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Madison braucht dringend eine Erfolgsstory, damit sie ihre Stelle beim Magazin Women and Life nicht verliert. Da wird sie auf Sam Harris aufmerksam. Der Sohn vom Inhaber der größten Anwaltskanzlei in New York hat seinem erfolgreichen Vater und den lukrativsten Mandanten den Rücken gekehrt, um Menschen vor Gericht zu vertreten, die sich keinen Rechtsbeistand leisten können. Madison wittert, dass seine Geschichte ihre nächste große Story werden könnte. Blöd nur, dass Sam die Presse verabscheut, seit sie seine Privatsphäre beim Begräbnis seiner Frau mit Füßen getreten hat.
Als eine seiner Mandantinnen des Mordes an einem Kongressabgeordneten beschuldigt wird, arbeiten die beiden gezwungenermaßen zusammen, um ihre Unschuld zu beweisen. Dabei merkt Madison, dass sie sich immer weniger dem Charme des so selbstlosen Anwalts entziehen kann.
Und auch Sams Mauer, die er seit dem Tod seiner Frau um sich herum aufgebaut hat, bröckelt immer mehr.
Doch kann er Madison wirklich vertrauen?
Attraktive Anwälte, spannende Fälle und ganz viel Sinnlichkeit. Das ist Band 3 der neuen Reihe von Sara Hill um eine Nobelanwaltskanzlei in New York.
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Seitenzahl: 436
Cover
Grußwort des Verlags
Über dieses Buch
Titel
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Über die Autorin
Weitere Titel der Autorin
Impressum
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Madison braucht dringend eine Erfolgsstory, damit sie ihre Stelle beim Magazin Women and Life nicht verliert. Da wird sie auf Sam Harris aufmerksam. Der Sohn vom Inhaber der größten Anwaltskanzlei in New York hat seinem erfolgreichen Vater und den lukrativsten Mandanten den Rücken gekehrt, um Menschen vor Gericht zu vertreten, die sich keinen Rechtsbeistand leisten können. Madison wittert, dass seine Geschichte ihre nächste große Story werden könnte. Blöd nur, dass Sam die Presse verabscheut, seit sie seine Privatsphäre beim Begräbnis seiner Frau mit Füßen getreten hat.
Als eine seiner Mandantinnen des Mordes an einem Kongressabgeordneten beschuldigt wird, arbeiten die beiden gezwungenermaßen zusammen, um ihre Unschuld zu beweisen. Dabei merkt Madison, dass sie sich immer weniger dem Charme des so selbstlosen Anwalts entziehen kann.
Und auch Sams Mauer, die er seit dem Tod seiner Frau um sich herum aufgebaut hat, bröckelt immer mehr.
Doch kann er Madison wirklich vertrauen?
SARA HILL
»Mr. Harris, wo bleibt Ihre Mandantin?«, fragte die Richterin, die hinter ihrem Tisch saß und Sam etwas an Oprah Winfrey erinnerte, ungeduldig.
Im Zuschauerraum raunte und raschelte es. Weitere Menschen warteten darauf, dass ihre Familienangelegenheiten verhandelt wurden.
»Verzeihen Sie, Richterin Johnson, sie wird gleich hier sein.« Sam ergriff sein Smartphone, doch von Lilly hatte ihn keine Nachricht erreicht. Verflucht, wo war sie? Sie gefährdete mit diesem Verhalten die Chance, jemals wieder das Sorgerecht für ihre Kinder zurückzuerhalten. Dabei hatte sie so sehr an sich gearbeitet. Sie war seit einem Jahr drogenfrei, hatte einen geregelten Job. Heute ging es um das erweiterte Besuchsrecht. Darum, dass sie mit ihren Kindern ohne Aufsicht ein ganzes Wochenende verbringen durfte, vielleicht auch die Ferien. Dieser Termin war ihr immens wichtig gewesen. Warum zum Teufel tauchte sie nicht auf?
Sam wählte zum gefühlt hundertsten Mal Lillys Nummer, doch er erreichte nur die Mailbox.
»Lilly, ich bin im Gericht, und du bist nicht da. Wenn etwas passiert ist, dann ruf mich sofort zurück. Die Richterin stimmt eventuell einem neuen Termin zu.«
Ein lautes Räuspern brachte Sam dazu aufzublicken. Die Richterin betrachtete ihn mit zusammengezogenen Brauen. Ihre Laune wurde zusehends schlechter, und das war für Lilly nicht gut. Gar nicht gut.
»Ruf zurück«, sagte Sam eindringlich, bevor er den Anruf beendete und das Handy vor sich auf den Tisch legte.
»So wie es aussieht, wird uns Ms. Griffiths nicht beehren, daher kann ich nicht anders entscheiden. Es werden sämtliche Besuchsrechte ausgesetzt, bis sie sich einem Drogentest unterzogen hat. Sollte der negativ ausfallen, werden wir einen neuen Termin anberaumen, bei einem positiven Ergebnis verwirkt sie sämtliche Rechte.« Die Richterin schlug mit dem Hammer auf den Eichentisch.
»Bitte, Richterin Johnson. Es ist bestimmt etwas passiert. Vielleicht hatte sie auf dem Weg hierher einen Unfall?«
»Wenn dem so ist, können Sie gern einen neuen Verhandlungstermin ansetzen lassen. Aber wir beide wissen, dass der bisherige Lebenswandel von Ms. Griffiths Anlass zu einer anderen Vermutung gibt.«
»Euer Ehren, ich möchte betonen, dass sie sehr an sich gearbeitet hat«, erwiderte Sam.
»Das hat sie wirklich, doch Drogen werden für sie immer eine Verlockung sein. Sie muss mir beweisen, dass sie dieser Verlockung nicht wieder erlegen ist. Zu oft habe ich hier Frauen gesehen, die nach monatelanger Abstinenz doch wieder rückfällig geworden sind. Die ihre Kinder sehr liebten, aber Drogen noch viel mehr. Mr. Harris, ich habe meine Entscheidung getroffen, und es warten heute noch mehr Fälle darauf, verhandelt zu werden.«
Die Richterin hob die Brauen, und Sam stand auf. Hier würde er nichts mehr ausrichten können.
»Danke für Ihre Geduld«, erwiderte er, während er die Papiere in seinen Aktenkoffer sortierte und anschließend das Handy in seine Jacketttasche schob.
»Es täte mir in der Seele weh, wenn Ms. Griffiths scheiterte, ihre Entwicklung war so vielversprechend«, meinte Richterin Johnson.
Sams Blick begegnete ihrem, und er seufzte innerlich. Lilly hatte mit dieser Richterin wirklich Glück gehabt, und jetzt trat sie dieses Glück mit Füßen.
»Falls meine Befürchtung eintritt, dann geben Sie sich keinesfalls die Schuld. Sie kümmern sich selbstlos um diese Frauen, Sam, Sie können nicht alle retten.«
Die Richterin betrachtete ihn mit eindrücklichem Blick, und er spürte den verfluchten Schmerz, der einfach nicht vergehen wollte. Zum Teufel, er hatte nicht mal seine eigene Frau retten können. Wie sollte er überhaupt jemanden retten können? Nein, diesen Gedanken weiterzuverfolgen war nicht zielführend. Oder sollte er in eine Bar gehen, um ihn runterzuspülen? Es gab bessere und schlechtere Tage. Dieser hier war eindeutig einer der schlechteren.
»Ich werde mich um den Drogentest kümmern und einen neuen Termin machen«, sagte er, ohne auf die Worte der Richterin einzugehen, und ließ die Riegel seines Koffers zuschnappen.
»Tun Sie das.« Die Richterin schenkte ihm ein mildes Lächeln, anschließend wandte sie sich dem Papier zu, das vor ihr lag, und notierte etwas.
Sam nahm den Koffer, verließ den Anwaltstisch und schritt an den Zuschauerreihen vorbei zur Tür. Er musste Lilly unbedingt finden.
Madison Clark saß an ihrem Schreibtisch. Durch das Fenster in der Trockenbauwand beobachtete sie das geschäftige Treiben im Großraumbüro. Mia, die seit Kurzem als Praktikantin in der Redaktion arbeitete, redete mit Kiefer, dem äußerst attraktiven IT-Spezialisten. Mias Wangen waren gerötet, und sie kaute auf einem Stift herum, versuchte so, Kiefers Blick auf ihre vollen Lippen zu lenken, während sie aufreizend eine dunkle Strähne um den Zeigefinger der anderen Hand wickelte. Offensichtlich hatte Mia den Artikel Wie verführe ich einen Mann in Ausgabe vierzig des Frauenmagazins, für das sie beide arbeiteten, genau studiert, und Kiefer schien das Objekt ihrer Begierde zu sein. Der wiederum konzentrierte sich auf den Computerbildschirm vor Mia und schien ihr dabei etwas zu erklären.
Madison konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, denn sie war eine der wenigen, die wussten, dass Kiefer homosexuell war. Vielleicht sollte sie Mia aufklären? Nein, das stand ihr nicht zu. Es war an Kiefer zu entscheiden, gegenüber wem er sich outete.
Madison kümmerte sich wieder um die Ausdrucke. Sie musste endlich den Artikel über diese verfluchte Gerichtsverhandlung eines prominenten Schauspielerehepaars fertigstellen. Die beiden befanden sich in einem Rosenkrieg und beschuldigten sich gegenseitig der häuslichen Gewalt. Bereits seit Wochen verfolgte Madison dieses Drama, und noch immer wusste sie nicht, ob beide logen oder zumindest einer von ihnen die Wahrheit sagte. Nun ja, es waren Schauspieler. Madison lehnte sich seufzend zurück, ihr Blick glitt von dem Blatt in ihren Händen zum Fenster, und sie betrachtete die Fassade des Büro-Towers gegenüber, in dessen Fenster sich die Sonne spiegelte. Klatschreporterin – so hatte sie sich ihr Leben als Journalistin nicht vorgestellt. Verdrängte Bilder stiegen aus der Tiefe in ihr auf, Blut und splitterndes Glas.
Ihr Herz verdoppelte den Schlag. Nackte Panik streckte die widerlichen Krallen nach ihr aus, drohte, ihren Brustkorb zu zerquetschen. Sie hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen.
»Madison«, hörte sie aus der Ferne jemanden rufen. »Du bist ganz bleich. Geht’s dir gut?«
Jetzt bemerkte sie Karen, die in der geöffneten Bürotür stand, und zwang die Bilder wieder in die Tiefen zurück. Auch wenn ihr Herz noch immer gegen seinen Rippenkäfig sprang, versuchte sie zu lächeln. »Alles gut, ich war nur in Gedanken«, erwiderte sie hastig.
»Was ist mit deinem Artikel?«, wollte Karen wissen. Sie schloss die Tür und schritt durch den Raum.
»Fast fertig, ich muss nur noch mal meine Anmerkungen vom Papier in den Computer übertragen.« Madison hob den Ausdruck des Artikels hoch, während Karen vor dem Schreibtisch stehen blieb.
»Geschichten über Promi-Scheidungen und Galas. Ist das wirklich das, was du schreiben möchtest?«, wollte Karen wissen, und Madison begegnete ihrem Blick. Die Chefredakteurin von Women and Life wirkte in ihrem Businesskostüm und dem hochgesteckten Haar wie eine strenge Lehrerin, doch sie war herzensgut. »Du bist heimlich in Afghanistan eingereist, hast über Frauen berichtet, die im Verborgenen ihr Studium oder ihre Ausbildung fortgesetzt haben, da es ihnen verboten worden war. Das war ein hervorragender Artikel. Dafür hast du mehrere Auszeichnungen bekommen. Ganz zu schweigen von dem Bericht über Soldatinnen, die mit ihren männlichen Kollegen an der Front kämpfen und tagtäglich ihr Land verteidigen. Der wurde ebenfalls ausgezeichnet.«
»Bringt das Joey zurück?«, brauste Madison auf.
»Joey hätte nicht gewollt, dass du dich in der Klatschspalte verkriechst. Du bist eine investigative Journalistin, zur Hölle.« Karens Blick fing Madisons ein, die schwer schluckte. Doch die Schuld saß fest.
»Er sollte hier sein und nicht ich«, sagte Madison rau. »Hätte ich nicht mit ihm den Platz getauscht, dann hätte der Sniper …«
»Verdammt, Maddie, hör auf, dir die Schuld zu geben. Er war Fotograf, der in Krisengebiete reiste. Joey kannte das Risiko …«
»Ob seine Frau das ebenso sieht?«, fiel Maddie Karen ins Wort, und ihr Gegenüber senkte den Blick.
»Ich hatte heute mit dem Vorstand ein Meeting, und ich sage dir das jetzt im Vertrauen. Die Verkaufszahlen vom Print sind nicht berauschend, und sie wollen natürlich am Personal sparen. Wenn du nicht beweist, dass du mehr zu bieten hast als Klatsch und Tratsch, könntest du den Sparmaßnahmen zum Opfer fallen.« Karen seufzte und schenkte etwas auf dem Tisch ihre Aufmerksamkeit.
»Und wenn schon. Unkraut vergeht nicht«, erwiderte Maddie. Vielleicht war es ja gut, wenn sie sich einen neuen Job suchen musste, versuchte sie, sich selbst einzureden. Und doch wurde ihr bei dem Gedanken, den Job zu verlieren, übel. »Was ist das?« Karen hob ein Kuvert hoch und zog die Einladung heraus, die Maddie bewusst ignoriert hatte.
»Ach, das ist wieder so eine Wohltätigkeitsveranstaltung für Reiche und Schöne. Sie wollen Geld für verschiedene Hilfsorganisationen sammeln. Eine davon ist Angels for Women«, murmelte Karen. »Die Organisation sagt mir was.« Jetzt sah sie zu Maddie. »Ja … ich erinnere mich, ein gewisser Sam Harris leitet sie. Eigentlich war die Organisation von Amy Harris, seiner Frau, gegründet worden, zum Beispiel, um Frauen aus der Prostitution oder Drogensucht herauszuhelfen. Ich erinnere mich deshalb, weil Amy Harris vor knapp einem Jahr tot im Büro der Organisation aufgefunden wurde. Der Fall schlug in New York hohe Wellen. Du hast zu dieser Zeit über Frauen an der Front recherchiert. Daher ist die Sache in New York wohl an dir vorbeigegangen. Wie dem auch sei, eine Drogensüchtige hatte Harris’ Frau niedergestochen. Ich glaube, er war es, der die Leiche entdeckte.« Karen legte die Einladung und das Kuvert vor Maddie auf den Schreibtisch.
»Trotzdem führt er die Organisation weiter?«, sagte Maddie und ergriff die Einladung. Nachdenklich betrachtete sie das edle Leinenpapier. In geschwungener Goldschrift waren die Uhrzeit und der Ort der Veranstaltung aufgedruckt. Ballsaal des Plaza, las Maddie. Die boten offensichtlich alles auf, um ihren reichen Gästen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Sie hatte man nur eingeladen, weil Pressepräsenz für so eine Veranstaltung immens wichtig war. »Das ist ja schon heute Abend. Wer plant an einem Donnerstag so eine Veranstaltung?«, meinte Maddie, ohne den Blick von der Einladung zu nehmen.
»Die Reichen und Schönen planen anders als wir. Es ist noch genug Zeit, um dich herauszuputzen, und Harris muss sehr faszinierend sein. Schon wegen ihm lohnt es sich hinzugehen. Er ist Anwalt und vertritt Obdachlose, Prostituierte, Drogensüchte und so weiter. Frauen, die sich keinen Rechtsbeistand leisten können. Wie du weißt, sitzen viele sogar wegen geringfügiger Verbrechen im Knast, nur weil sie ihre Kaution nicht aufbringen können, selbst wenn sie nur fünfhundert Dollar beträgt. Und es dauert Monate, manchmal Jahre, bis ein Verhandlungstermin festgelegt wird. Er stammt eigentlich aus einer sehr renommierten Kanzlei. Sein Vater, der alte Cunningham, ist Partner bei Mathewson, Cunningham und Stein. Harris war eine Zeit lang dort beschäftigt und wurde als Nachfolger seines Vaters gehandelt. Wenn er dortgeblieben wäre, könnte er jetzt jede Menge Geld verdienen, doch er zieht es vor, das Vermächtnis seiner Frau fortzuführen. Ein bewundernswerter Mann.«
»Warum hat er seinen Namen abgelegt? So ein Nachname würde ihm doch jede Menge Türen öffnen.« Maddie blickte von der Einladung zu Karen.
»Das gilt es unter anderem herauszufinden. Aus seinem Privatleben macht er ein großes Geheimnis. Gerüchten zufolge soll er sich mit seinem alten Herrn überworfen haben. Doch Genaueres weiß niemand. Ein Exklusivartikel über ihn wäre der Hammer«, erklärte Karen.
Maddies Blick streifte die Einladung, dann schaute sie entschlossen zu ihrer Chefredakteurin. »Vielleicht hast du recht und ich sollte wirklich zu der Gala gehen.« In ihr kribbelte es, wie es immer der Fall war, wenn sie eine gute Story witterte, und ihre feinen Nackenhärchen stellten sich wie kleine Antennen auf. Sie brauchte eine gute Story, denn eigentlich wollte sie ihren Job behalten.
»Das solltest du unbedingt. Denn zudem ist er auch noch unglaublich attraktiv.« Karen grinste jetzt wie eine Katze, die erst eine Maus und dann einen Wellensittich verschluckt hatte. »Ich denke, dein smaragdfarbenes Paillettenkleid wäre für den Anlass perfekt. Es bringt deine grünen Augen zur Geltung, harmoniert mit deinen Kastanienlocken und ist wirklich … sexy«, schlug Karen vor.
»Bist du jetzt auch noch meine Stilberaterin?«, fragte Maddie mit vor Sarkasmus triefender Stimme.
»Na, wenn ich dich mit deiner Jeans, Shirt und Sneakers so ansehe, hast du eine Stilberatung bitter nötig.« Karen lachte dieses dunkle Lachen.
»Mein Outfit ist sportlich, und wenn ich ein Jackett drüberziehe, ist es durchaus businesstauglich«, gab Maddie zurück.
»Doch mit Sicherheit taugt es nicht für eine Gala im Plaza.« Karen verschränkte die Arme.
Maddie betrachtete die Einladung. Damit hatte Karen wohl recht, und das smaragdgrüne Abendkleid war eines der wenigen angemessenen Outfits in Maddies Schrank. Sie seufzte leise.
Sam erreichte das schäbige Apartmenthaus, das in diese Gegend passte wie auch sein hellblauer Volvo, von dem bereits der Lack abblätterte. Daher war die Chance groß, dass das Auto nicht geklaut werden würde. Er fand direkt vor dem Haus einen Parkplatz. Einmal musste er ja Glück haben. Als er ausstieg und das Fahrzeug umrundete, folgten ihm Blicke. Auch wenn er einen billigen Anzug von der Stange trug, erregte er Aufmerksamkeit. Das Schloss der Haustür war kaputt, das wusste er.
Also betrat er den dunklen Flur, in dem es nach Marihuana roch. Die ausgetretenen Stufen knarrten bei jedem Schritt. Im ersten Stock angekommen folgte er dem Flur bis zur Tür mit der Nummer 11 B. Er hämmerte mit der Faust gegen das Türblatt. Nichts rührte sich.
»Lilly, ich bin’s, Sam, dein Anwalt, mach auf!«, rief er.
Es blieb still.
»Lilly, verdammt, du hattest heute einen Gerichtstermin.« Wieder trommelte er gegen das Holz. Die Tür gegenüber von Apartment 11 C wurde geöffnet.
»Sie ist nicht da«, sagte Chantelle, und Sam wandte sich ihr zu.
»Wo zum Teufel ist sie?«, fragte er barsch. Doch sogleich tat ihm sein harscher Ton leid. Chantelle konnte ja nichts dafür, dass Lilly ihn im Gerichtssaal hatte sitzen lassen.
»Sie ist seit gestern weg«, meinte die Frau.
»Arbeitet sie wieder?«, brauste Sam auf, und Chantelles Blick wich seinem aus.
Sie trug ein sehr aufreizendes Outfit, was bedeutete, dass sie sich für die Arbeit zurechtmachte.
»Ich glaube schon«, sagte sie leise.
»He, wer ist das?« Eine Latina, die ebenfalls nicht viel Stoff am Leibe trug, zwängte sich neben Chantelle. »Madre de Dios, was bist du für ein Hübscher – komm doch zu uns rein …«
»Halt die Klappe, Maria, das ist Sam Harris, ein Anwalt, der Frauen wie uns ehrenamtlich hilft, wenn wir in Schwierigkeiten sind«, fiel Chantelle ihrer Freundin ins Wort. »Du musst Maria entschuldigen. Sie wohnt ein paar Tage bei mir, denn sie ist aus ihrer Wohnung rausgeflogen«, erklärte Chantelle.
»Alles gut, so empfindlich bin ich nicht. Ich sehe, dass du auf dem Weg zur Arbeit bist. Ich will dich nicht weiter aufhalten«, sagte Sam.
»Nein, ich habe noch etwas Zeit.«
»Pass da draußen auf dich auf. Es laufen viele Psychopathen in New Yorks Straßen herum.« Sams Blick traf auf Chantelles.
»Das werde ich. Versprochen.« Sie hob ihre Finger, als würde sie schwören.
»Wie lange war Lilly nicht mehr da?«, wechselte er das Thema.
»Gestern Abend habe ich sie das letzte Mal gesehen.«
»Wenn du sie wiedersiehst, sag ihr, dass sie sich bei mir melden soll. Es geht um ihre Kinder«, bat Sam Chantelle, die sich verlegen räusperte.
»Wenn ich ehrlich bin, denke ich, dass sie abgetaucht ist.« Chantelle senkte ihren Blick, als fühlte sie sich schuldig, doch sie war für Lillys Verhalten nicht verantwortlich.
»So ein verdammter Mist. Vielleicht nimmt sie wieder Meth.« Wut kochte in Sam hoch, doch er drängte den Zorn zurück, denn der half ihm nicht weiter. »Okay, dann ruf du mich bitte an, wenn sie wieder da ist«, trug er seinem Gegenüber auf. »So, jetzt bin ich weg.«
»Och, komm schon, bleib doch noch etwas hier. Wenn du uns beide einmal im Doppelpack hattest, wirst du nichts anderes mehr wollen. Ich würde für deine Gesellschaft sogar was springen lassen. So was Attraktives wie dich hat man nicht jeden Tag.« Maria lachte.
»Lässt du Sam vielleicht ihn Ruhe! Er ist nicht so einer«, fauchte Chantelle.
»Schau ihn dir doch an. Er sieht aus wie der junge Paul Newman.« Maria deutete in einer ausladenden Geste auf Sam.
»Woher kennst du Paul Newman?«, fragte Chantelle sarkastisch.
»Ich stehe auf alte Filme«, fauchte Maria.
»Ich nehme das mal als Kompliment«, mischte sich Sam in die Kabbelei der beiden Frauen ein. »Aber das Angebot muss ich dankend ablehnen, auch wenn es von so reizenden Damen wie euch kommt. Doch falls du mal Hilfe brauchst, dann ruf mich an.« Er zog eine Visitenkarte aus der Jacketttasche und reichte sie Maria.
»Die werde ich wie meinen Augapfel hüten.« Sie schob die Karte grinsend in ihren tiefen Ausschnitt, der das pralle Dekolleté gut zur Geltung brachte.
»Ich empfehle mich.« Damit wandte er sich ab.
»Ich ruf an, falls Lilly auftaucht, versprochen«, rief ihm Chantelle hinterher, als er den Gang entlangschritt.
Sam drehte sich jedoch nicht um. Er wollte nur noch weg hier. Hinter ihm fiel Chantelles Tür ins Schloss. Wenn Lilly wieder Meth nahm, war das ein herber Rückschlag. Dieser Tag hatte beschissen begonnen und ging beschissen weiter.
Er zog die Kette, an der Amys und sein Ehering hingen, unter seinem Hemd hervor und legte seine Hand darum. Das gab ihm Trost. Amy hatte es immer geschafft, ihm an fürchterlichen Tagen wie diesem Kraft zu geben. Sie fehlte ihm so sehr, dass er den Schmerz fast körperlich spürte.
Als er die Treppe erreichte, versteckte er die Ringe wieder unter seinem Hemd.
Jetzt musste er ins Büro. Mal sehen, welcher Mist dort auf ihn wartete.
»Ich habe den Artikel fertig und bereits verschickt.« Maddie stand im Rahmen der immer offenen Tür von Karens Eckbüro, dessen Einrichtungsstil sehr maskulin war.
»Schon gesehen«, meinte diese und blickte von ihrem Laptop auf.
»Na dann.« Maddie wandte sich ab.
»Stopp, Süße, komm doch mal rein«, forderte Karen sie auf, und Maddie drehte sich wieder zu ihr.
»Soll ich die Tür schließen?«, fragte sie vorsichtig. Vielleicht hatte der Vorstand eine Entscheidung getroffen, und es ging um ihren Job.
»Nein, nein, es ist nichts Schlimmes«, erwiderte Karen vergnügt, und Maddie machte ein paar Schritte in den Raum.
»Ich habe eine Limousine bestellt und werde dich um achtzehn Uhr abholen.« Karen lehnte sich grinsend zurück, was ihr lederner Bürosessel mit einem leisen Knarzen quittierte.
»Du willst mich auf die Gala begleiten?« Maddie hatte Mühe, ihren Mund zu schließen.
»Auf der Einladung stand mit Begleitung, und soweit ich weiß, bist du Single. Kannst du dir denn so schnell einen Begleiter besorgen?« Karen verschränkte die Arme.
»Nein«, gab Maddie zu.
»Na, dann werde ich dich begleiten. Heutzutage können auch zwei Frauen zusammen auf einer Gala erscheinen. Also, um sechs steht die Limo vor deiner Haustür, das gibt uns genug Zeit, trotz der Rushhour pünktlich beim Plaza anzukommen. Wir zwei Mädels machen uns einen richtig schönen Abend.« Karens Grinsen wurde breiter. »Und das auf Kosten des Magazins.«
»Ja, warum eigentlich nicht?«, gab Maddie beschwingt zurück. Sie wollte den Raum verlassen, als Karen sie mit einem »Halt, da ist noch was« stoppte.
»Jaaaa.« Jetzt war sie gespannt, was da noch kam.
»Du hast in einer halben Stunde einen Termin bei Louis, meinen Coiffeur. Er kümmert sich um Haar und Make-up. Als deine Stilberaterin muss ich dafür sorgen, dass du angemessen auf der Veranstaltung erscheinst.« Karen lachte leise.
»Haare und Make-up werde ich schon selbst hinbekommen«, erwiderte Maddie trotzig.
»Im Normalfall, ja, aber wie schon gesagt, Sam Harris ist äußerst attraktiv und wird mit Sicherheit von den Damen umschwärmt werden, da solltest du alle Register ziehen.«
»Irgendwie habe ich das Gefühl, dass du mich verkuppeln möchtest«, feixte Maddie.
»Tja, ich will dich mit einer guten Story verkuppeln, und du hast für eine gute Story schon so einige Verkleidungen in Kauf genommen. Ich denke da nur an dein Obdachlosen-Outfit. Heute wirst du in die Rolle der Grand Dame schlüpfen, dank Louis. Sei pünktlich, er schätzt es nicht, wenn Kundinnen zu spät kommen. Es hat mich einiges an Überredungskunst gekostet, damit er dich heute drannimmt. Denn er ist für Monate ausgebucht.«
»Zu Befehl, Boss.« Maddie hob die flache Hand zackig an die Stirn, dann verließ sie eilig das Büro, bevor Karen noch eine weitere Überraschung auf Lager hatte.
»Sam, der Smoking-Verleih hat angerufen, während du bei Gericht warst. Sie wollten wissen, ob du heute noch den reservierten Smoking abholst, was ich bestätigt habe.« Natalie stand mit verschränkten Armen in der Tür von Sams winzigem Büro. Akten stapelten sich auf dem Schreibtisch und in den Wandregalen, die so aussahen, als würde sie jeden Moment zusammenbrechen. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück, der bedrohlich ächzte.
»Warum muss ich dieses ganze Tamtam noch mal machen?«, wollte er wissen.
»Weil wir Geld brauchen, Beverly Fairfax, ihres Zeichens stinkreiche Witwe, dein größter Fan ist und diese Wohltätigkeitsgala ausrichtet. Tja, wahrscheinlich das alles nur, weil sie dich in einem Smoking sehen möchte. Das ist nur meine Theorie. Aber einem geschenkten Gaul … Bla, bla, bla. Also, sei ein braver Junge, hol deinen Smoking ab und begleite Ms. Fairfax zum Ball. Ich habe im Übrigen eine Limo bestellt, auch wenn das nicht meine Aufgabe war. Aber du solltest Ms. Fairfax standesgemäß abholen und nicht in deinem altersschwachen Volvo. Der Wagen wird um halb sechs bei dir sein. Damit du genügt Zeit hast, Ms. Fairfax einzusammeln, um anschließend mit ihr eine kesse Sohle auf Parkett zu legen.«
»Kannst du nicht einen Smoking anziehen und mit ihr eine kesse Sohle aufs Parkett lege?«, fragte Sam mit einem schiefen Grinsen.
»Nee, Galas sind nicht so mein Ding.« Natalie schüttelte lachend den Kopf, und ihre dunklen Locken hüpften. »Das kriegst du hin. Ich will für die Organisation das Beste, und eine Wohltätigkeitsgala mit stinkreichen Leuten, die Geld spenden, ist das Beste für die Organisation. Vergiss nicht, wir haben noch so einige Rechnungen zu bezahlen. Also, schaff Geld ran, Junge.«
»Jetzt fühle ich mich irgendwie schmutzig.«
»Dann weißt du ja jetzt, wie es der ein oder anderen Frau geht. Okay, jetzt mal im Ernst. Mir ist bewusst, dass dir das viel abverlangt. Schließlich hast du diesen Kreisen den Rücken gekehrt …«
»Und es nie bereut«, warf Sam ein.
»Aber du kennst diese Leute, kannst dich unter ihnen bewegen. Deshalb haben wir uns beide darauf geeinigt, dass du zur Gala gehst und ich hier die Stellung halte«, meinte Natalie, und Sam seufzte leise. Ihre Argumentationskette ließ keinen Platz für einen Einspruch. Sie war eine verdammt gute Anwältin und vergeudete hier eigentlich ihr Talent. »Außerdem erwartet Ms. Fairfax dich. Sie wäre bestimmt enttäuscht, wenn ich vor ihrer Tür stehen würde, und zu dritt auf der Gala aufzukreuzen, das wäre irgendwie schräg. Also musst du da wohl durch, mein Hübscher.« Jetzt grinste Natalie wieder.
»Tja, dann sollte ich wohl den Smoking abholen.« Damit erhob sich Sam und strich die Krawatte glatt.
»Vergiss nicht, ich will unbedingt ein Foto von dir im Smoking. Davon lass ich mir ein Poster machen und hänge es in meinem Büro auf.«
»Um es mit Dartpfeilen zu bewerfen?«, gab Sam zurück.
»Du kennst mich ja sooo gut.« Natalie lachte laut auf.
Madison drehte sich vor dem Spiegel hin und her. Das Kleid saß perfekt. Zum Glück passte es noch immer. Die grünen Pailletten schimmerten in den Strahlen, die die Abendsonne in ihr Schlafzimmer schickte. Sie zupfte noch ein paar Locken aus der Hochsteckfrisur, die frech ihr Gesicht einrahmten. Louis hatte gute Arbeit geleistet und auch sein Visagist, der ihr um die Augen ein rauchig-verruchtes Make-up gezaubert hatte, das ihre grünen Iriden regelrecht leuchten ließ. Die vollen Lippen wurden nur durch glänzendes Gloss betont. Sie strich sich über die Hüften, spürte den Paillettenstoff, der sich eng an ihren Körper schmiegte. Ab den Schenkeln wurde es etwas weiter, was das Gehen erheblich erleichterte. Der V-Ausschnitt des bodenlangen Trägerkleides war tief, aber nicht vulgär. Eben genau richtig. Jetzt war sie froh, dass sie das Kleid im Ausverkauf bei Bloomingdales doch mitgenommen hatte.
Ein Klingeln riss sie aus ihren Gedanken. Das musste Karen sein. Schnell schnappte sie sich die schwarze Clutch vom Bett, die zu den schwarzen Sandalen passte und ihre wichtigsten Habseligkeiten wie Handy und Geld beinhaltete. Als sie an der Kommode am Eingang vorbeischritt, griff sie sich den Schlüssel, der in die Clutch wanderte, dann schnappte Maddie sich noch die Einladung und verließ ihre kleine, gemütliche Wohnung. Da sie selten hochhackige Schuhe trug, überwand sie mit etwas Vorsicht die Treppe. Wenn man Promis verfolgte, um ein Statement zu kriegen, waren Sneakers die bessere Wahl – und für Krisengebiete feste Armeestiefel. Vor der Tür wartete schon der Chauffeur an der hinteren Wagentür und öffnete ihr.
»Danke sehr.« Sie lächelte den jungen Mann an und rutschte zu Karen auf die Rückbank.
»Du siehst atemberaubend aus«, sagte Karen, während der Chauffeur die Tür schloss, den Wagen umrundete und sich hinter das Steuer setzte.
»Du aber auch – zum Anbeißen. Das Kleid ist sehr elegant«, erwiderte Maddie das Kompliment.
»Das alte Ding?« Karen strich über den schwarzen Stoff. Ihr dunkles Haar trug sie offen, was ihr Gesicht nicht so streng aussehen ließ. Auch sie war mit einer schwarzen Clutch bewaffnet. Der Wagen fädelte sich im Verkehr ein, und Karen nahm Maddies Hand.
»Dann wollen wir uns mal ins Vergnügen stürzen«, meinte sie beschwingt.
»Wir sind aber nicht nur zum Vergnügen auf der Veranstaltung«, erinnerte Maddie sie.
»Du kannst so eine Spielverderberin sein.« Karen drückte ihre Finger und kicherte wie ein Schulmädchen. Wenn die Leute im Büro ihre Chefredakteurin so sehen könnten, würden sie es nicht glauben.
»Man könnte fast meinen, du gehst auf den Abschlussball«, stellte Maddie fest.
»Ja, ich fühle mich wieder wie ein Teenager. Damals hatte mein Begleiter mich auch mit einer Limo abgeholt.«
»Na, dann lass uns zum Abschlussball gehen«, sagte Maddie amüsiert, und Karen erwiderte ihr freches Grinsen.
»Sie sehen wirklich sehr gut aus, Ms. Fairfax«, sagte Sam, nachdem ihn die Frau zum gefühlt hundertsten Mal danach gefragt hatte, während der Chauffeur die Limo durch das abendliche New York lenkte.
»Ach, ich hätte das schwarze Kleid anziehen sollen und nicht das weiße. Warum habe ich mich in meinem Alter nur für ein schmal geschnittenes weißes Abendkleid entschieden?« Sie zog am Satinstoff. Die ebenfalls weiße Pelzstola verdeckte das Brillantcollier, das schätzungsweise so viel wie ein Luxusauto kosten musste. Wenn sie die Stola abnahm, würde niemand mehr auf das Kleid achten, alle wären von dem Collier und dem dazu passenden Ohrgehänge geblendet. Aber Sam behielt diesen Gedanken für sich. Wenn er nur die geringste Kritik äußerte, war Ms. Fairfax dazu imstande, die Limousine wenden zu lassen und wieder in ihr Luxusapartment zurückzukehren, um sich noch mal umzuziehen.
Eine geschlagene Stunde hatte er auf sie warten müssen, jetzt waren sie spät dran.
»Sie sollen doch Beverly zu mir sagen.« Ms. Fairfax hob tadelnd ihren behandschuhten Zeigefinger.
»Natürlich, Beverly«, erwiderte Sam, und sie hakte sich bei ihm unter.
»Meine Freundinnen werden mich um sie beneiden. Sie sehen wunderbar in Ihrem Smoking aus. Ach, ich kann es gar nicht erwarten … Ich habe eine Überraschung.«
»Überraschung?«, fragte Sam vorsichtig.
»Ja, eine Überraschung«, gab Beverly resolut zurück und grinste wie die Katze aus Alice im Wunderland.
»Ich bin nicht so der Typ für Überraschungen.« Irgendwie wurde die Fliege um seinen Hals ziemlich eng, und Sam war versucht, daran zu ziehen.
»Keine Sorge, es ist nichts Schlimmes.« Beverly tätschelte seinen Schenkel. »So fest. Trainieren Sie?«, fragte sie geradeheraus.
»Ich jogge«, erwiderte Sam.
»Das spürt man. Männer, die joggen, haben Ausdauer. Mein zweiter Mann joggte regelmäßig und im Schlafzimmer …« Jetzt zwinkerte sie ihm zu.
Das Gespräch nahm eine unangenehme Wendung, und Sam räusperte sich. Er sah aus dem Fenster. Wann zur Hölle waren sie endlich da?
Maddie betrat neben Karen den Ballsaal. Gegenüber war eine Bühne, auf der ein kleines Orchester spielte. Runde, edel gedeckte Tische, deren Mittelpunkt gigantische Blumenarrangements bildeten, umrahmten die Tanzfläche. Alles war in Weiß gehalten. Menschen saßen bereits an den Tischen, andere standen in Gruppen dazwischen und unterhielten sich. Nobel gekleidetes Bedienpersonal trug kleine Tabletts mit Häppchen oder, den Gläsern nach zu urteilen, Champagner.
»Sag mal, ist das Motto Winter?«, fragte Karen. »Die Dekoration ist so weiß, dass ich Lust auf warmen Punsch bekomme – und das im Spätsommer.«
»Zumindest gab es kein Farbenmotto für die Kleidung«, stellte Maddie fest, als sie die anderen Frauen in ihren edlen Outfits betrachtete.
»Männer haben es da leicht. Ein Smoking und fertig«, meinte Karen trocken. »Dann lass uns mal etwas herumlaufen.« Sie packte Maddies Arm und zog sie mit sich. Neben indirekten Lichtern erhellten riesige Kristallleuchter den Saal. Die umgebenden Säulen würde Maddie dem Art déco zuordnen, so auch die stuckverzierte Decke. Auf der einen Seite waren kleine Logen wie in einem Opernhaus zu sehen und gegenüber mehrere gläserne Flügeltüren, durch die weitere Gäste in den Saal strömten. Kameraleute hatten sich in den Logen positioniert. Geraffte Vorhänge – wie im Theater! – an den Logen und Torbögen vervollständigten den edlen Look. Ein Kellner kam vorbei, und Karen schnappte sich zwei Gläser von seinem Tablett. Eines reichte sie Maddie. Um sie herum war Dauergemurmel zu hören, Gläser klirrten, Menschen lachten.
»Siehst du Sam Harris irgendwo?«, fragte Karen und nippte an ihrem Glas.
Maddie drehte sich um die eigene Achse, doch sie konnte Harris nirgends entdecken. Sie hatte ihn natürlich gegoogelt und wusste daher, wie er aussah. Zu ihrem Verdruss hatte Karen recht behalten, und es war im Netz nur wenig über ihn zu finden gewesen. Ein paar Berichte über die Organisation, die er zusammen mit einer Natalie Mitchell leitete, oder über Spendengalas wie diese, die im Zusammenhang mit besagter Organisation standen. Vereinzelt hatte sie auch etwas über den Mord an seiner Frau aus den Tiefen des World Wide Web hervorgeholt. »Nein, von Harris fehlt jegliche Spur«, sagte Maddie, als sie wieder zu Karen sah. Sie nahm einen kräftigen Schluck. Wie erwartet war es Champagner, der prickelnd ihre Kehle hinunterrann.
»Sieh dir das an!« Karen blickte an Maddie vorbei zum Eingang. Die wandte sich um und bekam das Bedürfnis, ihr Glas in einem Zug zu leeren. Harris betrat mit einer weiß gekleideten Dame den Saal, die Maddie um die fünfzig schätzte.
»Das neben Harris ist Beverly Fairfax. Sie hat enorm viel Geld geerbt«, raunte ihr Karen zu.
Ja klar, Fairfax … Der Name war Klatschspalten-Material. Maddie schenkte Harris ihre Aufmerksamkeit. Karen hatte nicht übertrieben, der Mann sah fabelhaft aus, und seine eisblauen Augen sorgten dafür, dass sich ihre feinen Nackenhärchen aufstellten. Sein Blick schweifte durch den Ballsaal, während seine Begleiterin von allen Seiten begrüßt wurde.
»Ist der nicht ein Träumchen?«, fragte Karen und stieß ihr leicht mit dem Ellenbogen in die Seite.
In diesem Moment traf Harris’ Blick auf ihren. Maddie hatte das Gefühl, kleine Stromstöße liefen durch ihren Körper und ihr Herz flatterte in der Brust herum. Unendliche Sekunden verschmolzen ihre Blicke miteinander, doch dann nahm Beverly Fairfax ihn wieder in Beschlag.
Lächelnd wandte er sich ihr zu, während Maddie wirklich das Glas in einem Zug leerte, um ihre plötzlich ausgedörrte Kehle zu befeuchten.
»Jetzt entschuldigt mich, meine Lieben.« Beverly wandte sich von ihren Freundinnen ab und Sam zu, um sich bei ihm unterzuhaken. Die Pelzstola hatte sie bei der Garderobiere gelassen, nun funkelten das Collier und die Ohrringe mit den Kristallkronleuchtern um die Wette.
»Begleiten Sie mich zur Bühne«, forderte Sie ihn auf, und er schritt mit ihr an den Tischen vorbei. »Erst hatte ich mir überlegt, ein Menü mit mehreren Gängen servieren zu lassen, doch dann fand ich Horsd’œuvre besser. Da muss man sich nicht ewig eine Sitzordnung überlegen. Jeder soll dort sitzen, wo er möchte. Sehr progressiv, ich weiß.« Beverly lachte, dann redete sie weiter, doch Sam hörte ihr nicht mehr zu, sondern sein Blick durchsuchte den Raum nach der rothaarigen Frau im smaragdgrünen Kleid, deren Iriden nahezu dieselbe Farbe besaßen. Als er in diese Augen gesehen hatte, hatte er das Gefühl gehabt, darin zu versinken. Seit Amy hatte ihn keine Frau mehr derartig fasziniert. Da war etwas in ihrem Blick gewesen, eine Melancholie, die sein Herz berührte. Als würde sie seinen Schmerz verstehen. Verdammt, wie konnte er solche Gedanken haben? Sein Herz gehörte nur Amy. Schon für eine andere Frau auch nur das winzigste Interesse zu zeigen fühlte sich an, als wollte er sie betrügen. Am liebsten hätte er die Ringe unter seinem Hemd hervorgeholt. Aber er hielt sich zurück, der zugeknöpfte Kragen und die eng gebundene Fliege würden das auch nicht zulassen. Auf dem Weg zur Bühne begrüßte Beverly immer wieder Gäste. Kameras, die in den balkonartigen Logen positioniert waren, verfolgte sie. Wie Sam das hasste, derartig im Mittelpunkt zu stehen. Seit dem Tod seiner Frau ging er Kameras und den dazugehörigen Journalisten aus dem Weg. Obwohl er alles getan hatte, um ihre Beerdigung, wie sie es sich gewünscht hatte, im Stillen stattfinden zu lassen, hatten sich ein paar dieser Schmeißfliegen auf dem Friedhof eingeschlichen und heimlich Fotos von der Trauerzeremonie gemacht. Es hatte ihn einiges an Nerven und Geld gekostet, die Veröffentlichung der Bilder zu verhindern. Zu seinem Verdruss war ihm dies dennoch nicht ganz gelungen. Nur seinetwegen hatten sich die Medien überhaupt für Amys gewaltsamen Tod und die Beerdigung interessiert. Weil er aus einer einflussreichen Familie stammte. Dass er ebendieser Familie den Rücken gekehrt hatte, war für diese Parasiten nicht von Belang gewesen.
Mit versteinerter Miene schritt er an den Kameras vorbei, bemühte sich, diese zu ignorieren. Morgen würden sich die Schlagzeilen mit Sicherheit überbieten und ihm eine Liaison mit Beverly Fairfax andichten. Aber dies nahm er für Amys Organisation in Kauf. Die Spenden der Anwesenden würden einigen der Ärmsten helfen – nämlich Frauen in schwierigen Lebenssituationen. Nur das zählte. Endlich erreichten sie die Bühne. Sam hielt zuvorkommend Beverlys Hand, als sie den langen Rock des schmal geschnittenen Kleides etwas raffte und die drei Stufen hochstieg. Er zog es vor, unten zu bleiben. Die Band hatte zu spielen aufgehört, und ein kleines Stehpult war in der Mitte der Bühne aufgestellt worden, an das sich Beverly nun begab. Die Sängerin der Band reichte ihr ein Mikrofon.
»Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte Sie heute Abend zu unserer Spendengala ganz herzlich begrüßen«, begann Beverly sehr geübt. Man merkte ihr an, dass sie schon öfter solche Reden gehalten hatte. »Wer mich noch nicht kennt: Ich bin Beverly Fairfax und für die Organisation der Gala verantwortlich. Ich hoffe, Sie haben heute Abend viel Spaß und öffnen weit Ihre Geldbörsen. Falls Sie heute noch Geld darin haben sollten, wenn sie die Veranstaltung verlassen, habe ich etwas falsch gemacht …« Beverly wartete das Gelächter ab. »Für die Damen habe ich etwas ganz Besonderes. Eine Junggesellen-Versteigerung. Jede Organisation, die wir unterstützen, hat uns dazu ihren begehrtesten Junggesellen zur Verfügung gestellt. Wenn sie einen unserer Junggesellen ersteigern, wird dieser einen unvergesslichen Tag mit Ihnen verbringen, meine Damen.« Beverly machte eine Pause, ein Raunen ging durch die Menge, ihr Blick traf kurz auf Sams, und ihm schwante Böses. In Angels for Women war er der einzige Mann und Junggeselle. Hatte Natalie davon gewusst, zur Hölle? Oh, dafür würde er diese Verräterin büßen lassen.
»Lassen Sie uns beginnen, meine Damen. Heute gibt es so einige Junggesellen an die Frau zu bringen. Leider darf ich mich daran nicht beteiligen.« Beverly lachte und blickte auf ihr Pult. Wahrscheinlich lag dort ein Spickzettel. Jemand reichte ihr einen kleinen Holzhammer. »Als Erstes hätten wir da Doktor Alejandro Garcia, seines Zeichens plastischer Chirurg, der ehrenamtlich für die Organisation Ärzte für Nicaragua arbeitet. Alejandro, kommen Sie zu uns.«
Ein Mann mit südländischen Wurzeln erhob sich von einem der Tische und schritt unter Beifall in Richtung Bühne. Das war der richtige Zeitpunkt für Sam, sich etwas zurückzuziehen.
»Haben Sie auch Rotwein?«, fragte Karen einen Kellner, der gerade vorbeilief.
»Natürlich, Madam, wir haben …«
»Überraschen Sie mich. Er sollte nur trocken sein«, sagte Karen vergnügt, und der Kellner verließ sie mit einem »Jawohl, Madam«.
»Eine Junggesellenversteigerung, wie einfallsreich«, meinte Karen zu Maddie, die in Richtung Bühne blickte und dabei zusah, wie Beverly Fairfax den Doktor an die Frau brachte. »Vielleicht mache ich da mit. Du solltest auf jeden Fall dabei sein.«
»Die Gebote fangen bei tausend Dollar an. So eine dicke Geldbörse habe ich nicht«, erwiderte Maddie, ohne sie anzusehen. Wo war denn Harris, der stand doch eben noch neben der Bühne? Ob auch er heute versteigert werden würde?
»Oh, danke. Das ging aber schnell«, sagte Karen neben ihr und nahm den bestellten Wein entgegen. Sie nippte dran. »Gutes Zeug. Das geht so was von direkt in den Kopf. Du solltest dir auch einen ordern, dann wirst du lockerer«, meinte Karen.
»Falls du es vergessen hast, wir sind zum Arbeiten hier«, erinnerte Maddie sie.
»Ja, Spielverderberin. Aber apropos arbeiten. Da drüben ist Brandon Miller, seines Zeichens einer der besten freischaffenden Fotografen der Branche. Ich werde ihm mal Hallo sagen und ihn fragen, ob er uns zuerst einen Blick auf die Fotos von der Veranstaltung werfen lassen könnte. Damit wir uns die besten sichern. Die würden sich in deinem Artikel bestimmt gut machen.« Schon war Karen auf dem Weg, und Maddie blieb allein zurück. Wieder blickte sie zur Bühne, doch Harris war nicht zurückgekommen, als sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung zwischen den Säulen wahrnahm. Dort stand er, etwas verdeckt von einem Vorhang. Die Chance, erste Tuchfühlung mit ihm aufzunehmen. Sie schlängelte sich an Menschen und Tischen vorbei, dann erreichte sie ihn. Durch die gläsernen Flügeltüren hinter ihnen konnte man ins marmorne Foyer sehen.
»Na, verstecken Sie sich?«, fragte sie herausfordernd, und ein Lächeln huschte über seine Lippen, das ihm ausgesprochen gut stand. Aus der Nähe betrachtet leuchteten seine eisblauen Augen noch heller. Sein intensiver Blick ließ Maddie heiß-kalte Schauer den Rücken hinunterlaufen.
»Erwischt«, sagte er, während sich auf seinen Lippen wieder dieses knabenhafte Lächeln ausbreitete. In Maddies Magen flog eine Staffel Schmetterling Saltos, als wäre sie ein Teenager, der gerade vom beliebtesten Jungen der Highschool zum Abschlussball eingeladen wurde. Fast hätte sie gekichert. Mutierte sie gerade zu ihrem fünfzehnjährigen Ich? Oh Mann, war das unprofessionell.
»Und, sollen Sie heute auch noch versteigert werden und verstecken sich deshalb?«, wollte Maddie wissen. Sie deutete mit dem Kopf in Richtung Bühne, auf der gerade ein Tech-Milliardär, der unzählige Wohltätigkeitsorganisationen unterstützte, angepriesen wurde. Er versprach der Gewinnerin einen unvergesslichen Tag. Die Kameras der Fotografen und Filmleute glühten förmlich.
»Ich fürchte, ja«, erwiderte ihr Gegenüber.
»Dann arbeiten Sie für eine Organisation?«
»Angels for Women«, meinte Harris. »Wir kümmern uns um Frauen, denen das Leben übel mitgespielt hat«, fügte er hinzu.
»Von der Organisation habe ich schon gehört. Sie leisten großartige Arbeit. Doch sie ist leider nicht so im Fokus der Öffentlichkeit wie die Großen. Die Presse, die sie hier erhalten, wird bestimmt sehr helfen, sie bekannter zu machen.« Maddies Blick ging kurz zu den Presseleuten in den Logen gegenüber, und Harris verzog den Mund.
»Ja, dafür sind diese Parasiten ganz nützlich. Normalerweise gehe ich diesen Schmeißfliegen, so gut es geht, aus dem Weg«, meinte er verbittert. Sein Gesicht verfinsterte sich, die hellen Augen funkelten voller Zorn.
Maddie hatte Mühe, ihr Lächeln aufrechtzuerhalten.
»Sie sind aber nicht sehr gut auf die Medien zu sprechen«, stellte sie fest.
»Es sind Blutsauger, die den Schmerz anderer ausschlachten, um damit Profit zu machen«, erwiderte er gepresst.
»Das tut mir leid, dass sie offenbar so schlechte Erfahrungen gemacht haben«, sagte Maddie, und Harris̓ Gesichtsausdruck wurde wieder weicher.
»Es hat ja nichts mit Ihnen zu tun. Mir ist dieses aufdringliche Volk nur zuwider. Meine Partnerin Natalie schlägt sich normalerweise mit der Presse herum«, erklärte er.
»Was genau ist in der Organisation Ihre Aufgabe? Jedenfalls nicht die Pressearbeit, so viel habe ich verstanden.« Maddie lächelte, und er erwiderte es. Ihr Verstand arbeitete auf Hochtouren. Okay, wenn sie ihm sagte, wer sie wirklich war und dass sie über ihn eine Reportage machen wollten, dann war sie bei ihm mit Sicherheit unten durch. Sie musste das anders angehen.
»Ich bin Anwalt, helfe zum Beispiel Prostituierten oder weiblichen Obdachlosen bei Sorgerechtssachen, wenn ihnen Gewalt angetan wurde, sie wegen minderschwerer Delikte verhaftet wurden, solche Dinge. Meist können sie sich keinen Anwalt leisten. Das Rechtssystem meint es oft nicht gut mit solchen Frauen.«
»Das hört sich nobel an.« Maddie kam sich etwas schäbig vor, weil sie einen der Guten belog.
»Es ist nicht so nobel, wie es sich anhört. Ich tue das aus sehr egoistischen Gründen.« Harris’ Iriden wurden dunkler.
»Ich kann da keinen Egoismus erkennen.«
»Zum großen Teil tue ich das, um meine Frau irgendwie weiter am Leben zu erhalten, denn die Organisation war ihr wichtig.«
»Was ist mit Ihrer Frau?«, hakte Maddie nach, obwohl sie die Antwort bereits kannte – und kam sich noch schäbiger vor.
»Sie wurde ermordet.« Harris senkte seufzend den Kopf, ein paar dunkelblonde Strähnen rutschten ihm ins Gesicht. »Ich weiß gar nicht, warum ich Ihnen das erzähle. Sie sind eine Fremde für mich. Normalerweise rede ich nicht über Amy und schon auf gar keinen Fall mit Fremden.«
»Das mit Ihrer Frau tut mir leid. Ich habe auch jemanden verloren. Einen guten Freund«, brach es auch Maddie heraus. Joey fehlte ihr sehr.
Harris sah zur Bühne. Es wurde ein weiterer Arzt versteigert. »Es wird wohl nicht mehr lange dauern, bis ich an der Reihe bin.« Harris sah sehr unglücklich aus.
»Ich könnte Sie ersteigern.« Maddie biss sich auf die Lippen. Warum hatte sie das gesagt?
»Was würden Sie mit mir machen, wenn Sie den Zuschlag bekämen?«, fragte er herausfordernd. Jetzt lächelte er wieder, und Maddie freute sich darüber, dass sie ihn aufmuntern konnte.
»Ich hoffe sehr, Sie bringen handwerkliche Fähigkeit mit. Ich habe da nämlich ein verstopftes Abflussrohr«, erwiderte sie keck, und er lachte.
Sie mochte sein Lachen.
»Ich bin mir nicht sicher, ob Ihr Abfluss dann noch funktionieren würde, wenn ich mich damit befasst habe.«
»Tja, Mr. …«
»Nennen Sie mich Sam.«
»Also, Sam, was könnte ich dann mit Ihnen anstellen?« Maddie tippte sich nachdenklich mit dem Zeigefinger an die Unterlippe. »Ein attraktiver Mann muss alles machen, was ich will, mmmh …«
»Sie missverstehen da etwas. Ich werde nicht Ihr Leibeigener, wenn Sie mich ersteigern, Ms. …«
»Maddie, ich heiße Maddie. Das werden Sie nicht? Wie schade.« Maddie lachte.
»Sam, wo sind Sie? Kommen Sie auf die Bühne«, rief Beverly Fairfax ins Mikrofon.
»Jetzt ist es wohl so weit. Ich warte darauf, dass Sie meine Superheldin sind und mich retten.« Er grinste.
»Mein Cape ist leider in der Reinigung.« Maddie erwiderte sein Lächeln. Mit einem Seufzer folgte er Ms. Fairfax’ Aufforderung und verschwand in Richtung Bühne.
Maddie kehrte zu Karen zurück.
»Wo warst du? Du hast jede Menge Junggesellen verpasst, wie diesen Bauunternehmer, der auf eigene Kosten Häuser für sozial schwache Familien baut. Ach, bevor ich es vergesse. Die Fotos habe ich klargemacht. Jetzt fehlt noch dein Artikel.«
»Wir haben ein Problem, Sam Harris hasst die Presse. Ich glaube nicht, dass er für ein Interview bereitstehen würde«, informierte Maddie sie.
»Bist du sicher?«
»Absolut sicher.«
»Dann ersteigere ihn einfach. Wenn du einen ganzen Tag mit ihm verbringst, kannst du ihn vielleicht von dir überzeugen und umstimmen.«
»Wir beginnen, mit tausend Dollar«, sagte Ms. Fairfax, nachdem sie Sam vorgestellt hatte.
»Karen, ich habe keine tausend Dollar, zum Teufel«, fuhr Maddie ihr Gegenüber an.
»Ich mach das schon.«
»Die Dame im cremefarbenen Kleid bietet tausend Dollar.«
»Wer bietet zweitausend?« Fairfax’ Blick schweifte über den Saal, in diesem Moment packte Karen Maddies Arm und sorgte dafür, dass sie ihn hob.
»Die Dame im grünen Paillettenkleid erhöht auf zweitausend.« »Verdammt, Karen, was machst du da?«, zischte Maddie.
»Höre ich dreitausend Dollar? Die Dame hier vorn im schwarzen Outfit bietet dreitausend Dollar. Aber da geht noch mehr. Sehen Sie sich dieses Prachtstück von Mann nur an. Wer bietet viertausend Dollar?« Wieder zwang Karen Maddie dazu, ihren Arm zu heben.
»Viertausend Dollar? Dein Ernst?«, flüsterte die entgeistert.
»Wir sind bei fünftausend. Wem ist ein Tag mit Sam Harris, Anwalt bei Angels for Women, fünftausend Dollar wert?« Es folgte eine dramatische Pause, in der Ms. Fairfax auf das nächste Gebot wartete. »Die Dame im cremefarbenen Kleid«, stellte sie sichtlich zufrieden fest.
»Moment mal, die Frau, die gerade geboten hat, war doch vorhin bei der Fairfax gestanden. Ich glaube, die bietet für die Auktionatorin mit.« Karen trank einen Schluck Rotwein.
»Wenn dem so ist, haben wir keine Chance. Fairfax strotzt nur so vor Geld«, erwiderte Maddie.
»Biete weiter, ich werde mich darum kümmern«, sagte Karen und zwängte sich zwischen den Leuten hindurch.
»Höre ich sechstausend?«, fragte Ms. Fairfax.
Maddie hob hastig die Hand. Obwohl ihr angesichts der Summe ganz schlecht wurde.
»Siebentausend?«
Die Frau im cremefarbenen Kleid reckte die Hand in die Höhe, sonst bot keine weitere mehr mit. Dann erreichte Karen Maddies Konkurrentin. Wie zufällig stieß sie gegen sie, worauf der Wein überschwappte und auf dem Kleid landete. Auch wenn Maddie nicht verstehen konnte, was sie sagte, sah sie an den Gesten, dass sie sich überschwänglich entschuldigte. Dann zog sie die Frau in Richtung der Toiletten, obwohl die sich sträubte.
»Bietet jemand achttausend?«, wollte Ms. Fairfax wissen, während sie ihrer mutmaßlichen Komplizin hinterhersah.
Maddie hob die Hand in die Höhe.
»Neuntausend?« Fairfax sah sehnsüchtig in Richtung der Toiletten, doch ihre Komplizin blieb verschwunden.
»Achttausend Dollar zum Ersten.« Ms. Fairfax machte eine Pause, es kam kein weiteres Gebot. »Zum Zweiten.« Wieder verharrte sie, und Maddie hielt die Luft an. Sie war sich nicht sicher, ob sie dafür beten sollte, dass noch ein Gebot kam oder nicht. »Zum Dritten. Der Zuschlag geht an die Dame im grünen Kleid«, sagte sie mit missmutigem Blick und donnerte den Hammer auf das Pult.
Maddie schluckte. Woher zur Hölle sollte sie achttausend Dollar nehmen? Die Leute klatschten, und sie lächelte gequält.
»Du hast ihn gewonnen – herzlichen Glückwunsch«, meinte Karen, die gerade eben zurückkam.
»Ja, jetzt muss ich ein Organ verkaufen, um meine Rechnung begleichen zu können«, erwiderte Maddie sarkastisch.
»Nein, ich mach das. Ich werde zahlen und mir das Geld irgendwie als Spesen vom Magazin zurückholen.«
»Na, da wünsche ich dir viel Glück, da ja eigentlich Sparen angesagt ist, wie du mir heute eröffnet hast. Schon vergessen?«, sagte Maddie trocken.
»Zudem werde ich für die Reinigung des Kleides aufkommen müssen. Aber was nimmt man nicht alles für eine gute Story in Kauf. Zum Glück habe ich meine Kreditkarte dabei.« Karen hob grinsend ihre Clutch in die Höhe.
»Wir sind nun am Ende unserer Versteigerung angekommen. Jetzt wünsche ich Ihnen allen noch viel Spaß und gebe die Bühne für die Band frei.« Damit verließ Fairfax ihren Platz, und von Helfern wurde das Pult weggeschafft. Die Frontfrau, die im Stil einer Sängerin aus den Dreißigerjahren gekleidet war, trat mit ihrem Mikrofon nach vorn und hauchte mit samtener Stimme einen langsamen Blues hinein. Was die Menschen zum Tanzen brachte.
»Ich werde mal unsere Rechnung begleichen«, meinte Karen und zwängte sich zwischen zwei Damen hindurch.
Sam begleitete Beverly zu einem Tisch. »Tut mir leid, dass Sie mit der Versteigerung so überfahren wurden. Aber Natalie meinte, dass ich Sie damit überraschen sollte«, sagte sie, und Sam konnte sich vorstellen, warum. Denn Natalie hatte ganz genau gewusst, dass er einem solchen Zirkus aus dem Weg gegangen wäre. Das erklärte auch, warum sie so vehement darauf bestanden hatte, dass er die Organisation hier vertreten sollte. Auf der anderen Seite wäre er dann nicht von Maddie ersteigert worden. Er entdeckte sie. Sie stand allein am Rande der Tanzfläche. Irgendwie gefiel es ihm, dass er einen Tag mit ihr verbringen sollte.
»Falls Sie da nicht mitmachen möchten, werde ich die achttausend Dollar übernehmen, die für Ihre Organisation zusammengekommen sind, und der Bieterin absagen …«
»Nein, ich werde mit der Gewinnerin einen Tag verbringen. Achttausend Dollar ist eine sehr großzügige Spende, da sollte ich mich dankbar zeigen.« Sam zog einen Stuhl zurück, und Beverley nahm darauf Platz. »Bitte entschuldigen Sie mich«, sagte er und machte sich auf den Weg zur Maddie.
»Nun, nachdem Sie mich ersteigert haben, sollten wir uns etwas besser kennenlernen. Möchten Sie tanzen?«, fragte er. Überrascht wandte sie sich Sam zu, doch dann breitete sich ein entzückendes Lächeln auf ihren Lippen aus.
»Gern«, erwiderte sie, und er führte sie in die Mitte der Tanzfläche und nahm ihre Hand in seine. Auch wenn er es sich nicht eingestehen wollte, es fühlte sich gut an, sie zu spüren.
Sie wiegten sich im Takt eines langsamen Walzers.
»Wissen Sie nun, was Sie mit mir anstellen wollen?«, hakte er nach.
»Ist es nicht im Preis inbegriffen, dass Sie sich etwas einfallen lassen?«, stellte Maddie die Gegenfrage.
»Sie sollten mir schon einen Hinweis auf Ihre Vorlieben geben. Stellen Sie sich vor, ich führe Sie in ein Fischrestaurant aus und Sie hassen Fisch.«
»In ein Restaurant gehen, mehr fällt Ihnen bei achttausend Dollar nicht ein?« Maddie lachte.
»In ein sehr nobles Restaurant«, erwiderte Sam amüsiert.
»So eines mit winzigen Portionen, die auf einen Kaffeelöffel passen, und unendlich vielen Gängen, die einen letzten Endes nicht satt machen?« Sie hob die Brauen.
»So in der Art«, bestätigte Sam.
»Da ziehe ich jeden Hotdog-Stand am Central Park vor.«
»Wie erfrischend. Eine wohlhabende Frau, die gern Hotdogs isst«, stellte Sam fest. Das gefiel ihm. Was ihm jedoch nicht gefiel, war der dunkle Schatten, der für einen Wimpernschlag über ihr Gesicht huschte. Hatte er etwas Falsches gesagt? »Ist alles in Ordnung?«, fragte er irritiert.
»Alles bestens.« Jetzt lächelte Maddie wieder. Doch dieses Lächeln wirkte irgendwie gequält.
»Ich hoffe, ich bin Ihnen nicht auf die Füße getreten«, meinte er.
»Nein, Sie sind ein hervorragender Tänzer. Das hätte ich einem Anwalt gar nicht zugetraut. Eine Frage beschäftigt mich schon eine Weile. Sie erzählten mir vorhin, was genau Ihre Aufgabe bei der Organisation ist. Aber sind Sorgerechtsstreitigkeiten und Strafrecht nicht unterschiedliche Gebiete? Die meisten Anwälte spezialisieren sich doch auf eines.«
»Nun ja, da wir nur zwei Anwälte sind, müssen wir in dieser Hinsicht flexibel sein. Da kann man sich nicht groß spezialisieren«, erklärte Sam. Dass Maddie sich für seine Arbeit interessierte, war sehr erfrischend, und sie schien auch Köpfchen zu haben.
»Ich verstehe. Da haben Sie den Anwälten in den großen Kanzleien mit Sicherheit so einiges voraus.«
»Nur nicht den Verdienst. Aber Geld ist nicht alles. Menschen aus schwierigen Situationen heraushelfen zu können, befriedigt einen viel mehr als ein dickes Bankkonto, glauben Sie mir.«
Sams Blick verfing sie mit Maddies. Eigentlich war es unüblich, dass er von sich so viel preisgab. Doch wenn er in ihre Augen sah, hatte er das Gefühl, dass sie ihn verstand. Normalerweise warfen ihm reiche Leute seinen Idealismus vor, allen voran sein Vater. Sie aber nicht.
»Ich glaube, ich weiß jetzt, was ich mit Ihnen anstelle«, sagte er.
»Wirklich, geben Sie mir einen Tipp.«
»Nein, das wird eine Überraschung.«
»Nur einen winzigen Tipp«, bettelte sie, und er lachte.
»Nein.«
»Sie sind gemein.«
Okay, eines kann ich sagen. Wir gehen in kein Nobelrestaurant.«
Maddie spürte Sams Hand auf ihren Hüften, während sie sich zu dem Song