Mit dem Fahrstuhl kam der Tod - Allan Greyfox - E-Book

Mit dem Fahrstuhl kam der Tod E-Book

Allan Greyfox

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Beschreibung

Ein defekter Fahrstuhl wird einem jungen Mädchen zum Verhängnis. Die Polizei findet schnell einen Schuldigen, es ist nicht der richtige. Unsere hübsche Detektivin übernimmt den Platz des toten Mannequins, um Nachforschungen anzustellen. Damit hat sie sich in die Höhle des Löwen begeben, sie überlebt knapp einen Anschlag. Können ihr Partner und der neue Mitarbeiter den Fall lösen?

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Über dieses Buch

Ein defekter Fahrstuhl wird einem jungen Mädchen zum Verhängnis. Die Polizei hat bald einen Schuldigen gefunden, es ist jedoch der falsche. Das Ermittlerteam um Mike Callaghan und seine Freundin wird hinzugezogen, um die wahren Verbrecher zu entlarven. Der Fall spitzt sich zu, seine hübsche Freundin wird angeschossen und Mike muss um ihr Leben bangen.

Sie haben es mit einem harten Gegner zu tun, es sind Veteranen des zweiten Weltkrieges, skrupellose und erfahrene Kämpfer.

Ich bedanke mich bei meiner Frau, meinem größten Fan und gleichzeitig meiner größten Kritikerin, für ihre unermüdliche Arbeit am Manuskript und die schöpferischen Diskussionen.

Über den Autor:

Peter Eckmann, geboren 1947, lebt im Niederelbe-Dreieck in der Nähe von Cuxhaven

Mit dem Wilden Westen fing es an…

Da der Autor zunehmend Spaß am Entwickeln von Geschichten bekommen hat, warum nicht einmal einen Thriller?

Der Privatdetektiv Mike Callaghan entstand, ein Enkel des Gunfighters aus den Wildwest Romanen. Er ermittelt im New York Mitte des vorigen Jahrhunderts. Unterstützung bei seiner Arbeit erhält er von ein paar Freunden und einer hübschen Frau.

Mit dem Fahrstuhl kam der Tod

Die Personen

Der Tod kommt unverhofft

Der Postzusteller

Omaha Beach

Der Spezialist

Das Treffen der Veteranen

Die Redaktion

Der verschwundene Geldschrank

Mike Callaghan greift ein

Das Attentat

Im Krankenhaus

Goddon’s Garage

Der Zweite Weltkrieg in Manhattan

Hochzeit auf Long Island

Nachwort

Die Personen

In der Reihenfolge ihres Erscheinens…

Lana Miller

ein Fotomodel in der Zeitschrift Fortune

Charly Walters

ihr Freund, ein Lastwagenfahrer

William Goddon

Veteran der Invasion in der Normandie 1944, jetzt Inhaber einer kleinen Autowerkstatt

Arthur Ecclewood

Veteran der Invasion in der Normandie 1944, jetzt Kleinkrimineller und Witwentröster

Candice Evans

Candy, sie ist die Schwester von Annie Millburgh, 25 Jahre alt. Sie ist unvorstellbar vermögend und genauso gut aussehend, sie liebt ihren Mike und arbeitet als Partnerin in ihrer gemeinsamen Detektei. Sie fährt einen roten Alfa Romeo Supersport, Baujahr 1939, aus dem Nachlass ihres Vaters. Sie hat ebenfalls Jura studiert, um später einmal einen Posten in der Firma ihres Vaters übernehmen zu können. Aber dann kam Mike Callaghan…

Michael Callaghan

Mike, 35 Jahre alt, groß und gut aussehend, er hat Jura studiert und drei Jahre als Angestellter in einer Detektei gearbeitet, danach war er acht Jahre beim Militär in der Abwehr, davon drei Jahre während des Krieges gegen Deutschland. 1947 hat er sich mit einer kleinen Detektei selbstständig gemacht

Janet Wilson

Janet Wilson, die Sekretärin der Detektei

Annie Millburgh

Mitte dreißig, geborene Evans, die ältere Schwester von Candice Evans. Verheiratet mit Ernest Millburgh. Sie ist Mitinhaberin und im Aufsichtsrat der Lackawanna Steel und leitet so die Geschicke der Firma ihres verstorbenen Vaters

Sarah Escott

Inhaberin und Chefredakteurin der Modezeitung »Fortune« Sie ist reich und stammt aus betuchten Verhältnissen.

Henry Byrnes

Postbote im Verlagshaus der »Fortune«, Veteran der Invasion in der Normandie 1944, er hat seinen linken Arm dort verloren

Gordon Batcher

Ein früherer Mitarbeiter des FBI und Kriegskamerad von Mike Callaghan

Willy Murdoch

Mitte dreißig, mit unübersehbarer roter Haartolle. Ein weiterer, sehr guter Freund von Mike, er ist ein lustiger Kerl und erheitert seine Freunde immer wieder mit seinen Anekdoten. Er fährt Taxi in Manhattan

Eduard Costein

Eddie, Anfang vierzig, einer von Mikes beiden besten Freunden. Er hat ein paar Jahre im Gefängnis verbracht und ist jetzt durch die Ehe mit seiner Frau Marita geläutert, mit Kontakten zu Manhattans Unterwelt, Eigentümer und Barkeeper des ‘Grey Dog’, einer kleinen Kneipe in Chelsea

Ernest Millburgh

Ernie, der Mann von Annie Millburgh, erfolgreicher Manager in der Firma seines Schwiegervaters, des vor vier Jahren verstorbenen Horace Evans

Joseph Ripley

Detective im 19. Revier, er erweist sich als Pfundskerl und ist eine große Hilfe für Mike

Alle anderen Figuren spielen in für die Handlung erforderlichen Nebenrollen

Der Tod kommt unverhofft

Es ist 6:00 Uhr in der Früh, Lana Miller ist heute ganz besonders früh aufgestanden. Brrr! Sie schüttelt sich in ihrem dünnen Kleid. Hätte sie sich doch bloß eine Jacke übergezogen!

Heute sollen Außenaufnahmen auf Coney Island angefertigt werden. Da der Strand in den späteren Stunden des Tages wegen des angekündigten guten Wetters wieder völlig überfüllt sein wird, sollen die Aufnahmen so früh wie möglich abgeschlossen werden. Anschließend werden sie wieder zurück in die Redaktionsräume fahren, um in den beiden Ateliers die Arbeit fortzusetzen. In den letzten Tagen ist dort Sand verteilt worden und ein großes Bild vom Strand in Coney Island schmückt die Wand noch für eine Weile. Später sollen hier Bilder entstehen, die etwas Flair von Meer und Urlaub vermitteln. Um Aufnahmen vor Ort kommt man nicht herum, das bedeutet zwar viel Arbeit, die schöne Stimmung am Meer kann man im Studio nicht erzielen.

Die Sonne ist aufgegangen und vertreibt die Nebel vom East River. Nur wenige Autos sind in den frühen Morgenstunden unterwegs. Unter anderem sind drei Personenwagen und ein kleiner Lastwagen dabei, die die Mitarbeiter des Fotostudios, drei Models, eine Kosmetikerin und zwei Fotografen befördern. Zwei Helfer fahren in einem kleinen Truck hinterher, der mit allerlei Gerätschaften beladen ist. Stative, die Kameras und mehrere Kisten mit Strandmode, sind nur ein Teil der umfangreichen Ausrüstung.

Eines der drei Models ist Lana Miller. Sie ist die jüngste der drei jungen Frauen, sie wird das Ende des heutigen Tages nicht mehr erleben…

Jetzt sieht sie dem heutigen Tag mit Freude und Spannung entgegen. Wegen des frühen Beginns geht es für alle am Nachmittag wieder zurück. Sie freut sich schon auf die Zeit danach, denn diese Woche hat ihr Freund Charly Walters an den Nachmittagen frei, er muss für einige Tage Nachttransporte durchführen, sodass sie bis zum Abend Zeit füreinander haben.

Jetzt sollen sie und ihre beiden Kolleginnen Bademoden für den kommenden Sommer vorführen, die beiden Fotografen werden die drei Grazien fachkundig auf vielen Aufnahmen festhalten.

Es sind Badeanzüge, deren perfekter Sitz man bereits in den letzten Tagen geprüft hatte. Eine Schneiderin führte noch kleinere Korrekturen durch. Auf den späteren Bildern sollen sie perfekt sitzen, jede Falte verschlechtert den guten Eindruck, den die Fotografie bei den Lesern hervorrufen soll.

Das Wetter ist perfekt, es weht fast kein Wind. Die Sonne scheint diffus durch den morgendlichen Dunst und beginnt ihn allmählich aufzulösen.

Die Helfer bauen eine Umkleidekabine auf, in der sich die Mädchen beim Umziehen vor den neugierigen Blicken ihrer Begleiter und etwa vorbeikommenden Spaziergängern verbergen können.

Die nächsten Stunden bedeuten viel Arbeit für die Mannschaft. Die Mädchen müssen sich immer wieder drehen und ihre Position verändern. Die Helfer halten Reflexschirme und müssen auch die Spuren im Sand glattstreichen. Die großen Kameras auf den Stativen werden ab und zu auf andere Aufnahmepositionen gestellt.

Der weiße Strand von Coney Island ist fast unberührt. Einige wenige neugierige Zuschauer kommen und beobachten interessiert die Arbeit des Teams. Mit zunehmender Stunde müssen die immer zahlreicher werdenden Zuschauer gebeten werden, sich einen anderen Schauplatz zu suchen.

Aber dann ist auch das geschafft. Jesse Chandler, einer der beiden Fotografen und gleichzeitig der Aufnahmeleiter, klatscht in die Hände. „So, meine Lieben. Das hat bisher sehr gut geklappt. Ich denke, dass wir genügend Material auf den Filmen haben. Unsere Zuschauer werden immer zahlreicher, so dass wir nicht mehr ungestört arbeiten können. Wir packen jetzt ein und fahren in die Redaktion zurück. Auf dem Weg dorthin werden wir noch in einen Imbiss einkehren, um einen kleinen Lunch zu uns zu nehmen.“ Er blickt belustigt zu den drei Mädchen, die sich etwas durchgefroren unter einer Decke wärmen. „Unsere drei Schönen können sich mit einem Saft begnügen, damit sie auch später noch in ihre Kleider passen.“

„Blödmann! Das könnte dir so passen, wir wollen auch etwas essen!“, erwidert eine Kollegin von Lana Miller. Es stimmt, sie fühlt ebenfalls einen bohrenden Hunger.

Auf dem Rückweg finden sie einen Imbiss direkt an der Straße. Es ist zwar laut, aber es hält sie nicht lange auf.

Jesse Chandler sieht auf seine Uhr. „Es ist jetzt 12:00 Uhr. Wir werden noch drei Stunden drinnen arbeiten, dann können wir für heute Schluss machen. Was haltet ihr davon?“

„Ja!“, Lana Miller freut sich schon auf das Treffen mit ihrem Freund. Er wollte sie an der Redaktion abholen, ob er schon so früh kommen wird?

Charly Walters hat sich heute fein gemacht. Er trägt seinen einzigen Anzug, für den er sich eine neue Krawatte gekauft hat. Zusammen mit dem schwarzen, breitkrempigen Hut, sieht er sehr ansehnlich aus. Er freut sich bereits auf das Treffen mit seiner schönen Freundin und begibt sich schon früh auf den Weg zu ihrer Arbeitsstätte.

Kurz nach 2:00 am Nachmittag kommt er an der Ecke der 57. Straße mit der Park Avenue an. Die Sonne scheint schon warm, er stellt sich in den Schatten und steckt sich eine Zigarette an. Was soll er machen, bis Lana fertig ist? Vielleicht kann er ihr bei der Arbeit zusehen? Er glaubt nicht, dass das möglich sein wird, aber einen Versuch ist es wert. Er raucht seine Zigarette zu Ende und betritt das Erdgeschoß der Redaktion. Gleich hinter dem Eingang hat ein Pförtner sein Büro. Der schwarze Mitarbeiter sitzt hinter einer Glasscheibe und sieht ihn mit gleichmütigem Gesicht an. Charly Walters stellt sich vor und bringt sein Anliegen an. „Ich habe eine Freundin, Lana Miller, sie arbeitet hier. Ist es möglich, dass ich drinnen auf sie warten kann?“

Der Schwarze blättert in einem kleinen Büchlein und greift zum Telefon. Einen Moment später legt er auf und sieht zu Charly hoch, der gespannt die Antwort erwartet.

„Junger Mann, ich höre gerade, dass die Aufnahmen im Atelier bald beendet sein werden. Ihre Freundin wird dann hierher kommen, nehmen Sie bitte bis dahin Platz.“

Charly Walters setzt sich in den kleinen Warteraum. Zusehen scheint nicht erwünscht zu sein, aber er freut sich, dass er Lana bald in den Arm nehmen kann. Auf dem Tisch liegen einige Exemplare der Zeitschrift »Fortune« aus. Um die Wartezeit zu überbrücken, greift er sich eines der Magazine und blättert darin. Er rümpft unwillkürlich die Nase. Das ist ja nur für Frauen! Kochrezepte, Tipps für Partys, neue Frisuren und die allerneueste Mode! Dazwischen immer wieder Anzeigen für Kleidung und Konserven. »Hunt’s Tomatoe Sauce« sieht er, auch »Uncle Ben’s Rice« ist zu finden. Den letzteren kennt er sogar, den hat er schon ein paar Mal in seiner kleinen Küche zubereitet. Flüchtig blättert er weiter. Ab und zu inseriert eine Automarke, ganzseitige Anzeigen von Buick und Ford ziehen seine Aufmerksamkeit an. Er liest sich die wohlklingenden Werbetexte durch. Ja, ein eigenes Auto, das wäre was. Aber auf absehbare Zeit wird er sich das nicht leisten können. Vielleicht in ein paar Jahren ein gebrauchter Wagen?

Sein Blick fällt auf das Bild eines Mädchens mit schwarzen Haaren. Es ist ein Beispiel für die Hutmode dieses Frühjahres. Sein Herz klopft und er fängt unwillkürlich zu lächeln an. Es ist Lana, unter hunderten hätte er sie erkannt. Wie schön sie ist! Ihr Makeup ist perfekt, das kann er sogar als Laie erkennen, auf den Hut achtet er nicht weiter. Rasch blättert er weiter, aber er kann kein weiteres Bild von seiner Freundin mehr finden. Er greift zu einer anderen Ausgabe, da öffnet sich die Tür und Lana kommt herein.

„Charly!“, ruft sie. Er lässt die Zeitschrift fallen und nimmt sie in die Arme. „Wie schön, dass du schon fertig bist!“, er sieht sie mit strahlenden Augen an.

„Was machen wir mit dem schönen Nachmittag?“, fragt sie ihn. „Hast du eine Idee?“

Charly nickt. Auf diesen Nachmittag freut er sich, seitdem er mit Lana dieses Treffen geplant hat. „Wir könnten in den Central Park gehen und uns einen schönen Tag machen! Ich dachte an ein Picknick!“

Lana Miller strahlt, das gefällt ihr. Der Central Park ist nicht weit von ihrer Wohnung entfernt, dann hat sie nur einen kurzen Fußweg zurück.

Sie fahren mit dem Bus zu ihrer Wohnung in der Fifth Avenue. Der Central Park liegt direkt gegenüber, das ist sehr bequem. Lana Miller und Charly Walters fahren mit dem Fahrstuhl in ihre Wohnung im neunten Stock. Lana will noch ein paar belegte Brote schmieren, die sie für ihr Picknick mitnehmen können. Zum Trinken brüht sie Kaffee auf, den sie in eine Thermoskanne füllt. Am Schluss kommt alles in einen Tragekorb. Sie holt noch eine Decke aus dem Schlafzimmer, dann ist sie fertig. „Trage du den Korb, ich nehme die Decke!“

Er folgt ihr zum Fahrstuhl, dann beginnt ihr Picknick-Nachmittag. Es ist etwa 4:00, als sie den Central Park erreichen. Direkt neben dem Zoo befindet sich einer der vielen Zugänge. Vom Zoo her ist gelegentlich das Brüllen der Seelöwen zu hören.

Das junge Paar ist glücklich, sie halten sich an der Hand und gehen einen der Wege an der »Sheep Meadow«, der Schafwiese, entlang. Bald finden sie ein Plätzchen auf dem Rasen, das ihnen gut gefällt. Sie sind nicht die Einzigen, die es sich hier in der Sonne gut gehen lassen. Viele andere New Yorker genießen den schönen Tag auf den großen Rasenflächen des Central Parks. Der Rasen ist ungepflegt, an vielen Stellen ist das Gras sehr dünn und felsige Buckel unterbrechen das Grün. Im Hintergrund sind die hohen Häuser der Fifth Avenue zu sehen, Verkehrslärm ist zu hören, sodass es nie wirklich still ist.

Die beiden Liebenden stören sich nicht daran, sie haben nur Augen für sich.

Das mitgebrachte Brot ist schnell aufgegessen, auch die Thermoskanne mit dem Kaffee ist bald leer. Nun liegen sie nebeneinander auf der Decke und sehen sich an.

Lana Miller erzählt von dem Vormittag auf Coney Island, wie aufgeregt sie bei ihren ersten Außenaufnahmen gewesen war. Charly Walters sieht ihr die ganze Zeit verliebt in die Augen und freut sich an ihrer munteren Schilderung.

„Ihr wart noch mehr Mädchen? Du bist doch bestimmt die Schönste gewesen?“, neckt er sie und stubbst einen Finger auf ihre Nase.

Sie lächelt glücklich, sie hält seinen Finger fest und drückt einen zarten Kuss auf die Fingerkuppe. „Charly, rede nicht so einen Unsinn. Ja, ich sehe ganz ordentlich aus, meine Kolleginnen finde ich aber noch hübscher.“

„Und was ist mit den Männern? Wenn ich deine Geschichte richtig verstanden habe, dann sind vier Männer dabei gewesen?“

„Mit den Männern ist nichts, die haben genauso wie wir, nur ihre Arbeit gemacht.“

Charly sieht sie skeptisch an. „Du kannst mir viel erzählen. Sie sehen dir bestimmt immer hinterher.“

Lana schüttelt energisch den Kopf, sodass ihre schwarzen Locken fliegen. „Lass das, Charly, es ist deren Beruf, sie haben jeden Tag mit hübschen Mädchen zu tun. Da werden sie nicht ausgerechnet immer hinter mir her sein.“

Wegen seiner ständigen Eifersucht kommt jetzt etwas Ärger in ihr hoch. Sie sieht auf die Uhr. „Musst du nicht bald arbeiten?“

„So war das jetzt nicht gemeint. Aber du hast recht, ich habe noch eine Stunde Zeit. Lass uns doch noch ein wenig kuscheln.“

Das mit dem Kuscheln kennt sie schon. „Du willst mich nur immerzu küssen!“

„Das macht doch nichts, du möchtest das doch auch.“

„Ja, schon, aber doch nicht nur und nicht hier!“ Lana sieht sich um.

„Aber von deinen Arbeitskollegen lässt du dich immer anglotzen. Die haben doch bestimmt noch mehr als nur das Badezeug gesehen!“

„Nein! Und selbst wenn es so gewesen wäre, das gibt dir keinen Grund, meine Loyalität dir gegenüber in Frage zu stellen. Ich liebe dich doch!“

Charly Walters nickt und sieht betrübt vor sich auf den Rasen. „Ich kenne euch Mädchen. Ihr sagt immer, dass ihr einen liebt und seht dann doch nach anderen Männern.“

„So?“, Lana funkelt ihn zornig an. „Wie viele Mädchen haben dir denn schon gesagt, dass sie dich lieben?“

Charly windet sich unter ihren Argumenten. „Das erzählen meine Freunde, außerdem ist das in jedem zweiten Film zu sehen!“

„Das sind ja ernstzunehmende Quellen, um sich ein Urteil zu bilden!“ Lana Miller sieht ihren Freund zornig an. „Es reicht mir jetzt, lass uns gehen, ich möchte nach Hause!“

„Bitte, Lana. So war das nicht gemeint!“

Doch Lana Miller ist jetzt wütend. Ihr Zorn lässt sich jetzt nicht mehr zügeln, einen Streit wie diesen hatte sie schon oft mit Charly, sie ist es jetzt leid. Heftig packt sie die Kaffeekanne in den Korb, sie steht auf und ergreift die Decke.

„Wie hast du es dann gemeint? Ich möchte lieber nicht wissen, was du alles denkst, das ist wohl noch viel schlimmer!“

„Bitte, Lana! Ich bin ein Idiot! So bleib doch noch!“ Er versucht, ihre Hand zu ergreifen, doch Lana zieht sie heftig fort und beschleunigt ihre Schritte. Geschickt nutzt sie eine Lücke im Verkehr aus und läuft über die Fifth Avenue zur anderen Straßenseite.

Charly Walters eilt mit schnellen Schritten hinterher. Er hat längst bereut, dieses Thema angesprochen zu haben, das Lana so aus der Fassung gebracht hat – er kann sich einfach nicht beherrschen, wenn er sich vorstellt, wie seine Freundin jeden Tag von fremden Männern angesehen wird. „Bitte, Lana, lass mich doch erklären!“

Wegen ihres Streites bemerken Lana und Charlie die beiden Männer nicht, die mit einer großen Tasche in der Hand den Eingang mit der Nummer 825 betreten.

Lana zittert vor Wut. „Das hättest du dir vorher überlegen sollen! Nun hast du alles verdorben!“

Und Charly hört sich sagen: „Na gut, wenn du das so siehst! Ich will dich nicht mehr sehen!“

Das hatte er gar nicht sagen wollen, aber sein Zorn und seine Unfähigkeit, seine Gefühle auszudrücken, haben seine Worte in diese Sackgasse gelenkt.

Lana Miller stürzt mit Tränen in den Augen auf die Haustür zu und verschwindet im Gebäude. Charly steht niedergeschlagen vor der Tür. Nach ein paar Minuten macht er sich auf den Weg zur Untergrundbahn.

Lana Miller fährt im Fahrstuhl in den neunten Stock hinauf. Sie tritt vor die Tür und steckt den Schlüssel in das Schloss. Verwundert registriert sie, dass die Tür nicht abgeschlossen ist. Weit öffnet sie die Tür und bückt sich zu ihrem Korb. Sie blickt wieder auf und sieht zwei Männer auf sich zu kommen.

„Was ist denn das jetzt? Ich denke, diese Escott ist ein paar Tage fort?“, hört sie einen der Männer sagen.

„Was machen Sie in meiner Wohnung?“, ruft Lana Miller mit vor Angst geweiteten Augen.

„Halt die Klappe!“, herrscht einer der beiden Männer sie an, „du schreckst das ganze Haus auf!“

Doch Lana Miller ist in Panik und lässt sich nicht beruhigen. Sie spürt ihr Herz vor Entsetzen bis zum Hals schlagen. „Hilfe! Hilfe!!“ Sie dreht sich zur Tür und will in den Flur hinaus laufen. „Hilfe, Einbrecher!“, ruft sie wiederholt mit sich überschlagender Stimme.

Das letzte, was Lana Miller sieht, ist das Blitzen eines Messers mit einer langen Klinge.

drei Wochen vorher……

Der Postzusteller

März 1948, Manhattan. Der Winter ist vorbei, nur ein gelegentlich eisiger Wind weckt noch Erinnerungen an die zurückliegenden kalten Monate. Die New Yorker Bürger kommen wieder aus ihren Wohnungen, die ersten Mutigen haben sich schon frühlingshaft gekleidet und erfreuen sich an den ersten Krokussen im Central Park.

Im Detektivbüro Callaghan & Evans herrscht heute besonders gute Stimmung. Candice Evans hat anlässlich der Verlobung mit ihrem Freund und Partner Michael Callaghan für alle Angestellten ein Lunch spendiert. Die Lieferanten des Restaurants aus der Columbus Avenue sind gerade verschwunden, nun stehen in der kleinen Küche ein paar Töpfe mit dampfendem Inhalt.

Noch vor einem Jahr nutzte eine Versicherung das Büro. Die sind nun in größere Räumlichkeiten gezogen und Candice Evans hat die Gelegenheit genutzt, das komplette Erdgeschoss zu erwerben Die Räume sind gerade renoviert worden, nun ist es ein frisch hergerichtetes, ausreichend großes Büro mit genügend Platz für zusätzliche Mitarbeiter. Die Räume sind modern eingerichtet, auf jedem Schreibtisch befinden sich ein Telefon und eine Tischlampe mit grünem Schirm, wie sie jetzt gerade modern sind. Eine ganz große Errungenschaft ist das Telefon mit Weiterschaltmöglichkeit, das auf dem Schreibtisch von Janet Wilson, ihrer Sekretärin, steht. Ihr kleines Reich ist das heimliche Zentrum der Detektei. Nicht nur wegen der geschmackvoll ausgewählten Details, sondern wegen der immer gut gelaunten und hilfsbereiten Janet.

Es sind vier Personen, die sich mit einem Teller in der Hand von dem leckeren Essen bedienen. Der erste in der Reihe ist Jesaja Milton, er gehört seit kurzem zu der Truppe, ist aber der Älteste von ihnen. Candice Evans, die Chefin, hat ihn nach Weihnachten des vergangenen Jahres als Mitglied in ihr noch kleines Team aufgenommen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er in der Umgebung des Herald Square Schuhe geputzt. Seine hervorragende Beobachtungsgabe und sein gutes Gedächtnis waren ihr aufgefallen, nun ist er seit drei Monaten in dem Team nicht mehr wegzudenken. Jesaja ist Schwarzer und ist 54 Jahre alt.

Janet Wilson, ihre Sekretärin, ist die nächste in der Reihe. Sie gehört der kleinen Firma seit Oktober vergangenen Jahres an. Seitdem hat sich ihre Anstellung als Glücksgriff für die Detektei erwiesen, sie ist fleißig und aufmerksam. Sie hat dunkle, lockige Haare und ist etwa Mitte dreißig. Seit zwei Jahren ist sie geschieden und hat aus der Ehe zwei Jungen, um die sie sich neben ihrer Arbeit noch kümmern muss. Sie bewältigt auch das mit der von ihr gewohnten Perfektion.

„Wann verlobst du dich denn, damit wir wieder so einen netten Lunch bekommen?“, fragt Jesaja, an ihre Sekretärin gerichtet.

„Das könnte dir so gefallen! Aber zurzeit fehlt mir noch der passende Mann.“

„An Verehrern mangelt es dir doch sicher nicht, oder?“, lacht Jesaja sie an.

„Ich habe erst einmal von euch Männern die Nase voll!“, bekommt er es heimgezahlt.

Michael Callaghan und seine Partnerin sind die letzten in der Reihe und beobachten wohlgelaunt das muntere Gespräch ihrer beiden Angestellten vor sich.

Michael, Mike, dreht an dem ungewohnten Ring an seinem Finger herum. Er und Candice tragen ihre Verlobungsringe seit dem Wochenende. Sie haben sie bei dem Juwelier Martin im Rockefeller Center gekauft. Dort kauft die Familie Evans häufiger ihren Schmuck, nicht erst seit dem Diebstahl im September 1947 besteht eine besondere Beziehung zwischen dem bekannten Juwelier und ihrer Detektei. Candice Evans sollte gestohlenen Schmuck wiederbeschaffen und hatte dabei einen gefährlichen Verbrecher aufgescheucht. Mit einer Mordanklage am Hals landete ihr geliebter Mike über Weihnachten für fast drei Wochen im Gefängnis. Mit der Lösung dieses Falles hat sie sich endgültig als hervorragende Ermittlerin qualifiziert.

Sie betrachtet sinnend ihren Ring. Sie hätte gerne einen mit einem Diamanten genommen, aber Mike fand das zu auffällig. Ja, ihr Mike, er hat wahrscheinlich recht. Bei solchen Gelegenheiten zeigt sich das monetäre Gefälle zwischen ihnen beiden. Sie stammt aus reichem Hause und ist die Tochter eines vor vier Jahren verstorbenen Multimillionärs, Mike hat im fernen Wyoming ein paar ganz gut situierte Tanten. Er war bisher jedoch zu stolz, sie um Geld zu bitten, selbst als es ihm finanziell wirklich nicht gut ging. Jetzt sind sie auf deren Geld nicht mehr angewiesen, die Detektei läuft gut und wird inzwischen als Geheimtipp gehandelt.

Sie lächelt zu ihm hoch. Mit seinen 6 1/2 Fuß ist er fast einen Kopf größer als sie. Wenn sie ihm nicht begegnet wäre, hätte sie wahrscheinlich nie entdeckt, dass ihre wahre Begabung in der detektivischen Ermittlungsarbeit liegt. Die Tätigkeit in der Firma ihres verstorbenen Vaters hatte sie schon vor längerer Zeit hingeworfen. Eine Arbeit als Prokuristin oder gar im Vorstand des riesigen Stahlkonzerns in Buffalo kann sie sich jetzt überhaupt nicht mehr vorstellen. Sie sitzen nun alle an dem großen Tisch im Besprechungszimmer. Bevor sie zum Besteck greifen, möchte Mike ein paar Sätze loswerden.

„Janet und Jesaja, ich freue mich ganz besonders, euch bei diesem Essen dabei zu haben. Ein Essen, das anlässlich der Verlobung mit meiner lieben Candy stattfindet. Ich freue mich auf die weitere gemeinsame Arbeit mit euch und wünsche euch einen guten Appetit.“

Das Essen ist eben beendet, da betritt ein gern gesehener Gast die Büroräume. Es ist Annie Millburgh, die verheiratete Schwester von Candice. Sie ist mit ihren 36 Jahren 10 Jahre älter als ihre Schwester. Im Gegensatz zu Candice, ist sie in der Firma ihres Vaters engagiert. Die Arbeit im Aufsichtsrat lässt ihr jedoch reichlich Zeit, sich für soziale Belange einzusetzen.

Candice und Annie fallen sich in die Arme, Mike bekommt wie immer ein Küsschen auf die Wange.

„Schwesterherz, was führt dich hierher?“

„Heute Vormittag war eine Aufsichtsratssitzung, jetzt möchte ich gleich eine Freundin besuchen. Mir gefiel der Gedanke, bei euch hineinzusehen.“

„Das ist eine hervorragende Idee. Hast du schon gegessen? Wir haben noch reichlich übrig.“

„Vielen Dank, ich war schon zum Lunch. Wenn ich gewusst hätte, das ihr so exquisit tafelt, wäre ich natürlich gleich hierhergekommen.“

„Das ist nicht jeden Tag so, der Anlass war meine Verlobung mit Mike.“

„Das ist schön, ich freue mich, dass es bei euch so gut läuft.“

Candice lächelt und sieht kurz zu Mike hin, der sich gerade mit Jesaja und Janet unterhält. „Ja, das ist wahr. Ich frage mich fast jeden Tag, was wohl ohne Mike aus mir geworden wäre. Detektivin hätte ich nie in Erwägung gezogen.“ Dann fügt sie hinzu: „Sag mal, kenne ich die Freundin, die du besuchen willst?“

„Ich glaube nicht. Sie heißt Sarah Escott, sie ist die Herausgeberin der »Fortune«.“

„Oh! Die Zeitschrift lese ich gelegentlich, sie gefällt mir sehr gut. Sie ist eine der wirklich sehr gelungenen Frauenzeitschriften.“

„Weißt du was? Komm doch einfach mit! Ich stelle dich meiner Freundin vor, vielleicht wird es einen Artikel über die jüngste Detektivin von New York geben.“

Candice lacht und schüttelt den Kopf. „Das muss ich mir noch überlegen. Auf der einen Seite ist es natürlich eine nette Reklame, auf der anderen Seite sollten wir nicht überall bekannt sein, das könnte bei der Arbeit hinderlich sein. Aber ich komme gerne mit, wenn es dir recht ist.“

Mike macht sich bemerkbar. „Entschuldigt bitte, falls ich störe. Ich wollte mit Jesaja zu einem Kunden fahren. Wir werden erst am Abend wieder zurück sein.“

Candy sieht ihre Schwester an. „Wie lange werden wir fortbleiben?“

„Es wird sicher bis zum Abend dauern, wir beide könnten anschließend noch essen gehen.“

„Wenn zwei Millionärinnen unter sich sind, möchte ich natürlich nicht stören“, grinst Mike seine Verlobte und seine Schwägerin an.

Candy steht auf und legt einen Arm um ihn. „Mike, lass diese sarkastischen Bemerkungen. Ich würde mich sehr freuen, wenn du dazu kommen könntest.“ Sie wendet sich an ihre Schwester. „Was meinst du, Annie?“

„Ich würde mich auch freuen. Ich bin ohnehin alleine, mein Mann ist wieder eine Woche in Buffalo, so könnten wir nach langer Zeit wieder einen gemeinsamen Abend verbringen!“

„Okay, dann müssen wir nur noch einen Treffpunkt ausmachen.“

„Wie wäre es um 7:00 im Daniel?“, fragt Candy.

Das Restaurant Daniel in der 65. Straße Ost hat einen hervorragenden Ruf, so findet der Vorschlag allgemeine Zustimmung. Mike verlässt mit Jesaja das Büro und auch Annie und Candice fahren etwas später mit Candys Alfa Romeo fort. Ihr Ziel ist die Redaktion der »Fortune«.

Das Verlagshaus der »Fortune« ist an der Ecke 57. Straße mit der Park Avenue. Candice findet nach kurzem Suchen einen Parkplatz für ihren roten Flitzer.

„Der Wagen von Vater ist wohl genau der richtige für dich, oder?“

„Ja, es macht mir Spaß, damit zu fahren, wenngleich die Kupplung und die Lenkung etwas schwergängig sind. Inzwischen habe ich mich aber daran gewöhnt“, erläutert Candice.

Annie schüttelt den Kopf. „Ich würde mit dem Wagen nicht zurechtkommen, nicht in hundert Jahren!“ Die beiden Schwestern lachen und steigen gut gelaunt aus.

Die unteren drei Stockwerke des weißen zwanzigstöckigen Klinkerbaus sind mit den Büroräumen der Zeitschrift Fortune belegt. Annie kennt sich aus und geht voraus.

Die Herausgeberin erwartet sie bereits. Die Einrichtung in ihrem großen Büro im zweiten Stock verrät den guten Geschmack der Besitzerin. Die dunklen Vorhänge und die dezenten Tapeten dämpfen etwas das Tageslicht.

Sarah Escott, die Besitzerin und Chefredakteurin, steht auf, als Annie eintritt. „Guten Tag, meine Liebe. Das ist schön, dass du kommen konntest!“ Sie blickt zu Candice hinüber. „Möchtest du mir ein neues Mannequin vorstellen?“

Annie lächelt und schüttelt den Kopf. „Nein, das ist meine kleine Schwester Candice.“

Erstaunt blickt die Chefredakteurin und Eigentümerin der Zeitung Annies Schwester an. „Oh, entschuldigen Sie bitte. Sie sehen sich nicht besonders ähnlich.“

„Wir haben unterschiedliche Mütter, dann ist das auch nicht zu erwarten.“

Sarah Escott mustert Candice und nickt dabei. „Sie sind schon etwas Besonderes. Und glauben Sie mir, ich habe mit vielen Modellen zu tun. Wenn Ihnen mal Ihr Geld ausgehen sollte, Sie könnten sofort bei mir anfangen.“

Jetzt ist es an Candice, zu lächeln. „Erstens habe ich einen Job, der mir sehr gut gefällt und zweitens glaube ich nicht, dass uns jemals das Geld ausgehen könnte. Was meinst du dazu, Annie?“

Annie schmunzelt, sie kommentiert es aber nicht. Ihr Vater hat ihnen beiden seine Anteile am zweitgrößten Stahlkonzern der Vereinigten Staaten von Amerika hinterlassen, das ist mehr Geld, als sie jemals werden ausgeben können. Und ihrem Mann Ernest gelingt es als geschicktem Manager sogar noch, ihr Vermögen zu vermehren.

„Lass uns nicht über uns reden, was macht deine Zeitschrift?“

„Danke, ich bin sehr zufrieden. Das Interesse der weiblichen Bevölkerung an solchen Zeitschriften wie meiner, hat nach dem Krieg sehr zugenommen und uns ist es gelungen, einen guten Teil der Kunden an unsere Zeitschrift zu binden. Meine Leserinnen sind froh, keine Apelle zum Sparen mehr lesen zu müssen. Ich zeige ihnen, was sie anziehen könnten, Frisuren, Tipps für interessante Partys und so weiter.“ Sarah Escott blickt wieder zu Candice hinüber. „Sie sind doch Detektivin, oder? Ich kann mich erinnern, dass Annie so etwas erzählt hatte.“

Candice nickt. „Ja, aber erst seit einem halben Jahr. Mein Verlobter hat mich für diese Art Arbeit interessiert, sie gefällt mir ausgezeichnet.“

Sarah Escott lächelt sie an. „Eine weibliche Detektivin, das wäre für meine Leserinnen interessant. Wissen Sie, ein Artikel in meiner Zeitschrift über Sie und ihr Büro, noch dazu mit Ihrem Gesicht als Titelbild, das würde bei meinen Leserinnen gut ankommen.“

Candice lächelt über das Kompliment, sie schüttelt aber den Kopf. „Das hört sich verführerisch an, aber ich bin so schon bekannter, als mir lieb ist und wir benötigen keine weitere Reklame. Es wäre nicht gut, wenn ich bei meinen Ermittlungen sofort erkannt werden würde. Außerdem ist unsere Detektei mit Aufträgen bereits völlig ausgelastet. Trotzdem danke ich für das Angebot.“

„Das ist schade. Aber wenn Sie es sich anders überlegen sollten, dann lassen Sie es mich wissen.“

Durch die offene Bürotür kommt ein Mann herein, über der Schulter trägt er eine Umhängetasche. Er greift in diese Tasche und legt drei Briefe und einige Hauspostumschläge in den Posteingangskorb, der auf einem kleinen Schrank neben der Tür steht. Der Postausgangskorb ist leer. „Haben Sie Post für mich, Miss Escott?“

„Danke, Mr. Byrnes, heute ist nichts für Sie dabei.“

Der unauffällige Mann in dem grauen Kittel verlässt mit leisen Schritten das Büro. Der linke Ärmel ist nach innen gekrempelt, ihm fehlt der Arm auf der Seite.

Miss Escott bemerkt den Blick von Candice. „Das ist unser Postbote, Mr. Henry Byrnes. Er hat im Krieg in Frankreich seinen linken Arm verloren. Seit zwei Jahren arbeitet er nun bei uns und verteilt unsere interne Post.“

Candice hat fast ein schlechtes Gewissen. Warum sind die Schicksale so sehr unterschiedlich verteilt? Sie sieht aus wie das blühende Leben, hat nie etwas entbehren müssen und schwimmt in Geld. Der arme Mann hat im Krieg für ihr Land gekämpft, ist jetzt versehrt und muss sicher mit einem Hungerlohn auskommen.

„Wie wäre es, darf ich Ihnen meinen Verlag zeigen?“, unterbricht Miss Escott die kurze Stille.

Es folgt eine erfreute Zustimmung der beiden Damen und Miss Escott geht voraus. Stolz zeigt sie ihren beiden Gästen die Redaktionsräume. Auch eine kurze Führung in das Fotoatelier wird nicht ausgelassen.

Henry Byrnes gönnt sich nach mehreren Stunden des Herumlaufens eine kleine Pause. Er hat seinen Postsack abgelegt und sitzt in der Poststelle im Erdgeschoss an einem kleinen Tisch. Aus der Kantine nebenan hat er sich einen Kaffee geholt, den er jetzt genießt. Mit kleinen Schlucken trinkt er das nicht mehr ganz heiße Getränk.

Der kleine Raum ist bis in die letzte Ecke mit Aktenschränken vollgestellt, in der Mitte steht ein kleiner, hölzerner Tisch. Das einzige Licht rührt von zwei Glühlampen an der Decke her, durch die geöffnete Tür dringt etwas Tageslicht aus dem Nebenraum herein. Die wichtigste Ausstattung ist der Sortierkasten. Es ist ein kleines Schränkchen mit einem Fach für jede Poststelle im Verlag. Dort wird die eingehende Post von Henry Byrnes hinein sortiert und anschließend sauber getrennt wieder herausgenommen. Dieser Vorgang wiederholt sich mehrere Male am Tag, sodass die Post im Haus ständig aktuell ist. Die externe Post landet ebenfalls in dieser zentralen Stelle. Eingehende Briefe werden in die Fächer der entsprechenden Empfänger gelegt und gemeinsam mit der internen Post verteilt.

Von der Straße ist durch das im Nebenzimmer geöffnete Fenster gedämpft der in Manhattan allgegenwärtige Verkehrslärm zu hören, Henry Byrnes hat sich zurückgelehnt, sein Blick ruht, ohne es wirklich wahrzunehmen, auf den Schränken und Ablagen vor ihm.

Seit zwei Jahren läuft er hier mit dem Postsack über der Schulter herum. Seine Aufgabe ist es, alle Unterlagen in jedem Büro aus den Postausgangskästen zu nehmen, hier in der kleinen Postsammelstation zu sortieren und wieder zu verteilen. Über 10 Meilen legt er so jeden Tag zurück.

Der Job unterfordert ihn eigentlich, aber was soll er als Einarmiger sonst machen? Verbitterung kommt in ihm hoch. Er hat sein Leben im Kampf für sein Land riskiert, am Ende ist sein Arm auf der Strecke geblieben. Die Versehrtenrente, die er vom United State Department of Defense, dem Verteidigungsministerium, erhält, reicht vorn und hinten nicht. Er kann froh sein, dass er diese Anstellung erhalten hat, so muss er wenigstens keinen Hunger leiden.

Jetzt sitzt er hier, seelisch und körperlich ein Wrack.

Verdammt, warum ist das Leben so ungerecht? Vorhin, als er die Post in das Büro seiner Chefin gebracht hat, da ist ihm die Ungerechtigkeit des Lebens ihm gegenüber wieder besonders bewusst geworden. Da saßen drei Frauen, eine schöner und reicher als die andere, und haben nichts weiter zu tun, als sich nett zu unterhalten. Und er ist froh, wenn ihm sein fehlender Arm mal keine Schmerzen bereitet. Es ist ein Phantomschmerz, hat ihm sein Arzt erklärt, aber helfen konnte er ihm auch nicht.

Es gibt aber einen Lichtblick. Vor ein paar Tagen hat er eine Postkarte von William Goddon erhalten. Bill, wie sie ihn genannt haben, war während des Krieges in der Normandie einer seiner untergeordneten Sergeants gewesen. Als er mit dem Lazarettschiff vorzeitig in die Heimat zurückgebracht wurde, hatten ihm seine Kameraden geschworen, sich nach dem Krieg bei ihm zu melden.

Seit seiner Verletzung sind jetzt vier Jahre vergangen, der Krieg ist seit drei Jahren vorbei. Das ist eine lange Zeit, er hat sich trotzdem, oder gerade deswegen, riesig über die Karte gefreut. Eine Telefonnummer war darauf angegeben, dort hatte er gestern noch niemanden erreicht, aber heute will er es noch einmal versuchen.

Es war eine entbehrungsreiche und gefährliche Zeit gewesen. Seine Kameraden und er hatten immer wieder um ihr Leben kämpfen müssen, sie haben überlebt und die gemeinsamen Erlebnisse haben sie fest zusammengeschweißt. Vor seinem inneren Auge erstehen die Bilder aus dem vergangenen Krieg. Er spürt förmlich das Beben durch die Abschüsse der schweren Geschosse, die die Zerstörer weit hinter ihnen auf die Küste abfeuern. In seinen Ohren erklingt das Prasseln der Maschinengewehrsalven auf der gepanzerten Vorderseite ihres Higgins Landungsbootes.

Omaha Beach

6. Juni 1944. Lieutenant Byrnes steht mit seinen Soldaten, eines Zuges oder Platoon der 1. US Infanteriedivision, der berühmten »Big Red One«, in dem kleinen Landungsboot. Mit ihnen sind noch über 4000 andere Landungsboote und insgesamt über 6000 Schiffe vor der französischen Küste auf See. Die Aufgabe des fünften US-Korps ist es, diesen Teil von Frankreich, eine zehn Meilen lange, strandähnliche Küste auf der Ostseite der Normandie, einzunehmen. Der militärische Codename ihres Teiles der Küste ist »Omaha Beach«. Vor einer halben Stunde, also um 5:20, sind sie von ihrem Mutterschiff, 3 Meilen vor der Küste, zu Wasser gelassen worden. Die Nachwirkungen des Sturmes der letzten Tage sind noch deutlich zu spüren. Das Wasser ist aufgewühlt, die Wellen sind bis zu sieben Fuß hoch. Das 36 Fuß lange Boot ist mit 36 Soldaten bis an die Grenze seiner Kapazität besetzt. Es schlingert und stößt in den hohen Wellen, einige der Soldaten haben sich übergeben und nun stehen sie dichtgedrängt mit den Stiefeln in einer Mischung aus Seewasser und Erbrochenem. Die Sonne erhebt sich gerade über den Horizont und scheint durch einige Wolkenlücken in die gespenstisch anmutende Szenerie. Das Meer ist schwarz von Schiffen. Über ihren Köpfen fliegt ein Bomberkommando, bestehend aus über dreihundert B-24 Bombern mit über tausend Tonnen Bomben, auf die Küste zu. Deren Aufgabe ist es, die Stellungen der Deutschen zu bombardieren und so die Einnahme dieses Abschnittes zu erleichtern. Wegen der schlechten Sicht landet keine der Bomben wie vorgesehen. Das französische Hinterland muss die Bombenlast ertragen, ein Viertel der Flugzeuge kehrt wegen Orientierungsschwierigkeiten mit ihrer tödlichen Last unverrichteter Dinge wieder um. Diese Bomben werden beim Rückflug über dem Ärmelkanal abgeworfen. Eine Landung mit dieser brisanten Ladung wäre zu gefährlich.

Die beste Wirkung erzielen noch die Bordkanonen der Zerstörer, seit einigen Minuten beschießen sie mit ihren gewaltigen Geschützen die Küste aus zehn Meilen Entfernung. Trotz der großen Entfernung sind viele Zufallstreffer dabei. Wie ein nicht endendes Gewitter hallen die Abschüsse der schweren Kanonen und die gefährliche Last jagt über die Köpfe der Männer in ihren Holzbooten hinweg. Die kleinen Boote des Mr. Higgins sind die idealen Schiffe für diesen Zweck. Außen sind sie mit Stahl verkleidet, die Landeklappe ist gepanzert. Außer ihrem Platoon sind noch der Schiffsführer und ein Maschinist mit an Bord.

Kaum jemand spricht, ergeben blicken die meisten Soldaten auf den Boden. Sie nähern sich dem Strand, plötzlich beginnt irgendwo vor ihnen ein Maschinengewehr zu feuern. Erschreckend laut prasseln die Schüsse auf die Landeklappe. Ihr Bootsführer ist ein erfahrener Seemann der Coast Guard, geschickt steuert er ihr Boot an den Strand. Nicht jedem gelingt das Manöver so gut, einige der Landungsboote erreichen Meilen entfernt die Küste.

Das Geschützfeuer scheint nicht enden zu wollen und der unerträgliche Lärm erstickt jeden klaren Gedanken. Die Landeklappe senkt sich, vor ihnen ist das flache Wasser des Atlantiks, noch sind es etwa 50 Schritte bis zum festen Boden.

„Los jetzt, lauft was ihr könnt!“ Lieutenant Byrnes und seine vier Sergeants rufen laut Befehle und treiben ihre Soldaten an, von denen die meisten apathisch nach vorne blicken. „Los! Lauft, bis an den Fuß der Steilküste!“

Die Deutschen feuern mit ihren Maschinengewehren in die offenen Landeklappen hinein. Die Panzergeschütze aus den Widerstandsnestern beschießen ohne Unterlass die sich nähernden Schiffe.

Lieutenant Byrnes handelt wie in Trance. Unentwegt feuert er seine Leute an und treibt sie vorwärts. Einige fallen von den deutschen Kugeln getroffen und sinken in die aufgewühlte See. Den Zugführern und den meisten seiner Männer gelingt es, den Fuß der Steilküste zu erreichen. Hier sind sie einigermaßen sicher, weil die Waffen der Deutschen sie hier nicht erreichen können.

Der Strand ist übersät mit Toten, am Ende des Tages werden es über zweitausend sein.

First Lieutenant Byrnes sieht sich um. Vor einer halben Stunde waren sie noch sechsunddreißig, nun scharen sich noch ungefähr zwanzig Mann um ihn.

„Wir müssen die Aufgänge erreichen!“, brüllt er. „Vorwärts!“ Einige der Männer sind kaum ansprechbar. Er stürmt vorwärts, mit Handgranaten und dem Sturmgewehr in der Hand. Einige der deutschen Geschütze sind verstummt, offenbar ist es anderen Gruppen gelungen, sie auszuschalten. Aber um welchen Preis!

Auf der gegenüberliegenden Seite versucht ein Soldat mit einem Flammenwerfer, ein Widerstandsnest der Deutschen auszuräuchern. Gelbrot leuchtend züngeln die Flammen in die Geschützöffnung des Bunkers. Ein Zufallstreffer zerstört den Kerosinbehälter auf dem Rücken des Soldaten. Die auslaufende Flüssigkeit entzündet sich sofort und der Mann fällt, einer lebenden Fackel gleich, den Abhang hinunter.

Der vereinbarte Treffpunkt des 26. Infanterie-Regimentes ist Colleville-sur-Mer. Das ist ein kleiner Ort eine Meile landeinwärts. Im Moment sieht es nicht so aus, als wenn sie es jemals erreichen werden. First Lieutenant Byrnes sieht sich um und versucht seine Männer auszumachen. Die Zustände am Strand hat er sich in seinen schlimmsten Befürchtungen so nicht ausgemalt. Zwei Panzer stehen getroffen im Sand und brennen lichterloh. Er hofft, dass sich die Mannschaft retten konnte, aber das ist sehr unwahrscheinlich. Nun bilden die brennenden Kolosse einen Schutz für eine Gruppe Soldaten, die in der Hitze hinter den Flammen aushalten und die Stellungen der Deutschen beschießen.

Nach und nach kann er seine Soldaten erkennen, er befürchtet, dass manche der vielen Toten, die hinter ihm auf dem Strand liegen, zu seinem Platoon gehört haben.

Er und seine verbliebenen Leute nutzen eine Feuerpause, um die Höhe der Steilküste zu erklimmen. Einem seiner Leute gelingt es, eine Handgranate in den Bunker vor ihnen zu werfen. Als sich die Rauchwolke verzogen hat, klettern zwei Soldaten durch die Öffnungen für die Geschütze in das Innere. Er ist immer wieder überrascht, wie zäh und flink manche Soldaten sind, die sich trotz der nassen Kleidung und der schweren Ausrüstung noch behände bewegen.

Ihr Glück ist es, dass die Verteidigungslinie der Deutschen nicht tief ist. Nachdem sie die Festungen an der Steilküste überwunden haben, ist die direkte Gefahr vorerst vorbei. Jetzt gilt es, die Geschütznester in einigen Häusern auszuschalten. Er kann nur hoffen, dass die Unterstützung der Deutschen durch ihre Panzer noch so lange auf sich warten lässt, bis sie ihre eigenen Panzer an Land gebracht haben.

Drei von seinen vier Sergeants sind noch am Leben, er gibt ihnen das Zeichen zum Sammeln und zeigt auf eine mit Strandhafer gesäumte Mulde vor ihnen. Dort sind sie vorerst geschützt. Wie hoch mögen die Verluste sein? „Sind noch Verletzte zu verarzten?“ Er muss fast brüllen, um sich bei dem Lärm der Geschützfeuer verständlich zu machen.

Es stellt sich heraus, dass von den 35 Soldaten noch 22 am Leben sind. Die Verletzungen halten sich in Grenzen. Ihr Sanitäter hat die schwersten Wunden bereits verbunden.

Sergeant Jackson hat eine merkwürdige Wunde. Ein Splitter ist ihm durch die eine Wange eingedrungen und durch die andere wieder heraus. Nun muss er zwischen seinen Befehlen immer wieder Blut spucken.

First Lieutenant Byrnes ruft seine drei verbliebenen Sergeants zu sich. „Teilt die verbliebenen Männer unter euch auf. Gable, Sie nehmen sich drei Mann und versuchen Kontakt mit unserer Einheit aufzunehmen.“

Der Angesprochene ist ein Sergeant Mitte dreißig. Er ist schon in Italien dabei gewesen und durch nichts aus der Ruhe zu bringen.

Sie haben einen Funker dabei, der seine fünfzig Pfund schwere Kiste bis hierher getragen hat. Sein Apparat hat das Wassers des Ärmelkanals nicht vertragen.

„Vielleicht funktioniert es morgen wieder, wenn es etwas getrocknet ist.“ Missmutig blickt er auf die schwere, in Persenning eingepackte Kiste.

Die kleine Gruppe um Sergeant Gable kommt wieder zurück. „Lieutenant, wir müssen nur 200 Yards weiter nach Westen, dort liegt der Rest des Regiments. Dem 3. Panzerbataillon ist es gelungen, zwei Panzer bis dorthin durchzubringen.“

„Sehr gut, Sergeant! Ich hoffe, dass wir dort unsere Lebensmittel und Munition ergänzen können.“ Seine Leute müssen sich bewegen. Einige haben sich schon hingesetzt, sie werden Mühe haben, sich zu erheben.

Es ist jetzt High Noon, Mittag, sie sollten schon eine Meile weiter im Landesinneren sein. Es gab nur wenig, was bei diesem Angriff nicht schief gegangen ist. Der folgenschwerste Fehler war seiner Einschätzung nach, dass keine Bombe des Bomberkommandos die Küstenbatterien getroffen hatte. „Los, Leute, nur eine kurze Strecke noch!“ Seine Männer setzen sich schwerfällig in Bewegung, angetrieben von den Unterführern. Sie nutzen jede Möglichkeit zur Deckung und erreichen nach einer halben Stunde den Rest des Regimentes.

Colonel Burke, der Führer des Bataillons, ist erfreut, ihn zu sehen.

„Es freut mich, Sie zu sehen, Lieutenant. Ich habe schon befürchtet, Sie und ihr Platoon hätten es nicht geschafft.“

„Doch, aber leider mit vielen Verlusten, wir sind nur noch 22, von den Gruppenführern ist Sergeant Austin nicht mehr unter uns.“

„Diese verdammten Deutschen! Wir werden sie besiegen, auch wenn es schwer fällt! Kümmern Sie sich um die Absicherung nach Westen, dort hat sich eine Gruppe Deutscher in einem Haus verschanzt.“

„Okay, Sir!“

Der Lieutenant will sich selbst ein Bild von der Lage verschaffen. Sergeant Goddon, einer seiner verbliebenen Unterführer, sieht nicht ganz so erschöpft aus, wie seine Kollegen.

„Sergeant, kommen Sie mit mir, wir wollen die Lage erkunden!“

„Ja, Sir!“

Sergeant Goddon ist ein kräftiger, stämmiger Mann. Er mag Mitte dreißig sein und hat blonde Haare. Er setzt seinen Stahlhelm wieder auf und folgt dem Lieutenant.

Der Ort Colleville-sur-Mer liegt vor ihnen. Die Häuser am Ortsrand sind von den Deutschen requiriert worden und teilweise zu Widerstandsnestern umgebaut worden. Die Fenster des Hauses vor ihnen sind zur Seeseite bis auf schmale Schlitze zugemauert worden.

Das im Hintergrund liegende Dorf weist schwere Schäden auf. Die Granaten der Schiffsartillerie haben nicht nur die direkte Küste getroffen, viele von Ihnen sind in das Hinterland geflogen und haben an den Häusern und unter der Zivilbevölkerung schwerste Schäden angerichtet.

Im Obergeschoss des Hauses ist ein Maschinengewehr montiert. Von der erhöhten Position bedeutet es eine große Gefahr für die anrückenden Alliierten. Wieder erklingt das harte Stakkato des MG-42. Irgendwo in der Nähe schlägt die Geschossgarbe ein, mit lautem Pfeifen fliegen einige Querschläger vorbei. Unwillkürlich ducken sich die Soldaten.

Sergeant Goddon wendet sich an den Lieutenant hinter ihm. „Sir, ich habe eine Idee. Sehen Sie den kleinen Wall, der auf das Haus zuführt?“

Der Lieutenant sieht einen mit spärlichem Buschwerk bewachsenen Wall, der in etwa 20 Schritt Entfernung am Haus vorbeiführt und offensichtlich die Grenze zum Nachbargrundstück bildet. Er ist etwa einen Yard hoch.

„Ich könnte in der Deckung des Walles entlang kriechen und dann eine Handgranate in die Geschützöffnung werfen. Ich muss nur etwas Feuerschutz bekommen.“

„Sehr gut, Sergeant. Glauben Sie, dass Sie die Handgranate so genau werfen können?“

Jetzt grinst der stämmige Bursche. „Ich bin seit vielen Jahren der beste Werfer in unserer Baseballmannschaft. Das ist eine ganz leichte Übung für mich.“

„Na schön, ich wünsche Ihnen viel Erfolg.“

Dann hat der Lieutenant noch eine Idee und wendet sich an seine Männer. „Es tut mir leid, Leute, euch jetzt damit zu behelligen, aber ausruhen könnt Ihr nachher. Falls Sergeant Goddon Erfolg hat, werdet ihr sofort losstürmen und das Haus einnehmen. Wir müssen sicherstellen, dass diese wichtige strategische Position wirklich ausgeschaltet wird.“ Die Männer richten sich trotz ihrer Erschöpfung auf und greifen nach ihren Gewehren.