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Michaela & Tom, Geschenkausgabe Hardcover mit Fadenbindung, Sittengeschichtliche Dokumente der 68er aus einer Zeit des Umbruchs in freiheitliche Lebensformen. Ein halbes Jahrhundert, in welchem alte überkommene über Bord geworfen wurden. Hier prallten Welten aufeinander, wobei Kulturgeschichte neu erprobt wurde. Eine andere Sicht auf die Sexualität entstand durch die Einführung der Antibabypille. Es gab noch kein Aids. Bekannte Geschlechtskrankheiten, waren durch das Penicillin beherrschbar. Der Kernpunkt war die 68er Revolution
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Seitenzahl: 88
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Mein ganz besonderes Dankeschön geht an:
Dr. Friedel Weise Ney, Drs. Isolde und Ralph Jacob,Saskia und Selina van der MeerAndreas Grude und Hedy Lins
T
EIL
I
Sittengeschichtliche Dokumente der 68er
T
EIL
II
Die Morgenpost
T
EIL
III
Gedichte aus Tausend und einer schlaflosen Nacht
MICHAELAS GEBURTSORTDIE „FUNKENRUTSCH“ IN PFULLINGEN, VOR DEM RATHAUS
Zum Geleit
Von Jahr zu Jahr und immer wieder
kniet sie — fast förmlich vor mir nieder
Virtuell zwar nur — doch immerhin
steigt sie mir heftig ins Gehirn
Ich sollte — könnte — müsste doch
mal füllen dieses große Loch
Bevors vom Zahn der Zeit gefressen
und alles dann komplett vergessen
So drängt sie heftig — schiebt und fleht
weil sich die Welt doch weiter dreht
Es muss nun endlich mal geschehn
Lass es doch drucken —
ich wills sehn
So ist das mit dem Ehe— Gespunnst
hüpft in der Ecke — lacht und grunzt
damit auch ihr zu lachen habt
hält sie mich weiterhin auf Trab
———
Tom 2o19
AM ABEND
IST ES
KÄLTER
ALS DRAUßEN1.
Dies Buch — kann vieles Dir ergründen
So manches musst du selbst rausfinden
Ihr solltet stets bei dessen Lesen
Fürs leibliche und inn‘re Wesen —
Gewappnet — wie auch nicht allein
Es könnte zu erregend sein
Für diese und auch schwere Stunden
Ist es von Vorteil — unumwunden
Wenn ihr mit Partner — der euch leibt
Auch — manchmal zur Verzweiflung treibt
Wenn Dir der Tobak allzu hart
Wenn das Gelenk Dir ältlich knarrt
Vergiss es einfach — lass es liegen
Sieh zu wie andre Junge kriegen
Es ist das ewig alte Spiel
Seid Ur — Ur— Zeitenwende
Erinnerung — das ist schon viel
Reicht liebevoll euch nun — die Hände
———
Michaela Halder-Witkowski
Hier sitze ich
und schreib entschlossen
Auch mit dem 11ten Finger
Die grauseligsten Lebenspossen
Als Moritaten Singer
Von Liebeslust und fernem Weh
Von Schmerzen in dem großen Zeh
Von Sehnsucht und von Einsamkeit
Von Freudentränen und vom Leid
Folgt mir ins ferne Schwabenland
Wo einst mit Sinn —
und auch Verstand?
Aus partnerschaftlichem Gewühle
Sich trafen in dem eig‘nen Pfühle
Der Michaela diesem Feger
Und turnten wild als Bettvorleger
Sie trieben es — nur keine Bange
Auf Küchentisch - Gardinenstange
Am Türknauf hängend — hinterm Klo
Auf off‘ner Wiese sowieso
Und so geschahs beim Party-Feste
Fernab ganz draußen vor der Stadt
Es war‘n so Hundertzwanzig Gäste
Die Stimmung bebte und hob ab
Und Schnips und Schnups die Beiden
Die konnten sich gut leiden
So leuchtete der volle Mond
Vom Liebespfeile nicht verschont
Umfing sie warm ein Wiesenhang
Die gierigen Küsse waren lang
Die Kleider flogen in die Runde
Und Gäste gafften — ob der Kunde
Die dort vom Wiesenhange scholl
Erst laut in Dur dann sanft in Moll
Sie kriegten viel geboten — —
Und machten nichts als Zoten
Als Schnips und Schnups sich abwärts trollten
Und hei-me-lich zur Party wollten
Schwoll hundertfach aus Jubelkehlen
Wir sollten uns doch gleich vermählen
Speis und Getränk‘ in Saus und Braus
Und wir bekamen viel Applaus
———
GRÜNDUNG
DES
TÜBINGER
ZIMMERTHEATER
Ich gründete mit viel Geschick
Mit Dolly — Werner und mit Glück
Das Tübinger — Zimmertheater
Mit Heinz E. Johst als Übervater
Es war sein allerliebste Kind
Wie Gründerväter nun mal sind
Der alte Name Thespiskarren
Sagten viele — sei ein Schmarren
So hingen wir ihn hinten dran
„Tübinger Zimmertheater der Thespiskarren“
hieß es dann
Wir mieteten die Bursagasse 2.
Dort gabs Theater erste Klasse
Verdienten uns den heißen Sporn
Und spielten: Osborn‘s
„Blick zurück im Zorn“
Wir engagierten — hör‘ genau
Die „Salondame“ als zweite Frau
Eine Kollegin — sehr belesen
„Einnehmend“ war ihr ganzes Wesen
Sie wollte Intendantin sein
Und alle fielen auf sie rein
Sie spann ein krauses Fädchen
Und drehte sehr am Rädchen
VW Käfer Kabrio sausen
Zum Lustschlösschen nach Bebenhausen
Dort wohnte sie und hielt auch Hof
Ein Fabrikantchen war so doof
Er erbte einen Baustoffhandel
Finanziert gar diesen Lebenswandel
Premierenfeiern — Bühnenbilder
Den Förderverein dreht er zum Schilda
Mit bitterbösem Bürgerstreich
„Klaut“ er‘s Theater all sogleich
Und setzte dann — wie könnt‘ es sein
Kollegin ZWEI — zur Intendantin ein
Als Danke3. wurde er gewählt
Zum Vorstand — bis er sich geschält
Zum faulen Ei — dann war‘s vorbei
Mit der geheimen „Kramerei“
Als Jura - Profi mit Bedacht
Hat er‘s Theater dicht gemacht
So stand er vor uns mit ‘nem Zeugen
Wir sollten seinem Spruch uns Beugen
Er hätte den Vertrag mit Trapp4.
Und jagt uns fort — er schiebt uns ab
Geht zum Gericht der Jury
Und führt sich auf — als Schluri
Er hätte Hausrecht und so weiter
Und klettert auf die Macho-Leiter
Wir hätten drei — vier Stunden Zeit
Dann stünde das Gericht bereit
Versiegelt vom Gerichtsvollzieher
Hilft alles nichts — nur Schraubenzieher
Was soll‘s die Presse muss jetzt her
Die Förderer und sonst noch mehr
Das Amtsgericht — bläst zur Versammlung
Der Förderer — doch in Ermang‘lung
Von lieben Menschen die nicht käuflich
Geht alles baden — wie so häufig
Der Sponsor hat mit viel Fortune
Stimmvieh geworben — das war kühn
Zweidrittel Mehrheit war beisammen
Und wir im Netze eingefangen
Sein Tun mit allem drum und dran
Ward abgesegnet — tja — was dann
Wir prozessierten wild entschlossen
Obwohl noch keine Gelder flossen
Zwei Anwälte mit Macht und Brausen
Die Fäuste flogen — Kulturbanausen
Doch sieh‘ der Richterspruch war weise
Verkündet von ihm laut und leise
§
Wir hätten Recht — doch nicht gewonnen So sprach — er nickend und versonnen
§
Was Recht ist muss nicht Rechtens sein
Und räumte uns den Namen ein
Von dem Theater —
„Thespiskarren“
Hier hielt uns das Gericht zum
Narren5.
§
Tom und Dolly
in „Die Zofen“ von Jean Genet
im Jazzkeller zu Tübingen
hier begann die Hintertreppengeschichte
HINTERTREPPEN
GESCHICHTE
Jaaa — wenn ich‘s mir so recht bedenke
Und dem Gedanken Glauben schenke
War‘s gar nicht so verkehrt
Der Sponsor uns belehrt
Und kam mit großem Besen —
Sprach: — „in die Ecke seit‘s gewesen“
‘Ne Frechheit war‘s — ganz ohne Zweifel
Ich wünschte ihn sehr oft zum Deiwel
Doch ob‘s Theater hätt‘ Bestand
Das steht nun mal auf keiner Wand
Viel‘ Intendanten sind gekommen
Haben‘s Theater liebgewonnen
Nur einem ist‘s nicht gut ergangen
Hat sich im Keller 6. aufgehangen
Wir zogen mit dem Thespiskarren
Zum Jazzkeller — wo Stufenknarrend
Es abwärts ging — nicht nur mit uns
Wir standen weiter in der Gunst
Wir spielten wie die Doofen
Von dem „Gene“ „Die Zofen“
Die Frau war Mann — der Mann war Frau
Wir spielten‘s eben sehr genau
Doch vor dem großen Ausgangslicht
Versperrt ein „Stinktierchen“7. die Sicht
Dort wurde eifrig diskutiert
Geneckt gescherzt und philosophiert
Von Sartre über Schopenhauer
Bei Treppenwitzen immer schlauer
L — S — M — der gute Freund
Hat nie und nimmer es versäumt
Um‘s Schnupselchen zu werben
Und Korb um Korb zu erben
So auch auf einer Werbungsfahrt 8.
saß er im Fond und buhlte hart
Der Opel fuhr mit Hasenfell
Und Stummelschwänzchen ziemlich schnell
Beifahrer W. — er konnt‘s nicht fassen
Michaela aber nimmt‘s gelassen
Gelassen Jesses — nie und nimmer
Ich liebte dieses Frauenzimmer
Und wollte alles dafür geben
Mit ihr — und nicht mit ander‘n leben
Mit Kind und Kegel — mir egal
Ich liebt‘ sie trotzdem — welche Qual
Die Dolly wusste vom Dilemma
Hütet‘ die Kinder brav im Zimmer
Auch steht sie Schmiere vor dem Tor
Lenkt And‘re ab — stellt sich davor
Es war ein lustvoll bitt‘res Spiel
Das mir zwar — doch nicht Schnups gefiel
So saß sie hinten — hielt sich toll
Und doch das Auge überquoll
Stinktierchens Arm legt sich um sie
Auch fasst er manchmal an ihr Knie
Der Heiratsantrag abgewiesen
Wir können uns — in Lieb‘ genießen
Ach ja — die Stellung war perdue
Baden Baden — Tschö wa!9. — Pfüadi!
———
Vom „Tiegel“
und anderen Kneipen
Der Kneipengang bei Tageslicht
Den mögen wir halt einfach nicht
Drum geh‘n wir nicht bei Sonnenschein
Und kehren lieber abends ein
Die Wagners die den „Tiegel“ führen
Ein Weiteres den „Esel“ küren
Dort gibt es Speisen und Getränke
Der „Tiegel“ bleibt Studentenschänke
Noch frisst der „Esel“ aus dem „Tiegel„
Doch später lief er gar nicht übel
Die Wagners sich mal Urlaub gönnten
Ob wir die Kneipe führen könnten
Ja sicher doch — wir haben Zeit
Kollege W. — wir sind zu zweit
Und offiziell so nebenbei
Ist Michaela auch dabei
Wir drei sind fit — auch ziemlich clean
und werden zum verschwor‘nem Team
Wir machen alles nun zusammen
Vom Kinderhüten angefangen
So schenken wir den Gästen ein
Auch manchmal uns — so muss das sein
Wir sind bekannt wie bunte Hunde
Und wenn ich dann zu später Stunde
Den Opel steu‘re mit Effet
Durch Tüb‘gens Gassen und Chaussee
Die Polizei sich wendet — ab mit Grausen
Und lässt mich schnellstens heimwärts sausen
So haben wir jetzt Blut geleckt
Die Kneipenlust — sie ist geweckt
Wir wollen eine eig‘ne haben
Theaterspielen dann begraben
Nicht ganz — zum Geldverdienen nur
Sind wir Lokalen auf der Spur
Theaterkneipe von der „Insel“10.
Verspricht nur wenig Geld — Gerinnsel
Wir fahren rum von Hüh nach Hot
Doch alles was wir sehn ist Schrott
Die „Sülmer Mühle“ klingt verlockend
Doch geht das alles etwas stockend
Freund W. muss das Johannchen hüten
Wir packen Essbares in Tüten
Und fahren schnellstens nach Heilbronn
Brauereivertreter warten schon
Doch zieht sich‘s mühsam in die Länge
Es fehlt uns Geld — das jede Menge
Wir müssen erst mal einen Bürgen
Aus unser‘n mag‘ren Rippen würgen
Da hilft nur eins — Michaela wusste
‘ne halbe Nonne — die Auguste 1
Und rückwärts durch das Neckartal
Kilometerfressen ohne Zahl
Im finst‘ren Schwarzwald angekommen
Hat die Auguste — Michaelas Arm genommen
Weg war‘n die beiden lange Zeit
Sie haben sich auch sehr gefreut
Natürlich würd‘ sie — für uns bürgen
Als Nonne fegt sie weg — die Hürden
Es ist beschämend welch ein Geist
Uns wieder mal mit Wohltat speist
Erneut geht’s auf die lange Reise
Wir schlafen in ‘ner Waldesschneise
Einsam ist es weit und breit
Wir „schlafen“ mühevoll zu zweit
In uns‘res Autos Vordersitzen
Auf einmal Taschenlampen blitzen
Erschreckend bleich sind wir beleuchtet
Die Hände völlig angefeuchtet
So kurb‘le ich am Fensterhebel
Fürchte Gewalt — zerplatzten Schädel
Ein Polizist pocht an die Scheibe
Wir hätten doch heut‘ keine Bleibe
Und hinten auf der breiten Bank
Susannchen schläft noch — Gott sei Dank
Da wird er weich — und lächelt Weise
Er bewache1 unsre Reise —
Ich glaub‘ wir lassen alles sein
Und checken beim Theater ein
———