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Henrik Amandus Edmundus, 30, ist stinkreich und hat die Nase voll von Weibern, die nur auf sein Bankkonto scharf sind. Darum beschließt der Multimillionär und Jungunternehmer, als stinknormaler Arbeitnehmer bei der städtischen Müllabfuhr anzufangen und den 'Ärmling' zu mimen, um endlich eine Frau kennenzulernen, die IHN liebt und nicht sein Geld. Kathalea Pfennigbaum, 29, ist nicht nur arm wie eine Kirchenmaus, sondern auch mal wieder joblos. SIE hat die Nase voll von armen Schluckern, die sich von ihr aushalten lassen und dann doch das Weite suchen. Also beschließt sie, nur noch einen Millionär in ihr Bett zu lassen. Auf einer Spendengala begegnen sich Henrik und Kathalea, und obwohl ihre Herzen füreinander schlagen, wollen beide nichts voneinander wissen, denn Henrik will keine 'Geldgeierlady' mehr und Kathalea keinen 'Blutsauger'. Doch was passiert, wenn der Sachbearbeiter im Universum ausgerechnet Henrik und Kathalea füreinander vorgesehen hat und zur Beschleunigung der Akte auch noch den schnöseligen Edward Cornelius von und zu Hagendorn ins Spiel bringt? Wird dann die Erde zur Scheibe oder bricht das (Liebes-)Chaos aus?
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Seitenzahl: 258
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Abserviert
Weiber!
Fix und Foxi
Date mit Hindernissen
Blasierter Affe
Mich tritt ein Elch!
›S‹ für Suche ein Weib
Schmierentheater
Müllauto in Schweinchenrosa
Geldgeierlady
Keine Chance
Du?
Aufgeflogen
Wunder(-frauen)
»Henrik Amandus Edmundus…«
Henrik horchte auf und spürte den klitzekleinen Anflug von Ärger in sich hochkriechen, wie ein Tausendfüßler, der sich unaufhaltsam seinen Weg in Richtung Kopf bahnte. Angewidert schüttelte er sich, als könnte er das unangenehme Gefühl auf diese Weise abstreifen. Er hasste seinen Namen und jeder, der ihn kannte, wusste das auch.
»…lass uns verreisen! Was hältst du von Bali oder den Malediven?« Anastasia Cassandra von Weltermann sprang die Gier förmlich aus dem Gesicht. Dollarzeichen und Reisebroschüren teilten sich dabei den Platz in ihren Augen.
Henrik schnitt eine Grimasse. »Anastasia, sprich-mich-NIE-wieder mit meinem vollen Namen an, sonst kannst du mit einer Nussschale über den Ozean schippern, und zwar ohne mich.«
Anastasia warf ihre langen Haare über die knochigen Schultern und rümpfte ihre dreißigjährige - vor drei Jahren jedoch verjüngte - Nase. Ihre frisch gezupften Augenbrauen hob sie leicht in die Höhe. »Immer bist du so empfindlich. Und so beschäftigt. Oftmals reagierst du erst, wenn ich dich mit deinem vollständigen Namen anspreche. Ich langweile mich. Urlaub ist gut gegen Langeweile.«
»Urlaub von was? Vom Nichtstun?«
»Jetzt blubbere mich nicht so an, nur weil ich dich falsch angesprochen habe«, knurrte Anastasia.
Henrik fragte sich zum zigsten Mal, was er eigentlich von seiner Errungenschaft wollte. Anastasia war von Beruf Tochter. Statt zu arbeiten, gab sie Unmengen von Geld aus, welches ihr Vater monatlich auf ihr Konto überwies.
Eigentlich brauchte sie Henriks Kohle nicht, um zu verreisen und doch erwartete sie mehrfach im Jahr, dass er sie auf Reisen mitnahm, vorzugsweise in Fünf-Sterne-Hotels.
»Du weißt, dass ich meinen Namen nicht ausstehen kann, also ziehe mich nicht ständig damit auf. Und warum müssen wir schon wieder verreisen? Waren wir nicht gerade erst auf Hawaii?«
Henrik war genervt.
Nicht nur, dass seine Großmutter alle Verwandten und Freunde der Familie zu dieser schrecklichen Geburtstagsfeier eingeladen hatte, nein, nun nervte auch noch seine Lebensabschnittsgefährtin.
Okay, zugegeben, eigentlich zerrte sie mit ihrer ständig gelangweilten Art seit zwei Jahren an seinen Nerven, aber bisher war er zu beschäftigt gewesen, um das Problem zu beseitigen. Er war Inhaber von mehreren Firmen. Seine größte Firma - eine Unternehmensberatung, die andere als Haifischbecken bezeichneten, weil er ruinierte Firmen aufkaufte und zerstückelte - nahm ihn derart in Beschlag, dass er kaum noch Freizeit hatte. Und in der wenigen Freizeit, die er hatte, musste er sich auch noch mit den überflüssigen Problemchen seines Sexverhältnisses abgeben.
Anastasia stöhnte affektiert. »Henrik, das war vor drei Monaten! Ich kriege hier in der kleinen Großstadt noch einen Hüttenkoller.«
»Dann suche dir einen Job wie normale Menschen auch«, konterte Henrik. »Außerdem kannst du deine ausschweifenden Reisen von deinem eigenen Geld bezahlen. Warum muss ich ständig herhalten?«
»Einen Job? Bist du verrückt geworden? Dann müsste ich ja arbeiten.« Anastasia schnalzte pikiert mit der Zunge.
»Wozu habe ich mir einen reichen Freund geangelt, wenn der keinen Bock hat, mir mal die eine oder andere Gefälligkeit zu bezahlen?«
»Die eine oder andere Gefälligkeit? Ana, du wohnst mietfrei in meinem Loft, fährst meinen Mercedes und bist neulich sogar mit meiner Kreditkarte shoppen gegangen.«
»So viel habe ich nun auch wieder nicht eingekauft.«
»Die Rechnung belief sich auf zwanzigtausend Euro! Für Klamotten! Und das nennst du ›nicht viel‹?«
»Nun reg’ dich nicht so auf. Das bezahlst du doch aus der Portokasse.«
»Boah, Ana, werde endlich erwachsen! Auch ich muss meine Portokasse füllen«, polterte Henrik heraus.
»Anastasia soll arbeiten gehen? Nee, da bricht ihr vielleicht noch ein Fingernagel ab«, mischte sich Henriks Schwester ein.
Pikiert blickte Anastasia sie an. »Ophelia, hast du je einen Finger rühren müssen? Du bist doch auch von Beruf Tochter und lebst auf Kosten deiner Familie.«
Ophelia erwiderte den Blick. »Ana, ich bin Industriekauffrau. Es sollte dir nicht entgangen sein, dass ich in der Reederei meines Vaters arbeite und täglich darauf hoffe, dass ich sie auch übernehmen darf. Im Gegensatz zu dir falle ich niemandem auf den Wecker.«
»Echt? Du hast eine Ausbildung gemacht? UND du gehst arbeiten? Jeden Tag? Warum? Du hast doch schon ein paar Millionen auf dem Konto.« Ungläubig musterte Anastasia die Schwester ihres Freundes.
Ophelia lachte höhnisch auf. »Hast du schon einmal daran gedacht, dass man automatisch Langeweile schiebt, wenn man NICHT arbeiten geht? Außerdem mehre ich mein Geld gerne. Warum sollte ich mich also mit fünf Millionen Euro zufrieden geben, wenn ich das Sechsfache haben kann?«
Anastasia überprüfte ihre Fingernägel. »Mir hat die Lehre zur Speditionskauffrau gereicht. Ständig sind mir die Fingernägel abgebrochen oder ich hatte Kugelschreiberflecken auf der Haut. Einmal habe ich mir sogar mit Stempelfarbe die Bluse ruiniert. Den Schaden habe ich nicht einmal ersetzt bekommen! Und dann immer dieser Stress!
Einfach nur anstrengend.«
»Darum bist DU ja auch verarmter Adel, während ICH zur reichen Unternehmerbranche gehöre«, erwiderte Ophelia und grinste frech.
»SO verarmt bin ich nun auch wieder nicht«, verteidigte sich Anastasia. »Immerhin bekomme ich fünftausend Euro pro Monat von meinem Vater aufs Konto.«
Ophelia fasste Henrik an den Oberarm und zwang ihn, sich ein paar Schritte von den Gästen zu entfernen. »Bist du sicher, dass du sie nicht langsam mal abschieben willst? Brauchst du sie wirklich? Oder ist sie so umwerfend im Bett? Die ist doch nur auf dein Geld aus, Henrik.
Oder hast du wirklich das Gefühl, dass sie dich LIEBT?«
Henrik sagte nichts. Stattdessen blickte er nachdenklich durch seine Schwester hindurch. Vielleicht war es wirklich langsam Zeit, die Komfortzone zu verlassen. Fragend wandte er sich an Anastasia. »Warum sind wir eigentlich zusammen, Ana?«
Anastasia verschluckte sich an ihrer eigenen Spucke.
»Wie bitte?«
»Liebst du mich?«
»Natürlich, Schatz!«
»Oder liebst du vielmehr mein Geld?«, fuhr Henrik fort.
Anastasia holte tief Luft und hatte Mühe, ihre Stimme unter Kontrolle zu kriegen. »Natürlich nicht.«
Henrik lächelte hinterhältig. »Gut, dann kann ich ja auf das Angebot meines Vaters eingehen.«
»Und wie sieht das aus?« Geschmeidig wie eine Katze näherte sich Anastasia und drückte sich an Henriks stählernen Oberkörper. Dabei zwang sie Ophelia, zurückzuweichen.
Henrik blickte auf seine Freundin herab. »Er hat vorgeschlagen, dass ich für die nächsten fünf Jahre auf all mein Geld verzichte und noch einmal ganz klein von vorne anfange. Ich gehe zur Müllabfuhr und ziehe in eine kleine Ein-Zimmer-Wohnung. Kein Auto, keine Reisen.«
Anastasia wurde kreidebleich. Voller Entsetzen blickte sie Henrik an und wich ganz langsam von ihm weg, als hätte er ihr gerade gestanden, dass er an einem ansteckenden Fluch litt. »Willst du mich auf den Arm nehmen?«
»Nein.« Henrik hielt das Spiel aufrecht. »Je länger ich darüber nachdenke, desto sicherer bin ich mir, dass ich den Deal annehmen werde.«
»Was springt dabei für dich raus?«, fragte Anastasia tonlos.
Henrik blickte in die Ferne und ließ sich Zeit mit der Antwort. »Wenn ich ihm beweise, dass ich auf eigenen Beinen stehen und mein Geld vermehren kann, ohne auf ihn zurückzugreifen, überschreibt er mir das gesamte Familienunternehmen.«
»Außer der Reederei«, warf Ophelia ein, die das Spiel mitspielte.
»Außer der Reederei«, bestätigte Henrik. »Die gehört meiner Schwester.«
Ophelia drehte sich schmunzelnd weg, als Anastasia - einer Ohnmacht nahe - auf eines der Sofas sank. »Henrik, das halte ich für keine gute Idee. Du sollst ernsthaft auf ALLES verzichten? FÜNF JAHRE lang? Kein Auto, keine Reisen, keine Ausritte mehr? Ich meine, wir reden von JAHREN, nicht von TAGEN.«
»Nein, auch keine Ausritte mehr. Natürlich darf ich reiten gehen. Wenn ich mir die Reitstunden leisten kann. Ich muss sie nämlich, wie jeder andere Besucher unseres Gestüts auch, BEZAHLEN.«
Kopfschüttelnd saß Anastasia Cassandra von Weltermann auf dem dreihundert Jahre alten Sofa. »Und wovon sollen wir leben?«
»Ich weiß nicht, wovon DU leben wirst, Ana, aber ICH werde von meiner Arbeit als Müllmann leben. So schlecht verdienen die schließlich auch nicht.« Henrik lächelte sich eins ins Fäustchen. Das war die perfekte Gelegenheit, um sein mittlerweile höchst lästiges Anhängsel endlich loszuwerden. Ihr blödes Getue rund um Geld und Reisen ging ihm nämlich mächtig auf den Zeiger. Sie kam ja nicht einmal mit den fünftausend Euro ihres Vaters aus.
Sie lebte in Henriks sechs Zimmer großen Eigentumswohnung in der HafenCity, nutzte zum Einkaufen immer öfters seine Kreditkarte und buchte spätestens alle drei Monate einen Urlaub in Übersee. Sie war wie eine lästige Klette, die ihm nicht nur die Luft zum Atmen nahm, sondern auch noch das Geld aus der Tasche zog.
Anastasia blickte ihn an. »Unter diesen Umständen…«
Sie verstummte und schluckte. »…sollten wir vielleicht… eine Pause einlegen.«
Henrik nickte. Dann ging er zu ihr und nahm ihre Hände.
»Ich denke, unter diesen Umständen ist es sogar besser, wenn wir uns gleich trennen und nicht nur eine Pause machen. Vielleicht guckst du dich heute ein wenig um auf der Party meiner Großmutter. Irgendein Cousin wird sicher für dich abfallen.«
»Du machst Schluss mit mir und schlägst mir allen Ernstes vor, ich solle mir einen weiteren Edmundus schnappen? Nee, Henrik, also wirklich! So weit kann ich gar nicht sinken. Deine Familie ist total verrückt.«
Henriks Augenbrauen wanderten in die Höhe. »Wie bitte?«
Anastasia räusperte sich. »Nun, ich meinte, vielleicht sollte ich mich erst einmal erholen. Umsehen kann ich mich dann ja immer noch.« Sie starrte ein Loch in den Teppich, dann blickte sie lächelnd auf. »Aber wenn du in eine kleine Ein-Zimmer-Wohnung ziehst, kann ich doch in deiner Hafenwohnung wohnen bleiben, oder?«
»Kannst du nicht. Deine Sachen werden just in diesem Moment gepackt und innerhalb der nächsten drei Stunden zu deinen Eltern gebracht«, presste Henrik hervor.
»Was? Du setzt mich ernsthaft vor die Tür? Wo soll ich denn hin?« Mit offenem Mund blickte Anastasia zu Henrik.
»Keine Ahnung. Aber ein Müllmann und eine Adlige passen einfach nicht zusammen.«
»Das finde ich auch, aber…« Anastasia schnitt eine Grimasse, »…aber warum willst du ausgerechnet bei der städtischen Müllabfuhr anfangen? Es gibt eine Milliarde Jobs. Warum arbeitest du nicht als Tellerwäscher, Barkeeper oder in einer der vielen Firmen, die du ständig aufkaufst und teuer wieder verscherbelst?«
Henrik lächelte. »Ich will meinem Vater beweisen, dass ich in jeder Branche Erfolg haben und aus Scheiße Gold machen kann. Und so schlimm ist es nun auch wieder nicht, bei der Müllabfuhr zu arbeiten.«
»Was? Henrik Amandus, was erzählst du denn da für einen Blödsinn?«, ertönte eine weibliche Stimme.
Henrik drehte sich langsam um und blickte nicht nur seiner Mutter, sondern auch seinem Vater und seiner Großmutter in die Augen. »Hallo Leute!«
»Ist das hier ein Theaterstück?«, fragte Henriks Großmutter hoffnungsvoll. »Ich LIEBE Seifenopern.«
»Anastasia möchte sich bei euch verabschieden.« Henrik packte die Gelegenheit beim Schopfe und half Anastasia auf die Beine.
»Wieso, Liebes, willst du verreisen?«, fragte Cecile Anabeth Edmundus, Henriks Mutter. »Mal wieder«, fügte sie fast ein wenig schnippisch hinzu.
Anastasia schüttelte den Kopf. Sie war den Tränen nah.
Dann streckte sie die Hand aus und reichte sie Henriks Mutter. »Henrik und ich haben entschieden, uns zu trennen.«
»Wirklich? Warum?« Fragend blickte Henriks Mutter erst zu Anastasia, dann zu ihrem Sohn. »Ich dachte, ihr heiratet bald mal und schenkt uns ein paar Stammhalter.«
»Cecile, das ist doch die Entscheidung der jungen Leute«, mischte sich nun auch Vincent Theobald Edmundus, Henriks Vater, ein.
»Genau. Wir haben einfach festgestellt, dass die Liebe nicht mehr da ist«, erklärte Henrik emotionslos.
Anastasia blickte ihn überrascht an. »Haben wir das?«
»Ja.« Henrik nickte seiner Ex-Freundin zu, als hätte diese nicht alle Murmeln im Säckchen. »Haben wir.«
»Das ist aber schade«, bedauerte Henriks Mutter. Sie gab Anastasia links und rechts ein angedeutetes Küsschen in Richtung Wange und blickte der schniefenden Ex-Freundin ihres Sohnes hinterher.
»Und was hast du jetzt vor?«, wandte sie sich an Henrik, als hätte er gerade seinen Untergang beschlossen.
Dieser zuckte mit den Schultern. »Was soll ich schon vorhaben, Mama? Jetzt feiern wir erst einmal Omas Geburtstag und morgen läuft das Leben in seinen fast gewohnten Bahnen weiter.«
Oma Lisbeth zog ihren Enkel beiseite. »Ich gratuliere dir, mein Kleiner!«
»Wozu?«, fragte Henrik überrascht.
»Es wurde höchste Zeit, dass du die alte Schrapnelle mal abschießt«, antwortete Oma Lisbeth.
Zunächst blickte Henrik mit ernster Miene auf seine Großmutter, dann fing er an zu lachen. Glucksend nahm er sie schließlich in den Arm. »Ach, Oma! Du bist doch die Beste! Ein Unikat!«
»Natürlich bin ich das. Wir sind alle Unikate. Aber DIE da«, sie deutete zur Tür, »war ein besonders anstrengendes Exemplar der faulen, menschlichen Rasse.«
»Faul war sie in der Tat. Die nächste Frau, die über meine Schwelle tritt…«
»…und in dein Bett kommt«, unterbrach Oma Lisbeth ihren Enkel grinsend.
Henrik nickte. »Genau, und die in mein Bett kommt, darf NICHT wissen, dass ich stinkreich bin und nicht nur ein beträchtliches Erbe erwarte, sondern vor allem selbst schon einige Milliönchen gescheffelt habe.«
Oma Lisbeth kniff Henrik in die schmale Wange. »Das machst du richtig. Und wann fängst du nun bei der Müllabfuhr an?«
Perplex starrte Henrik auf seine zwei Köpfe kleinere Großmutter herab. »Oma! Sag bloß, du hast uns belauscht!«
»Mein Lieber, wenn du an meinem Hörgerät vorbeiwillst, dann musst du schon früher aufstehen«, konterte Oma Lisbeth.
Henrik grinste. »Du trägst doch gar kein Hörgerät.«
»Nee, ich habe gute Gene. Aber deine Idee finde ich gut.
Schau dir mal was anderes an als deinen goldenen Bürostuhl! Komm raus aus der Komfortzone und arbeite mit deinen Händen!«
»Oma, das war ein Scherz! Ich fange doch nicht bei der städtischen Müllabfuhr an und mache mir Nase und Hände schmutzig«, konterte Henrik pikiert.
Oma Lisbeth musterte ihren Enkelsohn. »Ich wusste gar nicht, dass du feige bist.«
»Feige?«
Ophelia drängte sich zwischen die beiden und kniff ihrem Bruder ebenfalls neckisch in die Wange. »Ja, feige. Du hast die Nase voll von reichen, verwöhnten Tussis oder von denen, die vorgeben, reich zu sein. Dann musst du auch als bodenständiger, ›normaler‹ Mann leben und das Feld in der Arbeiterschicht nach einer ›normalen‹ Frau abgrasen.«
»Ophelia hat Recht«, stimmte Oma Lisbeth ihr zu. »Henrik will eine ›uninteressante‹ Frau…«
»Nein«, widersprach Henrik, »›normal‹ ist doch nicht gleichbedeutend mit ›langweilig‹, Oma! Sie soll einfach nur nicht so abgehoben sein.«
»Du meinst, nicht so abgehoben wie der Rest, den du die letzten Jahre hier angeschleppt hast? Dann musst du auch in den richtigen Kreisen nach einer Braut suchen. Ich gehe schließlich auch nicht zum Fleischer, um Brot zu kaufen«, sagte seine Großmutter.
»Was ist das denn für ein Vergleich?«, fragte Henrik pikiert.
Oma Lisbeth kicherte.
Ophelia grinste. »Ich finde den Vergleich super. Bisher hast du immer Fleisch gekauft, obwohl du eigentlich ein kleines, fluffiges Brötchen haben wolltest. Und sieh dir mal an, was dabei herausgekommen ist! Erst hattest du nach dem Abitur Jolanda von und zu Irgendwas. Die war jawohl so was von schräg drauf!«
»War das nicht die Olle, die ihre Hunde mit einer goldenen Zahnbürste geschrubbt hat?«, fragte Oma Lisbeth.
Ophelia hob einen Daumen. »Genau. Und danach kam diese Rothaarige. Wie hieß sie noch gleich?«
Henrik starrte aus dem Fenster. »Belinda von der Hagenwand.«
Ophelia warf den Kopf zurück und lachte laut auf. »So kann man vielleicht sein Toilettenpapier nennen, aber doch nicht sein Kind! Genau, Belinda. Mann, die war echt krass drauf!«
»Schön war sie aber«, warf Oma Lisbeth ein. »Das hätte zauberhafte Kinder gegeben. Zauberhaft, aber strunzendumm. Das Mädel hatte doch einen Schuhtick, oder? Kam die nicht mit den Schuhen aus echtem Gold, die mit Hundert von Diamanten besetzt waren?«
»Ja«, Ophelia hob einen Finger, »und das eine Mal hatte sie ernsthaft Schuhe aus Glas an.«
»Das Mädel hatte zu viele Märchen geguckt. Wie Cinderella sah sie ja nun wirklich nicht aus«, bemerkte Oma Lisbeth.
»Okay, schön, dass ich zu eurer Belustigung beitrage«, warf Henrik ein, »seid ihr dann bald mal fertig mit eurer Aufzählung? Oder wollen wir gleich noch deine Fehltritte auflisten, Ophelia?«
Seine Schwester kicherte hinter vorgehaltener Hand.
»Meine Fehltritte waren kein Deut besser, Brüderchen.
Aber über deine gibt es mehr Geschichten zu erzählen.
Während mich die Typen immer nur verarscht und ausgenommen haben wie eine Weihnachtsgans, waren deine Ex-Freundinnen durch die Bank weg ECHT verkorkst und hatten dazu noch irgendeinen bescheuerten Tick.«
Henrik verzog das Gesicht. »In Ordnung, ich mach’s.«
»Was?« Fragend starrte Ophelia ihren Bruder an.
»Ich gehe gleich morgen zur Müllabfuhr und besorge mir dort einen Job. ABER«, er hob einen Finger, »kein Wort zu Mama und Papa. Sonst beende ich das Projekt sofort.«
Oma Lisbeth und Ophelia blickten sich an, dann wandten sie sich an Henrik. »Geht klar. Wir schweigen wie dein Franz.« Oma Lisbeth deutete auf Henriks Schildkröte und schloss ihren Mund mit einem imaginären Schlüssel ab.
Dann warf sie den unsichtbaren Gegenstand aus dem geschlossenen Fenster.
Henrik verdrehte die Augen.
Manchmal war er sich nicht sicher, ob seine Familie nicht am durchgeknalltesten von allen war.
Ophelia hielt eine Hand vor sich. »Schlag ein, Bruderherz!«
Henrik klatschte seine Hand auf ihre, Oma Lisbeth besiegelte den Pakt. »Dann ist es abgemacht. Henrik fängt bei der Müllentsorgung an und gibt uns jede Woche Bericht.
Ach, endlich gibt es mal etwas Abwechslung im Alltagstrott. Und vergiss nicht, bei der Arbeit auch die Mädels anzubaggern, wenn du mit dem Müllauto herumfährst!
Pfeife ihnen hinterher und hau ein paar coole Sprüche heraus!«
»Oma!« Ophelia verdrehte kichernd die Augen.
»Ihr wollt einen Wochenbericht?«, fragte Henrik ungläubig.
»Na, klar! UND du brauchst eine andere Wohnung«, warf Ophelia ein.
Henrik verdrehte die Augen. »Ach nö! Ehrlich?«
Ophelia nickte bestimmt. »Natürlich. Oder hast du schon einmal einen Mitarbeiter der Müllabfuhr gesehen, der in einer fünf Millionen Euro teuren Wohnung in der Hafen-City wohnt, einen Fußboden aus reinem Marmor hat und echt goldene Wasserhähne?«
»Und was mache ich so lange mit meiner Wohnung?«
Sehnsüchtig dachte Henrik an seine schicke Unterkunft, die er zufälligerweise abgöttisch liebte.
»Ich werde ab und zu nach dem Rechten sehen und zwischendurch ausschweifende Partys darin feiern«, sagte Ophelia grinsend.
»Das wirst du nicht!« Ernst blickte Henrik seine Schwester an. »Du feierst in meiner Wohnung KEINE Partys!
Sonst beende ich das Projekt, bevor es angefangen hat.«
Oma Lisbeth legte ihrem Enkelsohn eine Hand auf die Schulter. »Mein Lieber, reg dich nicht auf! Ophelia wird natürlich KEINE Partys in deinen heiligen Hallen feiern.
Sie wird dein Eigentum ehren und achten. Und nun kommt mit zur Kuchenbar. Ich habe Hunger gekriegt.
Pläneschmieden macht mich immer so wahnsinnig hungrig.«
Lächelnd legte Henrik ihr einen Arm um die Schultern.
»Na, dann komm, Oma! Gehen wir uns den Bauch vollschlagen!«
»Genau, nutze es aus, Bruderherz«, wisperte Ophelia grinsend. »Wer weiß, wann du wieder was zu beißen kriegst.«
Henrik zeigte mit dem Finger auf sie. »Wenn mein Geld nicht reicht, um im Supermarkt um die Ecke einzukaufen, dann bettele ich dich an!«
»Geht klar!« Ophelia nickte. »Und bis dahin nehme ich deine ganzen Kreditkarten an mich.«
»Ha! Das könnte dir so passen. Nein, nein, Schwesterherz, so viel Großmut kann ich nicht annehmen. Ich lege meine Karten in den Safe. Da sind sie sicherer aufgehoben als bei dir, du alte Shoppingschnecke!«
Ophelia schnitt eine Grimasse. »Musst du mich ans Shoppen erinnern?«
»Kindchen, heute geht niemand shoppen! Beherrsche dich, Ophelia Grazia Edmundus«, sagte Oma Lisbeth entschlossen. »Heute wird gefeiert. So lange musst du deine Kaufsucht zügeln.«
***
»Boah, ich habe so was von die Nase voll«, stöhnte Kathalea Pfennigbaum. Stöhnend ließ sie sich am Küchentisch nieder.
»Extra große Portion Pommes?«, fragte Stine Appelton nach.
Kathalea nickte und lächelte ihre langjährige Freundin an.
»Du weißt immer, was ich brauche, wenn ich total fertig bin. Wie gut, dass DU wenigstens eine Konstante in meinem Leben bist. Die einzige, wohlgemerkt.«
»Na, Kathalea, du siehst ja heute richtig scheiße aus! Hat dich dein Macker mal wieder verlassen oder bist du schon wieder in den Gefilden der Arbeitslosen?« Rolf Appelton lächelte in die Runde, gab seiner Frau Stine einen Kuss und ließ sich ächzend auf der Eckbank nieder.
»Du hast leicht reden, Mr Oberlehrer«, konterte Kathalea pikiert.
»Entschuldige dich SOFORT bei Kathi für dein flegelhaftes Verhalten oder verlasse diesen Ort der kulinarischen Köstlichkeiten!«, forderte Stine ihren Mann auf.
Perplex blickte Rolf auf. »Aber Liebste! Was verlangst du von mir?«
Streng blickte Stine auf ihren Mann hinab und wedelte mit der Pommeskelle herum. »Pommes oder Hungern?«
Rolf verzog das Gesicht. »Holde Kathalea, bitte verzeiht einem dummen Mann die ungehobelte Wortwahl und gewährt mir ein paar geile, fettige Pommes aus den frischen Früchten meines Gartens!«
Kathalea unterdrückte ein Kichern und bemühte sich um eine strenge Miene. »Hm.«
Stine schwang die Kelle. »Ich finde nicht, dass deine Entschuldigung ausreicht, mein Lieber!«
Rolf verdrehte die Augen. Er rutschte vom Stuhl auf den Boden und kniete vor Kathalea nieder. »Holde Kathalea, Freundin meines noch holdigeren Weibes, bitte, BITTE vergebt einem Dummkopf mit drei grauen Haaren auf dem Kopf seine Blasiertheit. Natürlich seid ihr ein tolles Weib mit Zauberkräften und anderen unschlagbaren Fähigkeiten, und jeder Kerl, der das noch nicht erkannt hat, ist ein noch größerer Dummkopf als ich.« Fragend blickte er zu Stine, die wieder die Kelle schwang.
»Und natürlich ist jeder Arbeitgeber, der dein Talent nicht erkennt, dem Untergang geweiht«, fügte er theatralisch hinzu.
Stine grinste. »Prima, geht doch.« Sie schnappte sich seinen Teller und füllte exakt zehn Pommes auf.
Rolf zog eine Lupe aus seiner Hosentasche und suchte den Teller ab.
»Was suchst du? Pommesläuse?«, fragte Stine naserümpfend.
Rolf unterdrückte ein Lächeln. »Nein, holdigeres Weib, ich suche mein Essen.«
Stine nickte. »Süßer, die erste Fuhre ist für uns hart arbeitende, ewig doppelt und dreifach belastete Weibsbilder, die NICHT verbeamtet sind. Du wirst wohl oder übel auf den zweiten Schwung Erdapfelbratlinge warten müssen.«
»Echt jetzt?«, fragte Rolf nach und blickte so jämmerlich drein, dass Kathalea Mitleid bekam. Sie reichte Rolf ihren Teller. »Willst du die erste Fuhre?«
Rolf hob beide Hände. »Niemals würde ich es wagen, Euch Euer Essen wegzumampfen, Eure Blondiertheit!«
Voller Empörung zog Kathalea ihren Teller wieder weg.
»Meine blonden Haare sind NICHT gefärbt. Du spinnst wohl! Die sind echt.«
»Aber so was von«, bestätigte Stine.
Rolf lächelte. »Ich weiß, ich kenne die Geschichte bereits auswendig. Ihr zwei seid schon seit der Steinzeit befreundet und habt schon in der Krabbelgruppe wilde Küsschen ausgetauscht. Es ist ein Wunder - und ich darf mich überglücklich schätzen-, dass Stine MICH armseligen Tropf geheiratet hat und nicht dich, Kathi.«
»Genau«, sagte Kathalea. »Und nun iss deine zehn Pommes, bevor sie kalt werden!«
Seufzend machte sich Rolf über seine karge Erdapfelauswahl her. »Also, Mädels, was gibt es Neues an der Front?
Kathi, du siehst wirklich…«
Stine räusperte sich.
Rolf grinste. »…leidend aus. Was ist passiert?«
Kathalea zuckte mit den Schultern. »Die Internetfirma, für die ich als Grafikdesignerin arbeiten sollte, ist pleite.«
»Und das, nachdem sich Kathi extra den Computer angeschafft hat«, warf Stine ein.
»Computer? Ein iMac ist doch nicht einfach nur ein Computer. Das ist eine ECHTE Investition«, widersprach Rolf.
»Leider«, seufzte Kathalea, »nur, dass ICH jetzt auf den Kosten sitze.«
»Entschuldige, welche seriöse Firma verlangt bitte, dass die Mitarbeiter ihr Arbeitswerkzeug selbst mitbringen?
Und ich rede nicht von einem Kugelschreiber für drei Euro fünfzig, sondern von einem Computer, der zweieinhalb tausend Euro kostet«, empörte sich Rolf.
Stine nickte. »Das war wirklich leichtsinnig von dir, Kathi.«
»Ich weiß. Aber ich wollte den Job SO gerne haben. Das klang alles SO cool! Und jetzt sitze ich hier in eurer Küche, schlage mir den Bauch mal wieder mit selbstgemachten Pommes voll, bin nach gefühlten zehntausend Gammeljobs mal wieder arbeitslos und habe etliche Beziehungsreinfälle hinter mir.« Kathalea raufte sich die langen blonden Haare und zerstörte dabei auch noch ihre neue Brille. Bestürzt betrachtete sie die verbogene Fassung.
»Oh nein, auch das noch!«
»Der Optikerriese repariert dir das doch bestimmt sofort«, warf Rolf schulterzuckend ein.
Kathalea schnaufte. »Wenn ich die dort gekauft hätte, sicherlich. Aber ich habe mir die Brille bei einem super hippen Optiker aufschwatzen lassen, zu dem Tim unbedingt gehen wollte.«
»Wer ist Tim?«, fragte Rolf emotionslos.
»Mein Ex. Also, der, der seine neue Freundin auf der Eisbahn kennengelernt hatte, weil sie vor ihm hingefallen war und er sich beim Aufhelfen unsterblich in sie verliebt hat«, erklärte Kathalea genervt.
Rolf schüttelte den Kopf. »War das nicht dieser arme Tropf, den du die sechs langen Wochen eurer Beziehung überallhin hast einladen müssen? Der Typ hat doch noch nicht einmal seinen Toilettengang alleine bezahlen können, oder?«
»Rolf!«, mahnte Stine kopfschüttelnd.
»Ist doch wahr! Der Blödian hatte nicht einmal fünfzig Cent einstecken, um die dumme Schranke bei den Toiletten in der Europapassage zu bezahlen«, ereiferte sich Rolf. »Was war das nur für ein Waschlappen! Sei bloß froh, dass du den los bist, Kathi.«
»Die anderen Verflossenen waren leider auch nicht besser«, warf Kathalea ein. »Irgendwie habe ich kein glückliches Händchen bei der Wahl meiner Männer.«
Stine streichelte die Hand ihrer Freundin. »Süße, der Richtige wird auch dir noch über den Weg laufen.«
»Das sagst du so! Ich frage mich, was mein Sachbearbeiter im Universum eigentlich den lieben, langen Tag macht? Spielt der mit seinen Kollegen Karten? Oder hat er sich gedacht, ich muss erstmal eine ganze Reihe armer Schlucker und hirnloser Idioten abgrasen, bis ich Mr Perfect treffe?«
»Ich habe doch auch Rolf gefunden«, sagte Stine aufmunternd.
»Kann ja nicht jeder so viel Glück haben wie du«, murrte Kathalea.
»Glück? Na, manchmal bin ich mir da nicht so sicher«, witzelte Stine.
Rolf schnappte sich seine Frau und zog sie auf seinen Schoß. Dann tat er so, als würde er ihr den Hintern versohlen. »Ab und zu ist meine Kleine noch aufmüpfig, aber das treibe ich ihr schon noch aus, nicht wahr, Schatz?«
Stine lachte leise. Dann biss sie ihm in den Oberarm.
»Au! Was war das denn?«, rief Rolf leicht verärgert.
Stine richtete sich auf. »Das war ein Liebesbiss, Schatz!
Was soll Kathi nur für einen Eindruck von dir bekommen, wenn du mich übers Knie legst? Demnächst ruft sie noch beim ›Weißen Ring‹ an, weil sie glaubt, ich sei ein Opfer häuslicher Gewalt.«
»Entschuldigt Mädels, ich wollte nur witzig sein. Kommt nicht wieder vor.« Rolf warf einen Blick in die Friteuse.
»Wie lange brauchen die Erdäpfel noch, Schatz?«
Stine tippte auf ihre Uhr. »Zwei Minuten, du hungriger Wolf.«
»Ich würde nicht einmal im Traum daran denken, dass Du Stine weh tust. Schließlich ist sie meine Freundin und ich habe den schwarzen Gürtel«, warf Kathalea ein und zwinkerte Rolf zu.
Rolf schluckte. »Du hast WAS? Den schwarzen Gürtel? In was? Im Scheitern oder im Jobverlieren?«
Kathalea schnitt eine Grimasse. »Sehr witzig, Rolf! Wusstest du nicht, dass ich seit einundzwanzig Jahren Karate mache?«
»Wann - zwischen all deinen Beziehungsdesastern und Jobkatastrophen - hast du denn bitte noch Zeit zum Trainieren?«, platzte Rolf heraus.
Stine grunzte. »Schatz, Kathi ist Deutsche Meisterin in ihrer Gewichtsklasse.«
»Beim Karate gibt es Gewichtsklassen?«, hakte Rolf verwundert nach.
»Ja. Und Altersklassen. Wusstest du das etwa nicht? Vielleicht solltest du mal über den Tellerrand deines Physik- und Chemie-Lehramtes hinausgucken«, schlug Kathalea vor.
»Ich bin kein Fachidiot«, verteidigte sich Rolf. »Aber ich wusste wirklich nicht, dass es Gewichtsklassen beim Kampfsport gibt.«
»Jetzt weißt du es«, sagte Stine und reichte ihrem Mann Pommes.
»Danke, holdes Weib! Endlich bekomme ich etwas zu essen. Ich dachte schon, ich muss mein naturwissenschaftlich überbeanspruchtes Hirn leiden und hungern lassen«, witzelte Rolf.
»Musst du nicht.« Stine gab ihm einen Kuss aufs Haar.
»Schließlich sorgst du dafür, dass wir dieses riesige Haus finanzieren können.«
»Endlich wird das mal gewürdigt«, scherzte Rolf, zwinkerte seiner Frau aber zu. »Schließlich baut der Beamte sein Haus wie ein Biber.«
»Wie ein Biber?«, hakte Kathalea verwirrt nach.
Stine lachte leise. »Mit dem Schwanz, Süße!« Sie wandte sich an Rolf. »Dann streng dich mal an, dass die Kinder auch noch kommen, solange ich noch nicht in der Menopause bin!«
»Jetzt gleich?«, witzelte Rolf. »Oder darf ich noch aufessen?«
»Du darfst dich erst noch stärken!« Seufzend setzte sich Stine an den Tisch. »Was machen wir jetzt mit dir, Kathi?«
Kathalea zuckte mit den Schultern. »Ich brauche schnell einen Job, weil ich sonst die Raten für den Computer nicht bezahlen kann.«
»Vielleicht solltest du dir lieber mal einen reichen Macker suchen, einen, bei dem es total egal ist, als was du arbeitest und was du monatlich verdienst«, schlug Rolf vor.
»Ich meine, verarschen tun dich eh alle, dann kannst du dir wenigstens einen suchen, der Kohle hat.«
»Danke für dein Resümee, Rolf.« Kathalea täuschte ein Lächeln vor.
»Ich finde, das ist eine super Idee«, widersprach Stine.
»Kathi, such dir doch mal einen Millionär!«
»Klar, die laufen ja auch alle auf der Straße herum, ständig auf der Suche nach abgebrannten Frauen, die nix auf die Reihe kriegen«, konterte Kathalea voller Ironie. »Und man erkennt sie auch gleich auf den ersten Blick, weil sie alle eine goldene Haarsträhne haben.«
»Hier in Hamburg gibt es wirklich viele Millionäre«, hielt Rolf dagegen. »Da wird sich doch wohl irgendwo einer für dich auftreiben lassen.«
Kathalea rubbelte sich nachdenklich über die Nase. »Hm.
Vielleicht ist die Idee gar nicht so schlecht. So kann ich wenigstens noch ein paar von diesen tollen Brillen kaufen, die ich neulich gesehen habe.«
»Die wievielte wäre das dann?«, fragte Stine pikiert.
Kathalea lächelte. »Die dreißigste?«
Stine stöhnte. »Wenn das mal reicht. Wenn man dein Schlafzimmer sieht, könnte man meinen, dort hätte ein Optiker seine Ware vergessen.«
»Ich kann eben an keinem Brillengeschäft vorbeilaufen.
Du bist dafür vernarrt in Bücher. Und dein Haus ist voller, bis oben gefüllter Bücherregale.«
»Eine Sache habt ihr bei eurem Plan aber noch vergessen, Mädels«, warf Rolf ein.
»Die wäre?«
»Kathi bewegt sich nicht in Kreisen, die ein Millionär aufsuchen würde. Die bleiben doch stets unter ihresgleichen. Wo wollt ihr so einen reichen Schatz aufgabeln?«
Fragend blickte Rolf die beiden Damen am Tisch an.
Nachdenklich rieb sich Kathalea übers Kinn. Plötzlich ging ein Ruck durch ihren Körper. Sie sprang auf, holte ihr Handy und hatte innerhalb von wenigen Minuten gefunden, was sie gesucht hatte.
»Hier! Wusste ich doch, dass da was war! Am nächsten Samstag steigt auf der ›Rickmer Rickmers‹ eine Gala-Party.« Breit grinsend winkte sie mit ihrem Telefon. »Da gehen wir hin. Coole Idee, oder?«
Rolf hob eine Augenbraue. »Du weißt schon, dass ›Gala‹ eine nette Umschreibung für ›Spendenaktion‹ ist, oder?«
»Und die Party ist für jedermann?«, hakte Stine skeptisch nach.
Kathalea warf noch einen Blick auf ihr Display. »Hm.
Wohl eher nicht. Nur für geladene Gäste.« Traurig blickte sie auf und ließ sich mit hängenden Schultern auf dem Küchenstuhl nieder. Langsam fiel ihr Kopf auf die Tischplatte. »Ich bin so ein armer Tropf! Kein Mann, kein Geld, kein Job. Nicht einmal eine schnöde Party. Nur einen Haufen Schulden und jede Menge Lebenserfahrung.«
Stine sprang auf. »Warte! Eine Arbeitskollegin von mir hat gerade erst einen ziemlich reichen Mann geheiratet.
Ich rufe sie jetzt an und frage, ob sie von der Party gehört hat. Vielleicht kann sie uns reinschleusen.«
Naserümpfend blickte Kathalea ihr hinterher. »Wozu arbeitet die Trulla in der Krankenversicherung, wenn sie einen reichen Macker zuhause hat, der ihr ein Mondgrundstück kaufen könnte?«
Rolf zuckte ahnungslos mit den Schultern.
Stine holte ihr Handy aus dem Flur und rief sogleich den Kontakt auf. Dann nahm sie es ans Ohr und wartete. »Ja, Sandra, hallo! Ich bin’s, Stine. Du sag mal, hast du schon von der Gala-Party auf diesem Segelschiff gehört?«
Stine horchte, während Kathalea und Rolf sie gespannt beobachteten.
Nachdem Stine ungefähr eintausend Mal ›