’ Armen zu liegen.

Sie schluckte und griff ihre Handtasche, die der Mann ihr sofort wegnahm. Er führte sie zu seinem Dienstwagen, Sophies Beine fühlten sich wie Pudding an. Sie lehnte sich gegen das Fahrzeug.

»Ich glaube, ich muss brechen«, informierte sie ihren Begleiter.

»Das können Sie im Wagen machen. Ich muss Sie jetzt sofort von hier wegbringen.«

Bombenalarm!, schoss es Sophie durch den Kopf.

Sicherlich hat die Firma eine Drohung erhalten, und sie mussten deshalb evakuiert werden. Es war nichts Tragisches. Beruhige dich, Sophie!, sprach sie sich selbst Mut zu.

Sie nahm die ihr gereichte Spucktüte dankend entgegen und schloss die Augen, um wieder einen klaren Gedanken fassen zu können.

»Andreas, ich meine Herrn König. Ich möchte wissen, ob er in Sicherheit ist.«

Der Beamte blickte sich zu ihr um, zog die Augenbrauen in die Höhe und nickte.

»Frau Sturm, ich will der Befragung nichts vorwegnehmen, aber wie stehen Sie zu Herrn König?«

Wieso Befragung?

»Er ist mein Chef, und wir sind zusammen«, antwortete sie wahrheitsgemäß.

»Okay.«

Schoppenhauer ging nicht weiter auf den Sachverhalt ein. Trotzdem spürte Sophie deutlich, dass er sie im Rückspiegel musterte. Sie fragte sich zum hundertsten Mal, was hier vor sich ging.

Die Antwort erfuhr Sophie bei der Befragung auf der Polizeiwache.

Auch wenn ihr Verstand es nicht begreifen wollte, wurde der Tatbestand doch durch jede Frage von Schoppenhauer deutlicher. Es war wie ein Puzzle, das nach und nach ein klares Bild ergab.

Das Bild passte nicht im Geringsten mit dem zusammen, das sie von Andreas besaß. Er sollte Mitglied der russischen Mafia sein. Die Firma König und Abelt wäre nur aus einem Grund entstanden, um für die Mafia dreckige Geschäfte abzuwickeln. Das hieß in erster Linie, Land zu kaufen, welches man nutzen konnte, um giftigen Müll zu entsorgen und anschließend gewinnbringend abzustoßen, ohne die neuen Eigentümer über die Altlasten zu informieren.

Sophie wollte es nicht glauben. Andreas würde sich nie an solchen kriminellen Machenschaften beteiligen.

Schoppenhauer erklärte ihr, dass die ersten Beweise, die sie im Büro sichergestellt hatten, gegen seine Unschuld sprachen. Sie erfuhr auch, dass Gregor, während das LKA das Architekturbüro gestürmt hatte, durch sein Fenster im ersten Stock getürmt war. Anscheinend war er von Kapatrev, der irgendwie Wind von der Sache bekommen hatte, gewarnt worden. Beide Herren befanden sich auf der Flucht.

»Ich will zu Herrn König.«

»Frau Sturm, Sie werden sicherlich verstehen, dass wir Herrn König noch einige Fragen stellen müssen. Vor allen Dingen Hinweise auf die Aufenthaltsorte seiner Kompagnons.«

»Andreas hat doch nichts mit der russischen Mafia zu tun!«

»Frau Sturm, so leid es mir für Sie tut. Uns wurden Fakten von seinem PC aus zugespielt, und diese Informationen sprechen leider gegen ihn. Wir werden Sie soweit möglich auf dem Laufenden halten. Falls Ihnen noch wichtige Dinge einfallen oder Kapatrev oder Abelt sich bei Ihnen melden sollten, bitten wir um sofortige Hinweise.«

»Ja, aber natürlich.«

Um Sophie drehte sich alles. Sie schloss die Augen und hoffte, keinen Heulkrampf zu bekommen. Es war schon so alles peinlich genug. Gehörten Andreas und Gregor wirklich zur russischen Mafia? Bei Kapatrev konnte sie es sich sogar vorstellen. Aber ihr Andreas, der so sanft und sensibel war. Sie konnte und wollte es nicht wahrhaben.

Völlig paralysiert verließ sie die Polizeiwache und fuhr nach Hause.

[home]

4

Hallo, Kim. Ich wollte mich mal wieder bei dir melden.«

»Hey, Sweety, das ist ja super. Ich habe dich schon so vermisst.«

Es tat gut, Kims vertraute Stimme zu hören und vor allen Dingen ihr ›Sweety‹. Nur Kim, ihre beste Freundin, nannte sie so. Es klang cool und nicht so brav wie Marie. Ein Lächeln schob sich auf ihre Lippen. Wie sie Kim doch vermisste.

»Wie geht es dir?«, fragte Marie leise und machte es sich auf ihrem Bett gemütlich.

»Och, bei mir ist alles easy. Aber erzähl du doch mal, wie es im Krankenhaus war.«

Maries entspanntes Lächeln verschwand augenblicklich. Sie verzog bitter das Gesicht, wenn sie an ihren letzten Krankenhausaufenthalt, der vor gut einer Woche geendet hatte, zurückdachte.

»War ganz okay. Was gibt es denn bei dir Neues?«, versuchte sie, die Freundin auf ein anderes Thema zu lenken.

Sie wollte einfach nicht an die schmerzvollen Behandlungen erinnert werden. Für sie war es die Hölle gewesen. Etwas Schlimmeres konnte sich Marie nicht vorstellen. Die unsagbaren Schmerzen in ihrem rechten Arm. Die grausame Operation. Man hatte ihr in den Schädel gebohrt, um in der Großhirnrinde eine kleine Elektrode zu platzieren, die ihr gegen die Schmerzen in ihrem Arm helfen sollte. Ein Kabel reichte vom Gehirn unter ihrer Haut bis zur nächsten Elektrode, die sich auf Ellbogenhöhe befand. Sie konnte den quadratischen Fremdkörper unter ihrer Haut deutlich wahrnehmen. Die gleiche Elektrode befand sich ebenfalls in der Höhe ihres Bauches. Sie würde sich daran gewöhnen, hatte der Professor in der Uniklinik in Essen ihr versichert.

Aber wie lange würde das dauern? Im Moment konnte sie es sich nicht vorstellen. Und sie zweifelte auch sehr daran, dass ihr die komplizierten Apparate in ihrem Körper wirklich helfen würden. Sie fühlte sich wie ein Roboter, weil so viele Kabel und Strippen durch ihren Körper liefen. Das ist doch kaum noch menschlich!

Marie hatte sich mit ihrer Krankheit, die sie bereits vor drei Jahren nach einer harmlosen Hand-OP ereilt hatte, immer noch nicht abgefunden. Der Morbus Sudeck war ihr größter Feind.

Dazu kam auch noch die Angst vor dem Baby, welches ihre neue Familie bald vergrößern würde.

Sie hatte so sehr gehofft, dass ihre Mutter und ihr Vater sich eines Tages wieder vertragen würden. Diese Hoffnung alleine hatte ihr die anfängliche Zeit, nach dem die Krankheit festgestellt wurde, erleichtert. Aber nun war dieser große Herzenswunsch wie eine Seifenblase zerplatzt.

Thomas und Silke bekamen ein gemeinsames Kind. Ein gesundes Baby, welches die beiden noch mehr zusammenschweißen würde und sie umso mehr zum dritten Rad am Wagen machte. Wer wollte auch schon einen Krüppel in seiner Familie?

Die beiden hatten sich und ihr Baby. Da war kein Platz mehr für Marie.

Am liebsten wäre sie mit ihren fünfzehn Jahren zu ihrem Vater gezogen. Sein Leben gefiel ihr sowieso viel besser. Er war ein angesehener Architekt mit einem eigenen Büro. Er fuhr ein tolles Auto und hatte Geld, von dem er ihr, dank ihrer Mutter, nicht viel abgeben durfte.

Ihr Vater, Andreas, hatte sie getröstet und ihr versichert, ein Sparbuch für sie anzulegen, damit sie für Notfälle immer etwas Geld hatte. Marie hatte ihm hoch und heilig versprochen, das Sparbuch vor Silke und Thomas geheim zu halten und das Geld nicht mit vollen Händen auszugeben. Es durfte auf keinen Fall auffallen.

Dabei wollte sie sich auch mal tolle neue Klamotten kaufen, Make-up und die aktuellsten CDs. Aber für solche Dinge war nie Geld da. In ihrer neu entstehenden Familie war für solche Luxusdinge kein Platz. Sie waren arm wie die Kirchenmäuse und lebten von den Gaben, die Gott für sie bereithielt.

»Gesünder geht es gar nicht«, hatte ihre Mutter ihr unzählige Male erklärt.

Trotzdem war Marie überglücklich, wenn ihr Vater sie schick zum Essen ausführte und sie Zeit mit ihm, in seiner Welt, verbringen durfte. Aber sicherlich würde das jetzt auch seltener werden. Ihr Vater hatte ebenfalls eine neue Freundin, eine seiner Mitarbeiterinnen: Sophie Sturm.

Tränen rannen ihr über die Wangen und wurden von einem lauten Schluchzer untermalt.

»Sweety? Was ist bei dir los? Ich mache mir Sorgen!«

Marie konnte nicht mehr anders. Die Worte sprudelten einfach aus ihr heraus, und es fühlte sich an, als würde ein Damm brechen. Sie erzählte Kim alles, was sie bedrückte. Auch, dass sie das Gefühl hatte, beobachtet zu werden.

Kim hörte ihr ruhig und geduldig zu.

»Oh Mann, Sweety, das klingt alles megascheiße. Das geht ja alles gar nicht! Ich würde dir so gerne helfen. Kannst du nicht einfach in den Ferien zu mir nach Berlin kommen?«

Ein Licht tauchte am Ende des Tunnels auf. Marie wischte sich die Tränen fort.

»Das wäre total genial. Ich werde Mama fragen. Bestimmt werden sie es erlauben, denn dann bin ich ihnen wenigstens nicht mehr im Weg.«

»Ich würde mich total freuen, und wir hätten ganz bestimmt jede Menge Spaß.«

»Ja, das glaube ich auch. Ich frage die beiden und melde mich dann wieder bei dir. Ich wollte schon immer mal nach Berlin.«

»Es ist wirklich eine saucoole Stadt. Du wirst begeistert sein. Pack die Sachen ein, die dir dein Paps gekauft hat. Die wirst du hier brauchen.«

Marie musste lächeln, wenn sie daran dachte, wie Kim und sie die Lokale in Berlin unsicher machen würden. Geld hätte Kim dafür genug. Ihr Leben hatte wieder einen Sinn. Sie wollte zu ihrer Freundin – um jeden Preis.

»Bis bald, Kim. Bussi. Ich hab dich lieb.«

»Ich hab dich auch lieb, Sweety. Ich freue mich auf dich. Ciao!«

[home]

5

Sister empfing Sophie anklagend maunzend an der Wohnungstür. Sophie hatte für ihren Liebling überhaupt keinen Kopf. Ihre Gedanken wirbelten um die Frage, was aus Andreas werden würde.

Automatisch gab sie Sister zu fressen, streichelte sie geistesabwesend und rief Annika an. Sie musste mit jemandem über die ganze verrückte Sache sprechen.

Schon am Tonfall ihrer Freundin erkannte Sophie, dass diese ungestört reden konnte. Gott sei Dank!

Annika war mit einem Typen namens Armin verlobt. Ein Kerl, der ihr alles vorschrieb. Verstieß sie einmal gegen seine selbstgemachten Gesetze, ließ er sie das spüren. Sophie hatte aufgehört, sich zu fragen, was Nika an diesem Idioten fand. Wo die Liebe eben hinfiel. Sie selbst brauchte und würde Armin im Leben nicht heiraten. Aber Nika war für ihren Traummann zu allem bereit. Vielleicht brauchte Annika ja eine harte Hand, die sie führte und stieß. Sie wusste nicht viel von Nikas Elternhaus. Vielleicht kannte die Freundin es gar nicht anders und suchte sich deshalb so einen Partner.

Zum Glück konnte sie jetzt mit Nika in Ruhe sprechen.

In knappen Sätzen schilderte Sophie ihrer Freundin die Erlebnisse, die sich bei König und Abelt abgespielt hatten.

Sprachlos hörte Annika ihr zu.

»Das ist ja schrecklich, Sophie. Soll ich zu dir oder willst du zu mir kommen?«

Anstatt ihr eine Antwort zu geben, fragte Sophie mit zitternder Stimme: »Könntest du dir vorstellen, dass ich mit jemandem zusammen bin, der zur Mafia gehört?«

Nika hielt inne und schien über die Frage einen Moment nachzudenken.

»Sophie, ich denke, das kann man nicht so einfach mit einem Ja oder Nein beantworten. Soll ich nun zu dir kommen?«

»Er ist doch so ehrlich. Ich verstehe das nicht.«

Sophie war vollkommen konfus. Bis sie auf Nikas Angebot, zu ihr zu kommen, zurückkam, war es zu spät. Sie wollte gerade zustimmen, da vernahm sie Armins Stimme im Hintergrund: »Mit wem quatscht du denn schon wieder stundenlang?«

»Es sind erst ein paar Minuten. Sophie ist am Telefon … sie …«, versuchte Nika, sich leise zu rechtfertigen.

Sophie entging der Wechsel in Nikas Tonfall nicht, der jetzt demütig klang.

»Ach, ihr alten Labertanten. Mach Schluss!«

»Aber, Sophie …«

»Lass es gut sein, Nika. Du kannst morgen zu mir kommen. Ich möchte heute lieber meine Ruhe haben!«, log sie, um die Freundin nicht in einen handfesten Interessenkonflikt zu manövrieren.

Sophie wusste, dass Armin, wenn er seinen Willen nicht bekam, zu Gewaltausbrüchen tendierte. Nika sollte nicht auch noch unter dem heutigen Vorfall leiden müssen.

Annika verstand und verabschiedete sich lahm von Sophie.

»Okay, lass uns morgen weiterreden. Gute Nacht!«

»Gute Nacht!«

Mit Tränen der Verzweiflung beendete Sophie das Telefonat und wählte sofort die Nummer ihrer anderen Freundin. Hoffentlich hat Lea keinen Lover bei sich und ich störe sie wieder einmal – bei was auch immer.

*

Lea lag alleine auf ihrem Bett und blätterte gerade in Frauenzeitschriften herum, als das Telefon klingelte.

Sie freute sich über die Unterbrechung, auch wenn der Grund von Sophies Anruf ihre Nackenhaare aufrichtete.

»Ach du Scheiße. So ein Wichser …«

»Hey, sprich nicht so über ihn. Noch ist nix bewiesen.«

»Ich wusste von vornherein, dass mit dem Typen etwas nicht stimmt, und da hast du es. Mein Bauchgefühl hat mich noch nie belogen.«

»Aber das stimmt doch gar nicht«, verteidigte Sophie ihren Andreas. »Hör mal, Lea. Ich bin total platt. Ich werde mich hinlegen und schlafen. Gute Nacht.«

Lea war irritiert, war sie doch gerade erst so richtig schön in Fahrt gekommen, über Andreas König abzulästern. Aber Sophie hatte das Gespräch bereits beendet, und so vergrub sie die Nase wieder in ihren Zeitschriften.

Auch nach einer Viertelstunde ließ ihr die ganze Sache keine Ruhe. Lea angelte nach ihrem Handy, das auf dem Nachttischchen lag, und schrieb Sophie eine SMS: Will, dass du weißt, dass ich immer für dich da bin. Fühl dich feste umarmt. Deine Lea.

*

Sophie hatte sich zwischenzeitlich nachtfertig gemacht, als ihr Handy eine eingehende SMS meldete. Sie las die Nachricht von Lea und biss sich auf die Lippen.

»Supi.«

Heulend fiel sie auf ihr Bett und nach wenigen Minuten in einen wilden, traumreichen Schlaf. Sister versuchte, sich ein paar Mal an sie zu kuscheln, räumte dann aber den Platz, um selbst mehr Ruhe zu finden.

 

»Aufstehen, Prinzessin Sophie. Sofort aufstehen!« Jemand zerrte an ihrem Bein und riss sie so aus einem tiefen Schlaf. Prinzessin? Wo bin ich? Wer ist gemeint? Mit jeder Sekunde, die sie dem Wachsein näherbrachte, wurde ihr bewusst, dass mit ihr gesprochen wurde. Es war eine Männerstimme. Der Schmerz, den der harte Griff an ihrem Fußgelenk auslöste, ließ sie endlich die Augen aufschlagen. Sie blickte Gregor, Andrejs bestem Freund und Knappen, geradewegs in die stahlblauen Augen.

»Gregor, was ist geschehen?«

»Ihr solltet euch von eurem Lager erheben, Prinzessin. Der Prinz ist …«

Er brach ab, und Angst schnürte ihr Herz zu. Was ist mit meinem Liebsten?

»So sprecht doch, Gregor. Was ist mit dem Prinzen?«

»Ihr erinnert euch an den Schamanen?«

Seine Frage fühlte sich für Sophie an, als hätte jemand einen Bottich mit Eiswasser über ihr ausgegossen. Wie könnte sie den Schamanen vergessen, der die böse Hexe Julia mit ihrem Liebsten vermählen wollte. Es schien alles so viele Jahre zurückzuliegen.

»Erzählt, was ist passiert?«

»Der Schamane hatte einen Boten geschickt. Andrej nahm eine Depesche entgegen und las sie. Er schien sehr beunruhigt, faselte etwas von Gefahr und dass er etwas Dringendes erledigen müsste. Kurz danach ritt er fort, und gerade kam ein neuer Bote mit dieser Botschaft.«

Sophie war hellwach vor Sorge um Andrej. Sie richtete sich in ihrem Bett auf, dabei entging ihr Gregors Blick auf ihr weit geöffnetes Nachtgewand nicht. Sie hatte jetzt keine Zeit, um sich darüber Gedanken zu machen. Mit entschlossener Miene nahm sie Gregor die Depesche ab, entrollte sie und las die wenigen Worte, die dort geschrieben standen.

 

»An die böse Hexe Sophie,

ich will Rache für mein ›Schneeweißchen‹. Wenn du Andrej noch einmal lebend wiedersehen willst, warte auf weitere Hinweise. Keine Wachen!

Der Richter!«

 

Sophie glaubte, ihr Herz würde augenblicklich zu schlagen aufhören. Andrej war in größter Gefahr, das sagte ihr dieser Brief. Und nicht nur das Leben von ihrem Liebsten hing an einem seidenen Faden. Der Richter, wie er sich nannte, hatte es auch auf sie abgesehen, und er hatte ein klares Motiv. Rache! Schauer fuhren über ihren Leib, wenn sie an Schneeweißchen zurückdachte. Die böse Hexe, Julia, hatte sich so genannt. Sicherlich hatte sie Sophie und alle anderen verflucht.

[home]

6

Ein schwerer Gang stand ihr bevor. Soll ich meine Eltern einfach vor vollendete Tatsachen stellen? So frei nach dem Motto, ich fahre nach Berlin! Eltern? Oh Mann, jetzt bezeichne ich schon den Stiefpenner als meinen Vater. Never forever!

Marie sehnte sich nach ihrem leiblichen Vater, wählte seine Nummer und bekam doch wieder nur den Anrufbeantworter seiner Mailbox ans Ohr.

»Papi, ich brauche deine Hilfe. Es ist wirklich ganz dringend! Ich hab dich lieb. Melde dich bitte bei mir.«

Seufzend beendete Marie den Anruf und sah sich in ihrem Zimmer um.

Einige Gegenstände, wie ihre Musikanlage und die dazugehörende Lichtorgel, zeugten noch von den guten Zeiten, in denen sie vor der Trennung ihrer Eltern gelebt hatte. Warum kann nicht alles wieder wie früher werden?

Ihre Eltern gingen mittlerweile halbwegs vernünftig miteinander um. Das mochte an Papas neuer Freundin liegen. Silke und Andreas kommunizierten in letzter Zeit geradezu anständig miteinander. An eine Versöhnung mit im Himmel klingenden Geigen glaubte sie eh nicht mehr. Ihr würde es schon reichen, wenn sie mit ihrer Mutter und ihretwegen auch mit dem Baby normal leben durfte.

Normal, das hieß für sie, in einem Haus oder auch nur einer popeligen Mietwohnung. Ihre Mutter sollte einem geregelten Job nachgehen. Aber halt! Sie hatte ja noch das Baby. Darauf müsste sie, Marie, dann aufpassen. Babygeplärre, stinkende Windeln. Dann doch lieber nur ihre Mutter und sie, alleine, unter normalen Lebensumständen. Ohne stinkenden Mief aus dem Ziegenstall. Mit einer Heizung, die ansprang, wenn man sie aufdrehte.

Keine geflickten Klamotten mehr, wegen denen sie so oft in der Schule ausgelacht und gehänselt wurde. »Flickenmonster«, tuschelten sie seit ihrem Umzug hinter ihrem Rücken.

Nein, sie wollte so nicht mehr weiterleben. Woher nahmen der Stiefpenner und ihre Mutter das Recht, über elementare Dinge für sie zu entscheiden? Sie steckten nicht in ihrer Haut und konnten nicht wissen, wie elendig sie sich fühlte.

Marie dachte mit flatternden Gefühlen im Bauch an das Gespräch, welches ihr bevorstand. Sie musste es hinter sich bringen. Verstecken war keine Alternative.

Zuerst packte sie ihre Reisetasche, um sich selbst Mut zuzusprechen. Ich werde nach Berlin fahren!

Mit immer noch mulmigem Gefühl trat sie zu ihrer Mutter in die Küche und suchte verzweifelt nach den Sätzen, die sie sich während des Packens zurechtgelegt hatte. Nichts davon wollte ihr mehr einfallen.

»Na, hast du deine Hausaufgaben erledigt? Schäl doch bitte schon einmal die Kartoffeln. Wenn Thomas gleich reinkommt, können wir essen.«

Essen, essen, essen. Denkst du eigentlich noch an andere Dinge? Ich sehe dich immer nur essen. Kein Wunder, dass du immer dicker wirst. Ich habe keinen Hunger!, wollte Marie ihrer Mutter am liebsten völlig frustriert entgegenschleudern. Aber ein Gefühlsausbruch würde ihr jetzt auch nicht weiterhelfen. Sie musste diplomatisch an die Sache herangehen. So brummte sie: »Ja, habe ich.«

Ihre Wut ließ sie an den Kartoffeln aus, die beim Schälen immer kleiner wurden.

*

»Ich möchte Kim besuchen«, eröffnete sie ihrer Mutter und dem Stiefpenner, als sie anfing, den Tisch abzuräumen.

Thomas löffelte seinen Nachtisch, einen Grießbrei. Marie fragte sich wahrscheinlich zum tausendsten Mal, ob ein Mensch trotz Stall- und Gartenarbeit wirklich immerzu so dreckige Hände, insbesondere Fingernägel haben musste.

»Wir haben kein Geld für Reisen.«

»Ich habe Geld!«

Ihre Mutter räusperte sich und gab ihr so zu verstehen, das Thema nicht weiter zu vertiefen. Aber Marie wollte nicht wieder klein beigeben. Sie wollte hier raus, in ein normales Leben mit normalen Menschen, die auch mal Chips und Cola verzehrten. Nicht immer nur Körner und Naturprodukte.

»Ich werde zu Kim fahren!«

Dieses Mal klang ihre Stimme entschlossen. So energisch, dass Thomas seinen Löffel in die Porzellanschlüssel fallen ließ und diese von sich schob. Dann blickte er wieder zu Silke, und murmelte: »Silke, es ist dein Kind. Sag du ihr, dass es nicht geht. Sie kann nicht einfach nach Berlin fahren.«

Erneut räusperte sich die dickliche Frau mit dem zu einem Bauernzopf geflochtenen Haar.

»Schatz, du weißt doch, dass es nicht geht. Der Zeitpunkt ist denkbar ungünstig. Das Baby kommt bald. Ich brauche dann deine Hilfe.«

Auf das Geldproblem ging sie nicht weiter ein, sie hatte Thomas wohl verheimlicht, dass sie von Maries Sparbuch wusste.

Marie schürzte die bebenden Lippen. Sie dürfen es mir nicht verbieten! Sie schrie: »Ich hab doch Ferien. Bekommst du ein Kind oder ich?«

Kaum, dass sie die Worte ausgesprochen hatte, wusste Marie, dass sie einen Fehler begangen hatte. Aber nun war es zu spät.

Thomas hatte sich schweigend erhoben. Sein ausgestreckter Finger deutete in die Richtung, in der ihr Zimmer lag.

»Du hast deine Mutter gehört, und Respektlosigkeit dulde ich in unserer Familie nicht.«

Marie kämpfte mit den aufsteigenden Tränen. Ich habe es vergeigt, und nun wird mir auch alles Heulen und Betteln nichts nützen.

Ein starker Schmerz fuhr durch ihre rechte Hand. Sie musste ihr Morphin nehmen. Das hatte sie mit ihrer Diskussion erreicht. Aber du heulst jetzt nicht! Nicht vor ihm, der unbedingt ein Teil oder sogar das Oberhaupt ihrer Familie sein wollte.

Schwummrig vor Schmerzen erhob Marie sich. Sie ging so aufrecht wie möglich in ihr Zimmer, um sich weinend und unter Schmerzen krümmend auf ihr Bett zu legen.

[home]

7

Björn Holfuß war vor einem Monat als geheilt vorzeitig aus der Forensik entlassen worden. Er hatte seinem Psychiater in der Klinik schöne Augen gemacht, und dieser hatte sich tatsächlich auf den schmutzigen Deal eingelassen. Freiheit gegen Affäre.

Holfuß war nie ein Beziehungsmensch gewesen, das hätte der äußerlich stets korrekte Therapeut eigentlich wissen müssen. Unzählige Therapiegespräche hatte er mit Holfuß geführt und sogar ein Profil erstellt.

Holfuß stand ausschließlich auf Frauen. Mit äußerstem Widerwillen hatte er seinen Therapeuten mit der Hand, manches Mal auch mit dem Mund befriedigt.

Anschließend musste er sich übergeben und war froh, dass es in seiner Zelle keiner mitbekam.

Sein Plan ging tatsächlich auf, und als er Angst haben musste, dass Dr. Brauckmann, wie der Psychologe hieß, es sich doch noch anders überlegte, ließ er ihn auch in seinen Arsch. Das war die heiß ersehnte Freiheit ihm wert.

Von da an stand er dem Psychiater, immer wenn dieser Zeit und Lust auf ihn hatte, zur Verfügung und spielte diesem den schmachtenden Loverboy vor. Das gelang ihm bestens, da er auch noch über eine wunderbare Stimme verfügte und singen konnte wie ein Jüngling. Darauf fuhr der Psycho-Doc ab.

Brauckmann schien einen Narren an ihm gefressen zu haben, denn tatsächlich schrieb er eines Tages das Gutachten, welches Holfuß den Weg in die Freiheit ebnete.

Ein einziges Mal hatte er sich nach seiner Freilassung noch mit dem Psychiater getroffen. Als dieser seine schleimige Hand auf seinem Oberschenkel postiert hatte und ihn mit diesem dämlichen Dackelblick angeschmachtet hatte, wollte Holfuß erst brüllen: Verpiss dich endlich, elendige Schwuchtel, sonst reiß ich dir den Arsch auf!

Im letzten Augenblick war ihm eine andere Idee gekommen.

Holfuß hatte sich zu Brauckmann hinübergebeugt, seine Wange geküsst und in sein Ohr gesäuselt: »Ich bin so glücklich, dass wir endlich ungestört zusammen sein können. Nur du und ich. Endlich brauchen wir uns nicht mehr zu verstecken, mein affengeiler Seelenklempner. Und weißt du was, ich kann es gar nicht abwarten, dich heftig zu stoßen.«

Der Arzt stöhnte laut auf vor Verlangen und fasste Holfuß in den Schritt.

»Ich auch nicht. Ich bin so glücklich mit dir Björni Örni.«

Noch so ein behämmerter Ausdruck, für den Holfuß den Psychiater gerne genagelt hätte. Sein Nageln hatte aber nur bedingt mit Sex zu tun.

Liebend gerne hätte er die schwule Sau, die Brauckmann in seinen Augen war, mit langen Nägeln auf dem Wohnzimmertisch festgetackert. Es juckte ihm geradezu in den Fingern. Wie gerne würde er den Hammer schwingen und jeden Nagel Schlag für Schlag in den verkommenen Körper treiben. Wie lange hatte er das schon nicht mehr getan?

Holfuß spürte seine Hände zittern, wenn er sich erinnerte, wie geil es gewesen war. Er spürte eine Erektion. Brauckmann holte wie selbstverständlich seinen steifen Schwanz aus der Hose und machte sich daran, sein bestes Stück kraftvoll zu massieren.

Nein, so funktioniert das alles nicht. Es muss nach meinen Regeln verlaufen!

»Überlass mir die Führung«, raunte Holfuß dem Therapeuten ins Ohr. Er würde heute richtigen Spaß haben, wenn er auf den Schlappi abwichste.

Holfuß ergriff Brauckmanns Hand und führte ihn zu einem breiten Bett, das einer Prinzessin alle Ehre gemacht hätte. Was für eine Kulisse,