Mit dem Erzählen festhalten, was Erinnerung nicht bewahrt hat.   Die Dimensionen des Raumes im Roman Jakob der Lügner von Jurek Becker - Anja Nickel - E-Book

Mit dem Erzählen festhalten, was Erinnerung nicht bewahrt hat. Die Dimensionen des Raumes im Roman Jakob der Lügner von Jurek Becker E-Book

Anja Nickel

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  • Herausgeber: GRIN Verlag
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2005
Beschreibung

Studienarbeit aus dem Jahr 2005 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 1,0, Universität Erfurt (Philosophische Fakultät), Veranstaltung: Seminar "Erfinden und Erinnern", Sprache: Deutsch, Abstract: Jurek Beckererlebte seine frühestete Kindheit im Getto von Lodz in Polen und sechs Jahre (1939-1945) in den KZs Ravensbrück und Sachsenhausen. Vor der Deportation hatte ihn sein Vater, vergeblich, "älter gemacht", um ihn vor dem Transport zu bewahren. Über die Jahre wurde sein wirklicher Geburtstag vergessen, so dass man in einer willkürlichen Übereinkunft sein Geburtsdatum auf den 30.09.1937 festgelegte. Erst 1945, als er mit seinem Vater nach Prenzlau/Berlin zieht, erlernt Jakob die deutsche Sprache: Um als deutsche Juden anerkannt zu werden, änderte er seinen Namen in Max und den seines Sohnes in Georg, sprach nur noch Deutsch mit ihm und zwang ihn so, sich an die neue Heimat anzupassen. Der kleine Jurek vergisst das Polnische bereits, ehe er des Deutschen mächtig ist. Auf dieses Gefühl der Sprachlosigkeit führt Becker später sein Unvermögen zurück, sich an die Zeit in den Lagern zu erinnern. Diesen Zustand des Ausgegrenztseins und doch Teilhaben-Wollens fand er im Laufe seines Lebens immer unerträglicher, so klagte er: “Ohne Erinnerungen an die Kindheit zu sein, das ist, als wärst du verurteilt, ständig eine Kiste mit dir herumzuschleppen, deren Inhalt du nicht kennst. Und je älter du wirst, um so schwerer kommt sie dir vor, um so ungeduldiger wirst du, das Ding endlich zu öffnen.”1Diese Ungewissheit der Vergangenheit beschäftigte Becker Zeit seines Lebens. So bezeichnet er in einem Gespräch mit Heinz-Ludwig Arnold und auch in einigen Schriften das Getto von Lodz als die für ihn "unsichtbare Stadt". Ohne eigene Erinnerung also, erforschte er die Geschichte seiner Vergangenheit und bemühte sich, eigene Gedächtnislücken durch authentische Berichte und Dokumente zu füllen. Den Anstoß zum Entstehen von Jakobs Geschichte gab Beckers Vater: Er erzählte Jurek von einem Mann, der damals wirklich ein Radio im Getto versteckt hielt, jedoch nicht sehr heldenhaft, durch den Schuss eines SS-Beamten, endete. Zuerst als Drehbuch geschrieben, doch in der sozialistischen DDR nicht als "volkstauglich" erachtet, blieb die Erzählung vom Juden Jakob Jahre ungenutzt. Belletristik wurde nicht als gefährlich erachtet, als Film konnte die Geschichte jedoch nicht an die breiten Massen weitergegeben werden. Aus Verärgerung über die Ablehnung aus obersten Reihen schrieb Becker sie in einen Roman um, der mit dem Titel "Jakob der Lügner" weltberühmt wurde.

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