Millennium Kingdom: Der Bastard - Tonny Gulløv - E-Book

Millennium Kingdom: Der Bastard E-Book

Tonny Gulløv

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Beschreibung

Eine fiktive Geschichte, basierend auf historischen Fakten: Dänemarks blutiger Weg in ein tausendjähriges Königreich. Der dritte Teil von Tonny Gulløvs packender Wikinger-Saga.  Man schreibt das Jahr 955. Harald Blauzahns Bestreben, das Land der Dänen zu vereinen, schreitet rasant voran. Zeitgleich will Otto der Große jedoch seine widerspenstigen heidnischen Nachbarn im Norden bekehren – oder sie töten. Er schickt seine Armee nach Jütland. Jetzt liegt es an Ulv Palnatoki, Bogenschütze, Schwertkämpfer und mittlerweile Jarl von Gammelborg, Otto I. aufzuhalten. Harald schickt Ulv und seine Krieger mit fünfundzwanzig Drachenschiffen zur Befestigungsanlage Danewerk, um Håkon Jarl bei der Verteidigung Dänemarks zu unterstützen. Aber Ulv geht seinen eigenen Weg. Er schlägt die größte Seeschlacht, die die Dänen je gesehen haben. Und zwar auf seine eigene Art und Weise …  «Tonny Gulløv ist ein König des Wikinger-Romans! Die Reihe ‹Millennium Kingdom› ist bombastisch. Eine Wikinger-Saga, der man nicht entgehen kann!» (denglers-buchkritik.de)

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Seitenzahl: 682

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Tonny Gulløv

Millennium Kingdom: Der Bastard

Historischer Roman

 

 

Aus dem Dänischen von Justus Carl und Frank Zuber

 

Über dieses Buch

BLUT FORDERT BLUT.

 

Ulv Palnatoki, Herr von Gammelborg im Südosten Fünens, muss das Land der Dänen gegen Eindringlinge verteidigen! Harald Blauzahn verfolgt weiter sein Ziel, Dänemark zu vereinen. Aber aus dem Süden droht Otto der Große, König von Sachsen und Ostfranken, seine widerspenstigen Nachbarn zum Christentum zu bekehren – oder sie zu töten. Er befiehlt seine Armee nach Jütland. Ulv Palnatoki soll Otto den Roten aufhalten. Harald schickt ihn und seine Krieger mit fünfundzwanzig Drachenschiffen zur Befestigungsanlage Danewerk, um an der Seite von Håkon Jarl zu kämpfen.

Ulv stellt sich Ottos Übermacht entgegen. Auf seine eigene Art. Und schlägt die größte Seeschlacht, die die Dänen je gesehen haben … 

 

«Die Reihe MILLENNIUM KINGDOM ist bombastisch. Eine Wikinger-Saga, der man nicht entgehen kann!» Denglers Buchkritik

Vita

Der Autor

Tonny Gulløv verschlang zahllose historische Mittelalter- und Wikingerromane von Autoren wie Ken Follett und Bernard Cornwell, recherchierte drei Jahre lang und sprach mit mehr als zwanzig Experten, bevor er anfing zu schreiben. Als der erste Band seiner Serie «Millennium Kingdom» in Dänemark erschien, wurde das Buch sofort zum Erfolg. Wenig später erschienen seine Bücher auch auf Schwedisch und Norwegisch und eroberten Skandinavien im Sturm. Der Autor lebt mit seiner Familie in Kopenhagen und arbeitet als Chef-Steward bei Scandinavian Airlines.

 

 

 

Die Übersetzer

Justus Carl absolvierte vor dem Schulabschluss ein Auslandsjahr in Schweden, studierte Politikwissenschaft und Romanistik und erlangte den Abschluss Master of Arts in Skandinavistik. Seit 2017 arbeitet er freiberuflich als literarischer Übersetzer aus dem Dänischen, Schwedischen und Norwegischen. Für seine Arbeit wurde er unter anderem mit Stipendien des Deutschen Übersetzerfonds sowie des Literarischen Colloquiums Berlin geehrt. Heute lebt Justus Carl in Heppenheim an der südhessischen Bergstraße.

 

Frank Zuber hat einen Master of Arts in Skandinavistik, Deutscher Philologie sowie Anglistik. Zehn Jahre lehrte er an der Goethe-Universität in Frankfurt/Main und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Heute arbeitet er als freier Übersetzer für Belletristik und Sachbuch aus dem Dänischen, Schwedischen und Norwegischen. 2018 wurde er von der norwegischen Literaturförderung NORLA für seine Übersetzungen ausgezeichnet. Frank Zuber lebt in Wiesbaden.

Impressum

Die dänische Originalausgabe erschien 2018 unter dem Titel «Bastarden» im Forlaget McGUGL, Kopenhagen.

 

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, Januar 2025

Copyright © 2025 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg

«Bastarden» Copyright © 2018 by Tonny Gulløv

Redaktion Maike Dörries

Mitarbeit Leonie Roth

Covergestaltung HAUPTMANN & KOMPANIE Werbeagentur, Zürich, nach dem Original von McGUGL Denmark

Coverabbildung Illustration Stinne Fuglsbjerg

Karte Peter Palm, Berlin

ISBN 978-3-644-01705-4

 

Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation

Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp

 

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages.

 

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Hinweise des Verlags

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Alle angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Printausgabe.

 

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Dieses E-Book ist nicht vollständig barrierefrei.

 

 

www.rowohlt.de

Für Anette, Anna und William

Prolog

Ich bin Ulv. Gorm der Mächtige, König der Könige, der die Einigung Dänemarks einleitete, gab mir den Namen Palnatoki, nach meinem Vater, der noch vor meiner Geburt starb. Er gab mir Gammelborg im Südosten Fünens und befahl mir, meinen Teil des Reichs zu einen. Seine Großzügigkeit war jedoch nicht ohne Hintergedanken, und Harald Gormsson, der kleine Pisser, hat diesen Hintergedanken in die Tat umgesetzt. Möge er ruhelos in Náströnd wandeln und alle Schlangen Helheims sich in seinem Bart einnisten!

Mein Schreibermönch Edmund der Einfältige bekreuzigt sich jedes Mal, wenn ich den König verfluche, der dem Volk der Dänen so viel Glück und Unglück gebracht hat. Am meisten ärgert mich der erzwungene Übergang von den wahren Göttern zu dem Schwächling am Kreuz. Allein diese Handbewegung mit zwei Fingern vom Kinn abwärts über die Brust und danach von Schulter zu Schulter reizt mich so, dass ich diesen Eiferern meist eine Tracht Prügel verpasse oder sie noch lieber beseitige, wenn sich die Chance bietet.

Doch Edmund der Einfältige ist ein tüchtiger Skalde, der es versteht, die Worte so glatt zu schmieden, dass ich ihn mit Prügel verschone, obwohl er es verdient hätte. Besonders, wenn er behauptet, König Harald (der kleine Pisser) habe die Dänen vor den Qualen der Hölle und der eisernen Faust Ottos des Großen bewahrt.

Mit Letzterem hat er vielleicht sogar recht, obgleich ich den König von Sachsen und Ostfranken lieber Otto den Roten nenne. Mit Ersterem aber auf keinen Fall. Ich befürchte, dass mein Volk – meine Kriegsbrüder, Freunde und Kampfgenossen – jene Härte verliert, die uns unbesiegbar macht. So weit könnte es kommen, wenn wir nicht mehr hören, was Odin und Thor uns auf dem Walplatz in die Ohren flüstern.

Allein der Gedanke führt meine Hand an den Schwertschaft, obwohl die besten Jahre längst hinter mir liegen. Meine Feinde fürchteten meine Kraft und Schnelligkeit, meine Freunde bejubelten sie. Ich habe mein Leben lang gekämpft, getötet, geplündert, gesoffen und gevögelt, auch wenn ich als unwürdiger Schiffssklave aufgewachsen bin. Auf einem kleinen, elenden Schiff namens Havormen war ich an die Ruderbank gekettet, Seite an Seite mit Ymer, der so riesig ist, wie sein Name besagt, und stinkt wie zehn Riesen.

Ymer brachte mir eine Menge über die Sitten und Unsitten der Dänen bei, denn ich war in Kumraland an der Nordwestküste Britanniens aufgewachsen, im Glauben, dem Volk der Cymru anzugehören, was zum Glück nicht stimmte.

Dass meine Mutter gebürtige Dänin war, wusste ich schon damals. Meine wirkliche Herkunft erfuhr ich jedoch erst, nachdem Tante Heldis – möge es ihr bei Freya in Folkwang wohlergehen – mich auf dem Sklavenmarkt von Haithabu freigekauft hatte.

Heldis hat meine freche Zunge gezügelt, mich zu Einar Schwertmann in die Lehre geschickt und somit mein erbärmliches Leben gerettet. Ohne sie und Einar säße ich heute nicht mit aschgrauem Haar und faulen Zähnen am Langfeuer, was mir im Übrigen nicht immer gefällt.

Harald Blauzahn mag behaupten, er habe ganz Dänemark und Norwegen christianisiert, aber nicht mich, und auch nicht seinen unehelichen Sohn Sven, den ich wie mein eigenes Kind aufgezogen habe.

Sven und ich ehren weiterhin Odin, Thor, Freya und die anderen Götter Asgards und schwören ihnen Treue. Und ich freue mich, meine Freunde und Kampfgenossen eines Tages in Walhall wiederzusehen, wenn Odins träge gewordenen Walküren mich aus Midgard abholen. Deshalb trage ich immer mein Schwert am Gürtel oder am Rücken, denn ich will es in der Hand halten, wenn ich meinen letzten Seufzer ausstoße. Es soll ihnen zeigen, dass ich ein Krieger bin und einen Platz in Odins Festhalle verdiene.

Nun bin ich ein alter Mann und habe die meisten überlebt, womit ich nie gerechnet hätte. Besonders nicht, wenn ich an die Jahre zurückdenke, in denen ich Gorm dem Mächtigen blind gefolgt bin. So wie ich auch seinem Sohn Harald folgte, wenn auch weniger blind. Noch heute überrascht es mich, dass ich seine meisterhaft geschmiedeten Ränke nicht früher durchschaut habe.

Umso mehr erfreue ich mich an der Erinnerung an Haralds nackten Arsch, den ich mit meinem Bogen anvisierte, bevor mein Pfeil mitten zwischen die runzligen Arschbacken traf. Über diesen Moment lache ich noch heute, und es ist mir egal, dass Edmund der Einfältige den Kopf schüttelt und etwas auf Latein murmelt, das sicher nicht vorteilhaft für mich ist.

So war es mein Leben lang: Ich befolgte Befehle und sorgte dafür, dass Fünen und schließlich auch Seeland unter den Thron von Jelling kamen. Ich leistete meinen Beitrag zum Aufbau des Reiches, das Harald Dänemark nannte, und trotzdem konnte er mich genauso wenig leiden wie ich ihn. Ich war ihm ebenso lästig wie sein großer Bruder Knut Danaast. Knut war ein guter Freund von mir und wäre ein hervorragender König geworden, wenn nicht ein gälischer Pfeil ihn von Comerborg auf der verdammten Insel der Gälen direkt nach Walhall geschickt hätte.

Im Gegensatz zu mir ging Knuts vorzeitiger Tod, den er als unausweichlich betrachtete, Harald nicht allzu nahe. So wie er auch nicht damit gerechnet hatte, dass ich besonders alt werden würde.

Ich war nicht der Einzige, der Knuts Tod schwernahm. Gorm der Mächtige verlor den Verstand, als seine Frau Tyra ihm sagte, dass Knut Danaast tot sei. Von jenem Tag an hat Harald Gorms Reich regiert. Böse Zungen nannten den alten König sogar Gorm den Faulen.

Ich habe Harald vor Sigfred Lejre-Königs hinterhältigem Angriff auf Jütland gewarnt, wo Runulv der Wankelmütige aus Alebu und Odinkar Jarl sich heimlich mit dem König von Seeland verbündet hatten.

Ich stand an der Spitze von Haralds Heer aus über siebentausend Kriegern, und wir töteten so viele Seeländer, dass König Sigfreds Heer kurz vor der Kapitulation stand. Dabei verlor ich viele gute Männer, bis Harald den Kampf einstellte und erklärte, es sei an der Zeit, an die Zukunft zu denken, anstatt noch mehr Männer für einen Sieg zu opfern, den wir bereits in der Tasche hatten.

Er schloss ein Abkommen mit Sigfred, dem König von Seeland und Schonen, und teilte sich den Thron von Lejre mit Gorm Sigfredsson, der auch Gorm der Junge genannt wurde. Diesen Schwächling darf man auf keinen Fall mit Gorm dem Mächtigen von Jelling verwechseln, dem Vater von Harald Blauzahn und Knut Danaast. Die Namenstradition der Dänen ist ebenso alt wie idiotisch und verwirrend: Der erstgeborene Sohn wird nach dem Großvater väterlicherseits benannt, der Zweitgeborene nach dem Großvater mütterlicherseits, egal ob die Großväter noch leben oder nicht.

König Harald schloss das Abkommen mit König Sigfred, obwohl wir sie alle hätten töten und den Thron von Lejre übernehmen können, wie es unsere Männer verdient hätten. Aber zur selben Zeit zog Otto der Rote mit seiner riesigen Reiterschar gegen Jütland, und der war laut Harald so gut wie unbesiegbar.

Als ich dies hörte, wollte auch ich keinen Mann mehr opfern, um Seeland zu erobern. Tante Heldis befand sich in Ryesborg in Jütland, das nicht weit von Jelling liegt. Dort wuchs ich nach meiner Freilassung mit meinem Vetter Torste auf, der von meinem größten Feind zum besten Freund geworden war. Deshalb unterstützte ich Haralds Beschluss, mit den Seeländern zu verhandeln, denn ich wollte Ryesborg gegen Otto verteidigen.

Leider feierten die Nornen am Fuß der Weltesche Yggdrasil gerade ein Trinkgelage. Im Rausch knüpften die drei alten Weiber meinen Lebensfaden so, dass mein Erzfeind Ott – ein weiterer Vetter von mir – Gammelborg überfiel, während die tüchtigen Krieger, die normalerweise ihre Palisaden bewachen, mit mir auf Seeland kämpften.

 

Doch nun überlasse ich es der Feder Edmunds des Einfältigen, das Pergament in der Reihenfolge zu bekritzeln, die er für vernünftig hält. Er wird meine Worte so getreu wie möglich und ohne Mönchsgeschwafel niederschreiben, denn ich bin noch immer in der Lage, ihm den Rücken zu bläuen.

Kapitel 1

Der Krämer Amundi Kräuselohr war von Fünen nach Seeland gesegelt, um mir die Nachricht zu überbringen, dass Ott meine Familie entführt und Gammelborg eingenommen hatte – meine Burg. Mit entschuldigender Miene stand er in seiner hässlichen, kotzgrünen Schnigge und blickte zu mir auf.

Ymer zerrte den Krämer aus der Schnigge über die Reling der Særimne – meinem Schiff –, in einem Tempo, das verriet, welch enorme Kräfte in ihm steckten. Amundi war nämlich ein äußerst beleibter Mann. Er landete mit einem lauten Poltern auf den Schiffsplanken, aber als Ymer weiter an ihm zog, kam der Krämer schneller auf die Beine, als er selbst gedacht hätte.

«Herr», winselte Amundi und fiel gleich wieder auf die Planken. «Ott hat Eure Frau und Eure Söhne entführt.» Das wusste ich längst, und aus diesem Grund war mir alles andere egal. Selbst Heldis und Otto der Rote, der laut Harald just in diesem Moment mit einer Heerschar von Reitern gen Jütland galoppierte.

«Wann genau?», fragte ich und half Amundi auf. Den Schmerz in meinem verwundeten Fuß ignorierte ich, als er darauf trat, trotz seines wie erwähnt nicht geringen Gewichts.

«Vor zwei Tagen und zwei Nächten.»

«Wie?»

Amundi zuckte mit den Schultern. «Ich weiß es nicht, Herr, aber er meinte, Ihr würdet den Grund kennen und wissen, was er tun will, um Gerechtigkeit zu erfahren.»

«Du hast mit Ott gesprochen?»

«Ja, er kam nach Nyborg geritten und schleifte Bersi an einem Strick hinter sich her wie eine Schlachtsau …»

«Bersi lebt?»

«Nein, Herr. Ott hatte nur den Kopf und den halben Oberkörper dabei, aber es war Bersi, ohne jeden Zweifel.»

Erst da dämmerte es mir, was Ott eigentlich getan hatte. Er hatte erfolglos fast alle seine Männer geopfert, um mich aus Gammelborg und Fünen zu vertreiben. Dann hatte er gewartet, bis er sicher war, dass die Kämpfe auf Seeland begonnen hatten, und Gammelborg mit seinen schwarz gekleideten Kriegern aus Gotland angegriffen.

Ich blickte mich um und betrachtete meine Männer. Viele waren gefallen, und die Überlebenden hatten allerlei Schrammen und Wunden davongetragen, Haar und Bärte waren voll von verkrustetem Blut. Aber sie hatten gut gekämpft, und mir blieben schätzungsweise noch gut vierhundert Mann.

Mein Blick fiel auf Hallgeir, Otts Stallmeister, der schwer verwundet an Deck lag, und auf Lynn, meine Völva, Seidfrau und Schildmaid, die ihn versorgte. Ich konnte Otts Stallmeister gut leiden, er hatte im Schildwall an meiner Seite gekämpft, so geschickt, dass er mir mehrfach das Leben gerettet hatte. Trotzdem war er der Einzige, der wissen konnte, weshalb Ott das von einem König und der mächtigsten Völva Midgards bestätigte Friedensabkommen gebrochen hatte.

Ich humpelte, gefolgt von Amundi, von einer Ruderbank zur nächsten und hockte mich neben Lynn.

«Lebt er?»

«Das tut er, Herr, aber noch steht nicht fest, ob ihm das auch so vorbestimmt ist.»

Ich hasste es, wenn Lynn so geheimnisvoll sprach, als flüsterten die Nornen ihr ins Ohr. Was sie ganz genau wusste, denn sie grinste mich herausfordernd an.

«Ott hat Gammelborg angegriffen und Álof und meine Söhne entführt», sagte ich viel ruhiger, als ich mich fühlte.

Lynns Grinsen verflog. «Und Sven!», ergänzte sie.

«Davon weiß ich nichts», sagte ich, denn ich dachte, sie hätte mir eine Frage gestellt.

«Nein», sagte Lynn. «Ott hat auch Sven entführt, und das ist von Bedeutung.»

«Du sprichst genauso, wie es um deinen Verstand bestellt ist», knurrte ich und verspürte große Lust, ihr eine Ohrfeige zu verpassen. Aber das wagte ich nicht.

«So ist es», antwortete Lynn ernst. «Und du wirst Sven Haraldsson zurückholen.»

«Ich mag Sven, als wäre er mein eigener Sohn, aber er ist ein Bastard. Er spielt keine Rolle …»

«Nein, Herr», flüsterte Lynn. «Der Lebensfaden des Bastards wird wichtig, sagt man.»

Das begriff ich nicht, denn Harald weigerte sich beharrlich, seine Vaterschaft anzuerkennen. Und wer man war, wollte ich lieber gar nicht wissen. Deshalb schaute ich zu Hallgeir, und ich spürte, wie der Zorn, mein treuer Begleiter, meine Gedanken erfüllte.

«Kannst du mich hören, du elender Sausack?», sagte ich und drückte fest auf die blutigste Stelle seines Wundverbands.

«Herr», stöhnte Hallgeir und öffnete die Augen. «Ich höre Euch …»

 

«Warum, Hallgeir?»

«Herr?» Hallgeir atmete keuchend und abgehackt, Schweiß rann ihm von der Stirn.

«Wohin hat Ott meine Frau und meine Söhne verschleppt?»

Hallgeir sah mich mit gequältem Blick an. «Herr?», stöhnte er. «Ich … habe keinen Schimmer, wovon … Ihr redet!»

«Du elender Sausack!», wiederholte ich, mein Gesicht dicht an seinem. «Du wirst an Bord dieses Schiffs sterben, und das Einzige, womit du vor den Walküren prahlen kannst, sind deine fingerlosen Hände, mit denen du keine Waffe …»

«Er hört dich nicht, Herr», wandte Lynn ein.

«Natürlich hört mich dieser Drecks…» Erst da bemerkte ich, dass von Hallgeirs Augen nur noch das Weiße zu sehen war. «Ist er tot?»

«Er hat das Bewusstsein verloren, Herr, aber er krepiert ganz bestimmt, wenn du deine Finger nicht von der Wunde nimmst.»

Der vollgesaugte Verband triefte bereits vor Blut. Als ich die Finger von Hallgeirs Wunde nahm, quoll das Blut noch schneller heraus.

«Das darf er nicht», stieß ich aus und hob den Blick zu Lynn. «Rette ihn!»

Mit einem Seufzer – Lynn war die Einzige, der ich so etwas durchgehen ließ – forderte sie mich auf, mich klarer auszudrücken. «Wieso sollte ich das tun, wenn er ohnehin sterben soll?»

«Weil dein Herr es befiehlt», war der einzige Grund, der mir einfiel.

Ich machte Platz, und Lynn kniete sich neben den Visbykrieger. Sie versorgte seine Verletzungen, während sie etwas in der Sprache flüsterte, die sie von Vigdis der Seherin gelernt hatte.

«Lynn», sagte ich und legte die Hand an mein Amulett. «Rette ihn einfach. Er muss mir noch ein paar Fragen beantworten, ehe er stirbt.»

Lynn schwieg. Ich schloss für einen Moment die Augen, und nachdem ich sie wieder geöffnet hatte, richtete ich den Blick gen Fünen, wo das Leben meiner Frau und meiner Söhne in Gefahr war.

«Herr», sagte Harek und zog an meinem Arm. «Erik der Freundliche will Euch sprechen.»

«Erik?», murmelte ich und schaute zwischen die Ruderbänke, wo mein übel zugerichteter Verwalter lag.

«Herr?», ächzte Erik und versuchte, sich aufzurappeln. Da der größere Teil seines Arms allerdings auf dem Schlachtfeld bei Lejre geblieben war, kam er nicht weit. Sein Gesicht war blass, die Augen rot unterlaufen, aber es sah nicht danach aus, als hätte der gelbe Tod ihn erwischt. Noch nicht, jedenfalls. «Was hat Amundi hier zu suchen?» Seine Stimme klang gequält, doch die Worte waren ebenso deutlich wie immer.

«Ymer!», rief ich. «Hilf Erik aufs Achterdeck!»

Ymer fluchte, wie jedes Mal, wenn ich etwas von ihm wollte, aber er half meinem Verwalter trotzdem aufs Achterdeck, wo es zwischen dem Rudergänger, Amundi, Lynn und Hallgeir allmählich eng wurde.

«Er hat mir von dem Verrat erzählt, den Ott, dieses Sackgesicht, begangen hat.»

Eilig fasste ich zusammen, was Amundi erzählt hatte.

«Warum hat mein schwachsinniger Vetter meine Frau und meine Söhne entführt, meine Mannschaft umgebracht und Gammelborg niedergebrannt, Erik? Wir hatten doch ein Friedensabkommen.»

Erik schüttelte mit geschlossenen Augen den Kopf. «Glam!», sagte er und schien sich zu schämen. Vielleicht machten ihm bloß die Schmerzen zu schaffen, aber er wand sich ziemlich eigenartig.

«Glam?», knurrte ich.

«Ihr habt ihn in Krigerbygd getötet und dort Otts Halle niedergebrannt.»

Das stimmte zwar, war aber mehr als vierzehn Jahre her, worauf ich Erik hinwies.

«Hättet Ihr Ott nach vierzehn Jahren vergeben, wenn er Eure Frau umgebracht hätte?»

Nicht einmal, wenn er meinen verlausten Lump von einem Sklaven getötet hätte, hätte ich ihm vergeben, also schüttelte ich den Kopf.

«Da habt Ihr Euren Grund, Herr.»

«Aha!», fiel mir dazu nur ein, denn in mir tobten Zorn und Rachlust, vor allem aber die Angst um meine Familie. Da ich inzwischen aber auch älter geworden war, wusste ich, dass ich nicht einfach nach Fünen stürmen und Ott jagen konnte, ohne das Leben meiner Familie aufs Spiel zu setzen. Ich brauchte einen Rat, und den sollte Erik mir geben. Doch sein erster Vorschlag erwischte mich auf dem linken Fuß.

«Setzt Anker, Herr», riet er mir.

«Bist du besoffen?», fauchte ich und warf einen Blick Richtung Seeland, das immer noch nur einen Pfeilschuss entfernt lag. Haralds letzte Schiffe verließen gerade den Strand.

«Nein, Herr. Ihr habt einige Männer in Eurem Gefolge, die einen Eid auf Euch geschworen haben, aber der gilt nur so lange, bis sie zurück in Fünen sind.»

In diesem Augenblick wurden mir mehrere äußerst unbehagliche Umstände bewusst. Ich war umgeben von Otts Kriegern, selbst Erik hatte eine Vergangenheit als Gefolgsmann von Ott, wobei ich an seiner Loyalität nicht zweifelte. Schon auf den ersten Blick zählte ich mindestens zwanzig Visbykrieger in schwarzen Kleidern, genau wie Hallgeir sie trug.

«Segel einholen und Anker setzen!», kommandierte ich und fügte brüllend hinzu, dass das für alle meine Schiffe galt. «Glum, blas ins Horn! Ymer, schwenk mein Banner im Kreis!» Ich sah zu Erik. «Was nun?»

Erik holte zweimal Luft, ehe er eine Antwort herausbrachte. «Jetzt warten wir darauf, dass Hallgeir wieder zu Bewusstsein kommt.»

«Dieser Mistkerl», fluchte ich und hätte Otts Stallmeister am liebsten einen saftigen Tritt verpasst. Aber Lynn hielt mich zurück und sagte, Hallgeir befände sich schon auf der Schwelle zwischen Leben und Tod, ein Tritt täte ihm da nicht gut.

«Nein», stimmt Erik leise stöhnend hinzu, während er die Hand auf die Stelle presste, wo bis gestern noch sein Schildarm gewesen war. «Ich denke nicht, dass Hallgeir von Otts Plänen wusste. Bis auf Ott selbst ahnte niemand, was er im Schilde führte.»

«Wenn das so ist, warum warten wir dann auf Hallgeir?», fragte ich.

«Weil man in einer Sache wie dieser sicher sein muss», sagte Erik.

Ich dachte so lange über seine Worte nach, wie es dauert, dreimal Luft zu holen, verspürte jedoch immer noch den Drang, jemandem den Rücken zu bläuen. Leider fand ich kein passendes Opfer, und in Ermangelung etwas Besseren hämmerte ich meine Faust gegen Ymers Schulter.

Es war ein fester Schlag, der Ymer ein bisschen zusammenzucken ließ, aber abgesehen davon schaute er mich bloß fragend an, während er weiter das Banner schwenkte, um den Schiffen zu signalisieren, dass sie die Anker setzen und auf meinen nächsten Befehl warten sollten.

«Kriegerhof», sagte ich, während Erik wieder nach Luft schnappte, aber das beantwortete Ymers unausgesprochene Frage nicht. «Wir haben ihn schon einmal eingenommen, und das …»

Eriks Kopfschütteln brachte mich zum Schweigen.

«Harek, gib meinem Verwalter Bier, damit sich seine Zunge lockert.»

Harek holte einen Bierschlauch und hielt ihn Erik an die Lippen. Der trank begierig und lange, und als er absetzte, ergaben seine Worte mehr Sinn. Bier ist das Geschenk der Götter an alle Menschen in Midgard, darüber besteht kein Zweifel.

«Ott sagt, alles soll gerecht zugehen und dass Ihr wisst, was er vorhat. Damit meint er bestimmt, dass er Euch dasselbe antun will wie Ihr ihm …»

«Den Kriegerhof niederbrennen?», fragte ich.

«Wohl kaum, Herr. Eher Eure Halle in Gammelborg, und zwar mit Euren Söhnen und Eurer Frau.»

«Ott hatte keine Söhne», wand Ymer ein. «Vielleicht verschont er Toki und Palner?»

«Wohl eher nicht», meinte Erik.

«Unabhängig davon, wo Ott sich befindet und was er möglicherweise zu tun gedenkt, solltet Ihr zwei Dinge von den Visbykriegern fordern, Herr.»

«Und was?»

Erik nahm einen weiteren Schluck Bier. «Ott hat den Eid gebrochen und ist damit ein Niding, den Vigdis die Seherin und König Harald bestrafen werden. Deshalb solltet Ihr von allen Visbykriegern verlangen, Ott abzuschwören und stattdessen Euch als ihren Herrn anzunehmen, solange sie sich auch auf Fünen befinden. Wollen sie das nicht, müssen sie hier auf Seeland bleiben.»

Ein vernünftiger Vorschlag, fand ich, und da ich es eilig hatte, nach Hause zu kommen, blickte ich mich um. Seeland lag direkt hinter uns, aber es würde dauern, alle Schiffe zu wenden und die Männer an Land zu bringen.

«Bilde eine Schiffsinsel, Ulv», schlug Ymer vor. «Lass alle Schiffe an der Reling der Særimne festmachen und befehle den Schwarzgekleideten, an Bord zu kommen.»

Ich drehte mich zu Hallgeir um, der gerade aufs Ruderdeck kotzte und dabei laut stöhnte. Er schwitzte wie nach einem langen Lauf und jegliche Farbe war aus seinem Gesicht gewichen.

«Ymer, kümmer dich darum. Und zwar schnell.»

Ob es daran lag, dass es seine eigene Idee war, oder ob er wirklich um meine Familie besorgt war, weiß ich nicht, jedenfalls gehorchte er mir, und zwar ohne zu meckern und zügig.

«Hallgeir? Kannst du mich hören?» Ich hockte mich neben den Mann, den ich bis vor einem Augenblick noch gut hatte leiden können.

Er nickte kaum merklich.

«Kannst du sprechen?»

Wieder nickte er, und ich bedachte ihn mit einem strengen Blick. «Ja», brachte er daraufhin stöhnend heraus.

«Gut. Aber zuerst hörst du zu. Dann denkst du nach, und dann redest du. Vergiss nicht, dass du durch den Eid an mich gebunden bist, denn noch haben wir Fünen nicht erreicht.» Ich hob sein Kinn an und sah ihm direkt in die Augen. «Kannst du das?»

Hallgeirs Augen rollten zur Seite, doch er bejahte meine Frage. Anschließend erklärte ich ihm im Detail, was für ein räudiger Hund sein Herr war, bevor ich Stille zwischen uns einkehren ließ.

Ob es an seinen Schmerzen lag oder an seiner generellen Abscheu gegenüber Ott, ahne ich nicht, aber Hallgeir presste die Zähne aufeinander.

«Was soll ich tun, Herr?», keuchte er und musste mehrmals Luft holen, ehe er weitersprechen konnte. «Wenn … es stimmt … was Ihr sagt, dann ist … Ott … nicht mein Herr … sondern ein Niding, der …» Röchelnd schnappte er zwischen den aufeinandergepressten Zähnen nach Luft. «Der … den Tod verdient», schloss er und erwiderte meinen Blick mit zorniger, schmerzverzerrter Miene.

«In Ordnung, Hallgeir. Schwörst du auf das, was du mir gerade gesagt hast, im Namen Odins, dem Gott, den du am meisten verehrst?»

«Ja, Herr.»

«Lynn!», rief ich, ohne meinen Blick von ihm abzuwenden. «Lynn?»

«Ich bin hier, Herr», antwortete Lynn so dicht neben mir, dass ich unfreiwillig den Kopf zu ihr drehte. Sie lächelte, was aus meiner Perspektive mit ihren angespitzten Vorderzähnen und den Tätowierungen einen unheimlichen Anblick bot. Zudem roch sie streng, als hätte sie die Kräuter und Pilze gekaut, auf die Odin gepisst hatte.

Ich wandte mich wieder Hallgeir zu.

«Schwöre», sagte ich langsam und gepresst, «dass du nichts von Otts Plänen wusstest, und dass er nicht länger dein Herr ist. Schwöre in Odins Namen, und sieh Lynn dabei in die Augen.»

Hallgeir brauchte lange, um die Worte hervorzubringen, weshalb ich Lynn meinen Platz überließ. Schließlich sollte er ihr beim Schwur in die Augen sehen.

«Glum», sagte ich und senkte die Stimme, denn Lynns treuer Begleiter hielt sich nur selten außer ihrer Hörweite auf. «Wo die eine ist, findet sich auch der andere», murmelte ich und sah Glum grinsen.

«Herr?»

«Zähle meine Männer, und teile sie in Verwundete, Kampftaugliche und Schwarzgekleidete auf – augenblicklich!»

«Jawohl, Herr.»

Ich sah zu Lynn und Hallgeir.

«Hat er geschworen?»

«Das hat er. Du bist jetzt sein Herr, niemand sonst. So ist es bestimmt worden!»

Kapitel 2

Alle meine Schiffe lagen in einem Ring um die Særimne, die Vordersteven mit der Reling und den Schildhalterungen vertäut, und alle Schwarzgekleideten befanden sich an Bord.

Eine Schiffsinsel aus zehn Schiffen ist ein beeindruckender Anblick, wenn sie so dicht zusammenliegen wie in diesem Moment. Holz schabte an Holz, und die Vordersteven stießen gegen die Reling der Særimne, während sich die Männer an Deck sammelten. Mein Blick glitt über die Schiffe und die vielen Gesichter, die auf mich, ihren Herrn, gerichtet waren.

Das Wasser schwappte gegen die Schiffsseiten, und es knarrte leise im Tauwerk. Der Geruch nach Salzwasser, Pech und Teer vermischte sich mit den Geräuschen, und all das war mir so vertraut, dass sich eine gewisse Ruhe in mir einstellte. Vereinzelt ertönte Schmerzensstöhnen, Husten oder Niesen. Abgesehen davon war es still. Selbst Njörd hielt den Atem an und wartete auf die Worte aus der Mitte der Schiffsinsel.

Glum hatte vierhundertzweiunddreißig kampftaugliche Männer gezählt, was bedeutete, dass knapp die Hälfte meiner Männer verwundet oder als Rabenfutter auf dem Schlachtfeld zurückgeblieben waren. Unter normalen Umständen wäre ich nicht unzufrieden mit diesem Ergebnis gewesen, da jeder von ihnen mindestens vier von Sigfreds Männern mit in den Tod genommen hatte, aber in diesem Augenblick war ich alles andere als zufrieden.

Wären die Reiterscharen Ottos des Roten nicht gerade gen Jütland galoppiert, hätte ich das Befehlsrecht über alle Krieger Haralds gefordert, um die Jagd auf Ott, diesen Drecksack, zu eröffnen. Überdies hätte ich Torste an meiner Seite gewusst, hätte Ryesborg – und damit Heldis – nicht mitten auf Ottos wahrscheinlicher Route durch Jütland gelegen. Denn Torste wäre mit mir gekommen, ganz gleich, was Harald ihm befahl. Torste war mein Vetter und mein bester Freund, von allen Menschen in Midgard vertraute ich ihm am meisten. Doch er war nicht hier, und ich musste mich bei der Jagd auf Ott mit vierhundertzweiunddreißig Kriegern begnügen, inklusive der Schwarzgekleideten. Sie würden mir bis ans Ende Midgards folgen, wenn ich es befahl, denn laut Lynn hatte Hallgeir das geschworen. Anschließend habe er sich auf die Brust geschlagen und sei davon ohnmächtig geworden.

«Erik», rief ich, «die Mannschaft ist bereit!»

Nun streckte Erik den Rücken, soweit sein Zustand ihm das erlaubte, und stellte sich neben mich aufs Ruderdeck der Særimne.

«Ehrenmänner – Männer von Palnatoki Jarl!», rief er. «Hört, was ich euch zu sagen habe, denn es sind Palnatoki Jarls Worte, und denkt daran, dass euer Herr nie auch nur einen Einzigen von euch im Stich gelassen hat – auch nicht diejenigen unter euch, die aus Gotland kommen.» Erik sammelte sich für einen Moment, doch als er fortfuhr, war seine Stimme laut und deutlich.

Die Nachricht von Otts ehrloser Tat entfachte eine solche Wut, dass meinen Männern die Rachlust ins Gesicht geschrieben stand. Erik wählte seine Worte so gut, dass sogar die Schwarzgekleideten vor Zorn kochten. Ich habe Eriks wortgewandte Zunge schon oft gelobt, aber dass er mit der Stimme des wahren Skalden sprach, während der Schmerz im Stumpf seines abgetrennten Arms zerrte, war dennoch einzigartig.

Als er fertig war und sich vor Schmerz ächzend setzte, protestierte nicht ein Schwarzgekleideter gegen seine Forderung, dass ich ihr neuer Herr war, auf Seeland wie auf Fünen. Damit war Ott ein Niding, den nun die Bestrafung durch die Völva, den König und den Jarl erwartete.

Mein Plan sah vor, es in der umgekehrten Reihenfolge zu bewerkstelligen, aber das behielt ich für mich, denn sämtliche Schwarzgekleideten sahen aus, als hätten sie Ott mit Vergnügen niedergestochen, wenn er jetzt vor ihnen gestanden hätte.

«Männer aus Gotland!», rief Lynn mit einer Stimme, die viele von uns nach ihren Amuletten greifen ließ. «Jetzt werdet Ihr Euren Treueeid an Palnatoki Jarl erneuern, ebenso aufrichtig wie Ihr es vor dem Opfertisch in Gammelborg getan habt. So ist es bestimmt worden!»

Ich verkniff mir die Frage, wer das bestimmt hatte, denn es passte mir gut in den Kram.

Einer nach dem anderen erhoben sich die Visbykrieger, riefen ihren Namen und Sippennamen und schworen mir Treue und Gehorsam. Dabei blickten sie ängstlich zu Lynn, die neben mir stand und sie mit einem brennenden Blick bedachte. Sie neigte den Kopf so tief zur Seite, dass er beinahe ihre Schulter berührte.

Dazu zischte sie irgendwelche unverständlichen Wörter. Obwohl ich versuchte, nicht hinzuhören, prägten sich die zischelnden Schlangenlaute in mein Gedächtnis ein, und es schüttelt mich noch heute, wenn ich daran denke. Aber sie erfüllten ihren Zweck.

Nun stellte sich die Frage, wie ich nach Gammelborg gelangen sollte, was sich als schwierig erwies. Ich wollte mich mit Erik beratschlagen, aber er war nicht mehr bei Sinnen. Die Rede an die Mannschaft hatte ihn seine letzten Kräfte gekostet, und jetzt lag er mit geschlossenen Augen neben Hallgeir auf dem Ruderdeck.

«Wir müssen nach Gammelborg», murmelte ich und wiederholte es danach so laut, dass alle es hörten. «Es gibt da einen Mistkerl, der einen Kopf kürzer gemacht werden muss.»

Die Sorge um meine Familie wandelte sich abermals in Raserei – eine irrwitzige Raserei. Ich ließ den Blick über die Männer schweifen, während ich mich bemühte, die Kontrolle über mich wiederzugewinnen.

«Wer mit mir kommt, wird belohnt werden. Wer mich nicht weiter begleiten will, verlässt auf der Stelle meine Schiffe und schwimmt an Land. Und ich versichere euch, das bisschen Wasser ist eine angenehmere Wahl als mein Zorn, dessen Ausmaß und Stärke euch allen bekannt sein sollte.»

Kein einziger Krieger ging von Bord. Vielleicht lag es an meiner trefflichen Wortwahl – oder diejenigen, die eigentlich gehen wollten, konnten schlicht nicht schwimmen. Am wichtigsten war aber, dass ich Männer hatte, deutlich mehr als Ott, und das war gut. Ich hatte eine Rechnung zu begleichen, ein für alle Mal, die schon vor vielen Jahren hätte beglichen werden müssen, wenn die Nornen nur mitgespielt hätten. Aber niemand kann die Nornen zu etwas zwingen. Sie tun, wie es ihnen beliebt, ganz egal, was wir hier in Midgard darüber denken. Das verstehe ich jetzt, so wie ich es an jenem Tag an Bord der Særimne verstand, als ich den Rudergängern befahl, Kurs auf den Süden von Fünen zu nehmen.

Zehn Schiffe verließen das Haff und Seeland, wendeten nach Süden und hielten sich dicht an der seeländischen Küste. Die Segel waren gehisst, die Ruderriemen im Wasser – ich hatte es eilig.

Wie schon früher gesagt, liegt Gammelborg günstig im Hinblick auf Seeland, und das ist der Grund, weshalb König Gorm und später Harald, dieser Pisser, mir die Burg und eine ordentliche Anzahl Männer gegeben haben. Diese Krieger wollte ich jetzt einsetzen, um Ott und all die Männer zu töten, die die Frechheit besessen hatten, meine Burg anzugreifen und meine Familie zu entführen. Ich wollte jeden töten, der sich erdreistete, mir Widerworte zu geben. So schwelte der Zorn in mir, bis ich einen Blick zu Erik warf.

Ich verfluchte den Seeländer, der Eriks Arm abgehackt hatte, und meine Entscheidung, Gammelborg Otts Verrat unbewacht auszusetzen. Am meisten aber verfluchte ich mich selbst dafür, dass Álof und meine Söhne sich jetzt in Otts Gewalt befanden. Ich verfluchte alles und jeden, denn das konnte ich gut, und außerdem war es das Einzige, wozu ich in diesem Moment imstande war.

Mit jedem Ruderschlag kam die Küste Fünens näher, allerdings gab es keine Rudergesänge, und in keinem Gesicht war das Grinsen eines siegreichen Kriegers nach der Schlacht zu sehen.

Alle hatten die Riemen draußen, und der Wind blähte die Segel – normalerweise erfüllte mich dieser Anblick mit Freude und Stolz. Aber jetzt weckten die großen, bunten Wollsegel nur meinen Ärger darüber, dass es viel zu langsam voranging, selbst das große, rote Segel der Særimne mit dem Wolfsbanner, das ich so mochte.

Mich packte die Lust, mich selbst auf die Ruderbank zu setzen und aus Leibeskräften mitzurudern, doch das ziemte sich nicht. Daher blieb mir nichts anderes übrig, als mich zu ärgern, bis der Vordersteven der Særimne endlich an den Strand glitt.

Gemeinsam mit Ymer und zwanzig Männern sprang ich über die Reling, watete an Land und blieb auf dem Strand stehen.

«Was jetzt?», fragte Ymer mit Margyge in der Hand, als glaubte er, Otts Männer würden uns an Land erwarten. Doch dort war niemand, weder Otts Krieger noch andere, und das hätte mich auch überrascht, da ich so weit südlich an Land gegangen war, dass wir in der Nähe des Hofs von Olav Svin waren, den er Svineborg nannte. Ich war mir nicht ganz sicher, warum ich ausgerechnet diese Stelle gewählt hatte, aber Amundi meinte, Ott sei aus dem Norden gekommen. Deshalb wollte ich aus dem Süden kommen.

Hätte dieser Schweinehund nicht meine Familie entführt, wäre ich schnurstracks nach Gammelborg gesegelt und hätte dort mit allen Männern angegriffen. Ich konnte mich nur schwer beherrschen, nicht das Tor einzutreten, aber das Leben meiner Familie lag in Otts Händen. In solchen Augenblicken brauche ich meine Ratgeber und Freunde am meisten. Doch Aslak war tot, Torste in Ryesborg und Erik so vom Wundfieber geplagt, dass kein vernünftiges Wort aus seinem Mund kam, so sehr ich auch versuchte, sie ihm zu entlocken. Das Einzige, was ich von dem Gestammel verstand, das er von sich gab, war das Wort «Mutter».

Nach meiner Mutter zu rufen, war so ziemlich der mieseste Rat, den ich je bekommen hatte, vor allem, weil sie schon seit vielen Jahren tot war. Was ich ihm auch mitteilte. Sein brennender Blick schien durch mich hindurchzugehen. Offenbar sah er Trolle oder Wesen aus einer anderen Welt. So etwas geschieht ab und zu, weshalb ich nicht auf seinen Rat einging und mich stattdessen mit Ymer darüber austauschte. Beides war ein Fehler.

«Wir lassen uns von Harek nach Gammelborg führen, ohne dass Ott es bemerkt.» Ich klang sehr viel selbstsicherer, als ich mich in Wahrheit fühlte, was eine neue Situation für mich war, da ich normalerweise die Rolle des Plünderers spielte. Und ich muss betonen, dass mir das sehr viel mehr behagte, als um das Leben meiner Frau und meiner Söhne zu bangen.

«Wir hätten gleich nach Gammelborg segeln sollen», sagte Ymer und steckte Margyge zurück in das Holster auf seinem Rücken.

«Ja, das ist möglich», erwiderte ich sauer. «Sind wir aber nicht.»

«Weil du nicht wolltest!», entgegnete Ymer.

Da irrte sich der Riese, denn nichts wollte ich lieber als eben das. Aber ich versuchte, anders zu denken, als Ott es von mir erwartete, auch wenn ich keinen Schimmer hatte, was genau Ott erwartete. Dafür wusste ich umso besser, dass Álof und meine Söhne – zu denen ich auch Sven zählte – in Lebensgefahr schwebten.

«Glum!», rief ich den kleinen, aber stämmigen Mann zu mir, der mit Vorliebe ins Horn stieß und Seidzauberei betrieb.

Mit einem Klirren setzte er einen Sack vor mir in den Sand. Es klang, als würde darin eine Katze schreien.

«Was ist das?»

«Ein Sack», stammelte er verwirrt. «Mit Diebesgut aus Seeland, Herr.»

Er griff hinein und zog einen seltsamen Gegenstand hervor, der aussah wie ein Lederbeutel mit drei Rohren.

«Und das?», fragte ich.

Schulterzuckend ließ er das Teil wieder in seinem Sack verschwinden. «Warum habt Ihr nach mir gerufen, Herr?»

«Leben von den Männern aus Svineborg noch welche?»

«Keine Ahnung, Herr.»

«Finde es heraus und sag Lynn, sie soll die Verwundeten und fünfzig Mann mit in die Halle von Olav Svin nehmen.»

«Ja, Herr.» Glum wartete, denn er ahnte, dass ich noch mehr auf dem Herzen hatte.

«Und richte Lynn aus, dass ich ihr die Titten abreiße, wenn Erik und Hallgeir sterben.»

«Es würde mehr Eindruck machen, wenn Ihr es selbst sagt, Herr.»

«Tu ich aber nicht. Und jetzt verschwinde endlich, Glum!»

«Ich gehe ja schon, Herr», sagte Glum mit einem dämlichen Grinsen und nahm seinen Sack.

«Gut, und sag Lynn, dass sie einen Tag und eine Nacht warten soll. Dann soll sie alle Schiffe nach Gammelborg schicken. Kapiert, Glum?»

Glum nickte und rannte zu den Schiffen.

«Lynn die Titten abreißen?», meinte Ymer. «Ich wusste gar nicht, dass sie welche hat, und falls ja, dass du dich so was trauen würdest. Würdest du das wirklich tun?»

«Ja», fauchte ich. «Aber ich mache es nicht.»

«Sicher sehr klug von dir», gluckste Ymer. «Genauso klug, wie endlich nach Gammelborg zu kommen. Und zwar schleunigst!»

Ich musterte ihn von seinem großen Kopf bis zu den ebenso großen Füßen. Sein schulterlanges Haar war wie üblich zerzaust. Im Gesicht trug er einige Kampfnarben, aber keine Tätowierungen, denn Ymer machte sich nichts aus solchem Schmuck. Der Bart reichte ihm bis zum Brustkorb, er schnitt ihn immer vor der Sommer- und der Wintersonnenwende. Graue Strähnen in Haaren und Bart zeugten davon, dass er längst kein Jungspund mehr war, was seinem Körper hingegen nicht anzumerken war. Der Brustumfang war enorm, die Oberarme so dick wie meine Schenkel, und in seine rechte Hand passten meine beiden zusammen hinein. An der linken Hand fehlten ihm zwei Finger, die hatte er in der Schlacht um Norneborg verloren. Für gewöhnlich strahlten seine dunkelblauen Augen entweder Heiterkeit oder Trotz aus. Jetzt aber leuchtete etwas in ihnen, das man bei Ymer nur sehr selten sieht. Angst. Nicht um sich selbst, auch nicht um mich, sondern um das Leben meiner Familie.

«Du machst dir Sorgen!», stellte ich fest.

Sein großer Kopf bewegte sich langsam auf und ab. «Sie sind auch meine Familie», sagte er leise, aber laut genug, dass ich die Unruhe in seiner Stimme hörte.

«Das sind sie, mein Freund», sagte ich und meinte es auch so. «Ich hoffe und wünsche mir, dass einer von uns beiden lang genug lebt, um Ott zu töten, diesen dreckigen Köter.»

«Darauf hast du mein Wort »…, sagte Ymer und legte die Faust auf die Brust. «Ich werde Ott jagen, ihn fangen und umbringen, und wenn es meine letzte Tat in Midgard ist.»

Ich legte meine Hand auf seine Schulter, und wir schwiegen einen Moment. Es fühlte sich gut an.

«Du hättest mich eben beinahe Herr genannt, gib’s zu!»

Ymers Augen verengten sich, aber er blieb stumm.

«Du hättest es fast getan!», wiederholte ich. Soweit ich mich erinnerte, wäre es das erste Mal gewesen, dass er es nicht im Scherz, ironisch oder aus Zwang gesagt hätte.

«Am liebsten nenne ich dich Idiot!», knurrte Ymer.

«Das passt zu dir», sagte ich und erschrak, als Ymer plötzlich einen Visbykrieger namens Geir anbrüllte, den Rest der Mannschaft an Land zu holen. Und da senkte sich auch die Dunkelheit wieder über mein Gemüt.

«Harek, Abmarsch, JETZT!», rief ich und ging los in Richtung Gammelborg. Harek lief so weit vor mir, dass er ständig aus meinem Blickfeld verschwand. Allerdings tauchte er jedes Mal schnell wieder auf. Womöglich spürte er meine Blicke, denn er blieb immer stehen, wenn ich ihn nicht mehr sehen konnte, und lief nicht weiter, bis er in Sichtweite war.

 

Wir hielten dreimal an, und jedes Mal, weil Harek mit der Nachricht zu uns zurückeilte, dass uns jemand entgegenkam. Die ersten beiden Male waren es Krämer auf dem Weg nach Svineborg mit leeren Ochsenkarren, um Fleisch zu transportieren. Doch beim dritten Mal stießen wir auf eine Gruppe von fünf Wegelagerern, die nichtsahnend direkt in die Arme der größten Kriegerschar auf Fünen liefen. Das war ihr Pech und ihr Ende, da sie nichts anderes zu berichten hatten, als dass sie von Rollo Jarl auf Langeland des Landes verwiesen worden waren. Bei der Erinnerung an meinen ehemaligen Besitzer, als ich noch Schiffssklave war, befahl ich wutschnaubend, sie auf der Stelle umzulegen. Der Befehl wurde umgehend umgesetzt, was Midgard vermutlich zu einem besseren Ort machte.

Das vierte Mal hielten wir ungefähr einen Pfeilschuss von Gammelborg entfernt, wo Harek auf mich wartete. Er zog ein Gesicht, als hätte er einen leibhaftigen Troll gesehen und war schon im Begriff, sich aus dem Staub zu machen, wie immer, wenn sich ein Kampf anbahnte.

«Rede, Marschmann», forderte ich ihn auf. «Und wenn du das Weite suchst wie ein Hase, ziehe ich dir wie einem Hasen das Fell über die Ohren. Kapiert?»

Harek flüsterte, dass Hel ihre Drachenklauen weit nach Midgard hinein streckte, und dass wir alle damit rechnen müssten, schon bald ihren fauligen Atem zu spüren. Auf solches Gerede habe ich mich nie verstanden, geschweige denn etwas darauf gegeben. Aber das behielt ich für mich.

«Lauf nicht weg, Harek. Dieses Mal bleibst du bei mir, egal, was passiert», sagte ich stattdessen und winkte Glum heran.

«Ja, Herr», murmelte Harek und machte einen noch verängstigteren Eindruck als vorher.

«Erklär mir, was der Marschmann meint», wandte ich mich an Glum, der zwar nicht so gut mit den Göttern reden konnte wie Lynn oder gar so gut wie Vigdis die Seherin, aber dennoch verstand er sie besser als die meisten. Ich bat Harek, seine Worte zu wiederholen.

Glum stellte seinen Sack ab, der wieder eigenartige Klagetöne von sich gab, und hielt sein Ohr vor Hareks Mund. Verstohlen schielte ich auf den geheimnisvollen Sack und griff nach dem jadegrünen Mjölnir-Amulett an meinem Hals.

Glum sah aus, als hätte Odin persönlich ihn geohrfeigt, und vielleicht traf das sogar zu – was mich sehr gefreut hätte.

«Harek sagt, dass Hel in Gammelborg gewesen ist und womöglich immer noch dort weilt», wisperte Glum. Das ergab für mich ebenso wenig Sinn wie das, was Harek zuvor gesagt hatte.

«Und was bedeutet das?» Jetzt war ich es, der flüsterte. Glum legte mir behutsam die Hand auf den Arm.

«Kommt, Herr», sagte er und ging in Richtung meiner Burg. «Ich glaube, am besten seht Ihr Euch mit eigenen Augen an, was Harek gesehen hat.»

Selbst aus der Entfernung erkannte ich die Palisade und den Turm über dem Tor, und ich sah ein Stück des Holzdachs meiner Halle. Auf dem Palisadengang standen Männer. Wer es war, erkannte ich nicht, aber ihre Helme und Speerspitzen ragten über die Befestigung. Das Tor war verschlossen, abgesehen davon sah alles heimisch und bekannt aus, als wären Amundis Worte ein derber Scherz gewesen. Ein unverschämter und rücksichtsloser Scherz. Aber dann fiel mir auf, dass etwas fehlte.

«Die Geräusche», flüsterte ich. Glum blickte mich zustimmend an.

Normalerweise war der Lärm von Kühen, Schafen, Pferden, Hühnern, Sklaven und grunzenden Schweinen zu hören, aber jetzt herrschte Stille wie in einem stummen Albtraum. Als ich auf meine Burg zuging, bemerkte ich außerdem, dass auch kein Rauch von den Feuerstellen aufstieg.

Glum lief in aufrechtem Gang weiter, ohne den Schild hochzunehmen, als fürchte er keine Pfeile, die Otts Männer jeden Moment auf uns abfeuern könnten. Ich schaute über die Schulter, die gesamte Mannschaft folgte uns, doch niemand sprach – nicht einmal Ymer. Einen Speerwurf vor dem Tor blieb Glum abrupt stehen, ließ den Schild fallen und streckte die Hände zum Himmel.

«Herr?», rief er, während er auf die Knie sank und den Kopf neigte.

«Ja», murmelte ich, begriff aber, dass Glum unser aller Herr anrief.

«Odin, Herr, beschütze uns, so wie du deine mächtigen Söhne Thor und Tyr beschützt, und gib uns die Kraft, die wir brauchen, um Hel zu bekämpfen.»

Zugestanden, meine Hände zitterten, und ich hatte Angst, aber es waren nun einmal meine Burg, meine Frau und meine Söhne, die darauf warteten, dass ich wieder die Burgherrschaft übernahm. Deshalb zwang ich meine Beine, mir zu gehorchen, und ging auf das Tor von Gammelborg zu.

«Was hat das zu bedeuten?», fragte Ymer. Er folgte mir als Einziger. «Warum hagelt es keine Pfeile und Speere auf uns?»

Da ich es nicht wusste, zuckte ich bloß mit den Schultern und lief weiter aufs Tor zu.

«Herr», sagte Glum, als ich direkt vor dem Tor stand, und etwas in seiner Stimme ließ mich innehalten.

«Ja?», sagte ich und drehte mich zu dem Mann um, der sich nach Lynn am besten auf die Welt der Götter verstand.

«Lasst mich vorgehen.»

Ymer schien einverstanden. «In Ordnung, Glum. Bring uns in meine Burg.»

Glum trat ans Tor und klopfte mit der Rückseite seiner Streitaxt dagegen. Das Klopfen durchbrach die Stille.

«Öffnet das Tor, der Herr von Gammelborg will in seine Halle!» Niemand antwortete, und als er erneut ans Tor klopfte, übertrumpfte mein schwelender Zorn die Angst. Ich stellte mich neben Glum und hämmerte Fenris’ Schaft gegen das solide und mit Eisenplatten beschlagene Eichenholztor.

«Macht auf, oder ich werde euch alle vom Arsch bis zum Hals aufreißen, bei Thors stinkenden Fürzen!»

«Gut gesprochen, Herr», nuschelte Glum, aber sein Blick verriet, dass er das sicher nicht so meinte.

«Ulv, komm her», sagte Ymer, der ein Stück rechts vom Tor stand.

Ich ging zu ihm und folgte seinem Blick. Von oben schaute ein Gesicht auf uns herab, dessen Augen in Midgard nichts mehr sahen. Der Helm saß dem Mann schief auf dem Kopf, der Mund war zu einem verzerrten Schreckensschrei erstarrt.

«Das ist Jon», sagte Ymer leise.

Jetzt erkannte ich auch den Sohn von Arne Doppelstich, der noch ein klein wenig zu jung gewesen war, um uns nach Seeland zu begleiten.

«Arnes einziger Sohn», sprach Ymer laut aus, was ich nur zu gut wusste. Ich änderte meine Position ein wenig, und hinter Jon kam ein weiterer Kopf mit Helm zum Vorschein. «Und das ist Sigvald, Bersis Sohn.»

Sigvalds Augen fehlten. Ein grässlicher Anblick. Ich drehte mich zu meiner Mannschaft um, die mich schweigend beobachtete. Arne Doppelstich stand an der Spitze.

«Arne sollte es jetzt noch nicht erfahren», sagte ich. Auch Ymer hielt das für besser.

«Er wird bestimmt Blutrache an Ott fordern», setzte er hinzu. «Wir können nur hoffen, dass du nicht das Recht hast, dasselbe zu fordern.»

Ich nickte verbissen, daran mochte ich in diesem Moment gar nicht denken.

«Harek», sagte ich und musste mich räuspern, da mein Zorn der Furcht um das Leben meiner Frau und meiner Söhne wich. Der Furcht davor, dass Helheims Leichenstrand Náströnd nach Gammelborg verlegt worden war und Thor mich verlassen hatte. Seit der Schlacht bei Lejre hatte ich seine Stimme nicht mehr in mein Ohr flüstern hören. «Harek?»

«Ja, Herr?»

«Kletter über die Palisade und öffne das Tor», sagte ich. «Nimm Ymer als Leiter.»

Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, missfiel ihm der Auftrag. Aber er gehorchte und ging zu Ymer.

Für gewöhnlich hätte Ymer an dieser Stelle protestiert, aber er stellte sich widerspruchslos mit dem Rücken an die Palisade. Harek kletterte wie ein Eichhörnchen an ihm hinauf, als wäre Ymer ein Baumstamm. Das letzte Stück sprang er, bekam die Palisadenspitze gerade so zu fassen, zog sich nach oben und war schneller hinter der Palisade verschwunden, als ich es für möglich gehalten hatte.

«Zum Tor!», rief ich und streckte meinen Arm in die Richtung. Keiner bewegte sich vom Fleck.

Ich mach ihnen keinen Vorwurf, denn wäre es nicht meine Burg und die Angst um Álof und meine Söhne nicht so riesig gewesen, hätte ich einen solchen Befehl auch verweigert.

«Komm, Ymer», sagte ich und erreichte das Tor, wo das Geräusch eines Balkens zu hören war, der über Eisen und Holz scharrte. Mit einem Poltern fiel der Querbalken wieder in die Halterung, danach begann das Scharren von vorn. Endlich bewegte sich einer der Torflügel.

«Harek?», sagte ich, als der Marschmann durch die Öffnung flitzte und an mir vorbeirannte. «Harek?»

Mit einer Mischung aus Schluchzen und Angstschrei machte sich der Marschmann aus dem Staub. Er widersetzte sich meinem Befehl, wohlwissend, dass ich ihn zu Tode prügeln würde. Meine Hände zitterten.

«Glum?» Ich schluckte, ehe ich weitersprechen konnte. «Du musst nicht mit Ymer und mir hineingehen.»

Glum schüttelte den Kopf, was ich so deutete, dass er nicht mitkommen wollte. Was nicht stimmte.

«Magne, Erland, Peder und Alfrik!», rief er und winkte der Mannschaft zu, die ich schon abgeschrieben hatte.

«Sie wollen sicher nicht …», sagte ich, verstummte aber, als vier junge Kerle, denen nicht einmal ein ordentlicher Flaum am Kinn wuchs, sich aus den Reihen lösten und zu Glum liefen.

«Ja, Herr», meldeten sie sich einstimmig bei ihm.

«Herr?», stutzte ich und schaute Glum fragend an. Der nickte nur.

«Sie kommen mit uns in die Burg.»

Die vier jungen Männer bestätigten es mit einem Nicken, und darüber war ich froh.

«Herr?», wiederholte ich, diesmal lauter. Doch Glum nickte wieder nur.

«Sie sind oft im Heiligtum in Gammelborg. Lynn und ich bringen ihnen bei, die Sprache und Vorzeichen der Götter zu verstehen.»

«Und warum nennen sie dich ‹Herr›?»

«Weil ich ein Seidmann bin. Ebenso wie sie Lynn mit Herrin anreden, weil sie eine Völva ist», erklärte Glum und setzte hinzu, dass ich Vigdis die Seherin schließlich genauso Herrin nannte. Da musste ich ihm recht geben, trotzdem sah ich ihn streng an.

Immerhin war Glum so umsichtig, dass er den jungen Kerlen verbieten wollte, ihn Herr zu nennen, falls mir das missfiel. Meinetwegen konnten sie Glum auch Odins fehlendes Auge nennen, solange sie uns mit Waffen in den Händen hinein nach Gammelborg folgten. Sieben Männer gegen das, was uns dort drinnen erwartete, waren trotz allem besser als drei.

«Sie dürfen dich gern auch einen Furz aus Odins Arsch nennen», sagte ich. «Solange sie wissen, wer ihr Herr und Gebieter in Midgard ist. Wissen sie das?»

Glum nickte eifrig und bot an, voranzugehen. Ein guter Vorschlag, wie ich fand, weshalb ich nun nickte.

«Wie zwei Tauben, die nach Körnern picken», brummte Ymer und ging als Erster durch das Tor, gefolgt von einem Seidmann, seinem Herrn und vier zitternden und bewaffneten Jünglingen.

Ich sage es geradeheraus, auch wenn ich nicht stolz darauf bin: Ich hatte Angst! Und zwar derart heftig, dass ich noch heute daran zweifle, ob der Anblick, der sich uns hinter dem Tor bot, wirklich war, oder ob es bösartige Trolle waren, die mir diese Bilder nachts in meine Träume unterschoben.

Was Edmund der Einfältige nun niederschreibt, während er sich mit seinen Wurstfingern bekreuzigt und seine Gebete gegen den Satan murmelt – den bösen Riesen, der alle Christen fressen will –, entspricht meiner Erinnerung.

Ymers breiter Rücken war das Erste, was ich sah, als ich durch das Tor schritt. Er war wenige Schritte hinter der Palisade stehen geblieben, als verweigerten seine Füße ihm den Dienst. Vielleicht taten sie das wirklich, denn meine taten dasselbe, als ich neben ihn trat.

Ich nahm gar nicht wahr, dass ich Fenris und meinen Schild fallen ließ, bis beide auf den Boden schlugen. Die Luft kam mir eiskalt vor, sie lähmte meine Zunge und meinen Atem. Dunkle Wolken verschlangen das Licht, und das Schweigen der Vögel hallte wie der Klang von tausend Schmieden, die auf ihre Ambosse droschen. Mein Blick wurde trüb, als würde ich die Augen unter Wasser öffnen. Der Gestank von Verwesung, Blut und Eingeweiden heftete sich an mich wie Hels fauliger Atem, und erst als ich keuchend nach Luft schnappte, verstand ich, dass ich nicht tot war.

«Bei Odin», flüsterte ich, griff nach meinem Amulett und zwang mich, die Szenerie zu betrachten, die Hel vor mir ausgebreitet hatte. Langsam bekam ich die Panik so weit unter Kontrolle, dass sie wieder Platz ließ für die Angst um das Wohl meiner Familie.

Ich blinzelte mehrere Male, bis mein Blick klarer wurde. Jetzt sah ich, dass die gesamte Mannschaft von Gammelborg und alle meine Sklaven knieten und die Hände gefaltet hatten, als würden sie nach Art der Christen beten. Sie saßen im Kreis um ein Kreuz, an das eine Person genagelt war. Auf die gleiche Weise gekreuzigt, wie Pillgryes mir erzählt hatte, dass Pontius Pilatus den Gottessohn hingerichtet hatte, den ich gern den angenagelten Schwächling nannte. Im ersten Moment glaubte ich tatsächlich, mir erschiene der angenagelte Gott in meiner eigenen Burg. Aber als ich genauer hinsah, entdeckte ich, dass es Asgøt war, mein persönlicher Haussklave, der am Kreuz hing.

Die um das Kreuz Knienden sahen aus, als wären sie noch am Leben, aber die Stille und der Gestank verrieten mir, dass dem nicht so war. Ich zwang meine Beine, sich zu rühren, und ging zur nächsten Person, in der ich eine von Álofs Haussklavinnen erkannte. Als ich hinter sie schaute, sah ich, dass man sie an einen kurzen Pfahl genagelt hatte. Ihre gefalteten Hände waren zusammengebunden und wurden von einer Schlinge um den Hals gehalten. Vögel hatten die Augen herausgepickt, und ihr Mund war zu einer schmerzvollen Grimasse erstarrt. Der Nächste war einer von Amundis Wachmännern. Auch er war mit gefalteten Händen an einen Pfahl genagelt, doch er trug einen Helm und hatte seine Augen noch. Ich hielt mein Amulett umfasst und schickte ein stilles Gebet an Thor, er möge mir beistehen, während ich zwischen den vielen knienden Toten umherlief.

Ich habe in meinem Leben schon viel Wahnwitziges gesehen und auch selbst allerlei Untaten begangen, aber nie etwas derart Makabres wie diese irrsinnige Zurschaustellung mit biblischen Anspielungen. Einzig und allein die Suche nach Álof, Toke, Palner und Sven brachte mich dazu, weiterzugehen und die auf die Brust gesunkenen Köpfe anzuheben.

Zum Glück fand ich weder meine Frau noch meine Söhne.

«Herr», rief Glum. «Schaut!»

«Ulv!», meldete sich auch Ymer.

Etwas in ihren Stimmen sagte mir, dass ich das Schlimmste noch nicht gesehen hatte. Ich nahm den Blick von dem toten Wachmann und schaute zu Ymer und Glum, die vor dem angenagelten Asgøt am Kreuz standen.

«Er lebt», sagte Ymer. «Aber ihm bleibt nicht mehr viel Zeit.» Ich spurtete zu ihm und stieß auf dem Weg einige der Knienden um.

«Asgøt?», fragte ich. Seine Augen flackerten. Die Lippen waren kaum mehr als vertrocknete Hautfetzen, doch er schaffte es, ein Auge halb zu öffnen. «Asgøt, kannst du mich hören?»

Er nickte schwach und versuchte, etwas zu sagen.

«Was sagt er, Glum?»

Der Seidmann verstand ihn genauso wenig, aber meinte, wir sollten Asgøt vom Kreuz herabnehmen.

«Nein, nein», sagte ich, weil ich fürchtete, dass er jeden Augenblick sterben könnte. «Zuerst muss er reden, dann kannst du mit ihm tun, was du willst.»

Glum bat Ymer, ihm zu helfen, sein Ohr näher an Asgøts Mund zu bringen. Ymer packte Glum, der trotz seiner kaum nennenswerten Körpergröße ein breitschultriger und kräftiger Mann war, und hob ihn hoch, als wäre er ein Kind. Glum sagte etwas zu Asgøt, legte das Ohr an dessen Mund und lauschte.

«Die Halle, Herr.»

«Was ist mit meiner Halle?»

Darauf wusste Glum nichts zu sagen. «Asgøt sagte nur: Die Halle! Und dann starb er.»

«Ist er tot?»

Glum nickte.

«Lass den Seidmann herunter, Ymer», sagte ich und blickte hinüber zur Halle mit dem Holzdach, das immer noch gut in Schuss war, trotz seiner zehn Jahre auf dem Buckel. «Komm!»

Die Tür knarrte, als Ymer sie öffnete, was sie nie getan hatte, soweit ich mich erinnerte. Andererseits war es in Gammelborg aber auch nie so still gewesen wie jetzt, selbst damals nicht, als ich als neu ernannter Burgherr zum ersten Mal hierhergekommen war. Gammelborg war da noch ein verfallener Haufen aus verrotteten Planken gewesen, aber es gehörte mir, und darauf war ich vom ersten Moment an stolz.

Von diesem Stolz war nicht viel zu spüren, als ich Ymer in die große Halle folgte und beim Anblick der spatentiefen Löcher im Boden stehen blieb. Selbst die Stellen, wo der festgestampfte Boden mit Steinplatten bedeckt war, hatten sie aufgegraben.

An den Wänden hingen die großen Wolfsbanner und Wandteppiche gegen die Kälte, außerdem Speere, Äxte und Schilde als Verzierung. Die Teppiche an der Wand zu meinem Schlafzimmer waren heruntergerissen, ebenso der Vorhang in der Türöffnung, und an den Wänden klebte etwas, das verdächtig nach Blut aussah. In der Öffnung lagen Holzsplitter, vermutlich zerschlagene Tische und Bänke. Ich erkannte auch den gewundenen Eisengriff von Álofs Truhe, die sie im Schlafzimmer aufbewahrt hatte.

Die Regale mit Krügen, Schüsseln und Werkzeugen, die normalerweise an der Wand zum Schlafzimmer standen, waren umgestoßen, und der gesamte Inhalt war zerstört. Selbst Álofs großer Webstuhl, an dem wir die Segel für unsere Schiffe fertigten, war zu Kleinholz gehackt, und die großen Steingewichte fehlten.

Sämtliche Tische, Bänke und Stühle waren in Stücke geschlagen und in die vielen Löcher im Boden geworfen worden, zusammen mit den Kleidertruhen, Kisten und Fässern. Alles, was sich zerstören ließ, bis auf den Wandschmuck, lag in den Löchern.

Von den Dachbalken hingen getrocknete Kräuter, Blumen und die langen Ketten mit Kupferplatten, auf denen Wachskerzen standen, über die Álof sich immer so freute, weil sie sie an ihre Kindheit in Swensi erinnerten.

Auch die Feuerstelle war zum Teil aufgegraben und das Feuer erloschen, was ich nie zuvor gesehen hatte. Und der Regen prasselte auf das Dach, als wollte Njörd ebenfalls zeigen, wie schlecht ihm Otts Werk gefiel. Der Regen strömte durch den Rauchabzug, tropfte von dem großen Funkenschutz in die kalte Asche und verbreitete so den beißenden Geruch nach kaltem, nassem und verbranntem Holz. Der Geruch erinnerte mich an Krigerbygd, wo wir Glam, Otts Lustknaben, ausgeräuchert hatten.

Das Regenwasser bildete Rinnsale in der Asche, suchte sich Wege durch Risse zwischen den Steinen rund um die Feuerstelle und versickerte in den Löchern im Boden, in denen die Hälfte meines Silbers vergraben gewesen war. Viele versteckten ihr Silber, sofern sie welches besaßen, im Boden unter dem Misthaufen, unter dem Amboss in der Schmiede oder unter dem Hochstuhl in der Halle, wenn es einen gab. Ich hatte zwar einen solchen, aber hatte es für einen besonders schlauen Einfall gehalten, die Hälfte meines Schatzes unter der Feuerstelle zu vergraben, in dem Glauben, das Silber sei dort viel zu heiß zum Klauen. Das war also nicht der Fall.

«Mein Silber», entfuhr es mir bei der Erkenntnis, dass ich nun kein wohlhabender Mann mehr war.

Im Gegensatz zu Ott, der der Anzahl und der Tiefe der Löcher nach zu schließen alle meine Schätze gefunden hatte und nun unfassbar reich war.

«Dieser verhurte Drecksack», murmelte ich und stellte überrascht fest, dass mein Fuß auf den Boden stampfte und die Angst um das Leben meiner Familie einem lodernden Zorn wich. Hätte Torste an meiner Seite gestanden, so wie er es die letzten fünfzehn Jahre getan hatte, wäre er in Gelächter ausgebrochen. Aber leider war er nicht bei mir. In meiner Raserei beschloss ich, die Halle zu verlassen und ganz Gammelborg niederzubrennen. Und dann würde ich den Stammsitz meiner Familie wieder aufbauen, Norneborg bei Odins Vi, und damit Ott beweisen, dass ich immer mächtiger sein würde als er, egal wie viel Silber ich verlor, und egal wie viele Sklaven und anderes Vieh er mir stahl oder tötete. Ich befand mich mal wieder auf direktem Weg in eine meiner berühmten Sackgassen, in denen die Nornen Tränen lachten. Glum machte alles zunichte, indem er nach mir rief, ehe ich die Halle verlassen konnte.

«Herr!», sagte er.

«Was?», fauchte ich, die Hand schon an der Tür. Glum stand vor dem Loch in der Mitte der Halle, in dem ich die zweite Silberhälfte vergraben hatte. «Hat dieser verschwuchtelte Narr irgendetwas von Wert zurückgelassen?» Glum nickte, fiel auf die Knie und schloss die Augen. «Dann hol es heraus, Seidmann!»

«Das solltet Ihr selbst tun, Herr.»

Ich war mit wenigen Sätzen bei Glum.

«Was hat er …»

Meine Stimme erstarb, ebenso wie mein Zorn und der letzte Rest Güte in mir.