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Große Erlebnisse für kleines Geld Mit 50 Euro am Tag kommt man in den aufregendsten Städten erstaunlich weit – man muss nur wissen, wohin und wie. Kostenloser Kunstgenuss in New York beim Street-Art-Spaziergang durch Williamsburg? Zum Lunch in Amsterdam die besten Frietjes ohne Touri-Aufschlag? Für 50 Cent mit der Bootsfähre durch Bangkok? In »Mit 50 Euro durch …« verraten die Reiseexperten des bekannten Weltreporter-Netzwerks ihre besten Tipps für große Städtetage mit kleinem Budget. Und blicken zugleich hinter die Kulissen: Wie leben und arbeiten die Menschen vor Ort? Welche Rolle spielen die Devisen der Touristen? Warum kosten die Dinge hier das, was sie kosten? Und wie war noch gleich der Wechselkurs? - Das erste Reisebuch vom bekannten Weltreporter-Netzwerk - Mit zahlreichen Geheimtipps fürs kleine Reisebudget an großen Orten - Alle Unternehmungen als GPX-Download
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© eBook: 2022 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München
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Redaktion und Projektmanagement: Wilhelm Klemm
Lektorat: Martin Waller
Schlusskorrektur: Ulla Thomsen
Covergestaltung: Designbüro Lübbeke Naumann Thoben
eBook-Herstellung: Lea Stroetmann
ISBN 978-3-8464-0952-7
1. Auflage 2022
Bildnachweis
Illustrationen: Julia Pfaller
Syndication: www.seasons.agency
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»Mit unserem Reiseführer können Sie auch Städte neu entdecken, die Sie schon einmal besucht haben. Die Atmosphäre, die Gerüche und Geräusche, die Alltagskultur der Einheimischen – das sind Dinge, die man auch für wenig Geld erfahren kann. Allen 28 Kapiteln ist gemeinsam: Ziehen Sie sich gutes Schuhwerk an, denn Sie werden viel zu Fuß unterwegs sein.«
Christoph Drösser, Herausgeber
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Kann man mit 50 Euro pro Tag die Metropolen der Welt erfahren? Diese Frage stand am Anfang dieses Buchs, und wir sind zu dem Schluss gekommen: Ja, man kann!
Dabei schummeln wir natürlich ein wenig, weil wir die Übernachtungskosten nicht einbeziehen. Da hat jeder und jede Reisende andere Maßstäbe, und es gibt nur noch wenige Länder auf der Welt, in denen man für diesen Preis ein annehmbares Zimmer bekommt. Die 50 Euro beziehen sich auf den Teil des Tages, den man in wachem Zustand verbringt, vom Morgenkaffee bis zum Absacker am Abend. Und auch da sollten Sie die Zahl eher symbolisch verstehen: Dieses Buch ist kein Reiseführer für Billigheimer und Schnäppchenjäger – es steht Ihnen frei, das Budget zu überziehen und zum Beispiel in einem Sternerestaurant zu essen. Sehen Sie unsere Kapitel eher als proof of concept an, als einen Beweis für die These, dass man auch mit schmalem Budget einen Eindruck vom Leben in diesen Städten bekommen kann. Einen Eindruck, der häufig authentischer ist, als wenn man die Standardsehenswürdigkeiten abklappert, die in anderen Reiseführern aufgelistet werden.
Was als Erstes auffällt: Für 50 Euro bekommt man natürlich nicht überall auf der Welt gleich viel. Während meine Kollegin in Istanbul oder der Autor in Warschau am Ende des Tages noch Geld übrig hatten, mussten wir für das Kapitel über San Francisco und Oakland sehr sparsam sein. Und als wir gerade mit Mühe die 50-Euro-Latte unterquert hatten, fiel der Eurokurs auf den Wert von exakt einem Dollar, was die Preise entsprechend steigen ließ. Die Autorin in Buenos Aires beschreibt in ihrem Text, wie viele verschiedene Devisenkurse es in Argentinien gibt und dass daher »50 Euro« alles Mögliche bedeuten können. Und ein Jahr nach dem Erscheinen dieses Buchs sieht wahrscheinlich sowieso alles ganz anders aus. Dazu kommt, dass im Jahr 2022 die ganze Welt über Inflation klagt. Wir können daher keinen der in diesem Buch angegebenen Preise garantieren. Sehen Sie also die 50 Euro als Richtwert an und nicht als eine exakte Preisangabe!
Hier und da machen wir Vorschläge für »Upgrades« – Dinge am Wegesrand, die sich lohnen, deren Kosten aber das gesetzte Budget deutlich überschreiten würden. Entscheiden Sie selbst, ob Sie tiefer in die Tasche greifen oder lieber unbeeindruckt weiterspazieren wollen.
Die Autorinnen und Autoren dieses Buchs sind Mitglieder des Vereins Weltreporter.net, einer Vereinigung von freiberuflichen Journalistinnen und Journalisten, die aus aller Welt für deutschsprachige Medien berichten. Alle leben schon mindestens ein paar Jahre in den Ländern, über die sie schreiben. Wir glauben, dass eine fundierte Auslandsberichterstattung nur möglich ist, wenn die Berichtenden eingebettet sind in die Kultur und die Lebensweise der Region – und nicht einfach schnell eingeflogen werden, wenn ein Land in die Schlagzeilen gerät. Weil sich immer weniger Medien feste Korrespondentinnen und Korrespondenten leisten können, wird die Rolle von freien Reporterinnen und Reportern mit Ortskenntnis immer wichtiger.
Für dieses Buch sind die Weltreporterinnen und Weltreporter die idealen Autoren: Sie haben sich die Stadt, in der sie leben, freiwillig ausgesucht und schreiben mit Liebe und Engagement über ihre Wahlheimat. Als »Einheimische« kennen sie Stadtviertel und Sehenswürdigkeiten, die in den meisten Reiseführern nicht auftauchen. Gleichzeitig haben sie weiterhin eine Verbindung zur Öffentlichkeit in ihrer Heimat und können die Städte auch noch mit dem Blick von Deutschen, Schweizern und Österreichern sehen.
Herausgekommen sind 28 sehr unterschiedliche Kapitel. Die eine Autorin führt Sie auf einer eher klassischen Tour durchs Stadtzentrum, während der andere Autor die Innenstadt ganz meidet und Sie in ein Viertel führt, in dem Sie kaum auf Touristen stoßen werden. Allen gemeinsam ist: Ziehen Sie sich gutes Schuhwerk an, denn Sie werden viel zu Fuß unterwegs sein. In acht Städten auch per Fahrrad – seit es in fast allen Metropolen Stationen mit Leihrädern gibt, ist das eine preiswerte, flexible und flotte Methode, die Stadt zu erkunden. Selbst New York hat sich zu einer fahrradfreundlichen Stadt gewandelt.
Unsere Touren sind kein Pflichtprogramm. Sehen Sie jedes Kapitel als ein Angebot an. Sie können den Tagesausflug exakt so absolvieren, wie er beschrieben ist – er funktioniert an einem Tag, versprochen! Oder gehen Sie es ruhiger an und verteilen die Route auf zwei Tage. Und wenn Sie auf die klassischen Touristenziele nicht ganz verzichten wollen: Sie sind doch sicherlich nicht nur einen Tag in der Stadt, oder? Machen Sie gerne Mix & Match – picken Sie sich interessante Elemente aus unserem Angebot heraus und kombinieren Sie diese mit Ihrer eigenen Wunschliste.
Mit unserem Reiseführer können Sie auch Städte neu entdecken, die Sie schon einmal besucht haben. Die Atmosphäre, die Gerüche und Geräusche, die Alltagskultur der Einheimischen – das sind Dinge, die man auch für wenig Geld erfahren kann.
Christoph Drösser
Amsterdam ist Naschen mit den Augen«, pflegt mein Freund Vincent zu sagen, ein Fotograf. Recht hat er. Und das Schönste daran: Man bekommt nie genug. Ich jedenfalls kann mich nicht sattsehen an den Backsteinfassaden der Grachtenhäuser, eine schiefer als die andere, die mit ihren weiß umrandeten Fenstern und Giebeln aussehen wie Lebkuchen mit Zuckerguss. An den Hausbooten, die in allen Formen und Altersklassen auf dem Wasser dümpeln. Den Brücken und Kanälen, Treppen-, Schnabel- und Glockengiebeln.
Kurzum – das Sortiment ist vielfältig. Damit Sie einen Überblick bekommen, führe ich Sie als Erstes auf das schiefe Dach des Wissenschaftsmuseums Nemo, das uns, einen Steinwurf vom Hauptbahnhof entfernt, wie ein grüner Schiffsrumpf entgegenschimmert. Der italienische Architekt Renzo Piano hat es wie eine Piazza gestaltet, mit Loungebänken, Wasserspielen, Blumenkübeln und einem Café – aber als abschüssige Terrassenlandschaft mit einem traumhaften Panoramablick über die Stadt.
Hier oben liegt uns Amsterdam zu Füßen wie eine überdimensionale geöffnete Pralinenschachtel: Links im Osten leuchtet das monumentale weiße Schifffahrtsmuseum zu uns herauf, vor dem die »Amsterdam« vor Anker liegt – die originalgetreue Kopie eines Dreimasters, auf dem die Ostindische Handelskompanie VOC einst Gewürze, Seide und Porzellan aus Asien nach Europa brachte. Auf der anderen Seite, im Westen, zeichnet sich die Kuppel der Nikolausbasilika gegen den Himmel ab. Hinter ihr erstreckt sich die Amsterdamer Altstadt mit den Wallen, dem berühmt-berüchtigten Rotlichtbezirk. Noch weiter rechts, direkt neben uns, die neue städtische Bibliothek OBA: Dieser 40 Meter hohe, mit Designmöbeln eingerichtete Bücherpalast macht dem Nemo Konkurrenz, auch er hat oben eine Terrasse zu bieten. Eine prima Alternative bei Regenwetter, denn sie ist teilüberdacht. Der Nachteil: Im Selbstbedienungsrestaurant auf dem OBA-Dach muss man etwas kaufen.
Ohne Grachtengürtel kein Amsterdam-Gefühl. Doch die niederländische Hauptstadt hat mehr zu bieten als nur ihr Welterbe aus dem 17. Jahrhundert: Hinter dem Hauptbahnhof entstehen neue Kreativviertel mit witzigen Kneipen, Museen, Künstlerateliers und viel experimenteller zeitgenössischer Architektur.
Auf dem Nemo hingegen packen wir um zehn Uhr morgens unseren Proviant aus, um zu frühstücken. Neben uns plätschert ein Wasserlauf von Stufe zu Stufe nach unten. Ein paar Meter weiter liegt eine Frau auf einer Stufe und liest. Und vom Springbrunnen weiter unten tönt Kinderlachen herauf, denn da laden Kurbeln dazu ein, Wasserstrahlen in die Höhe schießen zu lassen. Ein Vater kurbelt mit seinen Söhnen um die Wette.
Amüsiert schauen wir zu, während wir unser Käsesandwich genießen – frisches Baguette mit boerenkaas belegen – pikantem Bauernkäse. Lekker! Zweimal 250 Gramm für 4,75 Euro. Reicht locker für unsere heutige Tourgruppe von vier Personen. Damit eingedeckt haben wir uns bei Albert Heijn, einer Supermarktfiliale an der Oosterdokskade, auf halber Strecke zwischen Hauptbahnhof und Nemo. AH, wie er kurz heißt, gehört zu Holland wie die Tulpen und die Windmühlen. Alle meine niederländischen Freunde haben Kristallgläser und Silberbesteck, das sie mit AH-Rabattmarken zusammengespart haben. Ich auch.
Alles in allem kostet unser Frühstück auf dem Dach keine 6 Euro pro Person, das Teuerste daran ist der Kaffee. Wir hätten für 2 Euro Coffee to go von AH mit nach oben nehmen können, aber wir leisten uns frischen heißen im Nemo-Café, auch wenn er da 1 Euro mehr kostet. Dafür können wir hier unsere Flaschen umsonst mit Wasser für unterwegs füllen. Überall in der Stadt gibt es Trinkwasserhähne, auch auf dem Nemo (man findet sie alle unter www.drinkwaterkaart.nl).
»Seht ihr die Schwimmer da drüben?«, frage ich, als wir die breite Rampe wieder nach unten laufen. Denn am anderen Ufer, auf dem Marineterrein neben dem Schifffahrtsmuseum, ist Schwimmen erlaubt. Auf eigene Gefahr, aber gratis und mit Sicht auf Nemo und den VOC-Dreimaster ziemlich einzigartig (Infos gibt’s hier: www.marineterrein.nl/news/information-for-swimmers).
Wenn wir die Badesachen dabei hätten … So aber schließen wir die Fahrräder auf, die wir unten zurückgelassen hatten. Die Hauptstadt des Königreichs der fietsers wird auf dem Rad entdeckt, völlig klar. Ausgeliehen haben wir sie bei MacBike, gleich neben der AH-Filiale an der Oosterdokskade, 24 Stunden für 14,75 Euro. Man kann Amsterdam natürlich auch zu Fuß erobern. Aber das ist anstrengender. Oder mit Tram und Metro für 8,50 Euro pro Tag. Aber das ist umständlicher. Mit dem Rad hat man sehr viel mehr Freiheit. Acht geben allerdings sollte man schon, vor allem vor den einheimischen fietsers. Denn die kommen grundsätzlich von allen Seiten, mit einem mörderischen Tempo.
Zum Abschluss heute Nachmittag werden wir das neue Amsterdam hinter dem Hauptbahnhof besuchen, mit viel experimenteller Architektur. Jetzt aber geht es erst einmal in die Altstadt mit dem Grachtengürtel, für den fast alle kommen. Ohne Grachten kein Amsterdam-Gefühl. Wobei die meisten Touristen der Stadt sozusagen umgehend an die Wäsche gehen: Vom Hauptbahnhof aus steuern sie schnurstracks auf das Rotlichtviertel zu.
Wir hingegen machen als Erstes einen Schlenker nach rechts, an die Brouwersgracht. Hier sind wir am westlichen Ende des Grachtengürtels, und unsere Augen haben besonders viel zu naschen. Egal, wohin sie schauen – überall sind Brücken! Denn die Brouwersgracht verbindet die drei berühmtesten Grachten der Stadt: die Heren-, Keizers- und Prinsengracht. Vormittags ist es hier am schönsten, dann ist es noch ruhig. Das Sonnenlicht zaubert goldene Flecken in das helle Grün der Laubbäume und lässt das Wasser der Grachten silbern aufblitzen. Vor den Häusern bohren sich Stockrosen aus dem Kopfsteinpflaster, zwischen den Blumenkübeln an Deck eines Hausbootes lugt eine Katze hervor.
Gleich um die Ecke, am Herenmarkt, liegt das Westindisch Huis, das einstige Hauptquartier der Westindischen Handelskompanie WIC, die anders als die VOC nicht nach Asien, sondern nach Amerika segelte. Im Innenhof steht die Statue eines einbeinigen Mannes: Peter Stuyvesant, letzter Gouverneur von Nieuw Amsterdam. So hieß der Handelsposten der Niederländer am Hudson River. 1667, nach dem Zweiten Seekrieg gegen die Engländer, mussten sie ihn dem Gegner überlassen. Aus Nieuw Amsterdam wurde New York. Viele Straßen- und Ortsnamen im Big Apple erinnern bis heute daran. Die Wall Street war früher die Wallstraat, hat also nichts mit einer Wand zu tun, sondern mit einem Wall. Harlem ist nach der niederländischen Stadt Haarlem benannt, und Brooklyn nach Breukelen, einem kleinen Ort bei Utrecht.
Wir radeln die Prinsengracht entlang, vorbei am Anne-Frank-Haus und der Westerkerk mit ihrem imposanten Turm. Das Glockenspiel unter seiner Kaiserkronenkuppel hat Anne Frank von ihrem Versteck im Hinterhaus aus hören können und in ihrem Tagebuch beschrieben. Der Oude Wester, wie der Turm genannt wird, ist das Wahrzeichen des Jordaan, eines liebevoll sanierten Arbeiterviertels, in dem heute viele Intellektuelle und Künstler leben und das westlich an die Prinsengracht grenzt. Im Jordaan sind die Gassen und Grachten besonders pittoresk und die Kneipen besonders urig. Hier gibt es viele Galerien für zeitgenössische Kunst, darunter so tonangebende wie Torch, Annet Gelink oder Fons Welters. Ideal für einen Galerienspaziergang bei Regenwetter! Eine kostenlose Alternative für einen Museumsbesuch.
Wir sind dafür zu früh dran, die meisten Galerien öffnen erst um 13 Uhr. Außerdem ist heute Mittwoch – und mittwochs von 12.30 bis 13 Uhr gibt es im Concertgebouw am Museumsplatz kostenlose Lunchkonzerte (leider nicht im Juli und August). Ich habe online Karten reserviert.
Auf dem Weg dorthin radeln wir über das schönste Stück der Herengracht, den Abschnitt zwischen Leidse- und Vijzelstraat: Gouden Bocht heißt er, goldene Biegung, denn hier sind die Grachtenhäuser besonders groß und prächtig und reich verziert. In dieser Gegend befinden sich die feinsten Adressen der Stadt – und auch das Amsterdamer Goethe-Institut.
Gleich um die Ecke liegt das Stadtarchiv De Bazel, ein wuchtiger Backsteinbau, mehr als 100 Meter lang und genauso viele Jahre alt. Die Innengestaltung mit Säulen und bunten Fliesen ist ein echter Eyecatcher, der Eintritt ist frei. Im Bazel finden obendrein interessante Ausstellungen statt, die meisten können kostenlos besichtigt werden.
Was wir, wenn nicht Mittwoch wäre, gerne täten. So aber steuern wir über die Nieuwe Spiegelstraat auf den Museumsplatz zu, begrüßt von den Türmen des Rijksmuseums, die schon von Weitem erkennbar sind. Der neu gestaltete Eingangsbereich im Souterrain mit den beiden gigantischen Lichtkuppeln ist gratis zugänglich. Wir steigen kurz runter, legen den Kopf in den Nacken und drehen uns einmal um die eigene Achse – was für ein Raumerlebnis! (Upgrade: eine Museumjaarkaart kostet 64,90 Euro – damit kommt man ein Jahr lang in mehr als 450 Museen des Landes. Ohne Museumjaarkaart zahlt man allein im Reichsmuseum 20 Euro.)
Dann sputen wir uns, an Van Gogh Museum und Stedelijk Museum vorbei, zum Concertgebouw. 30 Minuten Livemusik vom Feinsten. Diesmal Bach und Liszt. Die Akustik des Amsterdamer Konzerthauses ist legendär – und das Concertgebouworkest gilt als eines der besten Orchester der Welt. Eine herrliche Erfahrung!
Höchste Zeit fürs Mittagessen: Zur Auswahl stehen Falafel bei MAOZ, meinem Lieblings-Falafelladen am Muntplein, eine Portion für 5,95 Euro. Oder eine große Tüte der besten frietjes der Stadt beim Vlaams Friteshuis Vleminckx in der Voetboogstraat: 5,20 Euro, inklusive Soße. Wir können uns nicht entscheiden. Deshalb radeln wir erst zum Muntplein, teilen uns dort zu viert zwei Portionen Falafel und laufen dann die 200 Meter weiter zum Vlaams Friteshuis, wo jeder eine halbe Tüte frietjes bekommt.
Die Räder haben wir am Muntplein zurückgelassen, denn jetzt sind wir mittendrin im Trubel der Fußgängerzone der Altstadt. Aber es gibt hier eine wunderbare Oase der Ruhe: den Beginenhof, ein mittelalterliches Wohnstift für katholische Frauen mit liebevoll angelegten Vorgärten, Kastanienbäumen und einer kleinen Kirche. Kaum sind wir drin, verebbt der Großstadtlärm. Schweigend drehen wir eine Runde und genießen die Stille.
Dann holen wir die Räder ab, fahren 500 Meter über den Rokin – und schon sind wir mitten auf den Wallen, dem berüchtigten Rotlichtbezirk. Einmal muss man ihn gesehen haben. Hier gibt es Bordelle, Coffee- und Sexshops, aber auch ganz normale Tante-Emma-Lädchen, Restaurants und Cafés. So wie das Quartier Putain gleich gegenüber der Oude Kerk: ein Café zwischen einer Kindertagesstätte links und den Fenstern von Prostituierten rechts. Von diesen Fenstern ist die Oude Kerk umringt. Nachts säumen sie das älteste Gebäude der Stadt wie eine überdimensionale, rot leuchtende Halskrause.
So verrucht die Wallen auch sein mögen, sie gehören zu den malerischsten Ecken von Amsterdam. Nirgendwo sind die Gässchen schmaler und die Häuserfassaden schiefer als in diesem mittelalterlichen Labyrinth. Jacques Brel hat es in seinem Chanson »Amsterdam« (Dans le port d’Amsterdam, y’a des marins qui chantent …) beschrieben, denn einst grenzten die Wallen an den Hafen.
Heute rücken statt der Matrosen junge Männer aus ganz Europa mit dem Billigflieger an, um saufend und kiffend durch die Straßen zu ziehen. Zum Leidwesen der Wallen-Bewohner, die inzwischen für Gegenmaßnahmen gesorgt haben: Die Prostituierten sollen in ein Erotikzentrum anderswo umziehen. Und die Coffeeshops dürfen vielleicht schon bald nur noch einheimische Kiffer bedienen.
Wir gelangen zum Schreierstoren, einem ehemaligen Verteidigungsturm. Von seinen Zinnen sollen die Frauen der Seefahrer den ausfahrenden Schiffen hinterhergeweint haben.
Eines von ihnen war die »Halve Maen«, der Halbmond. Eine Gedenktafel erinnert daran, dass sie am 4. April 1609 in See stach. Ihr Kapitän war ein gewisser Henry Hudson aus England. Die VOC hatte ihn angeheuert, einen kürzeren Seeweg nach Indien zu finden, nicht länger umständlich um das Kap der Guten Hoffnung herum. Statt unten- sollte es Hudson obenherum versuchen, über die Nordostroute an Russland vorbei. Doch auf See änderte er den Kurs und segelte nach Nordwest über den Atlantik. Das ging eine ganze Weile gut. Bis ihm der amerikanische Kontinent in die Quere kam. Hudson traf dann zwar noch auf die Mündung eines Flusses und folgte ihm. Doch als dieser zu schmal wurde, musste er umkehren und nach Europa zurücksegeln. Kurz darauf wagten sich die ersten Niederländer über den Atlantik und ließen sich an den Ufern des von Hudson entdeckten Flusses nieder. Völlig klar, wie sie ihn nannten, oder? 1626 erwarben die Siedler ein Stück Land, das die Ureinwohner Manahatta nannten, Insel der Hügel: Dort, wo heute Lower Manhattan liegt, gründeten die Niederländer Nieuw Amsterdam, das spätere New York.
Das alles begann hier, am Schreierstoren. Damit schließt sich der Kreis. Auch für uns: Denn nach elfeinhalb Kilometern durch Altstadt und Grachtengürtel sind wir wieder da, wo unsere Radtour begann. Vor uns liegt der Hauptbahnhof mit der Oosterdokskade.
Nun steht zum Abschluss das neue, das andere Amsterdam im Norden auf dem Programm. Es beginnt mit einer kleinen Seereise übers Ij, so heißt das Gewässer hinterm Hauptbahnhof. Eine Armada kleiner Fährboote schwärmt von hier wie ein Fächer übers Wasser aus, um Pendler und Ausflügler kostenlos ans andere Ufer zu bringen. Dort ist ein Kreativviertel entstanden mit Galerien und Künstlerateliers, witzigen Cafés und Restaurants. Sein Wahrzeichen ist das Filmmuseum Eye. Schneeweiß glänzend leuchtet es vom Nordufer herüber, wie eine gigantische, leicht geöffnete Auster.
Die Überfahrt zum Eye dauert nur fünf Minuten, dann stehen wir in der Arena, im Herzen der Auster. Dieser öffentliche Raum hat die Form eines Amphitheaters mit Café, vollverglaster Fassade und einem prächtigen Blick auf das alte Amsterdam am anderen Ufer.
HIGHLIGHT
AMSTERDAM NOORD
Das ehemalige Industrie- und Arbeiterviertel nördlich des IJ ist heute Szeneviertel und Kreativquartier.
Wir widerstehen der Versuchung, uns hier zu einem biertje niederzulassen, wir wollen noch rund drei Kilometer weiter radeln, auf das Gelände der 1978 stillgelegten NDSM-Werft, einst drittgrößte Werft der Welt. 90 Hektar, auf denen Ozeanriesen gebaut und Kreuzfahrtschiffe getauft wurden. Viele Hallen und Kräne stehen noch, stumme Zeugen einer rauen Vergangenheit. Wir staunen über das Kraanhotel, in dem man eine unvergessliche Nacht in 50 Meter Höhe verbringen kann, denn es befindet sich in einem alten Kran und hat genau drei Zimmer zu bieten, die wie Container übereinander gestapelt sind. Auch an der Kraanspoor radeln wir vorbei, einem 270 Meter langen Bürogebäude, das auf der Trasse einer alten Kranspur errichtet wurde. Wie ein umgekippter gläserner Wolkenkratzer scheint es über dem Wasser zu schweben.
Die Sonne steht schon tief, als wir die Anlegestelle der Fähre erreichen, die von der NSDM-Werft zurück ans Südufer fährt. Aber nach insgesamt 15,5 Kilometern ist es jetzt wirklich Zeit für ein Bier – gleich neben dem Anlegesteg, in der Ij-kantine, einem Restaurant in einer alten Industriehalle mit Terrasse. Ein vaasje vom Fass, leider nur 0,25 Liter für 2,90 Euro und viel zu schnell leer. Wo soll der Tag ausklingen? Wir haben jeder noch rund 20 Euro übrig. Das würde für ein zweites Bier und eine Quiche oder einen Ijkantinenburger reichen. Wir könnten aber auch etwas typisch Holländisches essen: pannenkoek. In der Pancake-Bakery an der Prinsengracht ist er wagenradgroß, pikant oder süß und kostet maximal 16,65 Euro. Allerdings wären es vom Hauptbahnhof aus dann nochmal 1400 Meter mit dem fiets. Kein Problem?
Kurz darauf stehen wir wieder auf der Fähre, ganz vorne am Bug, das Gesicht im Fahrtwind. Dieses Mal dauert die Seereise 15 Minuten. Über uns kreischen Möwen, vor uns passieren Schlepper und Frachtschiffe. Wir genießen jede Sekunde. Und machen das, was heute zu unserer Lieblingsbeschäftigung geworden ist: mit den Augen naschen.
Unser Streifzug beginnt bei einem Tempel – aber keine Sorge: Das bei Reisegruppen übliche Abklappern der buddhistischen Klöster und Gebetsstätten ersparen wir uns heute. Die goldenen Dächer, verzierten Pagoden und Buddha-Statuen in den religiösen Anlagen, die man in Thailand »Wat« nennt, heben wir uns für einen anderen Tag auf. Heute werfen wir uns mitten ins Gedränge der thailändischen Megacity: Wir erleben, wo die Millionenmetropole am besten riecht, wie sie schmeckt und wohin man flüchtet, wenn der Lärm wieder einmal überhandzunehmen droht.
Der Tag wird lang, wir brauchen ein gutes Frühstück. Treffpunkt ist der Tempel Wat Mangkon – genauer gesagt, die gleichnamige Haltestelle der MRT-U-Bahn-Linie in Bangkoks Chinatown. Sie ist eine von Dutzenden neuen Stationen, die in den vergangenen Jahren zum rasant wachsenden öffentlichen Nahverkehrsnetz hinzugekommen sind, und sie gehört mit Sicherheit zu den schönsten: Die rot-goldenen Wände sind mit traditionellen chinesischen Mustern dekoriert. An den Decken finden sich Drachenmotive – schließlich bedeutet der Haltestellenname übersetzt »Drachen-Lotus-Tempel«.
Wir gehen zu Fuß in Richtung der Yaowarat Road, der wichtigsten Verkehrsader des Stadtteils. Abend für Abend säumen Garküchen, Obststände und Süßigkeitenverkäufer die mit Neonlichtern grell erleuchtete Straße. Am frühen Morgen beobachten wir, wie sie langsam vom Gelage des Vortags erwacht. Schräg gegenüber des Shanghai-Mansion-Hotels biegen wir in die Seitengasse Song Sawat ein und finden bereits nach einem Häuserblock unser erstes Ziel: das Ecklokal Ek Teng Phu Ki, eines der ältesten Cafés Bangkoks.
Thailands chaotischer Hauptstadt nähert man sich am besten mit leerem Magen. Gutes und günstiges Essen gibt es in Bangkok buchstäblich an jeder Straßenecke. Unsere kulinarische Tour führt uns von Chinatown über einen schwimmenden Markt bis zu einem jahrzehntealten Familienrestaurant.
Der Blick auf die Speisekarte liefert uns schon einmal einen Hinweis darauf, dass wir keine großen Probleme haben werden, uns mit unserem Budget durchzuschlagen: 50 Euro bringen uns knapp 1850 Baht (100 Baht ≈ 2,72 €) – zum Frühstück brauchen wir nur einen kleinen Teil davon. Nichts ist in dem Laden wirklich teuer.
Wir schlagen richtig zu und bestellen: khai krata (ein Pfännchen mit einem Spiegelei, Hackfleisch, vietnamesischer und chinesischer Wurst), eine Portion Garnelen-Dim-Sum sowie gedünsteten Toast, der mit einer Kokosnusscreme zum Eintunken serviert wird. Dazu trinken wir heißen Kaffee nach traditioneller Rezeptur: eine sehr starke schwarze Brühe auf einer Schicht süßer Kondensmilch – der perfekte Wachmacher. Das alles kostet uns zusammen 185 Baht, und ein Glas Tee aufs Haus gibt’s obendrein, das ist hier so üblich.
Der Blick auf die mit Fotos und Erinnerungsstücken behängte Wand des inzwischen in vierter Generation betriebenen Lokals lässt erahnen, dass die Preise hier schon immer recht vernünftig waren: Ausgestellt ist dort die erste Speisekarte, mit der das Café im Jahr 1919 eröffnete. Sie bewirbt ein Getränk, das damals noch recht exotisch war: Tee mit Eiswürfeln für 0,25 Baht. In der tropischen Metropole waren Kaltgetränke vor mehr als 100 Jahren noch lange keine Selbstverständlichkeit.
Was sich seither nicht geändert hat, sehen wir, wenn wir frisch gestärkt weiterlaufen zum 300 Meter entfernten Sampeng-Markt: Chinatown ist heute wie damals Heimat der Händler, Feilscher und Geschäftemacher. Seit Bangkok vor fast 250 Jahren zur Hauptstadt des Königreichs Siam – des heutigen Thailands – wurde, prägen chinesischstämmige Einwanderer und ihre Nachfahren das wirtschaftliche Leben am Ufer des Chao Phraya, des Hauptflusses der Metropole. Anfang des 20. Jahrhunderts war die Gegend das kommerzielle Zentrum Bangkoks. Hier entstanden auch die ersten Einkaufszentren. Eines der ältesten, das Nightingale Olympic, das europäische Luxuswaren nach Südostasien brachte, ist immer noch in Betrieb.
Inzwischen kaufen die Thailänderinnen und Thailänder ihre Markenkleidung zwar lieber in den riesigen klimatisierten Shopping-Tempeln rund um den Siam Square, Bangkoks Konsumparadies für das 21. Jahrhundert. Doch wenn es um Schnäppchen geht, dann zieht es sie immer noch nach Chinatown. Die fast einen Kilometer lange Gasse, über die sich der Sampeng-Markt erstreckt, ist schon am frühen Morgen gut besucht. Die Einkäufer sind ebenso dicht aneinandergedrängt wie die Geschäftslokale. Die bieten Rucksäcke, Flip-Flops, Modeschmuck, Plastikpflanzen und jede Menge Krimskrams an, von dem man bis vor ein paar Minuten noch nicht einmal wusste, dass er eigentlich ganz praktisch ist (batteriebetriebene Ventilatoren für unterwegs!). Wer größere Mengen kauft, bekommt fast überall einen ordentlichen Rabatt.
Wir drängen uns durch das Gewusel, machen hin und wieder Platz für junge Männer mit schwer beladenen Sackkarren – und atmen tief durch, wenn wir den Abschnitt der Gewürzgroßhändler erreichen. In die Nase steigt der Duft von Zimt, Sternanis und getrockneten Matum-Früchten, aus denen die Thailänder einen süßen, aromatischen Tee kochen. Bangkoks Gerüche sind wahrhaftig nicht immer ein Genuss, doch an diesem Ort zeigt sich die Millionenstadt olfaktorisch von ihrer besten Seite.
Am nordwestlichen Ende der Marktstraße erreichen wir den Khlong Ong Ang, eine neue Fußgängerpromenade entlang eines Kanals. Ihr Bau vor ein paar Jahren stieß auf Kritik – befürchtet wurde eine Gentrifizierung der Gegend auf Kosten der alteingesessenen Anwohner und Händler. Doch obwohl das alte Bangkok tatsächlich zunehmend verschwindet, kann auch die neue Seite der Stadt überzeugen: Der Khlong Ong Ang ist deutlich ansehnlicher und an Wochenenden zu einer beliebten Flaniermeile geworden. Die Anwohner profitieren mit kleinen Verkaufsständen, die sie vor ihren Häusern errichtet haben.
Wir gehen fünf Minuten lang Richtung Fluss zu unserem nächsten Ziel, an dem wir uns ein wenig erholen können: dem Chao Phraya Sky Park. Die Parkanlage liegt nicht neben dem Gewässer, sondern über ihm. Dafür wurde eine nicht genutzte Zugbrücke umgebaut und grün bepflanzt. Das 2020 fertiggestellte Projekt verbindet jetzt nicht nur die beiden Flussseiten für Fußgänger, sondern bietet auch zahlreiche Sitzgelegenheiten zum Entspannen – bei freiem Eintritt. Wir nehmen Platz und genießen die Aussicht auf den prächtigen Fluss, die Passagierboote, die als Teil des öffentlichen Nahverkehrs im Minutentakt unter uns entlangschippern, und Bangkoks höchsten Wolkenkratzer Mahanakhon am Horizont.
Der Ort hat nur einen Haken: Direkt daneben führt auch eine Autobrücke über den Fluss. Das ununterbrochene Dröhnen der Fahrzeuge stört das Idyll nach einiger Zeit dann doch. Wir nehmen den Motorenlärm als Aufbruchsignal und machen uns auf den Weg zu einem Ort, den die Großstadtbewohner lieben, wenn sie es mal wieder etwas ruhiger haben wollen. Zunächst müssen wir uns aber ebenfalls ins Verkehrschaos stürzen: Wir nehmen ein Taxi zur Bootsanlegestelle am Wat Khlong Toei Nok. Die Fahrt dauert eine halbe Stunde, und das Taxameter zeigt bei der Ankunft 80 Baht – wir geben 100. Trinkgeld ist in Thailand zwar nicht so üblich wie in Europa. Aber es spricht ja nichts dagegen, trotzdem großzügig zu sein, wenn man es sich leisten kann.
HIGHLIGHT
BANG KRACHAO
Die große Insel im Fluss Chao Phraya ist Bangkoks grüne Lunge und wird am bestenn mit dem Fahrrad erkundet.
Gegen den Durst gibt es beim Pier eine Flasche Wasser für 10 Baht. 20 Baht kostet das Hin-und-Retour-Ticket fürs Boot, um über den Fluss zu kommen. Am anderen Ufer liegt Bang Krachao – eine Insel im Chao Phraya, die auch als »grüne Lunge Bangkoks« bekannt ist. Der inoffizielle Name erschließt sich sofort, wenn man ein Satellitenbild der Stadt ansieht. Von oben ist Bangkok eine graue Fläche aus Beton und Asphalt. Doch in der Mitte bildet Bang Krachao einen kräftigen grünen Fleck. Das 16 Quadratkilometer große Gebiet wurde lange primär für die Landwirtschaft genutzt. Kleine Kokosnuss- und Bananenplantagen im Familienbesitz findet man hier immer noch. Zum wichtigen Wirtschaftsfaktor sind inzwischen aber auch die vielen hippen Cafés und Ausflugslokale geworden, die besonders am Wochenende beliebt sind, wenn die Bangkoker ins Grüne ausschwärmen.
Die Flussüberquerung dauert nur drei Minuten, ist aber ein kleines Abenteuer: Das wackelige Holzboot wirkt, als könnte eine Bugwelle der vorbeifahrenden Containerschiffe es mühelos zum Kentern bringen. Die erfahrenen Bootsleute wissen aber, wie sie die Passagiere sicher über das Wasser befördern. Ihr Pendelverkehr am Chao Phraya ist 24 Stunden am Tag im Einsatz, sieben Tage die Woche.
Am Ziel schnappen wir uns das beste Verkehrsmittel für die grüne Insel: eines von den Dutzenden am Ufer aufgereihten Fahrrädern. Sie werden hier in unterschiedlichen Preisklassen vermietet. Die bequemsten kosten 100 Baht (2,60 Euro) für den ganzen Tag. Schon nach wenigen Metern sind kleine, befestigte Pfade zu sehen, die links und rechts von der Straße abgehen. Hier beginnt der Spaß des bewussten Verirrens: Am besten lässt sich Bang Krachao erkunden, wenn man wahllos den Wegen durch den Dschungel folgt – und sich überraschen lässt von den Palmen, Mangroven und traditionellen Holzhütten, auf die man stößt. Gelegentlich muss man auch einem Waran ausweichen, der gemütlich über den Straßenbelag spaziert.
Um nicht ganz die Orientierung zu verlieren, empfiehlt sich aber hin und wieder ein Blick auf Google Maps. Wir steuern in Richtung des schwimmenden Marktes Bang Nam Phueng, der jedes Wochenende geöffnet ist – perfekt für die Mittagspause. Wer an einem Wochentag kommt, findet in den Restaurants in der Nähe etwas zu essen, zum Beispiel im Gartenrestaurant Kuenwang. Im Markt ist die Auswahl enorm: von gegrillten Garnelen über Fleischspieße mit Erdnusssoße bis zu gebratener Ente und kräftig-scharfen Suppen. Wir entscheiden uns für das berühmte Nudelgericht pad thai (50 Baht) und einen eisgekühlten Matum-Tee (25 Baht), der uns an den Streifzug durch Chinatown erinnert. Zum Nachtisch radeln wir gemütlich fünf Minuten weiter zum Café Hiddenwoods: Mit bester Aussicht auf den Schiffsverkehr am Chao Phraya gibt es hier Käsekuchen (150 Baht) und Eiskaffee (110 Baht).
Die Rückfahrt zum Fahrradverleih am Pier dauert 20 bis 30 Minuten. Auf der anderen Flussseite geht’s wieder ab ins Taxi. Der Schrittzähler im Handy ist inzwischen schon über die Marke von 10 000 gesprungen. Wenn Ihr Hotel einigermaßen zentral liegt – am besten in der Nähe der Hauptstraße Sukhumvit –, haben Sie jetzt die Gelegenheit, sich dort kurz auszuruhen – auch zum Duschen und Umziehen haben Sie jetzt wahrscheinlich Lust. Die Taxifahrt zu und von Ihrem Hotel dürfte um die 200 Baht kosten. Wenn Sie eine Strecke mit der Bahn zurücklegen, ist es etwas billiger.
In den Abend starten wir in der Rooftopbar Sky on 20, im 26. Stock des Novotel-Hotels. Es liegt in der Sukhumvit-Nebenstraße Soi 20, die zwischen den Haltestellen Asok und Phrom Phong der Hochbahn BTS von der Magistrale abgeht. Die Bar bietet uns einen 270-Grad-Blick über die Skyline der Stadt und eine wunderbare Sicht auf den Sonnenuntergang. Im Gegensatz zu den meisten anderen Bangkoker Hotelbars wird man hier nicht gleich das halbe Urlaubsbudget los, wenn man einen Cocktail bestellt. Zwischen 17 und 19 Uhr kosten ein Ginger Treat mit Wodka, Limettensaft, Honig und Ingwer oder ein Sunset mit Gin, Mangostansaft, Eiweiß und Rosensirup 200 Baht. Alternativ bekommen Sie für den Preis auch ein großes Bier. Lassen Sie es sich schmecken, während zwischen 18 und 19 Uhr die Sonne langsam hinter dem benachbarten Benjakitti-Park und den Wolkenkratzerreihen am Horizont verschwindet.
Jetzt ist es zwar schon dunkel, unser Tag aber noch nicht zu Ende: Für 2,5 Kilometer schnappen wir uns noch einmal ein Taxi (50 Baht) und fahren ins Restaurant Taling Pling in der Sukhumvit Soi 34. In der ruhigen Seitengasse empfängt man uns in einem modernen Haus, das fast ausschließlich aus Glas und Stahl zu bestehen scheint. Wir gehen einmal quer durch den Gastraum auf die Gartenterrasse, auf der es viel gemütlicher ist als drinnen. Neben uns schwimmen Kois in einem kleinen Teich, während wir uns in der seitenlangen Speisekarte zu orientieren versuchen.
Die große Auswahl sollte aber niemanden ins Schwitzen bringen – das übernimmt schon das Bangkoker Wetter. Bei der Wahl kann man hier kaum etwas falsch machen. Das 40 Jahre alte Familienrestaurant ist bekannt für tadelloses Handwerk und authentische Rezepte, die nicht verfälscht werden, um dem angeblichen Geschmack der Touristen zu entsprechen. Zu empfehlen ist der Pomelo-Salat mit getrockneten Shrimps (170 Baht), das Massaman-Curry mit Schwein (230 Baht) und dazu natürlich eine Portion Reis (35 Baht). Dazu passt ein erfrischender Zitronengras-Eistee (100 Baht).
Wenn Sie mit mehreren Personen unterwegs sind, sollten Sie noch ein paar weitere unterschiedliche Gerichte bestellen. Wie es sich in Thailand gehört, kommen alle in die Tischmitte, und jeder kann sich bedienen. Meistens bestellt man viel zu viel – aber man will ja schließlich so viel wie möglich probieren. Wenn nichts mehr in den Magen passt, ist es Zeit zu gehen. Und wenn Sie es nicht übertrieben haben, sollten Sie sich mit ein paar 100-Baht-Scheinen in der Tasche auch noch die Fahrt zum Hotel leisten können.
Barcelona ist eine Diva mit der Seele einer Anarchistin. Als ich 2004 hierherzog, hat mich die erste Facette überfordert. Der Name der Stadt zauberte jedem ein Glitzern in die Augen: Das Meer! Die Architektur! Jedes Festival gab vor, das größte oder innovativste zu sein. Die Stadt brach jährlich Besucherrekorde, ich fluchte über die hohen Mieten. Dann lernte ich die renitente Seite der Metropole kennen und war mit der Primadonna versöhnt. Barcelona vereint kokettes Geltungsbewusstsein mit kratzbürstigem Widerstandsgeist. Ich bin mir sicher, dass Sie das nach unserem Spaziergang verstehen – und Barcelona genauso lieben werden wie ich.
Stürzen wir uns mittenrein, ins Herz der Stadt, in die Boqueria an den Rambles. Das Buntglasemblem am Eingang weist die 1840 eröffnete Stahl-Glas-Konstruktion als »Mercat de Sant Josep« aus. Die bunten Smoothies, die an den Obst- und Gemüseständen auf Touristen warten, bleiben links liegen. Wir setzen uns auf einen der Barhocker an der Pinotxo-Bar gleich am Eingang. Der alte Herr mit Fliege und blau-beige gestreiftem Jäckchen, der den café amb llet, den Milchkaffee, für 1,80 € serviert, heißt Joan Bayen, genannt Juanito. Zum Frühstück lieber ein großes Stück Kartoffel-Tortilla für 4,50 Euro oder die Variante mit gesottenen Auberginen? Das entscheidet Juanito. Er spielte schon hinterm Tresen, als seine Mutter 1940 den Stand eröffnete, und die Tapas, die er zubereitet, lassen auch Drei-Sterne-Köche mit der Zunge schnalzen. Juanito erzählt gerne, wie zunächst die Massen aus den Kreuzfahrtschiffen, dann die Pandemie das Miteinander im Mikrokosmos Markthalle verändert haben, und weist Besuchern dann trotzdem den Weg zu den besten Ständen. Zehn Euro aus dem Budget werden in Oliven, Brot und – je nach Gusto – in fuet, eine salamiartige katalanische Hartwurst, oder vegetarischen Aufstrich investiert. Frisches Obst der Saison gibt es an den Ständen an der Plaça de Sant Galdric. Auf dem kleinen Vorplatz an der Nordseite verkaufen Bauern aus dem Umland ihre Produkte, meist etwas günstiger als in der Halle. 5 Euro sollten für eine kleine Auswahl reichen.
Direkt hinter der Markthalle breitet sich das Gassengewirr des Raval aus. Das ehemalige Rotlichtviertel ist heute Heimat für pakistanische Einwanderer und europäische Expats, die billiges Gemüse und handbemalte Skateboards verkaufen. Die Häuser stehen teilweise so dicht zusammen, dass kaum ein Sonnenstrahl aufs Kopfsteinpflaster fällt. Dabei war das Viertel im Mittelalter noch Agrar- und Klosterland, auch das Antic Hospital de la Santa Creu lag vor den Toren der Stadt.
Im Innenhof der Anlage aus dem 15. Jahrhundert wachsen Orangenbäume, ein Springbrunnen plätschert. Die Guides, die die kleine Oase inzwischen auch in ihre Touren aufgenommen haben, erzählen gern, dass hier 1926 der von einer Straßenbahn angefahrene Architekt Antoni Gaudí verstarb, einsam und verarmt. Das stimmt, aber für mich ist das Wichtige an diesem Ort etwas anderes: Im Sommer stellt die hier ansässige Stadtbibliothek Stühle, Zeitschriftenständer und ein Riesen-Schachspiel auf den Hof. Unter den Arkaden sitzen dann Studierende im Examensstress, betagte Rentner und sin papeles, »papierlose«, also irreguläre Migranten, die vor Jahren einen leer stehenden Saal des Gebäudekomplexes besetzt haben. Es ist eher ein Neben- als ein Miteinander, aber die Selbstverständlichkeit, mit der sich so viele unterschiedliche Menschen einen Ort teilen, ist einer der Gründe, warum ich den Raval so gerne mag.
Barcelona ist eines der beliebtesten Städteziele – die Top-Ten-Sehenswürdigkeiten können die meisten wohl im Schlaf herunterbeten. Schwieriger ist es, den Charakter der Stadt zu verstehen. Barcelona ist elegante Diva und Kratzbürste zugleich. Beide Facetten lernen Sie auf diesem Spaziergang kennen.
Vom ehemaligen Hospital geht es weiter über den Carrer dels Àngels zum MACBA, dem Museu d’Art Contemporani de Barcelona. Das von Richard Meier entworfene, strahlend weiße Museum für zeitgenössische Kunst sollte Mitte der 1990er-Jahre Licht, Luft und Kultur in den Raval bringen. Dass dadurch auch die Immobilienpreise in die Höhe kletterten, bleibt vielen ein Ärgernis – noch dazu, weil über die Ausrichtung des Museums immer wieder gestritten wird. Zumindest die Kulisse haben sich die Bewohner des Raval angeeignet. Im Spiegel der großen Glasfenster üben junge Frauen Moves für ihre Tiktok-Filmchen, Skater nutzen die Rampen als Parcours.
Zurückdrehen lässt sich Gentrifizierung nicht. Aber der Einzelhandel im Viertel erweist sich als erstaunlich resilient. Im Carrer d’Elisabets trotzen ein hundertjähriger Kräuterladen und ein Geschäft für Malerfarben dem hippen Großstadteinerlei aus Bubble-Tea-Shop und Boutiquen. Und dann ist da natürlich die Central del Raval. Die riesige Buchhandlung in einem Teil der Casa de la Misericòrdia, des ehemaligen Armen- und Waisenhauses der Stadt, hat sich mit edlen Notizbüchern und fancy Stadtmagazinen zwar auch auf die touristische Klientel eingestellt. Aber wegen des herausragenden Sortiments (80 000 Titel auf 850 Quadratmetern!) und der charmant knarzenden Dielen gehört »la Central« nach wie vor zu meinen Lieblingsläden.
Sie können in den wandhohen Regalen nach der Taschenbuch-Ausgabe von Eduardo Mendozas Barcelona-Klassiker »La ciudad de los prodigios« für 9,95 Euro stöbern (auf Deutsch erschienen als »Die Stadt der Wunder«) – mit etwas Glück ist im Fremdsprachenregal auch eine englischsprachige Fassung vorrätig. Oder Sie setzen sich ins lauschige Gartencafé und blättern bei einem »Bikini« (gegrilltes Schinken-Käse-Sandwich) und einem frisch gepressten Orangensaft (7 Euro) in Zeitungen. Eins von beiden gibt das Budget her.
Wer durch die Comic- und Kinderbuchabteilung ins Freie tritt, steht auf der arkadenumkränzten