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Mikroabenteuer für alle Jahreszeiten und Wetterlagen – manchmal liegt das Glück gleich vor der Haustür Es muss nicht immer die Sonne scheinen, bevor wir uns vor die Tür wagen. Warum nicht dann aufbrechen, wenn die Blätter fallen, es nieselt oder uns der Wind um die Ohren bläst? Christo Foerster hat die Mikroabenteuer nach Deutschland gebracht. Spannend und unterhaltsam zeigt er, warum es sich lohnt, das ganze Jahr hindurch nach tollen Erlebnissen vor der Haustür zu suchen. Er zeigt uns, in welchen Wäldern der Indian Summer bei uns zu erleben ist, gibt Tipps zu Frühlingspfaden, ermutigt zu Mittsommernächten, Vollmondwanderungen und Winterschwimmen, paddelt selbst mit seinem SUP nach Helgoland und verrät, was wir vom Volk der Samen lernen können. Eine mitreißende Offensive gegen alle faulen Ausreden, nicht rauszumüssen und ein leidenschaftliches Plädoyer für ein zeitgemäßes, umweltbewusstes Reisen. Mit zahlreichen Ausrüstungstipps und Infografiken zu heimischen Blätterformen, Tierspuren und Pilzarten. »Mikroabenteuer leben von unseren Ideen. Dabei geht es vor allem darum, Dinge anders zu machen, als wir sie bislang getan haben. Oder Dinge wieder zu tun, die wir lange nicht getan haben. Denn auch das sollten wir uns erlauben: uns die guten Gefühle von ›damals‹ zurückzuholen und sie neu aufzuladen – und seien es so banal und sinnfrei erscheinende Handlungen wie das Pfützenplanschen, das Versteckbauen, das Herumstromern ohne konkretes Ziel, immer offen für die nächste Zerstreuung.« »Foersters Gedanken sind lesens-, lebens- und bedenkenswert!« abenteuer und reisen »Das Buch ist ansteckend geschrieben, sprüht vor Ideen und weckt die Sehnsucht.« Badische Zeitung »Motivationsexperte und Mikroabenteuer-Philosoph Christo Foerster zeigt: Man muss kein Himalaya-Trekking buchen, um etwas zu erleben – die besten Abenteuer lauern oft direkt vor der Haustür.« bild.de
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Seitenzahl: 166
Originalausgabe by Christo Foerster 2021 by HarperCollins in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg Covergestaltung von Zero Werbeagentur, München Covergabbildung von Christo Foerster Innengestaltung/Layout von Annalena Weber – Buchdesign, Hamburg E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN E-Book 9783749950140
www.harpercollins.de
Sonnenschein ist köstlich, Regen erfrischend. Wind fordert uns heraus, Schnee berauscht uns. Im Grunde gibt es kein schlechtes Wetter, nur verschiedene Arten von gutem.
John Ruskin
Lebe jede Jahreszeit, wie sie kommt! Atme die Luft, trinke, schmecke die Früchte und überlasse dich dem Einfluss der Erde.
Henry David Thoreau
Wenn wir es nicht versuchen, haben wir es nicht verdient.
Ethan Hawke
Den Konjunktiv aus der Tür jagen
Manchmal braucht es nur einen Funken, damit das Feuer des Abenteuers wieder in uns zu lodern beginnt. Ich hatte gerade Into the Wild – In die Wildnis im Kino gesehen, diese meisterhafte Verfilmung des gleichnamigen Romans von Jon Krakauer, der die Geschichte des jungen Amerikaners Christopher McCandless erzählt. Vor meiner Haustür lag Schnee. Nicht ganz so viel und nicht ganz so schön wie in Alaska, wo McCandless’ Reise ihr Ende fand, aber immerhin. Ich verspürte auf einmal die unbändige Lust, mich der Kälte auszusetzen, den Winter zu spüren – und da war dieser Typ in Köln, der alte Gazelle-Rennräder aus Holland auf Ebay verkaufte. Kurzerhand fuhr ich hin. Mit der Bahn, ein Auto besaß ich nicht. Im Rucksack Zelt, Schlafsack, Isomatte. Wir wurden uns einig, und ich fuhr mit meinem neuen Oldtimer in dreieinhalb Tagen zurück nach Hamburg. Nachdem ich die erste Nacht irgendwo im Sauerland bei Minusgraden gezeltet hatte, war klar, dass meine Ausrüstung nicht ganz den Bedingungen entsprach. Ich hatte mir alle Kleidungsstücke angezogen, die ich dabeihatte, habe mir trotzdem den Hintern abgefroren, kaum geschlafen und war schon um fünf Uhr morgens weitergefahren. Die zweite Nacht verbrachte ich dann bei der Mutter meiner Mitbewohnerin in Paderborn, die dritte bei der Freundin eines Bekannten in Hannover. Dazwischen kämpfte ich mich mit den dünnen Reifen durch das, was auf den Straßen und Radwegen vom Schnee übrig war. In meinem Kopf lief Eddie Vedders Into the Wild Soundtrack in Dauerschleife. Ich kann es nicht anders sagen: Es war göttlich.
Im Rückblick bildete diese Tour vielleicht schon die Blaupause für das, was zehn Jahre später mein »Ur-Mikroabenteuer« werden sollte: eine spontane Radfahrt über Nacht von Hamburg nach Berlin, um dort zu frühstücken und mit dem nächsten Zug zurückzufahren. Auch diese Fahrt fand bei Temperaturen gegen 0 Grad statt, Anfang März.
Seitdem habe ich so viele Abenteuer vor der Haustür erlebt, dass ich die genaue Anzahl gar nicht parat habe (mal abgesehen davon, dass sie auch völlig unwichtig ist). Eins aber weiß ich: Immer dann, wenn nicht gerade »perfekte« Bedingungen mit wolkenlosen 23 Grad bei leichter Sommerbrise herrschten, waren diese Abenteuer außergewöhnlich intensiv.
© Christo Foerster
Mit diesem Buch möchte ich meine Begeisterung für das Aufbrechen, das Raus und machen zu jeder Jahreszeit teilen. Ich möchte Funken versprühen, die das Feuer des Abenteuers zum Lodern bringen – völlig egal, von welcher Seite sich das Wetter gerade zeigt. Denn genauso wenig, wie ein Abenteuer destinationsabhängig ist, so wenig ist es auch an eine »Saison« geknüpft. Ein Abenteuer ist und bleibt vor allem Einstellungssache. Wenn wir uns sagen (oder denken) hören, dass wir »eigentlich schon« Abenteurer sind, dass wir uns »eigentlich schon« als Draußenmenschen verstehen, dann sollten wir zusehen, dass wir das auch umsetzen. Nicht um vor anderen gut dazustehen, sondern um uns selbst respektvoll gegenüberzutreten und den Konjunktiv aus unserem Leben zu jagen.
Dieses Buch ist so aufgebaut, dass du es nicht chronologisch von Anfang bis Ende durchlesen musst, um es zu verstehen, sondern es jederzeit blind aufschlagen, losstöbern und aufbrechen kannst. Ich wünsche dir viel Freude damit. Wenn du Fragen dazu hast oder mir von deinen eigenen Erlebnissen berichten willst, erreichst du mich hier:
Mit abenteuerlichen Grüßen
© Jozef Kubica
Wie Mikroabenteuer unser Leben verändern
Draußen tanzen die fallenden Blätter im Wind, und wir sitzen hier, diesseits einer Scheibe, die bei genauer Betrachtung auch mal wieder geputzt werden müsste. Wir würden so gerne raus, mittanzen, wandern, paddeln, aufs Rad steigen – aber es passt gerade nicht. Zu viel zu tun. Ein paar Wochen später ist es verdammt ungemütlich, nasskalt. Tee und eine gute Serie, das ergibt jetzt einfach mehr Sinn, als sich durchfrieren zu lassen und sich eine Erkältung zu holen. Dann, wenn es langsam wieder grün wird und wärmer, finden wir niemanden, der mitwill. Kein Match im Kalender. Und ehe wir uns versehen, ist Sommer. Da klappt es hin und wieder mal, aber voll ist es. Wir sind schließlich nicht die einzigen, die was nachzuholen haben.
Auch wenn es (hoffentlich!) nicht jedes Jahr so läuft, kennen wir dieses Gefühl wahrscheinlich alle ganz gut: Wir würden gerne öfter vor die Tür, uns in der Natur verlieren, Abenteuer erleben. Aber es gelingt uns nur schwer, diesem Bedürfnis in aller Konsequenz zu folgen. Wir ahnen, dass da draußen einer der Schlüssel zu unserem Glück, zu mehr Zufriedenheit und Balance liegt, und spüren dennoch ständig den Klammergriff der Verpflichtungen. Ein bisschen mehr Freiheit, das wäre schön.
Ich kenne das, sehr gut sogar. Ich habe mir an diesem Knoten eine ganze Weile die Zähne ausgebissen. Am Ende brauchte es nur eine einzige Entscheidung, um ihn zu lösen. Es war ein bisschen so wie damals mit 16, als mir zum ersten Mal ein Optiker Brillengläser vor die Augen schob: eine Offenbarung. »Wahnsinn, wie scharf man damit sehen kann, selbst in der Entfernung!« Ich entwickelte eine neue Haltung, ein neues Verständnis von Abenteuer und bin heute in der Lage, rechtzeitig zu reagieren, wenn der Knoten sich doch mal wieder zuzieht (was durchaus passiert).
Denken ist wunderbar, aber noch wunderbarer ist das Erleben.
Oscar Wilde
Die Entscheidung, die ich traf, war keine weltbewegende, und dennoch hat sie meine Welt nachhaltig verändert. Ich entschied mich einfach nur, zu machen. Auf nichts zu warten, weder auf besseres Wetter oder mildere Temperaturen noch auf genügend Urlaubstage oder ein Wochenende ohne Verabredungen. Ich entschied mich, alle vermeintlichen »guten Gründe dagegen«, sprich Ausreden, beiseitezuschieben und aufzubrechen.
Genauso, wie ich es damals nach dem Kinobesuch gemacht hatte. Das war 2010. Verdammt! Ich holte mein Rad aus dem Keller und fuhr über Nacht von Hamburg nach Berlin, um am Brandenburger Tor zu frühstücken. 324 Kilometer, kein Plan, kein Schlaf. Das war bekloppt und genial zugleich – ich hatte die große Kraft der kleinen Abenteuer wiederentdeckt. Aber diesmal ging ich weiter: Ich manifestierte sie als Mikroabenteuer in meinem Alltag. Ich stellte mir selbst einige Regeln auf, die seither dafür sorgen, dass ich es mir in meiner Komfortzone nicht zu bequem einrichte:
Ein Mikroabenteuer dauert zwischen 8 und 72 Stunden (wobei vor allem die Obergrenze relevant ist).
Ich benutze dabei weder Auto noch Flugzeug, andere öffentliche Verkehrsmittel sind okay.
Ist eine Nacht dabei, verbringe ich sie draußen ohne Zelt.
Zusätzlich schrieb ich mir den Kodex leave no trace auf die Fahne – keinen Müll und so wenig Spuren wie irgend möglich hinterlassen. Ich war zwar ohnehin noch nie ein Naturrüpel gewesen, nahm mir aber vor, verstärkt auf meinen Fußabdruck zu achten.
Wenn du bereits eines meiner Bücher gelesen hast, meinen Podcast hörst oder mal auf einem Vortrag warst, wirst du diese »Regeln« schon einmal gehört haben. Und du wirst auch wissen, das ich bei jeder Gelegenheit betone: Diese »Regeln« sind zuallererst meine ganz persönlichen. Sie motivieren mich und dienen dazu, den Abenteuer-Aspekt im Mikroabenteuer hochzuhalten. Eine allgemeingültige Definition stellen sie nicht dar. Ich glaube zwar, dass diese »Regeln« für viele genau die richtige Herausforderung sind, aber wer mit dem Auto zu seinem persönlichen Mikroabenteuer aufbrechen will oder doch lieber in der Pension schläft, soll das gerne tun. Bei der Idee des Mikroabenteuers geht es vor allem um unsere Haltung, und die lässt sich in drei Worte fassen: Raus und machen!
Ich bin nicht der Held dieser Geschichte. Aber ich würde dir gerne ein bisschen was mitgeben, damit du die Aufgaben bestehst, die auf deiner ganz persönlichen Heldenreise auf dich warten.
Vor Kurzem bedankte sich ein junger Vater in einem Facebook-Post bei mir, dass ich mit der Idee der Mikroabenteuer sein Leben verändert hätte. Ich antwortete darauf, dass es mich sehr freue, das zu hören, jedoch eine kleine, aber wichtige Korrektur hätte: »Nicht ich habe dein Leben verändert, sondern du hast es getan.« Ich habe die Themenfelder Abenteuer, Veränderung und Motivation recht ausführlich beackert, ich habe mit Hunderten Menschen darüber gesprochen und stehe Journalisten Rede und Antwort dazu. Ja, ich kann etwas zu diesen Themen sagen. Aber alles, was zählt, ist, dass du öfter rauskommst.
Sieh dieses Buch als Inspiration, nicht als Gebrauchsanweisung. Kreiere deine eigenen Lösungen. Das ist die elementarste Voraussetzung für nachhaltige Veränderung: Verantwortung übernehmen. Abenteuer bedeutet Freiheit. Und Freiheit bedeutet immer auch Verantwortung. Sobald wir das verinnerlichen, wandeln sich die meisten Verpflichtungen, die wir haben, auf einmal in Erwartungen – ein feiner Unterschied. Wollen wir die Erwartungen erfüllen? Oder meinen wir nur, zu müssen? Herzlich willkommen an der Türschwelle!
Es gibt tausend Argumente dafür, den Schritt hinaus zu machen. Viele sind uns bewusst, auch in diesem Buch finden sich einige. Entscheidend ist aber, den Gegenargumenten den Finger zu zeigen und mal zu gucken, was passiert. Für meinen Podcast habe ich mit der jungen Österreicherin Bibi Moser gesprochen. Mitten im dunkelsten Burnout-Loch lieh sie sich ein Rennrad und fuhr los ans Meer, nach Kroatien. Zweieinhalb Tage später war sie da und ein neuer Mensch. »Ich will mir nicht vorstellen, wie es für mich ausgegangen wäre, wenn ich damals nicht einfach das Raus-und-machen-Motto beherzigt hätte«, erzählte sie mir.
Nun ist dieses Buch weder ein Fahrrad-Manifest (schon drei Fahrrad-Anekdoten auf den ersten Seiten!) noch ein therapeutischer Ratgeber, aber ich habe mittlerweile so viele Geschichten wie die von Bibi gehört, dass ich sagen kann: Die Wahrscheinlichkeit, da draußen Antworten zu finden, ist sehr hoch – selbst wenn wir überhaupt keine Frage gestellt haben.
Jede der vier Jahreszeiten bietet grandiose Möglichkeiten für Mikroabenteuer, jede hat ihre Besonderheiten. Dieses Buch ist ein Plädoyer dafür, auch dann rauszugehen, wenn die anderen es nicht tun. Sich in die Kälte, den Regen und den Nebel zu begeben, genauso, wie den Sommer zu feiern. Wider den Trott, into the wild.
Auf den folgenden Seiten geht es um den Grundansatz des Mikroabenteuers bzw. um die Ideenfindung. Später sehen wir uns an, wie sich die Natur im Jahresverlauf verändert, wann sich in welcher Region welche Touren anbieten und worauf wir im Frühling, Sommer, Herbst und Winter ganz besonders achten sollten. Kurz: Du wirst eine Menge Impulse bekommen, viel hilfreiches und sicher auch etwas unnützes Wissen mitnehmen können. Ich werde von meinen eigenen Abenteuern erzählen und Ideen skizzieren. Aber noch einmal: Es geht nicht um mich, sondern um dich. Deshalb wirst du zwischendurch auch immer wieder Möglichkeiten finden, deine eigenen Gedanken und Ideen zu notieren. Meine Erfahrung ist, dass das sehr helfen kann, aus dem Quark zu kommen – und zwar nicht in blindem Aktionismus, sondern von Anfang an selbstbestimmt. Ich muss mich selbst oft daran erinnern: »Jetzt setz dich hin, nimm dir Zeit und schreib die Gedanken auf, die dir kommen.« Aber immer wenn ich es getan habe, war ich danach dankbar dafür. Sieh die Notiz-Möglichkeiten als Angebot, das du selbstverständlich auch einfach überblättern kannst.
Selbst zu bestimmen, bedeutet auch, Risiken selbst abzuwägen. Sich nicht darauf zu verlassen, dass schon irgendwo eine Warnung auftauchen würde, wenn etwas gefährlich wäre. Das ist wichtig in Bezug auf die Ideen in diesem Buch. Ich bemühe mich zwar, mögliche Risiken zu beschreiben, kann aber unmöglich Garantien geben oder Haftungen für das Handeln anderer übernehmen.
Corona, Urlaub, Abenteuer
Ich habe dieses Buch in einer Jahreszeit geschrieben, die irgendwann sicher einmal als Corona-Sommer in die Geschichte eingehen wird. Es wird möglicherweise nicht der letzte gewesen sein, aber definitiv der erste, in dem das Virus einen erheblichen Einfluss auf unseren Alltag und auf unser Freizeitverhalten hatte sowie auf die Art und Weise, wie wir reisen. Vor der Haustür nach Abenteuern zu suchen, ist auf einmal schon deshalb relevant, weil das Reisen ins Ausland erheblichen Einschränkungen unterliegt. Vieles dürfen wir gerade nicht, anderes wollen wir nicht. Ich bin gespannt, ob dieser Fokus auf die nähere Umgebung auch dann Bestand haben wird, wenn die Ausnahmesituation des Jahres 2020 zur neuen Normalität geworden ist. Denn auch wenn aktuell viele darauf setzen, dass in naher Zukunft »alles wieder so ist, wie früher« – die Welt hat eine Delle bekommen, die bleiben wird. Wir werden lernen, mit dieser Schräglage zu leben. Und das Draußensein kann uns dabei helfen.
Das Coronavirus hat Europa im März 2020 überrumpelt. Dass wir es geschafft haben, im darauffolgenden Sommer zumindest mal kurz aufzuatmen, sprich seine Verbreitung halbwegs zu kontrollieren, liegt sicher auch daran, dass wir in dieser Zeit viel vor der Tür waren, uns draußen mit Freunden treffen konnten, uns an der frischen Luft bewegt haben und nicht in stickigen Studios. Wie sieht unser Leben im Herbst aus? Was passiert im Winter? Vielleicht sind wir schon schlauer, wenn dieses Buch erschienen ist. Ein simpler Weg, der Verbreitung des Coronavirus entgegenzuwirken, ist sicher, auch im Herbst und Winter mehr draußen zu sein. Ganz nebenbei wird das auch unser Immunsystem stärken.
Sei vorsichtig, wenn du dich auf die Suche nach Abenteuern machst. Sie sind lächerlich einfach zu finden.
William Least Heat-Moon
Entscheiden wir uns dafür, unabhängig von Jahreszeit und Wetter mehr Abenteuer zu erleben, kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu, der uns meist wenig bewusst, aber von unschätzbarem Wert ist: Echte Abenteuer führen uns immer in Situationen, die wir noch nicht kennen. Sie stellen uns vor Probleme, für die wir noch kein Lösungsmuster parat haben, das wir einfach abspulen können. Oder anders: Sie stärken unsere Fähigkeit, mit Veränderung klarzukommen. Mehr Abenteuer in unserem Alltag – und seien sie noch so klein – führen also zu einer verbesserten Kompetenz im Umgang mit Neuem. In einer Welt, die sich schneller verändert als je zuvor, ist diese Resilienz essenziell.
Wenn wir die Meta-Ebenen mal beiseiteschieben, bringt uns ein Mikroabenteuer vor allem eins: eine gute, eine freie Zeit. Damit zufrieden zu sein, ist mehr als legitim. Nur muss »eine gute Zeit« nicht das einzige Kriterium des Mikroabenteuers sein. Ich verstehe den Mikroabenteuer-Begriff etwas tiefer. Ein Mikroabenteuer ist für mich kein Urlaub vor der Haustür. Weil ein Abenteuer kein Urlaub ist.
Gerade seit Beginn der Coronapandemie mit allen Auswirkungen auf unser Reiseverhalten wird die Idee des Mikroabenteuers von Medien und Meinungsmachern aufgegriffen, die der DNA des Abenteuers keine besondere Bedeutung beimessen. Bei aller Begeisterung für die Wortschöpfung Mikroabenteuer vergessen viele, was das denn eigentlich ist, ein Abenteuer. Am Wochenende mit der Familie auf einen Kirchturm steigen, im Garten von Freunden Stockbrot über dem Lagerfeuer machen, mit dem Wohnmobil ein paar Tage ans Meer fahren – das ist alles toll, nur nicht das, was ein Mikroabenteuer meines Erachtens ausmacht. Selbst eine Rafting-Tour, ein Fallschirmsprung oder ein Besuch im Hochseilgarten sind für mich keine echten Abenteuer. Weil wir uns dabei auf andere verlassen – einen Guide, eine Organisation oder den TÜV. Und weil wir sie buchen. Wenn wir glauben, wir könnten uns ein Abenteuer kaufen, machen wir es uns zu einfach. Dann lieber weniger Thrill, dafür mehr Eigenverantwortung. Nicht hinterherdackeln, sondern selbst entdecken.
Abenteuer laufen selten glatt und problemlos, sonst wären sie keine Abenteuer. Sich ein Abenteuer zu wünschen, aber eine Garantie für einen bestimmten Ablauf oder Ausgang einzufordern, ist sonderbar. Unbequem kann es werden, und das ist für viele unattraktiv. Dabei liegt genau darin die Chance auf einzigartige, unvergessliche Momente und persönliches Wachstum.
Schönwetter-Ausflüge kann jeder. Es spricht auch nichts gegen sie, absolut gar nichts. Jeder Draußentag ist ein guter Tag. Aber dieses Buch ist kein Buch über Schönwetter-Ausflüge – es ist ein Buch über Mikroabenteuer. Ohne Ausreden, zu jeder Jahreszeit.
Pfützen, das Ijsselmeer und neue Perspektiven
Mikroabenteuer leben von unseren Ideen. Dabei geht es vor allem darum, Dinge anders zu machen, als wir sie bislang getan haben. Oder Dinge wieder zu tun, die wir lange nicht getan haben. Denn auch das sollten wir uns erlauben: Uns die guten Gefühle von »damals« zurückzuholen und sie neu aufzuladen – und seien es so banal und sinnfrei erscheinende Handlungen wie das Pfützenplanschen, das Versteckbauen, das Herumstromern ohne konkretes Ziel, immer offen für die nächste Zerstreuung.
Unser Bewegungsradius ist heute freilich größer als in unserer Kindheit. Dennoch möchte ich mich für ein Mikroabenteuer ja nur so weit weg begeben, dass ich in meinem Zeitfenster von 72 Stunden bleibe, von der Haustür aus und zurück, ohne Auto und Flugzeug. Deshalb habe ich einfach mal eine Karte genommen und einen Kreis mit einem Radius von 100 Kilometern um meinen Wohnort in Hamburg gezogen.
Ich war erstaunt, welche Ecken schon in diesem Umkreis lagen, die ich bislang gar nicht auf dem Zettel hatte. Dann zog ich einen weiteren Kreis mit einem Radius von 300 Kilometern. Schließlich ist das eine Distanz, die ich zum Beispiel mit dem Fahrrad in zwei bis drei Tagen zurücklegen könnte (auch ohne die Nächte durchzufahren). Mit noch größerem Erstaunen stellte ich fest, dass plötzlich nicht nur der Harz und alle Nordfriesischen Inseln dabei waren, sondern auch Kopenhagen, das deutsch-polnische Grenzgebiet und die Westküste des holländischen Ijsselmeers. Wie spannend war das denn? Ich hatte schon etliche Mikroabenteuer erlebt, war dabei aber fast immer im deutschsprachigen Raum unterwegs. Dann nahm ich mir spaßeshalber München als Endpunkt des Radius für einen nächsten Kreis. In München bin ich von Hamburg aus schließlich innerhalb von sechs Stunden mit der Bahn. Der Kreis, der sich nun ergab, war riesig! Er umfasste ganz Dänemark, Holland, Belgien und Luxemburg sowie Teile Nordfrankreichs und Südschwedens, er ragte tief nach Polen rein und kratzte sogar Norwegen.
Dass ich im Rahmen eines Mikroabenteuers wirklich an die Grenzen dieses dritten Kreises gehe oder fahre, ist bis heute die Ausnahme. Aber alle drei Kreise haben mir gezeigt, wie sehr wir doch oft mit Scheuklappen unterwegs sind und uns von unseren Mustern leiten lassen. Nimm dir eine Karte, am besten eine analoge, und ziehe Kreise um deinen Wohnort! Egal, wie groß der Radius ist, ob zehn oder 600 Kilometer: Du wirst sicher hier und da staunen und wie ich das Bedürfnis verspüren, sofort loszuziehen und zu entdecken.
Meine Mikroabenteuer basieren oft auf persönlichen Challenges. Ich nehme mir zum Beispiel vor, eine Strecke auf eine ganz bestimmte Art und Weise zurückzulegen, einen Weg von A nach B aufzutun oder in einem definierten Gebiet einen besonderen Schlafplatz zu finden. Eine Herausforderung kann natürlich auch darin bestehen, ziellos auf Entdeckungstour zu gehen. Das kann sogar schwieriger sein, als möglichst viele Kilometer zurückzulegen. Letztlich geht es mir vor allem darum, mir selbst in den Hintern zu treten, einen Anlass zu kreieren, der mich aufbrechen lässt.
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Sollte ich eines meiner Ziele dabei mal nicht erreichen, ist das nicht nur völlig egal (ich bin ja niemandem Rechenschaft schuldig), sondern ein willkommener Schwenk in der Geschichte dieses Vorhabens. Die Idee, mit dem Standup-Paddle-Board nach Helgoland zu fahren, etwa, habe ich zunächst einmal gehörig vor die Wand gesetzt. In meinem letzten Buch, dem Mikroabenteuer-Motivationsbuch, habe ich sie als Geschichte des Scheiterns erzählt. In diesem Buch beschreibe ich, was dieses Mikroabenteuer (das schon fast als Mikro-Expedition durchgehen könnte) noch für mich bereithielt, als ich beschloss, es erneut aufzugreifen (→ „Logbuch // Aufrecht ins Frühjahr //“). Selbstverständlich gehen Dinge schief. Nur sollte das kein Grund sein, nicht querzudenken, herumzuspinnen und erst einmal alles zuzulassen, was einem an Einfällen kommt.
© Map tiles by Stamen Design, under CC BY 3.0. Data by OpenStreetMap, under CC BY SA
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Wir sollten keine Angst vor dem Scheitern haben, sondern davor, in Dingen erfolgreich zu sein, die eigentlich gar nicht so wichtig sind.
Francis Chan