0,99 €
Michele ist ein leidenschaftlicher Hobby-Fotograf. Weil er nicht nur sehr viel fotografiert, sondern auch sehr gut, engagieren Freunde seiner Eltern ihn für ihre Hochzeitsfeier. Auf der Feier lernt er Fabienne kennen, die Tochter des Bräutigams, und sie scheint sich nicht nur für seine Bilder zu interessieren. Von ihm aus gerne, aber ganz so einfach ist es dann doch nicht ...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 39
„Magst du dir was zum Taschengeld dazuverdienen?“ Die Frage seiner Mutter traf Michele unverhofft. „Wie?“, fragte er verdutzt und hatte dabei das Gefühl, nicht gerade intelligent aus dem T-Shirt-Kragen zu schauen. Seine Mutter lächelte, sie wusste selbst, dass sie ihn überrascht hatte. „Du weißt doch, dass Antje und Lars nächste Woche heiraten, oder?“, präzisierte sie. Michele nickte. Lars und Antje waren Freunde seiner Eltern, zusammen, so lange er sich erinnern konnte, und dass sie heiraten würden, wusste er. Seine Eltern waren natürlich eingeladen, er selbst nicht, denn mit fünfzehn war er lange aus dem Alter raus, dass sie ihn mitnehmen mussten, wenn sie niemanden fanden, der auf ihn aufpasste. Aber er kannte Lars und Antje, sie waren immer wieder mal bei seinen Eltern zu Besuch, und er konnte sie gut leiden.
„Sie suchen noch einen Fotografen“, fuhr seine Mutter fort. „Und da haben sie an dich gedacht.“ „An mich?“, wunderte sich Michele. Er fotografierte viel und gerne, besaß eine durchaus hochwertige Digitalkamera und wusste sie auch zu bedienen. Aber eine Hochzeit? „Ich kann mir schon denken, was dir durch den Kopf geht“, nahm seine Mutter die Fragen vorweg. „Ja, es heißt immer, das ist der schönste Tag im Leben, und das festzuhalten sollte man unbedingt einem Profi anvertrauen. Aber Papa und ich wissen, was du kannst, und Antje und Lars wissen es auch.“ „Sie hatten auch mit jemandem gesprochen, der das beruflich macht“, übernahm Micheles Vater. „Aber der hat sie ewig hingehalten und am Ende abgesagt. Da haben sie beschlossen, es anders zu machen. Dich kennen sie, sie wissen, dass du sie nicht versetzt. Und wenn du die Fotos machst, sind sie vielleicht ein bisschen anders, als wenn jemand sie macht, der zum x-ten Mal auf einer Hochzeit fotografiert, aber sicher genauso schön. Hat Antje so gesagt, und ich finde, sie hat recht. Ihr könnt ja vorher besprechen, was sie sich so vorstellen, ich bin sicher, das kriegst du hin.“
***
Solchermaßen geadelt, radelte Michele zwei Tage später durch die Stadt zu Lars und Antje. Er hatte schon mit ihnen telefoniert, sie freuten sich riesig, dass er den Auftrag annehmen wollte, aber die Details wollten sie lieber von Angesicht zu Angesicht besprechen. Michele fand das gut, ihm war es auch lieber, und er hatte seine Kamera dabei, falls sie vorher sehen wollten, was er damit möglich machen konnte.
Antje öffnete ihm die Tür. Sie war Ende dreißig und hatte dunkle Locken, die ihr weit auf den Rücken fielen. Wenn man genau hinschaute, sah man ihr bereits an, dass die Hochzeit nicht das einzige freudige Ereignis war, das ihr und Lars ins Haus stand. Bis dahin war es allerdings noch etwas hin, Michele wusste von seinen Eltern, dass das Baby für die letzte Adventswoche berechnet war. Lars hatte eine Tochter aus einer früheren Beziehung, die ungefähr in Micheles Alter war, für Antje war es das erste Kind.
„Hi!“, begrüßte sie ihn fröhlich. „Komm rein!“ Michele folgte der Einladung und begrüßte im Flur auch Lars, der am Morgen eigens früher zur Arbeit gefahren war, um jetzt schon zu Hause sein zu können. Er fühlte sich etwas unsicher, weil er bislang immer nur am Rande mit Lars und Antje zu tun gehabt hatte und nicht wusste, ob er anbieten konnte, was sie erwarteten.
Zum Glück hatten Lars und Antje eine Vorstellung davon, wie es ihm gerade ging. „Ich kann mir schon denken, dass dich die Sache komplett auf dem falschen Fuß erwischt hat“, sagte Lars. „Aber keine Sorge, wir wissen, wie gut du fotografierst, und wir erwarten gar nicht, dass du den Standardkram lieferst, den Profifotografen so haben.“
Das konnte man auch so verstehen, dass sie ihre Ansprüche runtergeschraubt hatten, aber Michele war klar, dass das nicht so gemeint war. Ihnen war schlicht bewusst, dass er nicht die Liste im Kopf hatte, die ein Profi vermutlich bei jeder Hochzeit abarbeitete: das Brautpaar Arm in Arm, die versammelte Festgesellschaft, das Buffet … Was auch immer es da eben gab. Sie hatten sich ein paar Gedanken gemacht, welche Fotos sie unbedingt haben wollten, Michele notierte sich alles, ansonsten war er frei, die schönsten Momente zu finden.
***