Mit dir will ich es wagen … - Laurie Paige - E-Book

Mit dir will ich es wagen … E-Book

Laurie Paige

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Beschreibung

Dass er Roni nach ihrem Reitunfall umsorgt, ist Ehrensache für FBI-Agent Adam. Aber er muss sich vor ihren sinnlichen Reizen hüten! Denn so sehr er die zierliche Computerexpertin auch insgeheim begehrt, Adam kann keine ernsthafte Beziehung eingehen – sein Job ist viel zu riskant …

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IMPRESSUM

Mit dir will ich es wagen … erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2004 by Olivia M. Hall Originaltitel: „The Devil You Know“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BIANCA EXTRA, Band 60 Übersetzung: Rainer Nolden

Umschlagsmotive: Almaje, Veronika Zimina / Getty Images

Veröffentlicht im ePub Format in 11/2022

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751520768

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

Veronica Dalton schaute auf ihre Uhr und zog die Nase kraus. „Die Stechuhr ruft!“, erklärte sie und legte ein paar Scheine auf den Tisch, um ihren Teil der Rechnung zu begleichen.

Patricia Upjohn, ihre beste Freundin, verdrehte die Augen. „Roni, Roni“, tadelte sie, „andere wären froh, wenn sie sich ihre Zeit so frei einteilen könnten wie du und wenn sie einen solchen Boss hätten.“

Als IT-Expertin arbeitete Roni meistens von zu Hause aus. Sie schrieb Computerlehrprogramme, entwickelte Computerspiele für Kinder und konnte sich ihre Arbeitszeit so einteilen, wie es ihr passte.

Patricia hatte auch recht, was Ronis Boss anging. Er war nicht nur freundlich, nett und zuvorkommend, sondern sah auch noch unverschämt gut aus. Jede Frau, die ihre fünf Sinne beisammen hatte, würde sofort eine Affäre mit ihm anfangen.

Roni versuchte, zerknirscht auszusehen. „Du hast ja recht. Unsereins kann machen, was er will, und ihr armen gescholtenen Banker zahlt den Preis dafür, nur damit ihr der Menschheit dienen dürft.“

„Wir geben unser Bestes“, erwiderte Patricia bescheiden.

Jetzt war es Roni, die ihre Augen verdrehte. „Nächste Woche, selbe Zeit?“, fragte sie, während sie sich erhob.

„Selbstverständlich.“

Roni verabschiedete sich von ihrer Freundin und bahnte sich einen Weg durch die Gästeschar, die sich jeden Mittag hier versammelte und immer größer zu werden schien. Besonders am Freitag war es immer besonders voll. Vielleicht sollte sie sich mit Patricia an einem anderen Tag zum Essen verabreden. Sie beschloss, ihrem Chef vorzuschlagen, die wöchentlichen Besprechungen im Büro von Freitag auf Montag zu verlegen.

Auch an anderen Tischen verabschiedeten sich die Besucher allmählich voneinander. Ein Mann erhob sich und trat einen Schritt zurück, ohne nach hinten zu schauen. Dabei stieß er so heftig gegen Roni, dass diese das Gleichgewicht verlor und in Richtung eines Tischs stolperte. Ein Glas fiel um, und der Inhalt ergoss sich über den Schlips eines anderen Gasts. Wütend funkelte der sie an.

„Entschuldigung“, murmelte sie.

„Können Sie nicht aufpassen!?“, blaffte der Mann sie an, während er mit der Serviette seine Krawatte betupfte.

„Es war doch nicht ihre Schuld!“, schaltete sich der Mann ein, der ihm gegenüber saß. „Sie ist angerempelt worden.“

Jetzt erst schaute Roni den zweiten Gast am Tisch an. Erstaunt riss sie die Augen auf. „Adam!?“, rief sie aus.

Adam Smith war der sehr attraktive, jedoch ebenso distanziert wirkende Bruder von Honey Smith Dalton, die mit Ronis Cousin Zack verheiratet war. Weder Honey noch Zack hatte ihr gegenüber erwähnt, dass Adam sich in der Gegend aufhielt. Warum war er in der Stadt und nicht auf der Ranch? Und warum trug er einen Businessanzug? War er dienstlich hier? Normalerweise arbeitete er in einem FBI-Büro im Süden Kaliforniens.

Eigentlich hätte sie ihn all das am liebsten sofort gefragt, um ihre Neugier zu stillen. Stattdessen strahlte sie übers ganze Gesicht, denn sie freute sich wirklich, ihn zu sehen.

„Hallo, Kleines“, begrüßte Adam sie nun, und ehe sie gegen die Bezeichnung protestieren konnte – wie oft hatte sie ihm schon gesagt, dass sie nicht so genannt werden wollte? –, stand er auf und drückte ihr einen Kuss auf die Lippen. „Roni, das ist Greg Williams“, stellte er sie seinem Begleiter vor, dessen Zorn inzwischen verraucht war. „Greg, das ist Veronica Dalton. Alle nennen sie Roni.“

Greg sah nicht übel aus, aber er begann, rundlich zu werden. Wahrscheinlich zu viele Verabredungen zum Mittagessen und zu viele Martinis, überlegte sie. Er war nicht so alt, wie sie zunächst vermutet hatte – etwa so alt wie Adam, der sechsunddreißig und damit zehn Jahre älter als sie selbst war.

„Ich wusste gar nicht, dass du hier Freunde hast“, sagte Greg an Adam gewandt und betrachtete ihn und Roni misstrauisch.

„Ich habe ein paar Mal mit ihrem Cousin zusammengearbeitet“, erklärte Adam belustigt. „Wir haben uns auf seiner Hochzeit kennengelernt. Ich besuche Roni hin und wieder, wenn ich in der Stadt bin.“

Lügner.

Fast hätte Roni es laut gesagt, aber sie biss sich auf die Lippen. Stattdessen lächelte sie nur. Er hatte sie nämlich noch nie besucht.

Seine Hand lag noch immer auf ihrem Rücken – eine warme, verführerische Berührung. Am liebsten hätte sie sich an ihn gelehnt. Doch bei ihrem letzten Treffen auf der Ranch seines Onkels hatte er ihr unmissverständlich klar gemacht, dass es mit ihnen beiden niemals etwas werden könnte. Deshalb widerstand sie dem Verlangen.

Der andere Mann musterte sie weiterhin mit unverhohlener Neugier. Dann zuckte er mit den Schultern, als habe er für sich entschieden, dass sie nicht sein Typ sei.

„Wir sehen uns später.“ Adam verlieh seinen Worten mit einem Klaps auf ihren Rücken zusätzlich Nachdruck. Sie verstand den Wink mit dem Zaunpfahl und verließ das Lokal.

Am nächsten Morgen drückte Adam auf den Klingelknopf neben der Tür des kleinen Hauses, das inmitten einer Reihe gleich aussehender Häuschen stand. Es überraschte ihn, dass Roni Dalton hier wohnte. Er hatte vermutet, dass sie in Toplage der Stadt in einer der schicken Eigentumswohnungen lebte, von denen immer mehr gebaut wurden. Hierbei handelte es sich eindeutig um eine Arbeitergegend.

Die Anwohner waren mit jenen Dingen beschäftigt, die man in einer solchen Umgebung an einem Samstagmorgen erwartete: Ein Jugendlicher polierte einen älteren Wagen – vermutlich sein erstes eigenes Gefährt. Ein schwarzes Ehepaar arbeitete in seinem Garten, und ein älterer Mann fegte den Gehweg zu seinem Haus.

Die Tür wurde geöffnet. Roni musterte ihren Besuch ebenso überrascht wie erfreut. „Eigentlich hatte ich schon gestern mit dir gerechnet“, begrüßte sie ihn.

Sie blieb im Türrahmen stehen, sodass er nicht eintreten konnte, doch er verspürte wenig Lust, mit ihr auf ihrer Veranda zu reden.

„Die Arbeit“, seufzte er. Diese Worte mussten als Erklärung reichen. „Lässt du mich denn trotzdem rein?“ Er klang beiläufig, obwohl sein Herz bei ihrem Anblick schneller zu schlagen begonnen hatte.

Roni trug eine Art Trainingsanzug aus weichem Material, der so tiefblau war wie ihre Augen – die typische Augenfarbe der Daltons. Doch im Gegensatz zu den hünenhaften Männern in ihrer Familie war sie von eher zierlicher Statur und zartem Knochenbau sowie sanft geschwungenen Kurven. Ihr glänzendes, fast schwarzes Haar fiel ihr über die Schultern. Schwarze Augenbrauen und Wimpern betonten die Farbe ihrer Augen und ihres Teints – ihre Wangen waren von einem natürlichen Rosa.

Sie kam ihm vor wie eine kleinere Ausgabe der Schönheitsgöttin Venus und zugleich ein Typ zum Pferdestehlen: burschikos – unternehmungslustig – humorvoll. Und ein weiblicher Computer-Nerd. Vor einem Jahr hatte er sie zum ersten Mal gesehen – und seither nicht mehr vergessen können.

Reiß dich zusammen, warnte er sich angesichts seines erhöhten Pulsschlags. Schließlich hatte er schon schönere, elegantere Frauen gekannt, die eher seinem Geschmack entsprachen. Und dennoch …

Doch Roni war zweifellos die Widerspenstigste von allen. Immerhin ließ sie sich fast eine halbe Minute Zeit, ehe sie beiseitetrat, um ihn ins Haus zu lassen.

Die Räume waren überwiegend in farbenfrohem Grün und Pink gestrichen. Küche und Esszimmer gingen ineinander über, getrennt nur von einer Arbeitsplatte, in die ein Spülbecken eingelassen war. Vor der Küchentheke standen zwei Barhocker, auf denen man ein schnelles Essen einnehmen konnte.

An der Stirnwand befand sich ein grün gekachelter Herd, auf dem ein Eintopf vor sich hin köchelte. Ein köstlicher Duft zog durchs Haus.

Auf den weißen Wohnzimmerdielen lag ein grüner Teppich mit Rosenmuster, das zu der rosa gestreiften Tapete passte. Ein halb geöffneter Eichenschrank beherbergte den Fernseher, vor dem ein braunes Sofa stand, daneben ein brauner Ledersessel. Ein Schaukelstuhl mit grünen und pinkfarbenen Polstern vervollständigte die gemütliche Sitzgruppe. Auf Beistelltischen standen üppig blühende Topfpflanzen, flankiert von Stapeln von Computerzeitschriften und Gartenmagazinen.

Durch die weiße Farbe des Couchtischs blitzte der ältere grüne Anstrich durch – die ursprüngliche Farbe, auch das trat an den Ecken zutage, musste schwarz gewesen sein. Familienfotos hingen an den Wänden neben Spiegeln und gemalten Stillleben, die etwas Altertümliches ausstrahlten.

Obwohl das Mobiliar eine bunte Stilmischung war, wirkte es ausgesprochen anheimelnd. Trotzdem fühlte Adam sich ein wenig unbehaglich – als wäre er ein unwillkommener Eindringling in ihre Privatsphäre.

„Dort ist das Bad“, erklärte sie mit einer Handbewegung zu einer Tür.

Adam wurde sich bewusst, dass er sich viel zu lange schweigend umgesehen hatte. Ziemlich unhöflich! „Und wohin führen die anderen Türen?“, erkundigte er sich mit einem Blick in den Flur.

„Das waren ursprünglich zwei Schlafzimmer. Eines davon benutze ich als Büro“, erklärte sie. Sie ging in die Küche, griff nach einer Kaffeekanne und schaute ihn fragend an.

Er nickte nur, und sie füllte zwei Tassen. Eine davon schob sie ihm über die Küchentheke zu. Er trat näher und stützte einen Ellbogen auf die Arbeitsplatte.

„Genau so, wie ich ihn mag“, sagte er, nachdem er einen Schluck Kaffee getrunken hatte. „Stark, heiß und schwarz.“

„Ich weiß“, erwiderte sie schmunzelnd.

„Woher?“, fragte er verblüfft.

„Von der Hochzeit“, erinnerte sie ihn.

Die Dalton-Familie war nach Los Angeles gekommen, wo Adam Brautführer für seine Schwester Honey bei ihrer Heirat mit Zack Dalton gewesen war.

Honey war ein Baby gewesen, als ihr Vater bei einer Schießerei ums Leben gekommen war, mit der er überhaupt nichts zu tun gehabt hatte. Und als Honey drei Jahre alt und er selbst dreizehn gewesen war, starb ihre Mutter. Sie waren zu einer Tante gezogen, die mit Kindern überhaupt nichts anfangen konnte.

So viel zu seinem Familienleben.

Auch Roni hatte kein leichtes Leben gehabt. Ihre Eltern waren bei einem Lawinenunglück ums Leben gekommen. Sie konnte von Glück sagen, dass sie und ihre Geschwister auf der Ranch von Nick Dalton untergekommen waren, der sich liebevoll um die Kinder gekümmert hatte.

„Was führt dich denn in die Stadt?“, wollte sie wissen.

Er hatte mit der Frage gerechnet und sich bereits mehrere Antworten zurechtgelegt. Doch er entschied sich für die Wahrheit. „Die Arbeit.“

„In Boise? Seit wann das denn?“

„Seit dem letzten Monat. Ich bin schon seit zwei Wochen in der Stadt. Ich ermittle in einem Fall von Betrügereien bei Bankgeschäften.“

„Betrügereien bei Bankgeschäften?“, wiederholte sie verständnislos.

Er machte ihr wegen ihrer Ratlosigkeit keine Vorwürfe. Als sie sich kennenlernten, hatte er an einem Korruptionsfall innerhalb der Polizei gearbeitet, bei dem es um Drogen und Gewalt gegangen war – eine ganz andere Hausnummer als die Bankbetrügereien in großem Stil.

„Ich habe letztens einen Kurs in BWL abgeschlossen“, ergänzte er, als würde das alles erklären.

Das tat es in gewisser Weise auch. Um Verbrechen internationalen Ausmaßes zu bekämpfen, waren Wirtschaftskenntnisse sowie Fertigkeiten im Umgang mit dem Computer und Internet allemal hilfreicher als eine Ausbildung als Scharfschütze.

„Und?“

Er zuckte mit den Schultern. „Und ich bin auf diesen Fall von Unternehmensbetrug angesetzt worden.“

„Das heißt, du hackst dich in Computer, liest E-Mails und recherchierst, was die Geschäftsführer so im Schilde führen.“

„Nicht ganz“, antwortete er. „Banken sind gesetzlich verpflichtet, größere Geldbewegungen unter bestimmten Bedingungen zu melden …“

„Geht es um Geldwäsche?“, unterbrach sie ihn.

„Das gehört dazu“, bestätigte er.

Jetzt schaute sie ihn interessiert an, und er unterdrückte einen Seufzer. Nicht, dass sie auf einmal zu viel Interesse an seiner Arbeit zeigte. Allerdings – warum eigentlich nicht? Je mehr sie von ihm wissen wollte, umso … Rasch verscheuchte er den Gedanken.

Als sie sich im März bei ihrem Verwandtenbesuch geküsst hatten, war ihm schnell klar geworden, dass es falsch gewesen war – ein wilder Rausch, ein unbedachter Augenblick, und sie hatten beide für einen kurzen Moment die Kontrolle verloren. Dabei hatte er sich doch fest vorgenommen, ihr so weit wie möglich aus dem Weg zu gehen.

Das schien offenbar nicht zu klappen, denn sie sagte jetzt: „Ich könnte dir dabei helfen. Mit Computern kenne ich mich wirklich aus. Wir könnten einen Trojaner, also einen schädlichen Virus, in ihr Programm …“

„Ich kann auf zahlreiche Spezialisten bei meinen Kollegen zurückgreifen!“, schnitt er ihr das Wort ab.

„Davon bin ich überzeugt.“ Ihr Eifer erstarb auf der Stelle. Stattdessen warf sie einen Blick auf die Wanduhr. „Es wird Zeit fürs Mittagessen. Wie wär’s – willst du nicht bleiben? Ich habe genug vorbereitet.“

Er wusste, dass er besser gehen sollte. Das riet ihm sein gesunder Menschenverstand. Trotzdem nickte er.

„Es duftet ausgezeichnet“, sagte er, als sie die dampfende Schüssel vor ihn hinstellte.

„Ein Rezept von Onkel Nick“, erklärte sie lächelnd. „Ein Eintopf aus den Resten der Woche. Er nennt es den Arme-Leute-Eintopf. Das einzig Frische, das es dazu gibt, ist Brot.“

Sie schnitt das Brot in mundgerechte Stücke, stellte Butter neben den Suppentopf und füllte seinen Teller. „Lass es dir schmecken“, forderte sie ihn auf, als sie neben ihm an der Küchentheke auf dem Barhocker Platz nahm.

Er nahm ein Stück Brot und kostete von dem Eintopf. „Köstlich!“, bestätigte er. „So was Gutes habe ich zuletzt …“, er überlegte kurz, „… auf der Ranch gegessen.“

Überraschenderweise schienen seine Worte sie zu deprimieren. „Was ist los?“, fragte er besorgt.

„Ach, es geht um Onkel Nick“, antwortete sie. „Ich mache mir Sorgen um ihn. Im Winter hatte er ziemliche Herzprobleme. Ich wünschte …“

„Was denn?“, hakte er nach, als sie verstummte.

„Wenn wir doch nur Tink finden könnten“, sagte sie leise.

Tink – oder Theresa, wie sie eigentlich hieß – war Nicks einziges leibliches Kind. Einige Zeit nach einem Autounfall, der ihre Mutter das Leben gekostet hatte, war sie auf unerklärliche Weise verschwunden. Damals war Tink dreieinhalb Jahre alt gewesen. Nick war mittlerweile in seinen Siebzigern und sehnte sich seit damals nach seiner vermissten Tochter. Und jetzt machte ihm auch noch sein Herz zu schaffen. Gut möglich, dass das alles zu viel für ihn war …

Adam dachte an den Kummer des alten Mannes – der Alte trug ihn in sich, seitdem er seine Frau und sein Kind auf diese Weise verloren hatte. Dieses Wissen war einer der Gründe, weshalb sich Adam an keine Frau binden wollte. Nicht auszudenken, wenn er sie verlieren würde …

„Was ist?“, fragte er, als er Ronis bohrenden Blick bemerkte.

„Vielleicht kannst du helfen. Bei der Suche nach Tink, meine ich. Dafür unterstütze ich dich dann bei deinem Fall.“ Sie strahlte übers ganze Gesicht, als hätte sie bereits all ihre Probleme gelöst.

„Hm“, sagte er in einem Ton, der wie eine kalte Dusche wirkte. Schlagartig ließ ihre Begeisterung nach.

„Dir wird es noch leidtun, so ein Angebot abgelehnt zu haben. Und mir auch“, fügte sie schmunzelnd hinzu. „Als Beraterin verdiene ich nämlich hundert Dollar die Stunde.“

„Wie schön für dich“, murmelte er nur.

Lachend goss sie ihm noch einmal Kaffee ein. „Gehen wir hinüber, wo es bequemer ist.“

Er setzte sich auf den Ledersessel, und sie machte es sich auf dem Sofa gemütlich. Dabei zog sie die Beine hoch und schob die Füße unter ihren Po. Aus irgendeinem Grund ging sein Puls bei diesem Anblick schneller.

„Seit wann wohnst du eigentlich hier?“, fragte er sie, als ihm das Schweigen zu lange dauerte. Doch vielleicht kam es ihm nur so vor.

Sie blies in ihren heißen Kaffee und schien sich sehr wohl zu fühlen. „Vor einem Monat. Ich bin oft durch die Gegend gejoggt und dabei habe ich das Haus entdeckt. Ich wollte schon immer ein Haus für mich haben. Also habe ich die Eigentumswohnung verkauft und das hier erworben.“

„Bei den steigenden Immobilienpreisen sicherlich eine kluge Entscheidung.“

„Suchst du auch nach was Eigenem?“

„Nein.“

„Na ja, du solltest auch nichts kaufen, wenn ein Haus für dich ein Klotz am Bein ist. Trotzdem könnte es eine gute Investition sein, selbst wenn du oft unterwegs bist. Und denk an die Steuervorteile. Mein Bruder predigt das schon seit Langem.“

Adam vermutete, dass sie damit Seth meinte. Der war Anwalt und der Älteste ihrer Geschwister. Beau, ihr anderer Bruder, war Arzt. Einer ihrer Cousins war als Sheriff tätig – mit ihm hatte Adam bereits zusammengearbeitet –, während die anderen beiden ihren Lebensunterhalt als Rancher verdienten. Die fünf Dalton-Jungs bauten in ihrer Freizeit gerade ein Ferienresort am Fuß der Berge neben einem kleinen See auf. Falls alles nach Plan lief, würden sie es in diesem Sommer eröffnen können.

Da Adams Schwester Honey mit dem Sheriff Zack verheiratet war, wusste er eine Menge über die Dalton-Familie. Seit mehr als hundert Jahren bewirtschafteten sie die Ranch. Seine eigene Familiengeschichte reichte nicht so weit zurück – gerade einmal bis zu seinen Eltern. Beide Großeltern waren bereits vor oder kurz nach seiner Geburt gestorben. Adam wusste nur, dass sie irgendwann aus Europa eingewandert waren.

Verstohlen beobachtete er Roni, die immer noch in ihren Kaffee pustete. In ihrer Gegenwart fühlte er sich immer ein wenig frustriert – und gehemmt.

Weil ich sie begehre. Aber das wollte er sich nicht eingestehen. Und erst recht nicht ihr.

„Was ist los?“, riss sie ihn aus seinen Gedanken. „Du siehst frustriert aus. Ich weiß, dass du keine Beziehung hast, es kann also kein Liebeskummer sein. Hat jemand deinen Hund erschossen?“

„Woher weißt du, dass ich solo bin?“, fragte er irritiert.

„Honey hat mir erzählt, dass du ziemlich verschlossen bist. Sie macht sich Sorgen um dich, weil du immer noch allein bist.“

„Meine Schwester sollte sich lieber um sich selber kümmern“, murrte er.

Roni lächelte. „Du weißt, dass sie ein Baby bekommt.“

Die Neuigkeit verblüffte ihn.

„Du hast es also nicht gewusst“, fuhr sie fort, nachdem sie ihn aufmerksam beobachtet hatte. „Sie hat es vergangenen Sonntag erzählt, als wir zum Abendessen auf der Ranch waren. Wenn du öfter hierherkämst, wärst du auch über alles informiert.“

Ein Baby – seine kleine Schwester. Er hatte auf sie achtgegeben, seitdem sie drei Jahre alt gewesen war. Seltsam, dass sie nun selbst ein erwachsenes Leben führte und nicht mehr auf ihn angewiesen war.

„Onkel Nick ist im siebten Himmel“, fuhr Roni fort. „Travis und Alison bekommen ihr Baby im März. Zack und Honey sind schwanger – und dann ist da auch noch Beaus kleiner Junge. Jetzt wartet er darauf, dass auch der Rest von uns heiratet und Kinder kriegt.“

„Da muss wohl irgendwas in der Luft liegen.“

Roni lachte. „Das habe ich Onkel Nick auch gesagt.“

Das Gespräch hatte eine Richtung genommen, die Adam irritierte. Er wurde immer nervös, wenn Frauen von Babys und Hochzeiten redeten. Für so etwas hatte er keine Zeit, und bisher hatte er kein Hehl daraus gemacht, wenn eine Frau sich für ihn interessierte.

Was allerdings schon länger nicht mehr der Fall gewesen war.

Zwei Jahre – so lange lag seine letzte ernsthafte Beziehung zurück. Er redete sich ein, dass er einfach viel zu viel zu tun hätte, um sich um sein Privatleben zu kümmern. Für seinen Geschmack erwarteten die Frauen einfach zu viel. Mehr jedenfalls, als er zu geben bereit war.

„Na ja“, sagte er, um das Thema zu beenden, „ich habe zurzeit viel zu viel am Hals, um eine Beziehung zu pflegen. Mit dir beispielsweise.“

Das war doch wohl deutlich genug, oder?

Sie musterte ihn mit milder Ironie.

„Bild dir bloß keine Schwachheiten ein“, war alles, was sie darauf erwiderte.

2. KAPITEL

Am folgenden Freitag warf Roni einen letzten prüfenden Blick in ihren Koffer, ehe sie ihn schloss. Hätte sie Scotts Einladung von vor einem Monat nicht angenommen, dann wäre sie am liebsten zu Hause geblieben. Aber jetzt konnte sie das Wochenende bei den Mastersons nicht mehr absagen.

Außerdem tat ihr eine Auszeit woanders bestimmt gut. In den letzten Wochen hatte sie ohnehin viel zu viel gearbeitet.

Als es klingelte, schlüpfte sie in ihre Jeansjacke und schaute sich noch einmal kurz um, weil sie sichergehen wollte, dass sie nichts vergessen hatte, nahm dann ihren Koffer und lief zur Tür.

„Guten Tag“, begrüßte sie den unverschämt gut aussehenden jungen Mann und Spross einer der reichsten Familien in der Gegend. „Hoffentlich ist der Berufsverkehr schon durch.“

„Ich fürchte nein. Auf der Autobahn war jedenfalls Stau. Ich bin über Seitenstraßen gekommen. Das ging schneller.“ Scott Masterson strahlte Roni an, nahm ihr den Koffer aus der Hand und hielt die Fliegengittertür fest, während sie die Haustür verschloss. „Fertig?“, fragte er, als sie sich zu ihm umdrehte.

„Fertig.“

Scott war ein Bild von einem Mann, sportlich, schwarze Haare und dunkle Augen, schlank und durchtrainiert, strahlend weiße Zähne – kurz, der Held auf jedem Tennisplatz. Was könnte sich eine Frau Besseres wünschen?

Kaum hatte sie den Gedanken zu Ende gedacht, kam ihr Adam in den Sinn. Er schaffte es immer, ihr Herz schneller schlagen zu lassen. Vom ersten Augenblick an war sie von ihm fasziniert gewesen.