Midnight Shadows - Die Spur des Mondes - Sara Hill - E-Book + Hörbuch

Midnight Shadows - Die Spur des Mondes Hörbuch

Сара Хилл

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Beschreibung

Der jahrhundertealte Krieg zwischen den Katzen- und Wolfswandlern in New York scheint endgültig begraben. Doch Scarlett gewöhnt sich nur schwer an die neue Situation. Ihre Abscheu vor den Wölfen sitzt noch zu tief. Und dann muss sie auch noch mit einem ihrer Anführer einen gemeinsamen Feind aufspüren. Doch warum empfindet sie den Wolfsgeruch von Kane eher betörend als abstoßend? Als er auf ihrer gefährlichen Mission auch noch Scarletts Leben rettet, kann sie sich kaum noch gegen die Anziehung zwischen ihnen wehren ...

Midnight Shadows - Die Spur des Mondes ist Band 4 der mitreißenden Paranormal-Romance-Reihe Shapeshifters of New York .

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Zeit:8 Std. 44 min

Sprecher:Miriam Reichenbach
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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Epilog

Über die Autorin

Weitere Titel der Autorin

Impressum

 

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Über dieses Buch

Der jahrhundertealte Krieg zwischen den Katzen- und Wolfswandlern in New York scheint endgültig begraben. Doch Scarlett gewöhnt sich nur schwer an die neue Situation. Ihre Abscheu vor den Wölfen sitzt noch zu tief. Und dann muss sie auch noch mit einem ihrer Anführer einen gemeinsamen Feind aufspüren. Doch warum empfindet sie den Wolfsgeruch von Kane eher betörend als abstoßend? Als er auf ihrer gefährlichen Mission auch noch Scarletts Leben rettet, kann sie sich kaum noch gegen die Anziehung zwischen ihnen wehren …

Sara Hill

MidnightShadows

Die Spur des Mondes

Shapeshifters of New York

Kapitel 1

»Ethan, lass mich wieder zu ihr. Ich werde alles aus ihr herausquetschen.« Wütend funkelte ich den Beta an, deutete dabei mit meinem Dolch auf die Tür des Verhörraums, der zehn Stockwerke unter der New Yorker Wandlerklinik lag. »Erik, Tim verschwindet«, befahl Ethan den beiden Security, die neben der Tür standen. Sofort kamen die Männer seiner Aufforderung nach. Zu allem entschlossen, versuchte ich mich an Ethan vorbeizudrängen, doch er versperrte mit seinem Körper die massive Metalltür, hinter der die verfluchte Verräterin saß. Mit Freuden wollte ich ihr die Haut in Streifen vom Körper schälen. Denn wegen des Bastards, dem sie zur Flucht verholfen hatte, war ein guter Mann gestorben.

»Nein, Scarlett!«, donnerte Ethan.

Der Lederärmel knirschte, als er grob meinen Arm umfasste und mich hinter sich herzog. Es blieb mir nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Voller Zorn kratzte die Katze in mir an der Oberfläche, ihr Hass brannte in den Adern. Sie wollte sich ihm widersetzen, und es kostete mich alle Kraft, ihrem massiven Drängen zu widerstehen. Niemals wieder würde ich sie nach oben kommen lassen. Sie war unberechenbar und gefährlich. Sie überrumpelte mich zu einer Zeit, als ich noch gar nicht gewusst hatte, was ich wirklich war. Ich hatte die Kontrolle verloren, was zu schrecklichen Konsequenzen geführt hatte. Das würde mir niemals wieder passieren. Also verstaute ich den Dolch in der Scheide unter meiner Jacke.

»Sie weiß mit Sicherheit, wohin der Mistkerl geflohen ist. Wir sollten sie in die Mangel nehmen und wenn nötig Gewalt anwenden. Roger hatte Familie!«, zischte ich.

Abrupt blieb Ethan stehen und funkelte mich an.

»Scarlett, ich würde nichts lieber tun, als dieses Dreckstück zu zerfleischen. Aber Steven hat befohlen, ihr kein Härchen zu krümmen. Keiner handelt gegen den Befehl des Alphas, auch du nicht. Du vergisst anscheinend deinen Platz im Clan. Welche Widerworte dir jetzt auch immer auf der Zunge liegen, schluck sie herunter!«

Ethan sprach leise und beherrscht, was noch bedrohlicher war, als würde er mich anschreien. Und es bedeutete, dass nur ein kleiner Funke genügte, um ihn zum Explodieren zu bringen. Dieses Pulverfass wollte ich keinesfalls entzünden, und trotz der heißen Wut, die in meinen Eingeweiden kochte, schluckte ich weitere Worte herunter. Ethan gab mich frei, wir setzten den Weg fort und erreichten eine Sicherheitstür, die er mittels eines Codes entsperrte. Dahinter erwartete uns ein Gang mit weniger gesicherten Räumlichkeiten als im Gefängnistrakt, den wir gerade verlassen hatten. Wir passierten einige Metalltüren, dann blieb Ethan vor dem Kontrollraum stehen. Darin befand sich nicht nur David, der im Moment für die Überwachung zuständig war, sondern auch Steven, unser Alpha. Interessiert schaute er sich eine Aufnahme an, die über einen der zwanzig Bildschirme flimmerte. Er stand mit verschränkten Armen hinter David.

»Ich habe das Gefühl, wir übersehen etwas«, meinte Steven, ohne uns anzublicken, obwohl er unser Eintreten mit Sicherheit bemerkt hatte. »Starte es noch mal!«

»Okay«, erwiderte David.

»Ist sie im Verhörraum?«, fragte Steven, während er den Blick nicht vom Bildschirm nahm.

»Wie du befohlen hast«, erwiderte Ethan.

»Na, dann sollten wir ihr einen Besuch abstatten.«

Steven sah zu mir. Er wirkte vollkommen ruhig, um nicht majestätisch zu sagen, obwohl diese Frau im Verhörraum ihm das Herz herausgerissen hatte. Doch in seinen Augen sah ich, wie verletzt er war.

»Aber …«

Mit einem Blick brachte Steven seinen Beta zum Schweigen und schritt zur Tür. Ethan folgte ihm aus dem Raum. Dem Beta stand dabei regelrecht ins Gesicht geschrieben, dass er es für eine schlechte Idee hielt, wenn Steven das Verhör übernahm. Doch er war nun der Alpha, denn Liv lag im Koma, das wahrscheinlich ebenfalls von diesem Dreckstück verursacht worden war. Wieder flammte die Wut in mir auf.

»Ich hätte zu gern ein paar Minuten mit Linda, dieser Verräterin«, fauchte ich, nachdem Alpha und Beta außer Hörweite waren.

»Sie heißt in Wirklichkeit Eve«, verbesserte mich David. Er wandte sich mir zu, seine Bernsteinaugen blitzten, während er sich mit gespreizten Fingern die Haarsträhnen, die ihm tief ins Gesicht fielen, nach hinten strich. Er war ein typischer Katzenwandler. Denn uns alle zeichneten Bernsteinaugen und blondes Haar in verschiedenen Nuancen aus. Im Gegensatz zu den Wölfen, die dunkles Haar und blaue Augen ihr Eigen nannten. Unsere beiden Spezies lebten unerkannt unter den Menschen und führten seit Jahrhunderten Kriege gegeneinander. Bis auf uns – die New Yorker Katzenwandler und Wölfe. Die Wandler dieser Stadt hatten Frieden geschlossen. Liv, Stevens Schwester, die unser Alpha gewesen war, bevor sie ins Koma fiel, und Aaron, der Alpha der New Yorker Wölfe, waren ein Paar und wollten heiraten. Der neue Frieden gestaltete sich für die wenigsten Wandler unseres Clans als einfach, denn viele mussten sich daran gewöhnen, mit den hiesigen Wölfen zusammenzuarbeiten. Manchem gelang es besser und manchem wie mir eher schwerer, die Wölfe zu tolerieren. Was auch an ihrem Gestank lag. Das galt zumindest für den größten Teil, es gab aber auch Ausnahmen, die ausgesprochen verführerisch rochen wie …

Wohin sollte das führen? Schnell verwarf ich den Gedanken.

»Wie auch immer. Zeig mir, was Steven sich angesehen hat«, erwiderte ich barsch und stellte mich hinter David, um mir die Aufnahme anzuschauen, die unseren Alpha so fasziniert hatte. David drehte sich zu den Bildschirmen, seine Finger flogen über die Tastatur. Dann sah man, wie unser Gefangener gerade in die Tiefgarage rannte und das Fluchtauto entriegelte, um einzusteigen. War da etwas am Rand?

»Noch mal«, sagte ich, und David startet erneut.

Jetzt galt meine ganze Aufmerksamkeit dem Randbereich des Bildes. Meine Iriden wurden zu Schlitzen, und meine Sicht schärfte sich. Die übermenschlichen Sinne der Katzen zu nutzen war das einzige Zugeständnis, das ich mir gestattete.

Zweifellos, da war ein Schatten. Der musste von Joshuas Fluchthelfer stammen. Wer auch immer da stehen blieb, wusste von der Kamera. Außerdem war es uns nicht gelungen, den Fluchtwagen zu orten. Joshua hätte keine Zeit gehabt, sämtliche Systeme außer Gefecht zu setzen: noch ein Beweis, dass es da einen Helfer gegeben haben musste.

»Kannst du das hier separieren?« Ich trat neben David und deutete auf den Schatten an der Wand.

»Klar«, meinte er und zoomte den Ausschnitt heran. Doch dadurch wurde alles unscharf.

»So ein Mist. Hast du vielleicht frühere Aufnahmen, die zeigen, wer das Fahrzeug dort abgestellt hat?«, fragte ich.

»Nein, das muss in der Zeit gewesen sein, als Katherines Spy-Programm alles lahmgelegt hat.« David schüttelte den Kopf.

»Jetzt kann ich nicht einmal mit dem Katzenblick etwas erkennen.« Ich beugte mich noch ein wenig vor.

»Moment, ich will noch etwas versuchen«, meinte David, und die Aufnahme wurde besser, aber nicht so gut, dass man den Schatten jemandem zuordnen könnte. Doch für den Bruchteil einer Sekunde war eine Hand im Bild, die auf etwas deutete, dann wurde sie schnell wieder zurückgezogen.

»Spul ein paar Sekunden zurück und stopp das Bild«, befahl ich ihm, und David tat, was ich von ihm verlangte.

»Sind das lackierte Fingernägel? Auf jeden Fall ist dies die Hand einer farbigen Person. Damit kann es nicht Eve gewesen sein.«

»Dummerweise sind die Aufnahmen schwarz-weiß, sonst könnte man vielleicht die Farbe des Nagellacks identifizieren und damit vielleicht sogar die Marke. Aber wie dem auch sei, Eve ist weder farbig, noch hat sie lackierte Fingernägel. Was bedeutet, es gibt hier wahrscheinlich noch eine Verräterin«, schlussfolgerte David.

Unsere Blicke begegneten sich.

»Ich muss zu Eve.« Hastig schritt ich zur Tür, die aufsprang. Ich konnte nicht mehr abbremsen und rannte direkt in unseren Alpha. Wie von der Viper gebissen, sprang ich zurück. »Tut mir leid«, murmelte ich und straffte mich, denn eigentlich war es seine Schuld gewesen. Ich hatte damit gerechnet, dass er Eve noch verhören würde. Eine so gut ausgebildete Attentäterin würde doch nicht derart schnell zu knacken sein. Machte das Ethan jetzt allein?

»Keine Ursache. Warum hattest du es so eilig?«

»Ich muss zu Eve. Es gibt hier noch eine Verräterin, die Katherines Bastard geholfen hat«, entgegnete ich.

»Sie ist weg«, erwiderte Steven, und ich starrte ihn an.

In meinem Kopf flogen die Worte durcheinander.

Was hatte er eben gesagt? Sie war … weg?

»Was meinst du mit weg?«, hakte ich nach.

»Ich habe sie gehen lassen.« Unendliche Traurigkeit lag in Stevens Blick. Sein gebrochenes Herz hatte ihn offensichtlich vergessen lassen, was getan werden musste. Nämlich aus Eve alles herauszuquetschen, was sie wusste – wenn nötig mit Gewalt. Ich wollte ihn anschreien, schütteln, ihm eine Ohrfeige verpassen, damit er wieder zu dem Alpha wurde, der im Sinne seines Clans handelte, doch einzig ein »Warum?« verließ meinen Mund.

»Du hast selbst gerade gesagt, dass jemand anderes Katherines Sohn zur Flucht verholfen hat«, erwiderte er, und ich setzte gerade an, um ihm meine Meinung entgegenzuschleudern. Ihm klarzumachen, warum es eine wirklich dämliche Idee gewesen war, sie gehen zu lassen, da sie mit Sicherheit wusste, zu wem diese Hand gehörte. Schließlich zählte Eve zu Katherines engstem Kreis. Doch ein lautes Räuspern lenkte meine Aufmerksamkeit auf David, und ich drehte mich zu ihm.

»Ich habe da einen Bekannten bei der Polizei. Der hat für mich die Aufnahmen der Verkehrskameras nach dem Fluchtfahrzeug überprüft und mir alles geschickt«, informierte er uns.

»Dann lass mal sehen.« Steven drängte sich an mir vorbei und ging zu David. Ich gesellte mich zu den beiden.

»Der Wagen wurde unter anderem im Hollandtunnel gefilmt, dann in Jersey City und als Nächstes in Newark. Er fährt in westliche Richtung«, sagte David.

»Hat man ihn am Flughafen Newark gesehen?«, wollte Steven wissen.

»Nein, unsere Informanten am Flughafen halten ständig Ausschau. Er muss noch immer mit dem Wagen unterwegs sein.«

»Dann werde ich ihm folgen«, sagte ich entschlossen.

»Gut, bleib aber mit uns in Verbindung.« Steven blickte zu mir.

»Natürlich.« Damit drehte ich mich auf dem Absatz meiner Bikerstiefel zur Tür und war schon auf dem Weg zum Aufzug.

Einen Stock höher verließ ich den Fahrstuhl. Zielstrebig lief ich die parkenden Autos entlang. Schließlich erreichte ich das Motorrad. Dort nahm ich meinen Helm vom Sitz, dann bestieg ich das Bike und startete. Lautstark brüllte die Maschine unter meinem Hintern, mein ganzer Körper vibrierte.

Ich klappte den Ständer hoch und gab Gas. Endlich konnte ich etwas tun und den verfluchten Bastard jagen. Ich heizte an den Fahrzeugen vorbei in Richtung Ausgang. Eines war gerade dabei, sich rückwärts aus der Parklücke zu tasten. Anstatt abzubremsen, beschleunigte ich, schlüpfte zwischen der Stoßstange des auf der gegenüberliegenden Seite stehenden Fahrzeugs und der des Ausparkenden hindurch. Empörtes Hupen verfolgte mich.

Wie ich es hasste, nichts tun zu können. Es hatte mich fast wahnsinnig gemacht, Liv so hilflos im Krankenbett liegen zu sehen. Obwohl sie mir bei unserem ersten Kennenlernen ziemlich gegen den Strich gegangen war, liebte ich sie jetzt wie eine Schwester. Schon einmal hatte ich eine Schwester verloren. Der Gedanke daran schnürte mir die Kehle zu, als ich die Tiefgarage verließ und knapp vor einem SUV in den Verkehr einscherte, was wiederum ein weiteres wütendes Hupkonzert zur Folge hatte. Aber das kümmerte mich nicht, ich setzte unbeirrt meinen Weg in Richtung Hollandtunnel fort.

»Hörst du mich?«, tönte Davids Stimme aus der im Helm integrierten Freisprechanlage.

»Klar und deutlich. Gibt es etwas Neues?«

»Mein Bekannter, der Cop, hat mir eine weitere Aufnahme einer Verkehrskamera geschickt. Der Flüchtige scheint noch immer mit dem Fahrzeug unterwegs zu sein. Er fährt auf der Achtzig in Richtung Westen«, informierte er mich.

»Das wäre jetzt nicht die Route meiner Wahl«, antwortete ich.

»Egal welche Strecke du wählst, es ist Wahnsinn, bis nach Los Angeles mit dem Auto zu fahren«, gab David zurück.

»Ihm ist sicherlich klar, dass wir die Flughäfen im Auge behalten, und vielleicht will er gar nicht direkt nach L.A. Er könnte auch versuchen, sich nach Chicago durchzuschlagen. Die Katzen dort sind in ihren Ansichten genauso verstaubt wie die aus Kalifornien.«

»Ich werde dich auf dem Laufenden halten.« Damit beendete David das Gespräch, und ich fuhr auf dem Mittelstreifen zwischen der vorankriechenden Autoschlange durch, um schneller voranzukommen. Wodurch ich mir wahrlich keine Freunde machte. Aber wütendes Gehupe kannte ich bereits.

Mein Bike fraß Meile um Meile. Außerhalb der Stadt kam ich wesentlich schneller voran. Wer konnte die Fluchthelferin gewesen sein, wenn Eve nicht infrage kam? Jemand vom Sicherheitspersonal? Nein, für meine Leute würde ich die Hand ins Feuer legen. Sie alle waren Wandler, standen loyal zum New Yorker Katzenclan und zu mir. Ich hatte jeden einzelnen ausgesucht. Doch das galt nicht für die gesamte Belegschaft der Leon Corporation. In vielen Abteilungen der Firma wechselten die Mitarbeiter oft so schnell, dass ich sie noch nicht einmal zu Gesicht bekommen hatte, bevor sie den Laden wieder verließen, und ich übernahm auch nicht alle Sicherheitsüberprüfungen. Einige machte Ethan selbst, die der unteren Ebenen häufig auch David. Verdammt, wahrscheinlich hat die Verräterin einen Job in der unteren Ebene bekommen. Es war nachlässig gewesen, mich nicht selbst darum zu kümmern. Andererseits hatte ich Eve überprüft, und ihr, wie ich jetzt wusste, gefakter Lebenslauf war unglaublich gut gewesen. Das musste ich zugeben. Ich hatte bezüglich ihrer Einstellung als Stevens Therapeutin keine Bedenken gehabt. Was hieß, dass ich versagt hatte. Noch einmal würde mir das nicht passieren.

Kapitel 2

»David«, sagte ich, doch aus dem Hörer kam nur ein Knacken. Zur Hölle, die Verbindung schien gestört zu sein. Warum hatte ich den Flüchtigen noch nicht eingeholt? Ich hätte ihn schon lange sehen müssen, und von David kamen seit Ewigkeiten keine Updates mehr. Hatte ich den Bastard verpasst? Ich steuerte den Straßenrand an, stoppte am Standstreifen, klopfte gegen den Helm.

»David, zum Teufel, jetzt sag doch was«, fauchte ich. Katherines Sohn würde mir nicht durch die Lappen gehen.

»Endlich, Scarlett. Du warst wohl in einem Funkloch«, antwortete David. »Eine Polizeimeldung kam rein. Der Fluchtwagen wurde in einen Unfall verwickelt, und zwar auf der Sechshundertvierzig in Höhe Hickory Lake. Zeugen haben einen blutüberströmten Mann vom Unfallort in die Wälder fliehen sehen.«

»Was für ein Mist, da muss ich wieder ein ziemliches Stück zurückfahren«, sagte ich barsch. »Was wollte er denn da?«

»Vielleicht ging dem Typ der Sprit aus oder ihm hat jemand gesteckt, dass du ihm auf den Fersen bist … Und er wollte den Highway meiden«, mutmaßte David, dann räusperte er sich. »Äh, Scarlett, Ethan will dich sprechen.«

»Ethan hier. Ich kann mir vorstellen, dass du den Kerl durch die Wälder jagen willst. Aber das ist Wolfsgebiet, daher wirst du im Howling Wolf Diner ein paar Meilen vor der Unfallstelle auf Kane warten.«

»Kane?? Aarons Beta? Du kannst den Wolf zurückpfeifen. Ich komme auch allein zurecht«, blaffte ich zurück.

»Nein, diese Wölfe haben kein Friedensabkommen mit uns. Du wirst die Füße stillhalten und warten. Kane sitzt schon im Hubschrauber …«

»Aber Ethan …«

»Kein Aber, du wirst warten, das ist ein Befehl.«

»Jawohl, Sir«, gab ich zähneknirschend zurück und brach das Gespräch ab.

»Ein verdammter Wolf hängt mir am Hintern … dieser Wolf«, sagte ich mit einem lauten Seufzer und startete die Maschine.

Ich erreichte besagtes Diner am Allerwertesten der Welt und hielt auf den Parkplatz zu. Howling Wolf Diner, wie passend. Das Logo war natürlich ein großer heulender Wolfskopf. Es war im Moment nicht allzu viel los. Mit Sicherheit würde ich keine Probleme haben, einen Tisch zu bekommen, auch ohne Reservierung, um dann eine Ewigkeit auf Kane zu warten und wertvolle Zeit zu verlieren. Diesen verfluchten Wolf brauchte ich doch gar nicht. Zur Hölle, das würde ich Ethan beweisen. Entschlossen fuhr ich auf die Straße zurück und gab Gas. Es war immer besser, sich im Nachhinein zu entschuldigen, statt um Erlaubnis zu bitten.

Kurze Zeit später sah ich Polizeifahrzeuge, Lichter blinkten auf den Dächern. In deren Mitte stand der gesuchte Fluchtwagen, der sich um einen Baum gewickelt hatte. Ein Mensch hätte diesen Unfall wahrscheinlich nicht überlebt, und auch die Selbstheilungskräfte eines Wandlers hatten mit Sicherheit einiges zu tun. Die Uniformierten bedeuteten mir mit einem Winken, nicht stehen zu bleiben, und ich fuhr langsam an der Unfallstelle vorbei.

Eine halbe Meile dahinter parkte ich das Bike am Straßenrand, nahm den Helm ab, deponierte ihn auf dem Sitz, anschließend lief ich zurück. Kurz vor den Cops schlug ich mich ins Gebüsch und öffnete den Reißverschluss meiner Jacke, damit ich schneller an die Dolche kam. Die Stimmen und Gerüche der Polizisten drangen zu mir. Sie alle waren Menschen, das sagte mir meine Nase, und suchten nach einem verwirrten Verletzten. Sie konnten ja nicht wissen, was Joshua wirklich war. Ich musste darauf achten, dass ich unentdeckt blieb.

Tief inhalierte ich die Aromen des Waldes, und da war er … der gesuchte Duft. Ich folgte ihm und mit jedem Schritt wurde er intensiver. Katzenwandler, kein Zweifel, mit einer L.A.-Note. Meine Sicht schärfte sich, während ich das Geäst so lautlos wie möglich zur Seite schob und weiter vordrang. In der Rinde eines Baumes hatte sich blondes Fell verfangen. Zart fuhr ich mit den Fingerspitzen über die raue Oberfläche, dann roch ich an meiner Hand. Yap, der L.A.-Gestank. Der Kerl hatte seine Katzengestalt angenommen. Eine Schlussfolgerung, die eine laute Männerstimme hinter mir sogleich bestätigte.

»Hier liegt überall blutige Kleidung herum. Ist der verletzte Typ jetzt nackt?«, brüllte ein Officer.

Nein, nicht nackt, sondern ein Kater, antwortete ich dem Mann in Gedanken. All meine Sinne sagten mir, dass Katherines Bastard nicht mehr in unmittelbarer Nähe war.

»Ach nein, nicht schon wieder ein nackter Besoffener«, antwortete jemand dem Polizisten.

Das restliche Gespräch blendete ich aus, konzentrierte mich auf den Wandlerduft, der mich immer tiefer in den Wald führte, bis die Stimmen nicht mehr zu hören waren, als sich ein penetranter Gestank ausbreitete.

Wölfe, schoss mir durch den Kopf. Im nächsten Augenblick spürte ich einen Stich im Nacken. Ich zog mir einen Betäubungspfeil heraus. Wie ich es hasste, betäubt zu werden.

»Ihr verdammten Hunde, zeigt euch«, schrie ich und schleuderte den Pfeil zu Boden. Mein Kopf fühlte sich plötzlich unglaublich taub an, die Beine wollten das Gewicht des Körpers nicht mehr tragen. Ich taumelte, schaffte es nicht einmal mehr, die Dolche zu ziehen. Kraftlos sank ich auf die Knie, dann kippte ich nach vorn, landete mit dem Gesicht voran im Moos, und es wurde tiefschwarz.

Als ich wieder zu mir kam, hatte ich das Gefühl, Hornissen hätten in meinem Kopf ein Nest gebaut, und ich weigerte mich, die Augen zu öffnen, damit die Biester in meinem Schädel nicht noch mehr brummten. Eigentlich sollte ich sofort kampfbereit sein. Denn ich war im Gebiet meiner Feinde. Aber mit Insekten im Schädel, die sich durch das Gehirn fressen wollten, war es schwierig, sich kampfbereit zu machen. Ach, sollten die Wölfe mit mir tun, was sie wollten, Hauptsache meine Selbstheilungskräfte beseitigten bald das Betäubungszeugs aus meinem Blut und damit die Kopfschmerzen. Und wenn sie mich hätten umbringen wollen, wäre ich wohl schon tot.

Also gut, ich sollte wenigsten meine Lage sondieren. Nur widerwillig hob ich die Lider, die Hornissen fingen laut an zu brummen. Ich blickte auf eine Wand aus massiven Baumstämmen. Das hieß, ich war in einer Art Blockhütte und nicht gefesselt, denn ich konnte Arme und Beine frei bewegen. So weit, so gut. Das Zimmer war abgedunkelt. Mein Geruchssinn hatte auch unter dem Betäubungsmittel gelitten, doch langsam kam er wieder. Bäuchlings lag ich auf einem Bett. Mit jeder Sekunde konnte ich besser riechen, und je besser ich riechen konnte, desto penetranter stank es nach Wolf. Doch da war noch ein anderer Duft, und obwohl er ebenfalls einem Wolf gehörte, lockte er mich. Ich hielt für einen Augenblick den Atem an.

Verdammt, Kane war hier!

»Endlich wach, Sonnenschein?«, fragte er grinsend, und wie immer, wenn er in der Nähe war, schlug mein Herz ein klein wenig schneller, obwohl ich alles an Selbstbeherrschung aufbot, um es im Zaum zu halten, damit meine legendäre Coolness keinen Kratzer abbekam und er nicht noch dachte, ich würde auf ihn stehen. Denn Wölfe hatten genau wie wir Katzen ein übermenschliches Gehör und einen ebensolchen Geruchssinn.

Ich drehte mich um – Holz knarzte und ein leises Stöhnen entwich mir. Die Hornissen flogen mit Wucht gegen meine Schädeldecke. In dem Raum war es so dunkel, weil die Fensterläden geschlossen waren. Doch das bisschen Licht, das durch die Ritzen hereinschien, reichte einem Wandler schon, um alles erkennen zu können.

»Halt die Klappe, Wolf!«, erwiderte ich.

Kane saß auf einem Stuhl zwei Schritte von meinem Bett entfernt.

»Sie ist wirklich so charmant, wie du gesagt hat«, meinte ein junger Wolf, der an der Wand daneben lehnte und irgendetwas hinter seinem Rücken versteckte.

»Wer hat mir den verfluchten Betäubungspfeil in den Nacken geschossen?« Ich rappelte mich auf, die Decke rutschte nach unten, eine kühle Brise streifte meinen Arm, und ich blickte an mir hinab. Offensichtlich hatte mir jemand die Jacke ausgezogen.

»Das war wohl ich«, beantwortete der Jungwolf meine Frage.

»Da würde ich mich zu gern mit meinen Dolchen bei dir bedanken. Wenn man sie mir nicht abgenommen hätte.« Ich sah an mir herab, da hing nur noch das leere Holster über meinem olivgrünen Tanktop.

»Meinst du die hier?« Der Wolf nahm die Hände hinter dem Rücken hervor, hob die silbernen Waffen mit den gebogenen Klingen und den filigran gravierten Griffen in die Höhe. »Das sind wirklich schöne Messerchen.«

»Verfluchter Idiot, das sind indische Khanjar. Sie sind wertvoll. Also nimm deine dreckigen Finger weg.«

»Silber, das Material der Wahl, um Wandlern so richtig schön wehzutun.« Der junge Kerl hob amüsiert die dunklen Brauen, in seinen blauen Augen blitzte der Schalk, während er die Dolche hin und her drehte.

Es bereitete dem Kerl eine diebische Freude, mich zu reizen.

»Joe, jetzt reicht es.« Kane erhob sich, er war gut einen Kopf größer als der vorlaute Jungwolf, der so um die achtzehn sein musste. Kanes Alter hingegen war nicht so leicht einzuschätzen. Vielleicht um die dreißig oder auch älter? Er nahm dem jungen Wolf die Khanjar ab und brachte sie mir. »Schwing dich aus dem Bett. Wir haben was zu tun«, meinte er und reichte mir die Dolche.

Ein Schwall seines Aromas stieg meine Nase hinauf und verursachte eine Gänsehaut. Dieser Mann roch einfach viel zu gut für einen Wolf. Das hatte ich schon sehr früh festgestellt, daher versuchte ich, ihm aus dem Weg zu gehen. Wenn Wandler sich gut riechen konnten, bedeutete es, sie waren kompatibel oder, wie es romantische Seelchen ausdrücken würden, füreinander bestimmt.

Tss, ein Wolf und eine Katze … füreinander bestimmt? Liv und Aaron vielleicht, aber ich würde mich niemals mit einem Wolf abgeben und wenn er noch so gut roch oder auch aussah. Und Kane sah verflucht gut aus, daran änderte auch die Narbe nichts, die quer über seinem rechten Auge verlief und ihm etwas Verwegenes gab, genau wie sein im Nacken zusammengebundenes schwarzes Haar. Die schlanke Nase, die volle Unterlippe, der leicht gebräunte Teint. Er war eigentlich genau mein Typ. Was dachte ich jetzt schon wieder? So umwerfend war der Wolf nun auch nicht. Oje, das hier würde ja heiter werden. Dass Ethan mich nun dazu verdonnert hatte, mit Kane zusammenzuarbeiten, war gelinde gesagt scheiße.

Kane verließ den Raum, ich starrte ihm hinterher.

»Du siehst aus, als würdest du den Großen vernaschen wollen«, meinte Joe vergnügt.

»Klappe«, zischte ich.

Mit einem leisen Lachen stieß der Jungwolf sich von der Wand ab und folgte Kane aus dem Zimmer.

Die Katze in mir fand den Gedanken erregend, den Wolf zu vernaschen, und schnurrte. »Ach, halt auch du die Klappe«, fuhr ich sie an.

Energisch schob ich die Decke zurück, damit ich mich aufsetzen konnte. Natürlich hatten sie mir auch die Stiefel ausgezogen, die ich aber zum Glück neben dem Bett fand. Ich schlüpfte hinein. Meine Jacke hing über der Lehne des Stuhls, auf dem Kane gesessen hatte. Ich erhob mich und schnappte sie mir. Wieder stieg mir Kanes Aroma in die Nase. Oh verflucht, jetzt roch auch noch meine Jacke nach ihm.

Als ich die Tür öffnete, zogen sich meine Pupillen zu Schlitzen zusammen, denn die Strahlen des größten Gestirns am Himmel schien mir direkt ins Gesicht. Hier standen die Fensterläden weit offen, und Sonnenlicht durchflutete den großen Raum. Während ich die große Küche durchquerte, deren Fronten genauso honigfarben gebeizt waren wie die Wände aus Baumstämmen, normalisierte sich meine Sicht wieder.

Eine Kochinsel trennte die Küche vom Wohnzimmer, in dem sich Kane, Joe und noch ein Mann, genauer ein Wolf, dessen einstmals schwarzes Haar graue Strähnen durchzogen, aufhielten.

»Wir haben ihn bis zum Golden Grove verfolgt«, sagte der alte Wolf.

»Meint ihr Joshua?«, mischte ich mich ins Gespräch ein und umrundete die Kochinsel. Die Hornissen in meinem Schädel gaben endlich Ruhe, und ich spürte nur noch ein dumpfes Pochen. Die Selbstheilungskräfte wurden offensichtlich langsam mit dem Betäubungszeugs fertig. Mein Blick schweifte zur großen Couch mit Karomuster, die den Wohnbereich dominierte. So was würden sich die New Yorker Katzen niemals ins Penthouse stellen, aber die Hightech-Anlage hier konnte sich wiederum sehen lassen. Das hochmoderne Ding stand ganz und gar im Gegensatz zu der Stammeskunst, die überall herumlag und hing. Geschnitzte Figuren von Wölfen, Bildern von Wölfen, Metallarbeiten, die Wölfe zeigten.

Okay, ich bin hier unter Wölfen, hab’s verstanden!

»Wenn der flüchtige Kater so heißt, dann ja«, antwortete der ergraute Wolf.

Wie Kane trug auch er sein Haar im Nacken zusammengebunden, und ihre Augen besaßen fast das gleiche Azurblau. Die beiden waren sich so ähnlich, dass ich darüber nachdachte, ob sie verwandt sein könnten. Aber eigentlich ähnelten sich alle Wölfe auf gewisse Weise. Dazu teilten die Männer den gleichen Kleidungsgeschmack, den ich als rustikal bezeichnen würde. Nur dass Kanes Klamotten vorwiegend schwarz waren, und die beiden anderen nichts gegen Farbe einzuwenden hatten, wie die Holzfällerhemden bewiesen. Kane war dann doch eher der düstere Bikertyp, was wiederum mein Typ war.

»Darf ich vorstellen, das ist Crow, der Schamane dieser Siedlung«, sagte er jetzt.

»Du bist also Scarlett. Wir haben hier sehr selten Katzenbesuch.« Crow hielt mir seine Hand entgegen.

»Wahrscheinlich weil ihr uns mit Betäubungspfeilen begrüßt«, erwiderte ich und ergriff die dargebotene Hand.

»Wir waren dem Kater auf der Spur und du kamst uns in die Quere«, murmelte Joe.

»Mein Junge, es war wirklich nicht sehr höflich, auf so ein hübsches Wesen zu schießen«, sagte Crow und schenkte mir ein charmantes Grinsen, während er seine zweite Hand auf meine legte. »Nun will ich dich hier ganz offiziell willkommen heißen.«

Der alte Schamane drückte meine Hand, dann ließ er mich los. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Joe genervt das Gesicht verzog.

»Wenn du im Diner auf mich gewartet hättest, wäre nicht auf dich geschossen worden.« Kane verschränkte die Arme, und Joe nickte zustimmend, sodass sein schwarzes Haar ihm tief ins Gesicht fiel.

»Der Frieden zwischen den New Yorker Wandlern ist höchst ungewöhnlich. Dies ist etwas ganz Besonderes, und ich hoffe sehr, dass sich auch andere Clans diesem Abkommen anschließen. Der Krieg zwischen unseren Rassen währt schon viel zu lange«, ergriff Crow wieder das Wort.

»Es ist aber auch nicht leicht«, räumte ich ein. Mein Blick streifte kurz Kane. Vor allem, wenn man diese komischen Gefühle hat, fügte ich in Gedanken hinzu.

»Wir sind nicht hergekommen, um zu schwatzen«, wechselte ich das Thema. »Wo ist Joshua? Er hat schon viel zu viel Vorsprung.«

»Joe wird euch führen. Meine Leute haben ihn bis nach Golden Grove verfolgt und dort in die Enge getrieben«, meinte Crow und umfasste väterlich die Schulter des jungen Wolfes, dann ließ er die Hand sinken.

»Nein, das ist Katzensache. Danke für das Angebot, aber ich brauche eure Hilfe nicht. Deine Leute sollen sich zurückziehen. Ihr müsst mir nur sagen, wohin seine Spur führt.« Ich zog mein Handy aus der Jacke, das zum Glück noch in der Tasche war. »Gebt mir die Koordinaten, und ich werde ihn finden.«

»Das Gebiet ist riesengroß. Kein Wandler geht allein in die Wälder.« Joe trat einen Schritt vor.

»Diese Wälder hier sind mir nicht unbekannt. Deine Leute sollen ihn nur im Gebiet halten. Das ist menschenleer. Doch dann übernehmen wir. Die Katze hat recht, es ist eine New Yorker Angelegenheit, und ihr solltet nicht ins Visier der Los-Angeles-Katzen geraten, denn sie sind äußerst gefährlich«, meinte Kane. »Und bevor du wieder erklärst, du bräuchtest keine Hilfe …« Jetzt sah er zu mir. »Ich komme mit, darüber werde ich nicht diskutieren. Außerdem soll ich dir von Steven ausrichten, dass du mich während dieser Mission als deinen Beta zu betrachten hast. Wenn du mir nicht glaubst, ruf ihn an.«

Ich hielt seinem Blick stand. Es wurde zu einem regelrechten Duell. Er, mein Beta!? So weit kommt’s noch. Nicht mal in seinen Träumen. Ethans Worte kamen mir in den Sinn: Keiner handelt gegen den Befehl des Alphas, auch du nicht. Du vergisst anscheinend deinen Platz im Clan. Welche Widerworte dir jetzt auch immer auf der Zunge liegen, schluck sie herunter. Ich senkte, wenn auch äußerst widerwillig, den Kopf, um zu zeigen, dass ich ihn als Beta akzeptierte. Wie Ethan gesagt hatte: Steven war der Alpha, und wenn er mir einen Befehl gab, musste ich sogar einen Wolf als vorübergehenden Beta akzeptieren.

»Brav«, meinte Kane triumphierend, und ich ballte die Hände zu Fäusten. Er roch zwar verflucht gut, also für einen Wolf. Aber das hieß keinesfalls, dass ich mir alles von ihm gefallen lassen würde.

»Diese Katze versteckt sich auf unserem Land. Wir wurden bereits reingezogen«, gab Crow zu bedenken.

»Wenn ihr diesen Kater gefangen nehmen oder gar töten würdet, geratet ihr unweigerlich ins Visier der Katzen aus Los Angeles. Es ist besser, ihr überlasst das uns, wenn ihr hier weiter in Frieden leben wollt.«

»Es ist lange her, dass du hier durch die Wälder gestreift bist.«

»Keine Sorge, alter Mann. Ich komme zurecht. Wie schon gesagt, deine Leute sollten sich nur darum kümmern, dass er in dem Gebiet bleibt.«

»Dann muss es so sein.« Der Schamane verschränkte die Arme und nickte. »Wenn ihr doch Hilfe braucht, werden wir da sein.«

»Das weiß ich.« Kane öffnete den Reißverschluss seiner Jeansjacke, die er ablegte, dann wollte er das Hemd ausziehen.

»Woa, was wird das, wenn es fertig ist?« Ich sah zu Kane.

»Wir jagen den Kater. Du solltest vor der Wandlung deine Kleidung ebenfalls ablegen.«

»Nein, mein Junge.« Ich zog sein Shirt nach unten, bedeckte damit wieder seinen zweifellos beeindruckenden Waschbrettbauch. Als meine Hand seine Haut berührte, zuckte er leicht zusammen, und ich hatte das Gefühl, Strom kribbelte unter meinen Fingern. Hastig nahm ich die Hände weg. »Ich verfolge ihn als Mensch.«

»Als Wolf und Katze sind wir wesentlich schneller.«

»In menschlicher Gestalt kann ich auch sehr schnell sein. Du kannst gern als Wolf jagen, aber ich werde mich nicht verwandeln«, erwiderte ich und begegnete entschlossen seinem Blick. Schon allein der Gedanke, die Katze an die Oberfläche zu lassen, ließ mich schaudern. Dieses Biest wartete nur darauf, die Kontrolle zu übernehmen. Seit dem Tag meiner ersten Wandlung hatte ich der Katze nie wieder erlaubt herauszukommen. Bilder wollten aufsteigen, die ich sofort zurückdrängte. Vor diesen Wölfen durfte ich keine Schwäche zeigen, und die Erinnerungen machten mich wieder zu dem hilflosen Mädchen von damals, das nicht gewusst hatte, was es in Wirklichkeit war.

Kane schaute mich etwas irritiert an, und ich hatte den Eindruck, er wollte widersprechen, vielleicht sogar die Betakarte ausspielen, doch zu meiner Erleichterung zog er seine Jacke wieder an.

In diesem Moment vibrierte ein Handy. Crow zog es aus der Brusttasche, nahm den Anruf an und ging mit einer Entschuldigung vor die Tür. Ich hörte gedämpft die Stimme des alten Wolfes.

»Das klingt nicht gut«, sagte Crow.

Der alte Schamane kehrte zurück, sein Blick glitt von Kane zu mir. Er sah besorgt aus.

»Das waren die Leute, die den Kater verfolgt haben. Sie meinten, er sei nicht mehr Herr seiner Sinne. Vielleicht hat der Unfall diese Reaktion ausgelöst?«

»Sie glauben, dass er sich nicht mehr zurückverwandeln kann?«, fragte ich vorsichtig. Die menschliche Seite muss immer die Oberhand haben, aber in seltenen Fällen wurde das Tier zu dominant. Wenn dies geschah, konnte es passieren, dass ein Wandler seine menschliche Gestalt nicht mehr anzunehmen vermochte. Ich wusste, wie sich das anfühlte, denn ich war einmal kurz davor gewesen, für immer in meiner Tiergestalt zu bleiben.

»So, wie es aussieht«, erwiderte Crow. »Die Leute werden euch unterstützen.«

»Nein, vielleicht müssen wir ihn in diesem Zustand wirklich töten. In diesem Fall solltet ihr nicht damit in Verbindung gebracht werden. Glaub mir, die Katzen aus Los Angeles sind grausam und an Skrupellosigkeit nicht zu übertreffen. Dieser Junge, den wir jagen, scheint wichtig für sie zu sein. Ich will deinen Clan keinesfalls in Gefahr bringen. Wir werden mit dem Kerl schon fertig«, sagte Kane, und Crow nickte.

»Wenn möglich sollten wir ihn lebend fassen«, sagte ich, obwohl ich den Kater zu gern aufgeschlitzt hätte. Aber er war Katherines Sohn und von daher als Gefangener äußerst wertvoll.

»Dann nehmt das hier mit!« Joe eilte aus der Hütte und kehrte sogleich mit einem Gewehr und einem handgroßen Mäppchen zurück. Die Waffe reichte er an Kane weiter, öffnete dann den Reißverschluss. Betäubungspfeile kamen zum Vorschein, die ordentlich aufgereiht von kleinen Gummischlingen festgehalten wurden.

»Die sind verlässlich wirksam, ich hab sie persönlich an Katzen getestet.« Er bedachte mich mit einem unverschämten Grinsen, worauf mir ein leises Knurren entfuhr.

Diesem kleinen Mistkerl sollte mal jemand Manieren beibringen. Joe machte das Täschchen wieder zu und gab es ebenfalls Kane, der es in die Brusttasche seiner Jacke schob. Ich war kurz davor, vehement zu protestieren, wollte diesen verfluchten Wolfs-Chauvis klarmachen, dass ich eine außerordentlich gute Schützin war. Sie hatten mich nicht Mal gefragt, ob ich mit einem Gewehr umgehen konnte. Doch ich schluckte die Worte herunter. Ethan wäre stolz auf meine Selbstbeherrschung gewesen. Ich hatte meine Dolche, wer brauchte schon ein Gewehr. Nur Weicheier.

»Nun, ja. Wenn ihr in menschlicher Gestalt unterwegs seid, solltet ihr auch noch ein paar Vorräte mitnehmen«, meinte Crow.

»Ich kümmere mich darum.« Damit zog Joe einen Rucksack vom Haken neben der Tür, steuerte die Küche an und nahm Wasserflaschen aus einem Schrank, dazu kamen noch ein paar andere Sachen.

»Das ist ja ein Sommercamp«, stellte ich fest, nachdem wir die Hütte, die mit Abstand die größte hier war, verlassen hatten. Die anderen Gebäude zwischen den Bäumen konnte man bestenfalls als Holzbaracken bezeichnen. Wolfswandler in menschlicher Gestalt, darunter viele Kinder, badeten, spielten Tischtennis, machten Sachen, die man eben in so einem Camp machte. Als Kind war ich auch einmal an einem Ort wie diesem hier gewesen, allerdings für Menschen. Weil ein Heimleiter gedachte hatte, wir Waisen sollten die Natur kennenlernen. Ich war damals schon froh gewesen, wenn ich die Natur nur aus der Ferne sah.

»Das Camp Howling Wolf für Familien ist direkt an einem kleinen Privatsee gelegen. Wir angeln, jagen, bereiten das Erlegte zu. Ein rundum einmaliges Naturerlebnis«, meinte Crow.

Das hatte er wohl aus dem Werbeprospekt für das Camp zitiert.

»Howling Wolf, so hieß das Diner, in dem ich Kane treffen sollte«, stellte ich fest.

»Ja, das gehört ebenfalls uns«, gab der alte Wolf nicht ohne einen gewissen Stolz in der Stimme zurück.

»Ein Sommercamp für Wandler also.« Ich betrachtete die ausgelassenen Wölfe in Menschengestalt. Ihre Überzahl machte mich mächtig nervös. Ich war ja durchaus in der Lage, meine Haut zu verteidigen, aber bei einer akuten Bedrohung rechnete ich mir angesichts der Übermacht keine allzu großen Chancen aus, und das versetzte alles in mir in Alarmbereitschaft.

»Nicht nur. Wir beherbergen auch Menschen, denn wir Wölfe müssen ja auch irgendwie Geld verdienen, und wer könnte Menschen einen sichereren Aufenthalt in den Wäldern garantieren als Wölfe. Auch wenn sie natürlich nicht wissen, was wir sind. Aber für zwei Wochen im Jahr öffnen wir das Camp ausschließlich für Wolfswandler«, erklärte Crow. Mein Blick schweifte über die Anlage. Super, ich muss ausgerechnet die zwei Wochen erwischen, in denen es hier von Wölfen nur so wimmelt.

»Keine Sorge, du bist bei uns sicher. Schließlich stehst du unter Kanes Schutz.« Crow lächelte, und ich drehte mich zu dem Beta … ich vergaß … zu meinem Beta. Das überhebliche Schmunzeln auf dessen Gesicht war so typisch. Zur Hölle, ich brauchte seinen Schutz nicht.

Neben ein paar Autos entdeckte ich mein Motorrad und steuerte darauf zu.

»Wir haben uns erlaubt, es hierherzubringen. Die Schlüssel habe ich in deiner Jacke gefunden.« Joe kam zu mir.

»Wenn nur ein Schräubchen verbogen ist, dann mach ich euch die Hölle heiß.« Ich beäugte meine Maschine, sie schien in Ordnung zu sein. Auch der Helm lag unversehrt da.

»Das haben wir gern gemacht. Wir hätte sie auch am Straßenrand stehen lassen können, bedank dich nur nicht zu überschwänglich«, erwidert Joe schnippisch.

»Komm jetzt, Katze, wir haben heute noch was vor«, rief Kane.

»Finger weg von den Sachen, anderer kleiner Wolf«, zischte ich und kehrte zu Kane zurück.

Kapitel 3

Eine halbe Stunde später stapfte ich hinter Kane durch dichte Laubwälder. Einer von Crows Leuten hatte uns mit einem Pick-up so weit gefahren, wie er konnte. Dann hieß es laufen, und es ging, wie sollte es anders sein, stetig bergauf. Natürlich trug ich den Rucksack, in den Joe gefühlt die halbe Küche gepackt hatte, während Kane nur das Gewehr geschultert hielt. Denn der Wolf war bei dieser Mission der Beta und ich seine Untergebene. Nicht zu fassen, ich stand unter dem Befehl eines Wolfes. Wie hatte ich nur so tief sinken können? Wenn die Leute vom Sicherheitsdienst der Leon Corp, deren Chefin ich war, davon erfuhren, durfte ich mich warm anziehen. Wahrscheinlich würden bald kleine Wolfsfiguren auf meinem Schreibtisch stehen, oder ich bekam Rollen vorgeschlagen für eine Neuverfilmung von »Der mit dem Wolf tanzt«. Nein, eher »Die mit dem Wolf tanzt«. Ha, ha, das würde wahnsinnig witzig werden. Etwas summte neben meinem Ohr, und zack war es passiert. Das dumme Vieh hatte mich ins Gesicht gestochen. Ich schlug fluchend gegen meine Wange und hätte schwören könne, dass mich das kleine Insekt laut auslachte.

»Du magst den Wald nicht sonderlich«, stellte Kane fest.

»Nicht mögen ist untertrieben, ich hasse ihn«, erwiderte ich und versuchte, mich gegen den nächsten Insektenangriff zu wappnen. Zwar heilten die Stiche schnell, aber sie taten trotzdem weh.

»Das ist ungewöhnlich«, sagte Kane.

»Was?«, fragte ich, während ich eine Mücke im Auge behielt, die mir gefährlich nahe kam.

»Du bist eine Wandlerin, du solltest die Natur lieben«, antwortete er.

»Ich liebe sie auch in Form des Central Parks. Mehr an Natur brauche ich nicht«, erwiderte ich und klatschte die Hände zusammen. »Erwischt.«

»Es liegt im Wesen der Wandler, mit all dem hier eins zu sein.« Kane machte eine ausschweifende Handbewegung.

»Das gilt vielleicht für Wölfe«, brummte ich und wischte die Hand an der Hose ab.

Abrupt blieb er stehen, ich konnte nicht mehr bremsen und rannte gegen seinen Rücken. Ein Schwall dieses außergewöhnlichen Duftes umhüllte mich wie eine wohlige Decke. In meinem Magen kribbelte es. Wie von einer Riesenmücke bedroht wich ich hastig zurück, und er drehte sich zu mir.

»Bist du jemals in Katzengestalt durch einen naturbelassenen Wald wie diesen hier gehetzt? Hast du jemals gespürt, wie der Wind über dein Fell streicht und sich weiches Moos unter deinen Pfoten anfühlt? Und hast du je die intensiven Aromen des Waldes gerochen?« Sein Blick verfing sich mit meinen, und ich wich noch einen Schritt zurück, fühlte mich in die Enge gedrängt. Dieses Gespräch nahm einen echt unangenehmen Verlauf. Verflucht, so defensiv wirkte ich schwach. Energisch hob ich den Kopf und schritt an ihm vorbei.

»Wir haben eine Mission«, sagte ich.

»Das war keine Antwort auf meine Fragen.« Jetzt war Kane hinter mir. Ich mochte es nicht, einen Wolf im Rücken zu haben. Tja, das hättest du dir mal früher überlegen sollen. Wenn ich mich jetzt wieder hinter ihm einreihte, machte ich mich lächerlich. Also marschierte ich weiter in die Richtung, die Kane vorgegeben hatte.

»Du nimmst wirklich nicht gern deine Katzengestalt an. Warum?«, fragte er weiter.

Er würde nicht aufgeben. Auf dem Absatz drehte ich mich zu ihm, bohrte meinen Finger in seine Brust und zwang ihn, stehen zu bleiben.

»Ein für alle Mal. Das geht dich nichts an. Wir sind keine Kumpels, Buddys, Gefährten oder stehen in sonst irgendeinem intimen Verhältnis zueinander. Was heißen soll, wir schütten uns gegenseitig weder das Herz aus noch flechten wir uns das Haar. Wir jagen zusammen einen Flüchtigen, mehr nicht.«

»Da gäbe es bei mir mehr zu flechten als bei dir. Dein Haar reicht ja nicht mal bis zu den Schultern. Trotzdem ist es sehr schön, wie flüssiges Gold und so seidig. Ich würde es dir gern flechten.«

Er grinste und mein Herz setzte einen Schlag aus. Das Gesicht des Betas zeigte normalerweise selten eine Regung, und so ein Grinsen hatte ich noch nie bei ihm gesehen. Doch es stand ihm unfassbar gut. Kane streckte seine Hand aus und nahm eine meiner Strähnen, die er durch seine schlanken Finger gleiten ließ. Ich schluckte, hatte das Gefühl, die Zunge würde am Gaumen festkleben. Mein Schweigen wurde langsam seltsam. In seiner Gegenwart schmolz meine Coolness wie Eis in der Sahara. Das machte mich echt wütend.

»Nimm die Finger weg!« Ich schubste ihn von mir.

»Ist schon gut.« Er zog die Hand zurück und ging einen Schritt rückwärts. Aber nicht, weil ich ihn geschubst hatte, denn der Stoß hatte keinerlei Auswirkungen gehabt – da hätte ich auch eine Eiche schubsen können –, sondern weil er es wollte. Ich spürte meine Wangen heiß werden und drehte mich wieder nach vorn.

»Was meintest du eigentlich mit intimem Verhältnis?«, fragte er herausfordernd.