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EIN EARL UND EINE KRONE von LAURIE PAIGE Ein royaler Skandal droht! Die sinnliche Nacht, die Prinzessin Megan Penwyck mit sexy Earl Jean-Paul Augustuve verbrachte, hatte süße Folgen. Soll die Prinzessin auf eine Vernunftehe drängen – auch wenn sie weiß, dass der rebellische Adlige nicht an die Liebe glaubt? DAS DUNKLE GEHEIMNIS DES DUKES von ALLISON LEIGH Pierce Prescott, Duke of Aronleigh, verflucht den uralten Kirchenbrauch: Jeder küsst die Person, die bei einer Hochzeit neben einem sitzt. Und das ist Prinzessin Meredith! Solange Pierce denken kann, brennt das Verlangen zwischen ihnen. Doch sein dunkles Geheimnis verbietet jede Verbindung … IN DEN STARKEN ARMEN DES ADMIRALS von CHRISTINE FLYNN Das Schicksal des Herrscherhauses ruht auf Admiral Harrison Monteques Schultern: Der König ist schwer erkrankt, einer der beiden Prinzen wurde entführt! Und ausgerechnet jetzt, wo er an nichts anderes denken darf, fordert ihn die Liebe heraus – in Gestalt der schönen Lady Gwen Corbin …
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Seitenzahl: 609
Laurie Paige, Allison Leigh, Christine Flynn
JULIA präsentiert Crown & Glory BAND 1
IMPRESSUM
JULIA PRäSENTIERT CROWN & GLORY erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA PRäSENTIERT CROWN & GLORY, Band 1 09/2023
© 2002 by HARLEQUIN ENTERPRISES ULC Originaltitel: „The Princess is Pregnant!“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: SPECIAL EDITION Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Julia Lambrecht
© 2002 by HARLEQUIN ENTERPRISES ULC Originaltitel: „The Princess And The Duke“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: SPECIAL EDITION Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Julia Lambrecht
© 2002 by HARLEQUIN ENTERPRISES ULC Originaltitel: „Royal Protocol“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: SPECIAL EDITION Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Julia Lambrecht
Abbildungen: Harlequin Books S.A., Yosuke Hasegawa, Vit_Mar, Tekhron Sharipov / Getty Images, alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 09/2023 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751522700
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Die Prinzessin ist schwanger! Die Prinzessin ist schwanger!
Prinzessin Megan Penelope Penwyck hatte das Gefühl, als würde jeder im Palast diese Worte denken, während sie die polierten Marmorstufen hinaufstieg und durch den Empfangsraum ging. Dort waren die Wachen, Diplomaten und Würdenträger scheinbar alle mit ihren eigenen Aufgaben beschäftigt und schenkten niemandem sonst ihre Aufmerksamkeit.
Nur wusste Megan genau, dass das nicht stimmte.
Alles, was im Inselkönigreich Penwyck vor sich ging, das im Atlantik vor der Küste Englands lag, wurde von den Einwohnern des Landes, der Presse und den Oberhäuptern anderer Staaten genau verfolgt.
Sie erinnerte sich an das alte Zitat: „Dies sind die Zeiten, die die Seelen der Menschen auf die Probe stellen.“
Es beschrieb ihre Situation ganz gut, fand sie. Im Geiste sah sie sich vor Gericht stehen, überführt und zum Tode verurteilt.
Sei nicht so melodramatisch, sagte sie sich. Allerdings, wenn bekannt wurde, dass sie, die stille, schüchterne Prinzessin, ein uneheliches Kind erwartete, würden alle geschockt reagieren.
Ein unsicheres Lächeln auf den Lippen näherte sich Megan der Tür, die zu den offiziellen Arbeitsräumen und dem Audienzzimmer des Königs führte.
König Morgan, ihr Vater, war mit ihrem Bericht über die Welthandelskonferenz zufrieden gewesen. Heute sollte sie die Ergebnisse persönlich mit ihm besprechen.
Sie versuchte, das Zittern zu unterdrücken, das ihren Körper durchlaufen wollte, als sie sich an die Konferenz in Monaco vor acht Wochen erinnerte. In der zweiten Aprilwoche war das gewesen. Jetzt war der zweite Montag im Juni, und sie war im dritten Monat schwanger. Zwei Schwangerschaftstests, die sie heimlich gekauft und benutzt hatte, hatten das bestätigt.
Und Jean-Paul Augustuve, Earl of Silvershire, Erbe eines Herzogtums im benachbarten Inselstaat Drogheda und Vater ihres Kindes, hatte auf die Nachricht, die sie ihm vor zwei Wochen geschickt hatte, nicht geantwortet.
Erneut durchlief Megan ein Zittern.
Der Lakai lächelte und verbeugte sich vor ihr, bevor er ihr die Tür zum Büro des königlichen Sekretärs öffnete. Der Raum war leer, doch Sir Selwyn Estabon kam gerade aus dem angrenzenden Audienzzimmer.
„Königliche Hoheit.“ Elegant verbeugte er sich. Mit seiner Größe von einem Meter neunzig, seinen breiten Schultern und seinen faszinierenden dunklen Augen gab Selwyn für einen Sekretär eine sehr beeindruckende Gestalt ab. Er war ein gut aussehender Mann, der mit seinem Beruf verheiratet zu sein schien. Seine vornehme Blässe verriet, dass er viel Zeit hinter einem Schreibtisch verbrachte.
Als junge Mädchen hatten Megan und ihre Schwestern von ihm geträumt und wilde Spekulationen angestellt, ob er wohl als künftiger Ehemann infrage käme. Höflicherweise hatte Selwyn ihrer naiven Schwärmerei keine Beachtung geschenkt, und als die drei Prinzessinnen erwachsen geworden waren, waren ihre Fantasien eines natürlichen Todes gestorben.
Selwyn war ihrem Vater gegenüber zutiefst loyal und hatte sich als überaus vertrauenswürdig erwiesen. Über die Jahre hatten alle Kinder des Königspaars ihm ihre Sorgen anvertraut.
Megan schluckte mühsam. Ihr jüngstes Geheimnis hatte sie bisher mit niemandem geteilt.
„Guten Morgen, Sir Selwyn“, sagte sie. „Ich habe einen Termin“, fügte sie hinzu, als der Sekretär keine Anstalten machte, sie zum König vorzulassen. Ihren Vater ließ man besser nicht warten.
„Der König lässt grüßen, er wird Sie aber heute Morgen leider nicht empfangen können.“
Selwyn konnte unmöglich ahnen, wie erleichtert Megan sich fühlte, fast, als hätte das Erschießungskommando in letzter Sekunde die Gewehre gesenkt.
„Es tut mir sehr leid“, sagte Selwyn.
Ihr gelang ein Nicken. „Soll ich gleich einen neuen Termin vereinbaren?“
In der folgenden Pause kam es ihr vor, als läge eine Spur von Unsicherheit in seinen Augen. Von neuer Nervosität erfüllt sah sie dem Sekretär ins Gesicht. Er wusste alles, was im Königreich vor sich ging. Was war los?
„Ich werde Ihnen Bescheid geben, wenn der König weitere Fragen haben sollte.“ Der Sekretär lächelte. „Ihr Bericht war sehr detailliert. Der König war zufrieden.“
Mit ihren siebenundzwanzig Jahren hatte Megan längst gelernt, ihre Gefühle zu verbergen, aber insgeheim empfand sie ein wenig Stolz. Die königlichen Geschwister hatten immer um die Aufmerksamkeit ihres Vaters gekämpft, und es war eine ganz besondere Ehre, ein solches Lob zu erhalten.
„Richten Sie ihm bitte meinen Dank aus“, sagte sie bescheiden und verließ das Büro, während Selwyn ihr die Tür aufhielt.
Sie war entlassen, und das war ihr nur recht. Ihre persönlichen Neuigkeiten würden den König sicher nicht begeistern. Es sei denn, es ließe sich politischer Profit daraus schlagen …
Megan runzelte die Stirn. Sie würde sich nicht für eine politische Allianz hergeben, wie es die Angehörigen des Königshauses früher hatten tun müssen – selbst die Ehe ihrer Eltern war arrangiert gewesen. Doch als sie an die bevorstehenden Monate dachte, zitterte sie wie Espenlaub.
Statt den offiziellen Weg zu nehmen, schlich sie sich durch eine Seitentür aus dem riesigen Vorzimmer des Palastes und eilte durch die öffentlichen Gärten, die allen Palastbesuchern offenstanden. Durch eine Tür, die einen Sicherheitscode verlangte, betrat sie dann den privaten Bereich, in dem sie früher mit ihren Schwestern und ihren Brüdern, den Zwillingen Owen und Dylan, unter Aufsicht der Kindermädchen und ihrer Mutter gespielt hatte.
Einen Moment lang ließ sich Megan auf eine steinerne Bank sinken und atmete den Duft der Rosen ein, auf denen noch der Morgentau lag. Die friedliche Stimmung im Garten beruhigte sie ein wenig.
Nach einer kleinen Weile stand sie wieder auf, verließ den Garten durch ein weiteres verschlossenes Tor und ging den Weg zum Strand hinab. Aus einer Höhe von vierzig Fuß fiel der Pfad steil ab und zog sich hinunter bis zu einer kleinen Bucht, in der eine winzige Insel lag.
Megan blieb am Strand stehen und beobachtete die Wellen des Atlantik, die an der Westküste Penwycks brachen. Östlich des Inselkönigreichs und seiner beiden Nachbarn Drogheda und Majorco lagen England, Irland und Wales. Der Golfstrom brachte kühlende Winde und warme Luft mit sich, die für ein mildes Klima sorgten. In einigen geschützten Buchten wuchsen sogar Palmen.
Sie presste sich eine Hand auf die Brust und versuchte, die Sehnsucht zu beherrschen, die in ihr aufstieg. Mit reiner Willenskraft hatte sie ihre Sorgen bisher unterdrückt, aber auf einmal bröckelte die Fassade – wie eine Felsklippe, die dem Ansturm der Wellen nicht mehr standhalten konnte.
Sie erinnerte sich an eine andere Nacht, ein anderes Meer …
Der feierliche Empfang am Abend war öde. Elegant gekleidete Würdenträger und ihre Ehepartner wirbelten durch den Ballsaal, ein Kaleidoskop von Gesichtern. Die Themen der Konversation waren so unterschiedlich wie die Länder, die an dem internationalen Handelsgipfel teilnahmen. Megan vertrat die Interessen Penwycks anstelle ihrer Schwester Meredith – der klugen Prinzessin, wie sie voller Zuneigung von ihren Landsleuten genannt wurde –, die andere, dringendere Pflichten hatte.
Nach einer Woche voller Ansprachen und Unterredungen, Mittagessen, Abendessen und Cocktailpartys war Megan gelangweilt und erschöpft. Ihre eigene, stille Gegenwart war ihr lieber als all dieser Trubel.
Sie verzog das Gesicht. Das klang wahnsinnig eitel.
Verstohlen schaute sie sich nach einem Fluchtweg um. In der hinteren Ecke des Raums sah sie eine hochgewachsene männliche Gestalt, die den Schatten dort nutzte, um unbemerkt auf die Terrasse zu entfliehen. Noch jemand, der entkommen wollte. Sie wusste, wer es war – und folgte ihm.
Durch die Tür glitt sie hinaus in die mediterrane Nacht. Die Kasinos von Monte Carlo waren ein einziges Lichtermeer, und ein riesiger Mond warf silbernes Licht auf die Terrasse.
Jean-Paul Augustuves schlanke Gestalt hielt auf den Hafen zu. Dort hatte er, wie sie wusste, ein Segelboot liegen, eine hochseetaugliche kleine Jacht, die er allein segeln konnte. Sie selbst hatte noch nie einen Fuß darauf gesetzt – ganz im Gegensatz zu anderen adligen Frauen oder weltberühmten Models, die gelegentlich auf dem polierten Holzdeck posierten.
Schöne, kompetente Frauen, die ihren Platz in der Welt kannten. Oder sich einen schufen.
Diese Eigenschaften besaß sie nicht.
Megan zögerte, doch dann beeilte sie sich, zu ihm aufzuschließen. Als sie am Pier ankamen, war sie nur noch etwa zehn Meter hinter ihm.
Er stieg auf das Deck. „Was wollen Sie von mir?“, fragte er und drehte sich zu ihr um.
Megan zuckte zusammen. Sie hatte geglaubt, er hätte nicht gemerkt, dass sie ihm folgte.
„Ich habe mich gefragt, ob Sie eine kleine Segeltour unternehmen wollen.“
Als sie hörte, wie unsicher sie klang, seufzte sie innerlich. Er würde sie nie für eine der selbstsicheren Frauen halten, mit denen er bevorzugt seine Zeit verbrachte.
Einen Moment lang musterte er sie aus Augen, die jetzt dunkel wirkten, sonst aber strahlend blau waren, und grinste dann.
„Ja“, sagte er schlicht.
Ihre Finger verkrampften sich in den Falten ihres Seidenkleids. „Ich möchte mitkommen.“
„Nein.“
Die Ablehnung überraschte sie nicht, tat aber trotzdem weh. Auf einmal war Megan wütend. Auf sich selbst, weil sie so empfindlich war, und auf ihn, weil er sich ihr gegenüber so gleichgültig zeigte.
„Warum?“ Die Frage überraschte sie beide.
„Ich möchte allein sein.“
„Ich auch.“
„Dann finden Sie Ihr eigenes Boot.“
„Ich werde Ihnen nicht im Weg sein“, versprach sie. „Ich weiß, wie man segelt. Vielleicht brauchen Sie meine Hilfe.“
Während er erneut grinste, löste er eins der Taue.
„Sie ist eine echte Lady“, sagte er und meinte damit sein Schiff. „Und sie gehört nur mir.“
Die neuerliche Zurückweisung ließ ihren Ärger verfliegen. Wieder spürte sie einen seltsamen Schmerz.
Megan dachte an kalte Dinge – an eisige Fjorde und Gletscher – und stellte sich vor, sie wäre eine Eisprinzessin, distanziert, kalt, unberührbar. Schon als Kind hatte sie diese Strategie benutzt. Sie nahm alle ihre Gefühle und formte daraus einen undurchdringlichen Eispanzer. Es funktionierte auch diesmal.
Sie trat einen Schritt von der Jacht zurück und beobachtete den gut aussehenden Earl of Silvershire, der sich elegant über das Deck bewegte, eins mit der Nacht wie ein Elfenprinz, der aus Schaumkronen und Mondstaub bestand. Offenbar brauchte er nichts von einer einfachen Sterblichen wie ihr.
Megan hob das Kinn und wandte sich ab.
„Machen Sie das andere Tau los“, sagte er leise und trat an die Ruderpinne.
Überrascht wirbelte sie herum. Jean-Paul schaute in ihre Richtung. Sie hob die Schlinge vom Pfosten, nahm zwei Schritte Anlauf, als das Schiff sich vom Pier löste, und sprang auf das Deck.
Für Jean-Paul Augustuve wäre das nur ein kleiner Schritt gewesen. Für Megan Penelope Penwyck war es ein riesiger Sprung.
Der Motor erwachte zum Leben, und das Boot glitt durch das schwarz-silberne Wasser. Als sie den Jachthafen und die dicht bebaute Küste hinter sich gelassen hatten, stellte Jean-Paul den Motor aus und hisste ein Segel. Schweigend blickten sie auf den vom Mondlicht beschienenen Ozean.
„Wenn ich hier draußen bin“, sagte er mit einer Stimme, die wie das Rauschen des Windes und der Wellen klang, „stelle ich mir manchmal vor, ich könnte über das Ende der Welt hinaussegeln.“
„Was würden Sie da finden?“, fragte sie.
„Vielleicht Nimmerland. Ich wollte schon immer Peter Pan sein und zu den Sternen reisen.“
Sein leises Lachen, das ihm selbst zu gelten schien, den albernen Träumen eines kleinen Jungen, ließ das Eis schmelzen und berührte ihr Herz.
Jean-Paul war als Rebell bekannt, und er war auch einer der begehrtesten Junggesellen der Welt. Aber er hatte noch eine andere Seite, die für gewöhnlich verborgen blieb: originell und voller Träume, die nie wahr werden konnten.
Manchmal fühlte sie sich genauso.
Sie fragte sich, ob er diese Verbundenheit auch spürte und ihr diese Einzelheit deshalb anvertraut hatte. Aber seine nächsten Worte raubten ihr die Illusion.
„Setzen Sie sich, bevor Sie noch über Bord gehen“, befahl er in einem Tonfall, als würde es ihm nicht viel ausmachen, wenn sie es täte.
Sie duckte sich, als der Wind ins Segel fuhr und der Ausleger herumschwang.
Jean-Paul navigierte sie so, dass sie mit dem Wind segelten, und bedeutete ihr, sich zu ihm auf die Bank zu setzen.
Der Wind zerrte an ihrem Haar, in dem eine Blumengirlande festgesteckt war, und ließ einzelne Strähnen um ihr Gesicht wehen. Beinahe stockte ihr der Atem, als Jean-Paul die Hand ausstreckte und begann, ihr die Nadeln aus dem Haar zu ziehen. Als sie ihn ansah, lag auf seinem Gesicht kein Lächeln. Vielmehr wirkte er nachdenklich – ja, fast wütend.
Verwirrt hielt sie still, während er ihr die Girlande aus dem Haar zog und sie betrachtete, an die Lippen führte wie ein Mann, der um eine verlorene Liebe trauerte, und schließlich in die Luft warf.
Die Girlande landete im dunklen Wasser und verschwand. Megans Herz krampfte sich zusammen. Sie strich sich das Haar aus den Augen und hielt es mit Händen zurück, die ganz leicht zitterten.
Mit einem weiteren Blick zu ihr, den sie nicht deuten konnte, wendete Jean-Paul das Boot und kreuzte gegen den Wind, der ihr nun das Haar aus der Stirn wehte.
„Lassen Sie los“, befahl er.
Langsam ließ sie ihre Hände sinken. Jean-Paul hob eine Hand und fuhr durch die zerzausten Strähnen.
„Wie Seide“, sagte er mit einer leisen, heiseren Stimme, die Megan in inneren Aufruhr versetzte.
Als er die Hand auf ihre bloße Schulter sinken ließ, zuckte sie zusammen.
„Das wollte ich schon den ganzen Abend lang tun“, fuhr er fort und strich über ihren Rücken. Er streichelte ihren Arm, bis sie Gänsehaut bekam, die sich dann unter seiner Berührung wieder legte.
Enttäuschung machte sich in ihr breit, als er den Arm wegnahm und den Kurs wieder änderte. Schließlich holte er das Segel ein und startete den Motor. Sie fuhren in eine kleine Bucht, ganz ähnlich wie die von Penwyck, in der Megan vor Jahren schwimmen und segeln gelernt hatte.
„Sie scheinen sich hier gut auszukennen“, stellte sie fest.
„Ja.“
Plötzlich kochte Eifersucht in ihr hoch … und erstarb wieder, als sie sich erneut zwang, sich von ihren Gefühlen zu befreien. Sie bedeutete ihm nichts, und er bedeutete ihr nichts.
„Ich liebe das Meer“, sagte sie, um sich abzulenken. „Zu Hause gibt es eine private Bucht hinter dem Palast, in der wir als Kinder gespielt und schwimmen gelernt haben. Sie ist nur klein, aber wir haben uns dort frei gefühlt.“
Sie verstummte. Was kümmerte diesen weltgewandten Mann ihr Wunsch nach Freiheit, ihre Sehnsucht, ihre eigenen Träume zu leben?
Jean-Paul sah sie an, als wäre er ein wenig verwirrt.
„Wer sind Sie?“, fragte er leise.
Bei dieser Frage durchlief sie ein Zittern.
„Megan“, antwortete sie schließlich, und ihr stockte der Atem. Sie wollte … sie wollte … oh, Sterne und Mondlicht und Leidenschaft.
„Nicht Ihr Name. Ich möchte wissen, wer Sie wirklich sind“, präzisierte er. „Ach ja, die stille Prinzessin.“
Sie verspannte sich, als sie den Spitznamen hörte, aber er sagte nichts mehr, beobachtete sie nur unter seinen Wimpern hervor. Im Dunkeln wirkte sein Gesicht streng. Ihr Zittern wollte sich nicht legen.
Er stand auf, warf den Anker aus und holte das Segel ein. Dann stieg er hinunter in die Kabine. Einen Moment später erklang leise Musik in der Dunkelheit. Er kehrte zurück und streckte ihr die Arme entgegen: Eine Aufforderung zum Tanzen.
Das erste Mal hatten sie auf Merediths Geburtstagsfeier miteinander getanzt. Jean-Paul hatte alle weiblichen Angehörigen der königlichen Familie aufgefordert, erst Meredith und ihre Mutter, dann sie. Anastasia hatte nach dem Abendessen ins Bett gehen müssen, aber Megan hatte bleiben dürfen. Die Momente in seinen Armen waren ihr magisch erschienen.
Dieser Abend sollte eine Verführung werden, begriff sie. Er hatte entschieden, dass es das war, was sie wollte. Aber trotz seiner vielen Erfahrungen mit Frauen wusste er nichts über sie.
Als sie in seine Augen sah, spürte Megan die Verlockung, dennoch schüttelte sie den Kopf.
„Nein?“, fragte er spöttisch.
„Ich möchte allein sein.“ Sie benutzte seine Worte von vorhin und gab acht, dass sich in ihrem Gesicht keine Gefühle zeigten. Dann stand sie auf, ging zum Bug und beobachtete die Wellen und den Strand.
Enttäuschung wütete in ihr, auch wenn es sie nicht überraschte. Sie wusste selbst nicht, was sie sich von ihrer impulsiven Entscheidung erhofft hatte, aber sicher nicht diese Einladung zu einer einzigen Nacht ohne Worte oder zärtliche Gefühle. Schließlich waren sie sich fremd.
Der Motor sprang wieder an. Jean-Paul wendete das Boot und steuerte zurück aufs Meer hinaus. Zurück in Richtung Jachthafen.
Weder überraschte es sie noch war sie verletzt. Allerdings bereute sie es, ihm gefolgt zu sein.
Aber als er erneut das Segel setzte, kreuzten sie wieder gegen den Wind und segelten nach Westen statt nach Osten in Richtung Hafen.
Sie wandte sich um und betrachtete ihn. Seine Bewegungen waren geübt und erfahren. Sie fragte sich, ob er Gibraltar und das Meer dahinter ansteuerte. Sie würden in die Neue Welt segeln … oder vielleicht bis nach Hause. Zu ihm oder zu ihr?
Drogheda lag nur etwa vierzig Kilometer von Penwyck entfernt. In Jean-Pauls Heimatland regierte sein Onkel Bernier, und sein Vater trug einen Herzogstitel. Jean-Paul selbst war der Thronfolger und hatte mit einundzwanzig Jahren den Titel des Earls of Silvershire verliehen bekommen – ähnlich, wie der künftige König von England traditionsgemäß den Titel des Prince of Wales führte.
Ein Earl war ein geeigneter Ehemann für eine Prinzessin.
Die Idee schockierte sie und machte sie zugleich traurig. Wenn sie Jean-Paul heiraten würde, wäre das eine offizielle Ehe, eine Friedensallianz zwischen uralten Erzfeinden. Seit den Zeiten von König Arthur und den Rittern der Tafelrunde hatten Penwyck und Drogheda immer wieder Krieg gegeneinander geführt und versucht, sich gegenseitig zu erobern.
Sie drehte sich in den Wind und ließ ihn die silbernen Spinnfäden der Sehnsucht aus ihrem Herz vertreiben. Natürlich würde sie niemals heiraten, das hatte das Schicksal nicht für sie vorgesehen.
„Die See wird rau“, rief Jean-Paul ihr zu. „Kommen Sie ans Heck. Und nehmen Sie sich eine Rettungsweste aus dem Schrank.“
Zögernd tat sie es und ging zu ihm. Er hatte nicht nur seine Smokingjacke, sondern auch Schuhe und Socken ausgezogen. Sein Hemd stand bis zur Taille offen, und die Ärmel waren aufgerollt.
Er bedeutete ihr, sich zu setzen, dann breitete er einen Regenponcho über sie, der ihr Abendkleid bedeckte. Als er auf ihre Füße schaute, erinnerte sie sich an die silbernen Sandalen, die sie trug. Sie streifte sie ab und stieß sie durch die Luke nach unten in die Kabine.
Jean-Paul grinste und schloss die Luke gegen die drohenden Sturmböen.
„Ich kenne einen besonderen Ort“, sagte er, als wollte er ihr versichern, dass er wusste, was er tat.
Megan nickte.
Während Regen und Wellen über den Bug spülten, hielt er mit dem Boot auf eine lange Seemauer zu, umrundete sie und fuhr in eine geschützte Bucht.
In der plötzlichen Stille spürte Megan, wie heftig ihr Herz pochte. Der Mund wurde ihr trocken. Sie würden wahrscheinlich den Rest der Nacht hier verbringen müssen, und sie wusste nicht, was sie davon halten sollte.
Wollte sie sich doch von ihm verführen lassen? War dieser unbewusste Wunsch die treibende Kraft hinter ihren Handlungen? Sie fand keine Antwort auf diese Fragen.
Nachdem er den Anker geworfen hatte, öffnete er die Luke wieder und winkte ihr, als Erste hinunterzugehen. Sie stieg die Leiter hinab und blieb unten stehen. Er folgte ihr, zog ihr den Poncho über den Kopf und hängte ihn an einen Haken, dann tat er dasselbe mit seinem feuchten Hemd. Aus einem Schrank holte er zwei Handtücher und warf ihr eins zu. Beide trockneten sie sich die Haare ab.
Die kleine Kabine war zu eng für zwei Leute. Als er das Handtuch über den Haken warf, an dem auch sein Hemd hing, und an ihr vorbei zum Herd ging, stieß sein Ellbogen gegen ihren Arm.
„Kaffee?“
„Ja, bitte.“
Während er das Wasser in die Kanne füllte, starrte er sie einen Moment lang an und lächelte dann.
„Ich höre eine Frau gern betteln“, murmelte er.
„Bitte nicht. Ich spiele keine Spiele.“
Er setzte den Kaffee auf, lehnte sich gegen die Arbeitsplatte und betrachtete sie. Sie glättete ihr Haar, so gut es ging.
„Manchmal tue ich das auch nicht. Drehen Sie sich um.“ Er holte eine Haarbürste aus einer Schublade und bürstete ihr sanft die Knoten aus dem Haar, bis es glatt über ihre Schultern fiel. „Wunderschön“, sagte er, als spräche er zu sich selbst. Dann legte er die Bürste achtlos beiseite und strich mit der Hand durch ihre Mähne, vom Scheitel bis zu den Spitzen.
Anschließend berührte er ihren Rücken, und Megan bekam eine Gänsehaut. Als er ihr die Hände auf die Schultern legte und Megan sanft zu sich herumdrehte, ließ sie es zu.
Ihre Blicke trafen sich. In Jean-Pauls intensiv blauen Augen las sie Selbstbewusstsein, ja, sogar einen Hauch von Arroganz. Was sie selbst fühlte, wusste sie nicht, und instinktiv scheute sie vor der Antwort auf diese Frage zurück.
Er schüttelte schwach den Kopf, und sie begriff, dass auch er sich fragte, was zwischen ihnen geschah. Keiner von ihnen wusste so recht, warum sie hier zusammen allein waren, auf einem Boot im Sturm, warum die Nacht so anders schien.
Allmählich wurde sie sich seiner Wärme bewusst. Zwischen ihnen blieben nur wenige Zentimeter Abstand. Mit den Daumen strich er ihr über die Schultern, zarte Berührungen, die sich heiß und wunderbar anfühlten.
Es kostete sie Mühe, einzuatmen und ihre Hände zu heben, sie auf seine Brust zu legen. Unter ihren Fingern spannten sich seine Muskeln an.
Er war kein bulliger Mann, aber seine Stärke war offensichtlich. Sie zeigte sich in seinen breiten Schultern, seinen muskulösen Armen. Er war ein Mann, der spielte, um zu gewinnen.
Und seinen Gewinn zu behalten?
Bei diesem albernen Gedanken warf Megan den Kopf zurück. Sie hatte keine derartigen Erwartungen.
Aber was genau wollte sie von ihm?
„Was?“, fragte er und kniff die Augen zusammen.
„Nichts.“
„Ich werde dich jetzt küssen“, warnte er sie eine Sekunde, bevor er es tat und seine Lippen heiß auf ihren lagen.
Als sie den Mund öffnete, geschah es nicht, um zu protestieren.
Er vertiefte den Kuss, schmeckte seine Lippen, suchte nach mehr.
In Megan entflammte ein Feuer. Sie presste sich an ihn, spürte seinen Körper an ihrem. Unter dem Mieder, das in ihr Kleid eingearbeitet war, verhärteten sich ihre Brustwarzen.
Er legte eine Hand auf ihren Ausschnitt, ließ den Daumen über die Wölbung ihrer Brüste gleiten. So plötzlich, dass sie nicht darauf vorbereitet war, befreite er eine Brust von dem Stoff.
Dabei murmelte er irgendetwas, das sie nicht verstehen konnte, aber sie wusste genau, was es war. Auch sie spürte die Verzauberung.
Sie küssten sich wieder, leidenschaftlicher als zuvor. Jean-Paul drängte sich zwischen ihre Beine. Megan reagierte rein instinktiv, wusste, ohne dass Erklärungen oder Erfahrung nötig gewesen wären, was sie zu tun hatte.
Gierig ließ sie die Hände über seinen Rücken gleiten, über seine Schultern und seinen Nacken und schließlich in sein Haar, das er länger trug, als zurzeit in Mode war. Während sie sich küssten, ließ sie ihn nicht los.
Schließlich griff er ihre Handgelenke und hielt sie hinter ihrem Rücken fest, ließ eine Hand zum Reißverschluss gleiten – und stoppte.
„Keine Spiele, richtig?“, vergewisserte er sich, als sie die Augen öffnete.
Megan nickte.
„Komm mit mir.“ Es war eine Bitte.
Megan nahm seine Hand, und sie gingen zum Heck, das fast komplett von einem großen Bett ausgefüllt wurde. Es sah nicht aus, als wäre es für eine Verführung vorbereitet, und sie war froh darüber.
Sie half Jean-Paul, es zu beziehen und die Laken festzustecken. Er breitete eine Decke darauf aus, wandte sich ihr zu, legte die Hände auf den Knopf seiner Hose und wartete … auf ihre Erlaubnis.
Die Entscheidung lag bei ihr.
Megan wandte ihm den Rücken zu und hob ihr Haar, sodass er ihr den Reißverschluss öffnen konnte. Sie streifte ihr Kleid ab, er seine Anzughose. Nur einen Moment, nachdem er die beiden Kleidungsstücke ordentlich über den Stuhl gehängt hatte, waren sie beide nackt. Er hob die Decke hoch und ließ sie als Erste ins Bett klettern, machte eine Lampe an, die alles in ein weiches Licht tauchte, und schloss die Tür zur Küche. Dann kam er zu ihr unter die Decke und nahm sie in die Arme. Es war, als läge sie in einem Kokon, warm und sicher.
Der Sturm erreichte die Bucht und ließ das Boot schaukeln, mal sanft, mal heftiger. Nichts durchdrang den süßen Zauber ihres Liebesspiels.
Bevor sie einschliefen, löschte Jean-Paul das Licht. Einen Moment schaute er auf sie herab. Ein seltsamer Ausdruck stand in seinen Augen und verschwand dann.
Ihr lagen Worte auf den Lippen, die sie nicht aussprach. Sie war sich nicht sicher, ob sie erlaubt waren.
„Schlaf“, sagte er leise und küsste ihre Lider, als sie die Augen schloss.
Geborgen in seinen Armen schlief sie ein.
Er war so zärtlich gewesen …
Einen Moment lang war die Sehnsucht, die in ihr gewütet hatte, gestillt.
Jean-Paul zog den Reißverschluss seines Rucksacks zu.
„Erledigt“, sagte er zu seinem Freund Arnie Stanhope, der ihre Expedition anführte.
Er und Arnie hatten zusammen in Oxford und später in Montana Archäologie studiert. Hier in den Bergen von Silvershire suchten sie nach den Überresten prähistorischer Kulturen. Letzten Monat erst hatte ein Schäfer aus der Gegend eine alte, möglicherweise über fünfzehntausend Jahre alte Grabkammer gefunden. Die Entdeckung hatte die Wissenschaftler aus aller Welt begeistert.
„Was denkst du, wann du zurück sein wirst?“ Arnie fuhr sich mit einem Finger durch das schütter werdende Haar.
Arnie, das hatte Jean-Paul schon vor langer Zeit entdeckt, war nicht von dieser Welt. Er ging so in seiner Forschungsarbeit auf, dass ihm weltliche Dinge egal waren. Er hatte es nicht nötig, zu lügen oder jemanden zu beeindrucken, und die Titel oder das Geld anderer Leute spielten für ihn keine Rolle. Arnie war einfach Arnie und zählte aus genau diesem Grund zu Jean-Pauls engsten Freunden.
„Ich habe keine Ahnung. Die Pflicht ruft; ich komme.“ Grinsend zuckte er mit den Schultern und schwang sich dann den Rucksack über die Schulter. „Ich melde mich.“
„Soll ich nicht lieber ein paar Leute mitschicken? Es ist ein langer Weg zurück.“
„Das schaffe ich schon. Viel Glück mit den Ausgrabungen.“
Sie schüttelten sich die Hände, und Jean-Paul verließ das Camp. Auf dem schmalen, steilen Weg den Berg hinab dachte er an die Notiz, die sicher in seiner Brieftasche steckte. Ein Gefühl, das er kaum benennen konnte, machte sich in ihm breit.
Megan. Megan Penelope Penwyck, die stille Prinzessin. Die süße Geliebte, deren Unschuld ihn so verzaubert hatte. Sie war noch Jungfrau gewesen. Die Entdeckung hatte ihn überrascht, und ihre unerwartete Leidenschaft hatte ihn in Flammen gesetzt. Dreimal hatten sie sich in jener Nacht geliebt.
Auf der Fahrt zurück nach Monte Carlo hatten sie geschwiegen. Zum ersten Mal in seinem Leben war es Jean-Paul nicht möglich gewesen, eine belanglose Unterhaltung zu führen, durch die der Übergang von Intimität zur Unverbindlichkeit gelang, die dem unvermeidlichen Abschied vorausging.
Nachdem sie ins Hotel zurückgekehrt waren, hatte er Megan nicht wiedergesehen. Sie war noch am selben Tag zurück nach Penwyck gereist. Er hatte ihr Blumen schicken lassen, aber es war keine Antwort zurückgekommen. Wahrscheinlich wollte sie keine Wiederholung ihrer gemeinsamen Nacht.
In nachdenklicher Stimmung blieb Jean-Paul auf einem Gipfel stehen, von dem aus man das Schloss sehen konnte, in dem er aufgewachsen war. Die letzten zwei Monate war er mit Staatsangelegenheiten und der Ausgrabung beschäftigt gewesen; da war ihm keine Zeit geblieben, Megan zu kontaktieren. Die Nachricht, die er am Vortag bekommen hatte, hatte ihn an sie erinnert – direkt und ohne Umschweife. Sie hatte um ein Treffen mit ihm gebeten, zum nächstmöglichen Zeitpunkt.
Das war alles. Keine Erklärung, keine Anspielungen auf ihre Begegnung, nur eine höfliche Bitte in ihrer klaren, schnörkellosen Handschrift.
Aber der Zeitpunkt – zwei Monate und einen Tag nach ihrer gemeinsamen Nacht – war sicher kein Zufall.
Die Nacht war nicht geplant gewesen, und Jean-Paul hatte keine Kondome dabeigehabt. Dennoch war der Gedenke da gewesen, dass sie schwanger werden könnte, aber er hatte alle Vorsicht in den Wind geschlagen. Das tat er sonst nie. Stets war er auf der Hut vor Frauen, die ihn in die Falle locken wollten.
Er achtete ganz genau darauf, mit wem er sich einließ. Frauen, die eine eigene erfolgreiche Karriere hatten, wollten meist selbst keine feste Beziehung. Und einer königlichen Prinzessin wie Megan wurde von Kindesbeinen eingebläut, vorsichtig zu sein und keine impulsiven Entscheidungen zu treffen.
Welche Erklärung hatten sie beide dafür, wie sie sich in dieser magischen Nacht verhalten hatten?
Einen Moment später zuckte er mit den Schultern. Was auch immer geschehen war, war geschehen.
C’est la vie.
Die Wanderung den Berg hinunter nahm den ganzen Dienstag und den halben Mittwoch in Anspruch. Er hatte Zeit, tief in sich zu gehen. Die bevorstehende Vaterschaft schreckte ihn nicht, stellte er fest.
Erstaunt stellte er fest, dass er Megans Schwangerschaft schon für eine Gewissheit hielt. Wenn der Verdacht sich bewahrheitete, würden seine Eltern sich freuen. Er war vor Kurzem dreißig geworden, und sie hatten ihm schon mehrfach zu verstehen gegeben, dass es Zeit sei, zu heiraten und einen Erben zu zeugen.
Vielleicht würde er sie mit Neuigkeiten über die bevorstehende Hochzeit überraschen, dachte er spöttisch, als er das Herrenhaus betrat, das er eines Tages von seinem Vater erben würde.
Er liebte und bewunderte seine Eltern. Früher hatte er geglaubt, er würde sich ebenso leidenschaftlich verlieben, wie sie es getan hatten. Ihre Ehe war eine Liebesheirat gewesen.
Jean-Paul stieg die Treppe zu seiner Suite hinauf. Die Nachricht, dass er angekommen war und sofort wieder abreisen wollte, würde sicher bald den Herzog erreichen.
Was sollte er seinem Vater sagen, wohin er gehen wollte? Die Wahrheit?
Es war möglich, dass er sich irrte, was die Schwangerschaft anging. Vielleicht wollte die Prinzessin nur dort weitermachen, wo sie aufgehört hatten.
Der Gedanke erweckte seinen Körper zum Leben, und Jean-Paul verzog das Gesicht.
Eine schnelle Dusche, dann schlüpfte er in die formellen Kleider, in denen er seinen Eltern seine Aufwartung machen würde. Wenn er ihnen erzählte, was er vermutete, würden sie bestimmt eine Hochzeit für ihn geplant haben, noch bevor er die vierzig Kilometer nach Penwyck gesegelt war und sich mit Megan getroffen hatte.
Wahrscheinlich war es also besser, seine Vermutung für sich zu behalten.
„Jean-Paul!“, sagte seine Mutter, als er sie unten in der Halle sah, und lächelte ihn an.
Sie war Französin und hatte im Englischen einen bezaubernden Akzent. Ihr Haar und ihre Augen waren dunkel, ihre Figur zierlich. Als Tochter eines Winzers mit mehr Familienstolz als Geld war sie seinem Vater vor vielen Jahren in Monte Carlo begegnet. Sie hatten sich auf den ersten Blick verliebt und waren zusammen für einen Monat nach Afrika durchgebrannt, bevor sie nach Drogheda zurückgekehrt waren.
Jean-Paul stieg die Treppe hinab und unterdrückte die Erinnerung an die seltsame, magische Nacht, in der auch er mit Megan der Zivilisation entflohen war …
„Mutter.“ Er küsste sie auf beide Wangen.
„Was machst du zu Hause?“, fragte sie unverblümt.
Einen Moment dachte er darüber nach, alles zu gestehen, aber in Wirklichkeit wusste er ja gar nichts mit Sicherheit.
„Es hat sich etwas ergeben.“ Er legte ihr einen Arm um die Schultern. „Du siehst toll aus. Ein neues Kleid?“
Sie schlug ihm leicht auf den Arm. „Du wirst mich nicht ablenken, nicht einmal mit Komplimenten. Was hat sich ergeben?“
Er grinste. „Frag nicht.“
„Dann geh und sag deinem Vater guten Tag, während ich das Mittagessen auftragen lasse.“
Sie wirbelte davon und wirkte dabei deutlich jünger, als sie tatsächlich war.
Jean-Paul ging weiter in den Raum, den sein Vater als Arbeitszimmer benutzte. Er dachte darüber nach, seinen Vater zu fragen, wie er sich gefühlt hatte, als er die zierliche Französin zum ersten Mal gesehen hatte, die sein Herz gestohlen hatte.
Aber dann würden vielleicht Gegenfragen kommen, die er nicht beantworten konnte …
„Der König hat leider keine Zeit“, sagte Sir Selwyn.
Jean-Paul verbarg mühsam seine Irritation. „Prinz Bernier wurde mitgeteilt, König Morgan werde seinen Abgesandten ohne Verzögerung empfangen.“
Der blasse, asketisch wirkende Sekretär verzog keine Miene. Er entschuldigte sich noch einmal, allerdings ohne mit einer Erklärung für den Affront aufzuwarten.
„Wann darf ich denn mit einer Audienz rechnen?“, fragte Jean-Paul ungehalten.
Sir Selwyn breitete die Hände aus. „Ich werde es Sie wissen lassen. Ist Ihre Unterbringung zu Ihrer Zufriedenheit?“
Es machte keinen Sinn, den Sekretär weiter zu bedrängen, also nickte Jean-Paul lediglich und verließ das Büro. Selwyn begleitete ihn zur Tür, damit er auch ja ging.
In der großen Halle, die als Empfangsraum und manchmal als Ballsaal benutzt wurde, blieb Jean-Paul stehen und dachte darüber nach, was er nun tun sollte. Sein Onkel, Prinz Bernier von Drogheda, hatte ihn gebeten, für den offiziellen Botschafter einzuspringen, der überraschend erkrankt war. Jetzt musste er warten, bis König Morgan ihm eine Audienz gewährte. So war das nun einmal bei Staatsangelegenheiten.
Damit blieb ihm Zeit, sich dem eigentlichen Grund seines Hierseins zu widmen.
Megan.
In eben diesem Raum hatte er sie schon einmal gesehen, zum Anlass des Geburtstags ihrer Schwester vor zehn Jahren. Sie war siebzehn gewesen, er zwanzig und schon sehr viel weltgewandter als das junge Mädchen, mit dem er Walzer getanzt hatte.
Seine Eltern hatten darauf bestanden, dass er an dem Ball teilnahm. Sie hatten immer schon mit einer Allianz geliebäugelt und gehofft, er und Prinzessin Meredith würden vielleicht romantische Gefühle füreinander entwickeln. Doch er hatte ihre Strategie durchschaut und sich von der älteren Prinzessin ferngehalten. Mit der jüngeren Schwester zu flirten, war weniger gefährlich gewesen. Megan, mit ihrem von der Sonne zart getönten Teint und der interessanten Bräunungslinie, die ihren Hals entlanglief und zwischen ihren Brüsten verschwand …
Jean-Paul runzelte die Stirn bei dieser Erinnerung, die selbst jetzt eine unterschwellige Erregung in ihm hervorrief.
Sie hatte zugegeben, dass sie lieber am Strand spazieren ging, als im Ballsaal zu tanzen. Also hatte er sie geschickt zur offenen Terrassentür hinübermanövriert und ihre Hand genommen, dann waren sie durch die formellen Gärten zu einer Seitentür gegangen.
„Können Sie sie öffnen?“, hatte er gefragt.
„Natürlich.“
Sie hatte ihn durch den privaten Garten der Königsfamilie, durch ein weiteres Tor und dann einen steilen Pfad hinunter an den Strand geführt. Dort hatten sie die Schuhe abgestreift und waren mehr als eine Stunde lang am Strand spazieren gegangen. Dabei hatten sie sich über die Seehunde unterhalten, die auf vorgelagerten Felsen schliefen, über den Leuchtturm und die Palmen, die an geschützten Stellen wuchsen.
„Wenn der Golfstrom nicht wäre, hätten wir ein Klima wie in Kanada“, sagte er, ein Versuch, sein Wissen unter Beweis zu stellen.
„Ich liebe diese Bucht“, vertraute sie ihm an. „Hier konnten wir als Kinder spielen und der Öffentlichkeit eine Weile entkommen.“
„Es ist schwer, wenn man bei jeder Bewegung unter Beobachtung steht, oder? Manchmal möchte ich auch davor flüchten.“ Das Eingeständnis überraschte ihn selbst.
„Aber das können wir nicht. Und wir sollten nicht dauernd darüber nachdenken. Wir haben ein sehr privilegiertes Leben.“
Bei ihrem belehrenden Tonfall runzelte er die Stirn … bis er sie ansah. Ihre Haltung strafte ihre Worte Lügen. Sie schaute mit einer so tiefen Sehnsucht auf den Ozean hinaus, dass es ihn verblüffte.
„Wie eine Selkie“, murmelte er. „Ein mythisches Wesen, eine Robbe, die an Land in einem menschlichen Körper gefangen ist. Würden Sie gern ins Meer zurückkehren?“
„Ja“, sagte sie, ihre Stimme so klagend wie der Ruf einer einsamen Möwe.
In diesem Moment wollte er sie an sich ziehen, ihre Sehnsucht nach dem Meer irgendwie vertreiben. Er tat es nicht.
Im Mondlicht, in ihrem weißen Kleid, wirkte sie ätherisch, wie aus einer anderen Welt. Genauso faszinierend und unwiderstehlich, wie man es den Selkies aus den alten Legenden nachsagte. Jean-Paul hatte fast ein wenig Angst gehabt, sie zu berühren.
Aber er hatte es gewollt.
„Wie ernst ist es?“, fragte Carson Logan, der persönliche Leibwächter des Königs. „Wann wird er wieder erwachen?“
„Ich kann es nicht sagen.“ Der königliche Leibarzt schüttelte den Kopf. „Die Frage ist nicht, wann der König aus dem Koma erwacht, sondern ob.“
Admiral Harrison Monteque fluchte leise.
„Und Sie glauben, es ist eine Enzephalitis, wissen es aber nicht?“, hakte er nach.
Penwycks Geheimdienst, das Royal Intelligence Institute, beschäftigte die hellsten Köpfe aus Militär, Wissenschaft, Medizin und Wirtschaft. Das Royal Elite Team war ein Teil davon – Männer mit der Erlaubnis, tätig zu werden, wenn dem Königreich oder der königlichen Familie unmittelbare Gefahr drohte.
Admiral Monteque von der königlichen Marine, der Kopf des RETs, war ein scharfsinniger, gerissener Mann, stets bei der Sache und daran gewöhnt, Entscheidungen zu treffen.
Auch Herzog Carson Logan, Sir Selwyn Estabon und Herzog Pierceson Prescott gehörten dem RET an. Sie alle starrten den Leibarzt an, als sei er persönlich für den Zustand des Königs verantwortlich.
„Wir stehen mit dem Center for Disease Control in den USA in Kontakt“, erklärte der Mediziner und starrte genauso böse zurück. „Es scheint sich um eine seltene Virusvariante zu handeln, die sonst nur in einer bestimmten Region in Afrika auftritt.“
„Wie soll sich der König dieses Virus eingefangen haben?“, fragte Herzog Prescott.
„Woher soll ich das wissen?“, schnappte der Arzt.
Sir Selwyn griff schlichtend ein. „Bitte informieren Sie uns, wenn irgendeine Änderung eintritt.“
„Natürlich“, versicherte der Arzt steif. Er zögerte. „Der menschliche Körper ist eine erstaunliche Maschine. Der König könnte jeden Moment wieder aufwachen und topfit sein. Ich werde es Ihnen sofort mitteilen, wenn sich sein Zustand bessert.“
Selwyn brachte den Arzt zur Tür der Ratskammer – einem Raum, der so konstruiert war, dass keine Geräusche oder elektronischen Signale durch die Wände drangen.
„Wir müssen sehr vorsichtig sein, bis wir wissen, was mit dem König passieren wird“, sagte Logan, nachdem der Sekretär die Tür sorgfältig geschlossen hatte.
Monteque runzelte die Stirn. „Das ist wirklich der schlechteste Zeitpunkt, den man sich denken kann …“
„Gibt es denn einen guten?“, fragte Selwyn.
Die beiden Männer schauten sich an, dann schüttelte der Admiral reumütig den Kopf.
„Vermutlich nicht. Wir werden zu Plan B übergehen müssen, so wie wir es gestern Abend besprochen haben.“
„Ist das Ihr Ernst?“, fragte Logan, während Preston noch grimmiger dreinschaute als vorher.
„Mein voller Ernst. Ich sehe keine andere Möglichkeit, und es wäre das, was der König wollen würde. Schauen Sie sich die Situation an. Wir stecken in kritischen Verhandlungen mit den USA bezüglich des Freihandelsabkommens, stehen vor dem Eingehen einer militärischen Allianz mit Majorco und müssen den Finanzminister überzeugen, die internationalen Verträge zu ratifizieren, die wir vor zwei Monaten in Monaco ausgehandelt haben. Wir müssen zumindest den Anschein erwecken, dass es hier Fortschritte gibt.“
„Das Gesetz besagt, wenn der König handlungsunfähig ist, übernimmt die Königin als Regentin, bis der Erbe gekrönt wird. Was ist mit ihr?“
„Die Königin hat nie großes Interesse an politischen Angelegenheiten gehabt, und es ist allgemein bekannt, dass der König von Majorco Frauen nicht ernst nimmt. Ich schlage vor, wir warten damit, zumindest, bis wir wissen, was aus dem König wird“, sagte Selwyn. „Oder bis einer der Prinzen zurückkehrt.“
Als Monteque sich mit einer Hand über die Stirn fuhr, eine unbewusste Geste der Erschöpfung, wurde sich Selwyn seiner eigenen Müdigkeit bewusst. Seit der König letzten Sonntag von seiner mysteriösen Krankheit befallen worden war, hatte keiner von ihnen mehr als ein paar Stunden am Stück geschlafen. Es war nun Donnerstag, und die militärische Allianz sollte nächsten Monat in einer offiziellen Zeremonie unterzeichnet werden.
„Es ist mehr als unglücklich, dass Owen und Dylan beide außer Landes sind“, sagte Monteque. „So eine Situation sollten wir künftig vermeiden.“
„Sie sind junge Männer und haben eigene Vorstellungen von ihrem Leben“, erinnerte ihn Logan. Er gähnte und streckte sich. „Sie werden sich nicht festketten lassen.“
„So oder so, wir müssen mit dem arbeiten, was wir haben“, murmelte Selwyn. „Wann soll der Notfallplan in Kraft treten, Admiral?“
„Sofort.“ Monteque erhob sich und verließ gemeinsam mit Preston den Raum.
Selwyn wandte sich seinem Freund Logan zu, der dem König ebenso nahestand wie er.
„Ich frage mich, ob wir gerade dabei sind, uns ein Trojanisches Pferd ins Königreich zu holen.“
Doch Logans Augen waren geschlossen, und der Kopf sank ihm auf die Schulter.
Selwyn rüttelte ihn sanft wieder wach. „Gehen Sie schlafen. Wir müssen alle bei klarem Verstand sein, wenn wir das durchstehen wollen.“
Jean-Paul stand auf der Klippe und schaute von dort auf die private Bucht hinab, die zum Palast gehörte. Seine gestrige Bitte, Megan möge sich hier mit ihm treffen, war unbeantwortet geblieben. Nun nahm er die Sache selbst in die Hand, denn er war sich sicher, dass sie früher oder später ihren Zufluchtsort aufsuchen würde.
Er hatte sich die Freiheit genommen, die lange Route um den Palast herum zu nehmen und sich der kleinen Bucht über den Weg im Nordwesten zu nähern, sodass man ihn vom Palast aus nicht sah. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es beinahe Mittag war, aber noch immer lag Nebel über der Bucht. Seit sieben Uhr war er hier, und seine Laune hatte sich nicht gerade gebessert, während die Zeit vergangen war.
Da erschien eine einsame Gestalt oben auf dem Pfad.
Jean-Paul lächelte, als er Megan erkannte. Seine Geduld hatte sich schließlich ausgezahlt.
Anmutig stieg sie den Pfad hinab, eine zierliche Frau, kaum eins fünfundsechzig groß und wenig mehr als fünfzig Kilo schwer. Das dunkle Haar fiel ihr über die Schultern, und die rotbraunen Farbreflexe, die sich darin verbargen, fielen in diesem Licht nicht auf. Sie hatte sich ein Tuch umgewickelt, um sich vor dem kühlen Wind zu schützen.
Er entschied, sie erst anzusprechen, wenn sie am Strand war. Ein Hauch von Erwartung erfüllte ihn. Lebhaft erinnerte er sich daran, wie sie heiser und staunend seinen Namen geflüstert hatte. In jenen Momenten, während der Sturm gewütet hatte, war die Wildheit der Selkie wieder in ihre Augen getreten. Sie war unglaublich leidenschaftlich gewesen, hatte auf jede Berührung reagiert, bis auch er den Ruf der See in seinen Adern gefühlt hatte. Bis sein Herz so heftig gepocht hatte wie der Donner der Wogen, als würde es ihm aus der Brust springen …
Als Megan den Strand erreicht hatte, streifte sie zu seinem Erstaunen das Tuch und die Sandalen ab und lief im Badeanzug hinein ins kühle Wasser. Mit der Morgenflut schwamm sie in die Bucht hinaus.
Seine Überraschung schlug in eine Angst um, die so groß war, dass sie ihn einen Moment lang lähmte. Dann war er auf den Füßen, warf Schuhe und Kleider beiseite und stürzte sich in die Wellen, entschlossen, sie zurück zum Strand zu ziehen.
Megan war eine erstaunlich gute Schwimmerin und wusste die Flut zu ihrem Vorteil zu nutzen. Sie war schon beinahe an einer kleinen, felsigen Insel in der Mitte der Buch angelangt, als er sie endlich einholte.
Als sie ihn bei einem Blick über die Schulter entdeckte, riss sie die Augen auf.
„Was …?“, keuchte sie und geriet aus dem Rhythmus. „Wer …?“
Er hob den Kopf aus den Wellen.
Aus ihren grünen Augen sah sie ihn an, als wäre er ein gänzlich unbekanntes Wesen. Ärger gesellte sich zu seiner Furcht und all den anderen Gefühlen, die in ihm wüteten.
„Jean-Paul Augustuve“, sagte er heftig atmend. „Guten Morgen, Hoheit.“
Megan wusste natürlich, wer er war. Sie hatte es sofort gewusst, als sie sein dunkles Haar gesehen hatte.
„Hallo“, sagte sie.
Vor ihrer Begegnung mit Jean-Paul war sie Jungfrau gewesen, und so hatte sie noch nie die Erfahrung gemacht, wie es war, einen ehemaligen Liebhaber wiederzusehen. Es war umso peinlicher, da sie gerade beide schwammen.
„Hallo.“ Er streckte sich und holte zu ihr auf, schwamm neben ihr her, bis sie die Insel erreicht hatten. „Du hast auf meine Nachricht gestern nicht reagiert“, sagte er, als sie tropfend nebeneinanderstanden.
Es traf sie wie ein Blitzstrahl, dass er nur Unterwäsche trug, die ihm nass am Leib klebte und beinahe durchsichtig war. Rasch wandte sie sich ab und suchte sich einen Felsen zum Sitzen, von wo aus sie den aufgewühlten Ozean beobachten konnte.
„Ich war beschäftigt.“
„Deshalb habe ich hier auf dich gewartet.“
Sie warf ihm einen abschätzenden Blick zu. Er wirkte gelassen, aber sie spürte, welche Gefahr von ihm ausgehen könnte, wenn er das wollte.
„Wie schön, dich zu sehen“, sagte sie höflich.
„Hast du nicht mit mir gerechnet?“
Sie schüttelte den Kopf.
Er lachte. „Dachtest du, ich wäre ein feiger Junge, der sich vor der Verantwortung der Vaterschaft drücken möchte?“
Unwillkürlich keuchte Megan auf. Ihr fehlten die Worte. Sie hatte nicht genug Zeit gehabt, sich auf diese Begegnung vorzubereiten.
„Ich … warum sagst du das?“
„Eine kryptische Nachricht, dass du mich sehen willst, acht Wochen und einen Tag nach unserer Nacht auf See. Ich fand es ziemlich offensichtlich.“
„Oh.“
Er ballte die Hände zu Fäusten. In seinem Blick lag ein Ärger, der sie beinahe zusammenzucken ließ.
„Erwartest du ein Kind?“
Die Schärfe in seiner Stimme schockte sie so sehr wie die Frage selbst.
„Und wenn es so wäre?“, gab sie zurück.
„Es gibt keinen Grund zur Panik.“ Er deutete auf sie und auf das Meer. „Ich werde dir und dem Kind gegenüber meine Pflicht erfüllen.“
Die Worte sollten sie wohl beruhigen, verwirrten sie aber nur noch mehr. Dann kam ihr der Gedanke, er könne glauben, sie wolle sich das Leben nehmen.
Groll, Ärger und noch andere Gefühle machten sich in ihr breit. Sie hob das Kinn.
„Ich bin nicht in Panik. Ich schwimme oft hierher zur Insel, wenn ich allein sein und … und nachdenken möchte.“
Ihr Zögern musste sie verraten haben. „Dann bist du also schwanger.“
„Nein“, behauptete sie.
„Nein?“, wiederholte er und musterte sie von oben bis unten.
Ihr Zweiteiler schien auf einmal viel zu viel zu enthüllen. Sie öffnete den Mund, aber irgendwie wollte keine Lüge mehr herauskommen.
„Ich war noch nicht beim Arzt“, sagte sie deshalb wahrheitsgemäß.
Er griff sie bei den Schultern. „Du hast gesagt, du würdest keine Spiele spielen“, warnte er. „Fang nicht jetzt damit an.“
Megan holte tief Atem. „Ja. Ich glaube … ich glaube, ich bin …“
„Ich werde sofort zu deinem Vater gehen.“
Sie starrte in seine klaren, blauen Augen. Die Nachricht schien für ihn kein Problem zu sein.
„Warum?“
„Ich werde um deine Hand anhalten. Wir müssen dem Protokoll folgen. Immerhin bist du eine Prinzessin.“
„Warte!“ Sie legte ihm die Hand auf die Brust, wie um ihn davon abzuhalten, den Weg hinaufzustürmen und direkt zu ihrem Vater zu laufen. „Ich muss nachdenken.“
Hitze strömte ihren Arm hinauf und erinnerte sie an die leidenschaftliche Nacht mit ihm. Sie legte sich eine Hand an die Schläfe. Ihre Welt war in Aufruhr.
„Wir haben noch ein bisschen Zeit, aber nicht unendlich viel. Königliche Hochzeiten haben einen gewissen Vorlauf. Oder wolltest du mit mir durchbrennen?“
Jetzt lag Belustigung in seinen Augen. Machte er sich etwa über sie lustig?
„Ich habe noch gar nichts geplant“, sagte sie scharf und trat zurück.
„Ich habe gehört, dass schwangere Frauen sich oft unvernünftig benehmen.“ Jean-Paul grinste.
„Ich bin nicht unvernünftig! Du kannst nicht einfach hierherkommen und anfangen, eine Hochzeit zu planen, als ob … als ob …“
„Als ob wir ein Liebespaar wären, das einfach nicht bis zur offiziellen Trauung warten konnte?“
Megan starrte ihn entsetzt an. Er verdrehte alles, was sie sagte!
Sie atmete tief ein. „Ich muss jetzt zurück. Ich habe einen Termin.“
Sein Lächeln verriet, dass er ihre Lüge durchschaute.
„Dann essen wir heute zusammen zu Abend. Im Palast oder woanders?“
Wenn sie in ein öffentliches Restaurant gingen, würde es jeder bemerken. Verzweiflung ergriff sie, und so sagte sie das Erste, was ihr in den Sinn kam.
„In meinen Zimmern. Ich arrangiere alles.“
„Gut.“ Er ging neben ihr ins Wasser und blieb an ihrer Seite, bis sie den Strand erreichten hatten.
Während sie sich anzogen, hielt Megan den Blick sorgfältig abgewandt.
Jean-Paul begleitete sie bis zum Palasttor, dann hob er mit einem Finger ihr Kinn an und sah ihr in die Augen.
„Mich zu heiraten, ist vielleicht nicht so schlimm, wie du anscheinend denkst.“ Ein Hauch von Bitterkeit lag in seinen Worten.
„Wir unterhalten uns heute Abend“, sagte sie und mied seinen Blick. „Um acht.“
Sie öffnete das Tor und floh, gefangen in einem Strudel aus widersprüchlichen Gefühlen.
Megan ging vom Schreibtisch zum Fenster und dann zurück. Vor dem Kamin blieb sie stehen und dachte darüber nach, ob sie ein Feuer machen sollte. Aber das würde dann vielleicht zu romantisch wirken. Auf keinen Fall wollte sie es aussehen lassen, als wünschte sie sich eine intime Begegnung mit dem gut aussehenden Earl of Silvershire.
Sie wollte über die Ironie lachen, aber sie war sich nicht sicher, ob sie dann wieder aufhören könnte.
Es klopfte an der Tür. Candy, ihre Zofe, die als Mischung aus persönlicher Assistentin und Dienstmädchen fungierte, schaute fragend in ihre Richtung. Megan nickte und blieb am Kamin stehen.
Jean-Paul kam herein, dankte Candy und schaute Megan dann direkt in die Augen.
Heute Abend trug er Schwarz – Hosen, ein Hemd ohne Krawatte und ein Samtjackett. Wie ein Prinz aus dem Märchen.
„Du bist wunderschön“, sagte er, als sollte das für jeden, der sie sah, offensichtlich sein.
Sie hatte ein langes Sommerkleid aus goldener Seide gewählt, das am Hals, an den halblangen Ärmeln und am Saum mit grünen Blättern bestickt war. Er reichte ihr eine goldene Rose an einem grünen Band – eine Handgelenkscorsage.
„Danke. Das ist sehr nett von dir.“ Sie zog sich das Band über das Handgelenk.
„Ich habe angerufen und Candy gefragt, was du anziehen würdest.“
Es versetzte ihr einen seltsamen Stich, dass er den Namen ihrer Zofe aussprach. Sie erinnerte sich daran, wie er ihren eigenen Namen geflüstert hatte.
Megan. Ein heiseres Murmeln. Meine süße Selkie.
Selbst wenn sie so ein mythisches Wesen gewesen wäre … in jenem Moment hätte sie die menschliche Gestalt vorgezogen.
Jean-Paul kam auf sie zu und hob ihre Hand an seine Lippen. Es war eine altmodische, formelle Geste. Aber dann drehte er ihre Hand und presste einen Kuss auf die Innenseite ihres Handgelenks. Megan keuchte auf.
Candy gab einen überraschten Laut von sich und verbarg ihn in einem Husten. Als Megan sie ansah, strich sie schnell das tadellose Tischtuch glatt.
„Sie können bitte den ersten Gang auftragen“, sagte Megan heiser. Sie ging an Jean-Paul vorbei zum Tisch. „Bitte, setz dich doch.“
Für zwei Gedecke war hier eigentlich zu wenig Platz, aber sie konnten wohl kaum im Speisezimmer der Familie über ihre Situation sprechen. Außerdem übernahm ihre Mutter heute irgendwelche repräsentativen Pflichten für ihren Vater, und ihre Brüder waren außer Landes, sodass nur ihre Schwestern da waren. Megan wollte Jean-Paul nicht mit ihnen teilen.
Allerdings fragte sie sich, was wohl mit ihrem Vater war. Seit fünf Tagen hatte der König sich nirgends blicken lassen, und weder Megan noch ihre Schwestern wussten, was vor sich ging. Das war im Grunde nicht ungewöhnlich: Ihr Vater hatte es der Königin überlassen, die gemeinsamen Kinder großzuziehen, und sich schon immer vor allem seinen königlichen Pflichten gewidmet.
Vielleicht wusste Meredith Bescheid, die eng mit dem Geheimdienst zusammenarbeitete, aber sie hatte nichts gesagt.
Wer in einem Palast aufwuchs, lernte dabei alles über Politik und Intrigen. Vor langer Zeit schon hatte Megan begriffen, dass die Dinge selten so waren, wie sie schienen. Und persönliche Befindlichkeiten spielten bei alldem die geringste Rolle.
Ihr Blick wanderte zu ihrem attraktiven Gast.
„Tief in Gedanken?“ Jean-Pauls Lächeln war zwar ein bisschen spöttisch, aber weder sarkastisch noch grausam. Er war noch nie gemein gewesen. Das war eine wichtige Eigenschaft für einen Mann, der Vater werden würde.
Rasch setzte sie sich und breitete ihre Röcke aus, während er ihr gegenüber Platz nahm.
Candy servierte gekühlte Pflaumensuppe. Sein Blick ruhte auf der jungen Frau, und er runzelte die Stirn.
„Das wäre dann alles, Candy“, sagte Megan zu ihr. „Wir bedienen uns selbst.“
Candy verbeugte sich und ging.
„Endlich allein“, murmelte Jean-Paul.
Das Funkeln in seinen Augen verblüffte sie. Ihr gelang ein Lächeln, und sie hob den Löffel.
Während der Mahlzeit schwiegen sie. Megan war froh, dass sie nur vier Gänge bestellt hatte, denn ihr fiel einfach kein Gesprächsthema ein, um Small Talk zu betreiben.
Nach dem Dessert, weiße Mousse au Chocolat, gingen sie in den Wohnbereich hinüber. Jean-Paul setzte sich auf das Sofa, im rechten Winkel zu ihrem Sessel.
Megan schenkte ihm Kaffee ein – schwarz und ohne Zucker, wie er ihn in Monaco getrunken hatte –, dann tat sie Milch und einen Löffel Zucker in ihre eigene Tasse.
„Wie ist deine Meinung zu einer Ehe?“, fragte er, sobald sie fertig war.
Die Frage traf sie mit voller Breitseite. „Ich mag keine arrangierten Ehen.“
„Hat man dir schon eine vorgeschlagen?“, fragte er stirnrunzelnd.
Sein Ärger überraschte sie. „Nein, natürlich nicht. Ohnehin würde Meredith als Erste heiraten.“
Er beugte sich vor und stützte die Arme auf die Oberschenkel. „Das Leben in einer königlichen Familie ist verdammt kompliziert. Ich vermute, wir werden den größten Teil des Jahres hier verbringen müssen. Solange mein Vater lebt, ist das auch kein Problem, doch sobald ich mein Erbe antrete, müssen wir mindestens die Hälfte der Zeit in Silvershire verbringen.“
„Das ist absurd“, sagte sie. Er plante ihre Zukunft, während sie sich noch nicht einmal mit dem Gedanken an eine Heirat abgefunden hatte.
Jean-Paul sah sie an. Seine Augen funkelten strahlend blau.
„Es wird dir dort gefallen“, prophezeite er. „Meer und Berge, genau wie hier. Ich werde dir all meine Lieblingsorte zeigen.“
„Warte!“, rief sie. „Du … das geht alles zu schnell. Ich habe es noch nicht einmal meinen Eltern erzählt.“
„Ich habe doch gesagt, ich würde mit deinem Vater sprechen. Denkst du, ich würde dich damit alleinlassen?“
„Das ist sehr edel von dir, aber wie du ganz richtig bemerkt hast, gibt es keinen Grund zur Eile.“
„Noch nicht“, fügte er hinzu und musterte sie. „Du bist sehr schlank. Man wird die Schwangerschaft bald bemerken. Ist dir morgens übel?“
Sie nickte.
„Und dann das hier …“, murmelte er.
Mit einer Bewegung, die sie kalt erwischte, zog er sie in die Arme und hob sie auf seinen Schoß. Während sie schockiert zu ihm aufsah, berührte er erst mit den Lippen ihre Wange und ließ seinen Mund dann zu ihrem Mund wandern.
„Ich sollte mir das verbitten“, flüsterte sie, aber der Tadel galt ihr selbst.
„Und, tust du es?“, fragte er, ohne damit aufzuhören, flüchtige Küsse auf ihre Haut zu pressen.
„Nein. Ich bin genauso lüstern wie du.“
Er lachte. „An deine Ehrlichkeit werde ich mich gewöhnen müssen.“
Sie schob eine Hand unter sein Jackett und legte sie auf seinen Oberkörper.
„Hast du es sonst nur mit unehrlichen Frauen zu tun?“
„Vielleicht. Oder vielleicht mit solchen, die ihre Gefühle besser verbergen können.“
Das zynische Eingeständnis erinnerte sie daran, dass er ebenso im Licht der Öffentlichkeit stand wie sie.
Eine weitere Gemeinsamkeit, dachte sie und fragte sich, wie viele sie noch entdecken würden … und ob das für ihr Herz gut war oder schlecht.
Er streichelte ihre Arme durch den dünnen Seidenstoff.
„Ich vermisse deinen Geschmack“, gestand er dabei. „Eine Nacht war nicht genug.“
„Wie viele wären denn genug?“
„Woher kommt das jetzt?“ Er hob den Kopf und betrachtete sie mit einem Hauch von Feindseligkeit.
Sie sah ihm gerade in die Augen.
„Du hast ein sehr freies Leben geführt“, erklärte sie. „Würde dir eine Frau reichen?“
Er erhob sich und stellte sie auf die Füße.
„Vielleicht. Wenn sie die Richtige ist …“ Sein Blick durchdrang den dünnen Eispanzer um ihr Herz. „Und wenn ich das will.“
Irgendwie gelang es Megan, bei dieser kühlen Bemerkung nicht zusammenzuzucken. Sie lächelte sogar.
In jener magischen Nacht hatte sie sich erlaubt, von Liebe und einer märchenhaften Romanze zu träumen, aber das war reine Fantasie. Die Realität hatte sie beim Mittagessen eingeholt, als ihre Schwestern Spekulationen über den gut aussehenden Earl of Silvershire angestellt hatten.
„Vielleicht sucht er eine Frau“, hatte Anastasia gesagt. „Wen soll er nehmen – das Gehirn, die Nonne oder die Sportskanone?“
Das war ihre Art, mit den Spitznamen umzugehen, die die Medien ihnen gaben: Sie dachten sich eigene aus, nur im engsten Familienkreis. Owen nannten sie den Cowboy und Dylan den Captain, weil ihn das Meer so faszinierte.
Megan seufzte. Beim Mittagessen war der Drang, sich ihren Schwestern anzuvertrauen, beinahe überwältigend gewesen. Aber sie musste zuerst mit ihrem Vater sprechen. Nein, mit ihrer Mutter. Die Königin würde wissen, was zu tun war.
„Ich hatte immer die Absicht, meiner Frau treu zu sein“, sagte Jean-Paul, und sein Gesichtsausdruck wurde ein bisschen weicher. „Ist das deine einzige Sorge?“
Sie ignorierte seine Frage.
„Meine Schwestern haben sich gefragt, ob du auf der Suche nach einer Ehefrau bist“, entgegnete sie stattdessen.
„Hast du ihnen erzählt, dass ich mich schon entschieden habe?“
„Dass die Entscheidung schon getroffen ist, meinst du.“ Ihre Schultern sanken herab. „Wie konnten wir nur so dumm sein?“
Es war eine rhetorische Frage, aber er antwortete trotzdem.
„Wer kann einer Selkie schon widerstehen?“ Mit einem Finger hob er ihr Kinn an. Einen langen Moment schauten seine eisblauen Augen in ihre, doch sie fühlte Hitze, keine Kälte. „Eine Allianz zwischen uns würde gut funktionieren. Aber wenn du das Baby nicht willst, werde ich es nehmen. Meine Mutter hätte gern ein Enkelkind.“
„Ich würde mein Kind niemals hergeben!“
Sein Gesicht wurde eisig. „Ich auch nicht. Unser Kind ist nicht daran schuld, dass wir unvorsichtig waren. Wir müssen tun, was für ihn oder sie das Beste ist.“ Er ließ Megan los und ging zur Tür hinüber. „Denk darüber nach.“
Sprachlos sah sie ihm hinterher, als er ihr Apartment verließ.
Er wollte das Kind und dachte, sie täte es nicht?
Megan schlang die Arme um sich und dachte über die Zukunft nach.
Ein Kind, dachte sie staunend. Ein Kind, das in einer magischen Nacht entstanden war. Und sie wusste, wer von ihnen der unwiderstehliche Selkie gewesen war …
Königin Marissa drehte den Kopf, als sich Schritte näherten.
„Oh“, sagte sie überrascht.
König Morgan, seit dreißig Jahren ihr Ehemann, kam durch den Rosengarten auf sie zu. Im Vorübergehen pflückte er eine rote Rose und brach die Dornen ab.
Sie beobachtete ihn misstrauisch. Seit mehr als einer Woche hatte sie ihn nicht gesehen. So war das manchmal in einer königlichen Ehe.
Sie war dreiundzwanzig gewesen, er achtundzwanzig, als sie geheiratet hatten. Eine arrangierte Ehe, natürlich. Verliebt hatten sie sich erst nach der Hochzeit.
Eine schwache Röte bedeckte ihre Wangen, als sie sich an die wunderbaren Flitterwochen erinnerte.
Als ob auch er an diese lange zurückliegende Zeit dachte, verbeugte sich Morgan vor ihr. Er berührte mit der langstieligen Rose ihre Wange, und die kühlen Blütenblätter waren wie Satin auf ihrer Haut. Dann fuhr er mit der Blume über ihren Hals und verharrte am Ausschnitt ihres Morgenmantels.
Mit einer geschickten Bewegung ließ er die Rose in ihren Ausschnitt gleiten.
Hitze durchlief sie, bis tief in ihr Innerstes. Sie schaute ihn an, war sich nicht sicher, was die Rose zu bedeuten hatte. In seinen Augen sah sie die Begierde aufleuchten, und in ihrem Körper spürte sie eine Antwort aufsteigen. Es war so lange her …
Schließlich seufzte er und trat einen Schritt zurück.
„Ich muss mich auf den Weg machen“, informierte er sie. „Aber ich habe dich im Garten gesehen und konnte nicht widerstehen.“
Sie schaute ihn an. Wie blass er war! Ganz gleich, wie beschäftigt er war, normalerweise ging er jeden Tag spazieren.
„Du hast in letzter Zeit sehr viel gearbeitet“, begann sie und verstummte dann. Sie wollte nicht, dass er glaubte, sie würde sich beschweren.