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Dieses eBook: "Mit Feuer und Schwert: Historischer Roman" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Die Handlung des Historienepos spielt in den Jahren 1648 bis 1651 und thematisiert die Rebellion der Kosaken unter Hetman Bohdan Chmielnicki in der Ukraine, welche damals unter polnischer Herrschaft stand. Der Roman wurde im Jahr 1884 in Warschau veröffentlicht. Die Erzählung entstand zu Zeiten der Teilungen Polens und sollte der polnischen Leserschaft zur "Stärkung der Herzen" dienen. Die Hauptfigur des Buches ist Jan Skrzetuski. Henryk Sienkiewicz (1846-1916) war ein polnischer Schriftsteller und Träger des Nobelpreises für Literatur.
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Das Jahr 1647 war ein seltsames Jahr, in welchem verschiedene Zeichen am Himmel und auf der Erde schwere Not und ganz außergewöhnliche Ereignisse zu verkünden schienen. Die Chroniken jener Zeit erwähnen, daß im Frühjahr unzählige Scharen Heuschrecken aus den sogenannten »wilden Feldern« hervorbrachen und alle Saaten sowie alles Gras vernichteten, welches Ereignis stets einen Überfall von seiten der Tataren voraussagte. Im Sommer gab es eine große Sonnenfinsternis, und gleich darauf erschien am Firmament ein Komet. In Warschau wurden sogar über der Stadt, zwischen Wolken schwebend, ein Grabdenkmal und ein feuriges Kreuz gesehen. Endlich kam ein so milder Winter, daß die ältesten Leute sich auf einen ähnlichen nicht besinnen konnten.
In den südlichen Wojewodschaften stand das Eis gar nicht auf den Flüssen, sie traten aus ihren Ufern, weil sie durch den täglich frisch tauenden Schnee fortwährenden Zuwachs an Wasser erhielten. Dazu regnete es oft. Die Steppen waren aufgeweicht und wurden mit der Zeit mächtige Pfützen; gegen Mittag aber brannte die Sonne so heiß, daß es wie ein Wunder erschien. In der Wojewodschaft Brazlaw und in den wilden Feldern bedeckte ein junger grüner Flaum die Steppen bereits nach der ersten Hälfte des Dezember. Die Bienen in den Bienenständen summten und brummten, und das Vieh brüllte in den Gehegen. Während so in der Natur die Ordnung der Dinge umgekehrt schien, richtete sich das Augenmerk der Besorgten ausschließlich auf die wilden Felder, von woher leichter als sonst woher eine Gefahr eindringen konnte.
Indes ereignete sich dort nichts Besonderes, und es gab keine anderen Kämpfe als diejenigen, welche dort gewöhnlich vorfielen und von denen nur die Adler, die Raben und die Raubtiere wußten. Solcher Art waren nun einmal diese Felder. Die letzte Spur von angesiedeltem Leben verlor sich nach dem Süden hin, nicht weit von Tschechryn am Dniepr und nach dem Dniestr zu in der Nähe von Uman; weiter hin nach dem Meere zu gab es nur unabsehbare Steppen, von beiden Flüssen wie von zwei mächtigen Armen umfaßt. In dem großen Bogen, welchen der Dniepr bildet, in der Niederung, brauste noch das rege Kosakenleben, aber in den eigentlichen Feldern wohnte niemand; nur hier und dort an den Ufern sah man einzelne Gehöfte, wie Inseln in dem großen Steppenmeer. Dieses Land war im vollsten Sinne ein Freistaat, aber ein wüster Freistaat, welcher den Tataren die Erlaubnis zum Weiden ihrer Herden gab. Da aber die Kosaken oft die Übergriffe derselben abwehren mußten, so wurde die Steppe vielfach zum Schlachtfelde. Wie viele Kämpfe dort ausgefochten wurden, wie viele Menschen dort ihr Leben ließen? Wer zählte sie, wer behielt ihre Zahl? Niemand! Die Adler, die Habichte und Krähen allein kannten und sahen diese Schlachtfelder, und wer sonst noch von ferne ihr Krächzen und das Sausen ihrer Flügel hörte, wer die schwarzen Massen über einem Orte kreisen sah, der wußte, daß dort Leichen oder benagte Knochenreste zu finden waren. Man machte in dem hohen Grase Jagd auf Menschen wie auf Wölfe und Schakale. Es jagte, wer Lust dazu hatte. Der von dem Arm der Gerechtigkeit verfolgte Mensch fand hier eine Zuflucht und sicheren Versteck, der bewaffnete Hirt hütete dort seine Herden, der Ritter suchte da Abenteuer und Gefahren, der Räuber seinen Raub, der Kosak den Tataren, der Tatar den Kosaken. Es kam auch vor, daß ganze Kompagnien sich zum Schutze ihrer Herden gegen die häufigen Überfälle verbanden. Diese Steppe war wüst und belebt zugleich, totenstill, fürchterlich, voll Ruhe und voll Angriffe, wilder als die wilden Felder, wilder auch als wilde Seelen. Mitunter erfüllte sie auch ein großer Krieg. Dann wogten in ihr wie bewegte Wellen Horden tatarischer Krieger, Kosakenschwadronen und polnische oder walachische Fahnen. Des Nachts begleitete das Geheul der Wölfe das Gewieher der Pferde; das Getön der Kessel und messingenen Trompeten schallte bis zum Owido-See nach dem Meere hin, und auf den Kutschmans-Feldern schien sich eine reine Sintflut von Menschen auszubreiten.
Die Grenzen des Freistaates von Kamieniez bis zum Dniepr schützten zum Teil jene kleinen Gehöfte mit ihren Bewohnern, wo aber ihre Spur aufhörte, da begannen die unzähligen Scharen der Vögel ihr Treiben; sie flogen in eiligem Fluge, gescheucht von den Horden der Tataren, dem Süden zu. Aber ebenso schnell als sie erreichte der berittene Tatar die südlichen Wojewodschaften, hatte er nur erst den schwarzen Wald und den Dniestr von der Walachei aus hinter sich.
Nun zogen aber in diesem Winter die Vogelscharen nicht nach dem Freistaat. In den Steppen war es stiller als sonst. Zur Zeit, wo unsere Erzählung beginnt, war die Sonne gerade im Untergehen; ihre rötlichen Strahlen beleuchteten die ganze öde Gegend vollständig. Am nördlichen Horizont der wilden Felder, am Omelnitschko, bis zum Ausfluß seiner Mündung hätte das schärfste Auge nicht eine lebende Seele, ja nicht einmal eine Bewegung in dem dunklen, dürren Riedgras entdeckt. Nur die Hälfte der Sonnenscheibe stand noch im Gesichtskreise. Das Firmament war schon dunkel, und nach und nach verdunkelte sich die Steppe immer mehr. Am linken Ufer auf einer kleinen Anhöhe, einem Grabhügel ähnlicher als einer Anhöhe, leuchteten nur die Reste eines gemauerten Standortes, welchen einst Feodor Butschazki gebaut hatte, und den die vielen Kämpfe und Stürme längst zerstörten. Jene Ruine warf einen langen Schatten. Daneben glänzten die Wasser des hochangeschwollenen Flüßchens, welches an dieser Stelle eine Biegung nach dem Dniepr zu macht. Aber die lichten Schimmer verblaßten immer mehr am Himmel und auf der Erde. Von oben herab tönte nur noch der langgezogene Schrei der Kraniche, welche dem Meere zuzogen, sonst unterbrach die tiefe Stille kein Laut.
Nacht lag auf der Wüste; mit ihr kam die Stunde der Geister. Die in den Standorten wachenden Ritter erzählten sich in jenen Zeiten, daß nachts in den wilden Feldern die Geister und Schatten der dort Gefallenen, welche in ihren Sünden eines plötzlichen und gewaltsamen Todes dahingingen, aufstehen und ihr Unwesen treiben, welchem weder die Kirche noch das Kreuz Einhalt tun kann. So sprach man denn, wenn die ausgebrannte Schwefelschnur die mitternächtliche Stunde wies, für die Seelen dieser Verstorbenen ein Gebet. Man erzählte auch, daß jene Schatten der Reiter den die Wüste durchziehenden Wanderern den Weg vertreten und wehklagend und heulend um das heilige Kreuzeszeichen bitten. Unter ihnen befinde sich aber auch das Totengespenst, welches heulend die Menschen verfolge. Ein geübtes Ohr erkenne schon von ferne diese Stimme und unterscheide sie leicht vom Geheul des Wolfes. Man sah zuweilen auch ganze Heere von Schatten, welche sich den Standorten so näherten, daß die Wachen Alarm bliesen. Diese Gesichte prophezeiten gewöhnlich große Kriege. Das Antreffen einzelner Schatten bedeutete auch nichts Gutes, aber man durfte es auch nicht immer schlimm deuten, denn auch lebende Menschen kamen und gingen zuweilen gleich Schatten vor dem Wanderer, so daß man sie wohl gut für Gespenster halten konnte.
Als nun am Omelnitschko die Nacht herniedersank, da war es nichts Wunderbares weiter, daß bei jenem verlassenen Standort plötzlich eine Gestalt auftauchte, welche ebensowohl ein Mensch als ein Geist sein konnte.
Hinten, auf der anderen Seite des Dniepr, ging eben der Mond auf und übergoß die weite Steppe mit bleichem Licht. In diesem Augenblick erschienen in derselben noch andere nächtliche Gestalten. Vorüberziehende Wölkchen verhüllten auf Augenblicke den Mond; so hoben sich denn jene Gestalten bald scharf von der Dunkelheit ab, bald verschwanden sie ganz, und es schien, daß sie in der Finsternis wie in einem See versanken. In ihren Bewegungen lag etwas Grauseneregendes, wie alles in dieser scheinbar so öden Steppe grausig war. Zuweilen wehte vom Dniepr her der Wind, das trockene Riedgras bewegend, daß es rauschend sich neigte, wie von Furcht erschreckt. Endlich verschwanden die Gestalten im Schatten der Ruine. Im blassen Mondlicht sah man nur noch den vereinzelten Reiter auf der Erderhöhung.
Plötzlich erweckte ein Geräusch in der Nähe, das Rauschen des Grases seine Aufmerksamkeit und schreckte ihn aus seinem Sinnen. Indem er sich dem äußersten Rande der Erhöhung näherte, blickte er aufmerksam und unverwandt hinaus in die Steppe. In diesem Augenblick hörte der Wind auf, das Geräusch verstummte, tiefe Stille trat ein.
Plötzlich ertönte ein schriller Pfiff. Verschiedene Stimmen schrieen wild durcheinander:
»Hallo! Hallo! Jesu Christe hilf! Schlage!«
Ein Knall von Gewehrfeuer schallte weithin, rote Leuchten erhellten das Dunkel. Pferdegetrappel mischte sich mit dem Klange von Eisen. Neue Reiter tauchten, wie aus der Erde gewachsen, in der Steppe auf. Man meinte, ein Sturm brause plötzlich über die unheilverkündende Wüste. Dann mischten sich menschliche Klagelaute mit dem schrecklichen Lärm, endlich wurde alles still, der Kampf war beendet. Augenscheinlich hatte sich hier eine jener sich oft wiederholenden Szenen in den wilden Feldern abgespielt.
Die Reiter sammelten sich auf der Erhöhung, einige stiegen ab und schienen eifrig etwas zu betrachten. Jetzt vernahm man durch das Dunkel eine mächtige befehlende Stimme:
»Holla! Ihr dort! Macht Feuer an!«
Nach einer Weile sprühten erst Funken, dann schlug eine helle Flamme in die Höhe, bald brannte ein Kienfeuer; eine Stange mit einer Lampe, auf welcher das Feuer sich befand, wurde in die Erde gerammt. Das von oben herabfallende Licht beleuchtete deutlich eine Anzahl Menschen, welche über eine regungslos am Boden liegende Gestalt gebeugt dastand. Es waren die Soldaten, gekleidet in die rote Farbe des Hofes, mit Kapuzen aus Wolfsfell. Einer von ihnen, auf prächtigem Pferde, schien die anderen anzuführen. Vom Pferde absitzend, näherte er sich der daliegenden Gestalt und fragte:
»Nun, Wachtmeister, lebt er, oder lebt er nicht?«
»Er lebt, Herr Statthalter, Befehlshaber eines Regiments. er röchelt, ein Lasso würgte ihn.«
»Was für einer ist er?«
»Kein Tatar, jemand Bedeutenderes.«
»So müssen wir Gott danken.«
Der Statthalter blickte aufmerksamer nach dem daliegenden Manne.
»Er scheint so etwas wie ein Hetman zu sein!« sagte er.
»Und das Pferd unter ihm ist ein edler Tatar, wie man ihn besser beim Khan selbst nicht finden kann,« erwiderte der Wachtmeister. »Da, dort steht es.«
Der Hauptmann blickte zur Seite; sein Gesicht erhellte sich. Zwischen zwei Gliedrossen seiner Leute hielt man ein herrliches Tier, welches mit gespitzten Ohren, weitgeöffneten Nüstern, vorgestrecktem Kopfe und erschrecktem Blick nach seinem Herrn schaute.
»Aber das Pferd, Herr Statthalter, bleibt unser?« schaltete im Frageton der Wachtmeister ein.
»Ungläubiger Hund, du wolltest einem Christen in der Steppe sein Pferd wegnehmen?«
»Es ist ein Beutepferd ...«
Weitere Auseinandersetzungen unterbrach das verstärkte Röcheln des gewürgten Mannes.
»Gießt ihm Branntwein in den Mund,« sagte der Statthalter, »schnallt den Gurt ab.«
»Bleiben wir hier zur Nacht?«
»So ist es, die Pferde absatteln, das Wachtfeuer anzünden.«
Unterdessen beschäftigten sich zwei Burschen mit dem Herrichten des Abendessens. Man brachte fertig zugerichtete Hammelkeulen auf das Feuer, nahm auch einige den Tag über erlegte Trappen und etliche Schneehühner, welche der eine Bursche sogleich abzurupfen begann. Das Wachtfeuer brannte hoch, einen großen roten Lichtkreis auf die Steppe werfend. Der gewürgte Mann begann allmählich zu sich zu kommen. Eine Zeitlang irrten seine blutunterlaufenen Augen über die Fremdlinge, in ihren Gesichtszügen forschend, dann bemühte er sich aufzustehen. Der Soldat, welcher vorher mit dem Statthalter gesprochen hatte, faßte ihn stützend unter den Armen; ein anderer gab ihm eine Stütze in die Hand, an welcher er sich mit großem Kraftaufwand aufrichtete. Sein Gesicht war noch rot, die Adern noch angeschwollen. Endlich lallte er mit halberstickter Stimme das erste Wort: »Wasser!«
Man gab ihm Branntwein, den er in langen Zügen trank, was ihm sichtlich wohltat, denn als er endlich die Flasche vom Munde absetzte, klang seine Stimme schon reiner bei der Frage: »In wessen Hand bin ich?«
Der Statthalter stand auf und trat näher zu ihm.
»In der Hand derjenigen, welche Euch errettet haben.«
»So hat keiner von Euch mich mit dem Lasso gefangen?«
»Unsere Sache ist, mit dem Säbel zu hantieren, nicht mit dem Lasso. Ihr beleidigt mit Eurem Verdacht brave Soldaten. Dich fingen uns unbekannte Missetäter, welche du, wenn du neugierig sein solltest, ansehen kannst; sie liegen dort, gleich geschlachteten Hammeln.«
Indem er dies sagte, wies er mit dem Finger auf einige am Fuße des Abhanges liegende dunkle Körper.
Und der Unbekannte erwiderte:
»So laßt mich ausruhen.«
Man breitete eine Satteldecke aus Fries auf dem Boden aus und setzte ihn darauf. Er verfiel in tiefes Schweigen.
Er war ein Mann im kräftigsten Alter, mittleren Wuchses, mit breiten Schultern, von fast riesenhaftem Körperbau und frappierenden Gesichtszügen. Der Kopf war von mächtiger Größe, die Gesichtshaut welk und stark gebräunt, die Augen schwarz und etwas schief geschlitzt, wie bei den Tataren, und über den schmalen Lippen hing ihm ein dünner Schnurrbart, welcher erst an den Enden sich in zwei dichte Büschel teilte. Sein großes Gesicht trug den Stempel des Stolzes und des Mutes. Es lag in seinem Ausdruck etwas gleichzeitig Anziehendes und Abstoßendes, zugleich die ganze Würde eines Hetmans, verbunden mit der Tücke des Tataren, Gutmütigkeit und Wildheit.
Nachdem er etwas geruht hatte, stand er auf und schritt zur Verwunderung aller, statt zu danken, den hingestreckten Leichen zu.
»Ein ungehobelter Bursche!« murmelte der Statthalter.
Inzwischen hatte der Unbekannte aufmerksam jedes Gesicht da unten betrachtet und nickte mit dem Kopfe wie ein Mensch, welcher alles erraten hatte; darauf wandte er sich langsam dem Statthalter zu, sich an den Seiten klopfend und unwillkürlich nach dem Gurte tastend, hinter welchen er die Hände stecken wollte.
Dieses würdevolle Betragen gefiel dem Statthalter nicht bei einem Menschen, welcher eben erst vom Strange losgeschnitten war; er sagte ironisch:
»Man sollte sagen, daß Ihr Bekannte sucht unter jenen Raubmördern, oder ein Gebet für ihr Seelenheil sprecht.«
Und der Fremde entgegnete mit gleicher Würde:
»Ihr täuscht Euch nicht und täuscht Euch doch: Ihr täuscht Euch nicht, denn ich suchte Bekannte, und täuscht Euch doch, denn diese da sind keine Raubmörder, nur die Diener eines gewissen Edelmannes, meines Nachbarn.«
»So trinkt Ihr und Euer Nachbar augenscheinlich nicht aus einem Brunnen Wasser?«
Ein eigentümliches Lächeln überflog die schmalen Lippen des Unbekannten.
»Auch darin irrt Ihr,« brummte er zwischen den Zähnen. Nach einer Weile setzte er lauter hinzu:
»Aber – verzeihe der ehrenwerte Herr nur, daß ich ihm nicht zuerst den schuldigen Dank für die Hilfe und so folgenreiche Rettung zu Füßen gelegt habe, welche mich von einem so sicheren Tode befreite. Eure Tapferkeit stand ein für meine Unvorsichtigkeit, denn ich hatte mich von meinen Leuten getrennt aber meine Dankbarkeit kommt Eurer Bereitwilligkeit nach.«
Dies sprechend, streckte er dem Statthalter die Hand entgegen.
Aber der jugendliche Anführer rührte sich nicht vom Fleck und beeilte sich durchaus nicht mit dem Darreichen der seinen, dafür sagte er:
»Zuerst möchte ich wissen, ob ich es mit einem Edelmanne zu tun habe, denn, obgleich ich daran nicht zweifle, so schickt es sich doch nicht, namenlose Danksagungen entgegen zu nehmen.«
»Ich sehe, Euer Liebden haben einen echt kavaliermäßigen Sinn, und Ihr habt recht. Ich hätte meinen Diskurs mit meinem Namen und der Danksagung beginnen sollen. Ich bin Zenobius Abdank, mit dem Kreuz im Wappen, ein Edelmann, seßhaft in der Kiewer Wojewodschaft und Kosakenhauptmann der Fahne des Fürsten Dominikus Saslawski.«
»Und ich, Johann Skrzetuski, Statthalter der Panzerfahne des allerdurchlauchtigsten Fürsten Jeremias Wischniowiezki, der mich mit einer Botschaft zum Khan gesandt hat.«
»Ihr dient unter einem berühmten Kriegsherrn. Empfanget jetzt meinen Dank und meine Hand.«
Der Statthalter zögerte nicht länger. Seine Waffengefährten sahen zwar von oben herab auf Soldaten anderer Fahnen, aber Herr Skrzetuski befand sich in der Steppe, auf den wilden Feldern, wo solche Dinge weniger ins Gewicht fielen. Übrigens hatte er es mit einem Hauptmanne zu tun, wovon er sich sogleich durch den Augenschein überzeugte, denn als seine Soldaten ihm Säbel und Gurt reichten, welchen sie ihm abgegürtet hatten, da übergaben sie ihm gleichzeitig den in Elfenbein gefaßten Feldherrnstab mit dem Kopfe aus Perlmutter, welchen in der Regel die Kosakenhauptleute trugen. Dazu war sein Anzug gewählt, und die gebildete Sprache verriet einen scharfen Verstand und Weltkenntnis. Deshalb lud Herr Skrzetuski ihn zur Gesellschaft. Der Geruch des gebratenen Fleisches verbreitete sich eben vom Wachtfeuer aus, Gaumen und Nase kitzelnd. Der eine Bursche nahm dasselbe nun vom Feuer und reichte es seinem Herrn auf zinnerner Schüssel. Man fing an zu essen, und als man einen mächtigen Beutel aus Ziegenleder, gefüllt mit Moldauer Wein, herbeibrachte, da entwickelte sich bald ein lebhaftes Gespräch.
»Antwortet mir,« begann Skrzetuski, »was tut Ihr hier am Omelnitschko, und wie kommt Ihr hierher so allein?«
»Ich bin nicht allein! Ich ließ nur meine Leute unterwegs zurück und wollte nach Kudak reiten, zu Herrn Grodschizki, welcher dort das Oberhaupt des Staatspräsidiums ist, und zu welchem der Großhetman mich mit Briefen schickte.«
»Und warum reiset Ihr nicht zu Wasser?«
»Mein Auftrag, von welchem ich nicht abweichen darf, lautete anders.«
»Wunderbar, daß der gnädige Hetman einen solchen Befehl erließ, da Ihr doch gerade in der Steppe Gefahren zu überwinden hattet, die zu Wasser vermieden worden wären.«
»Herr, die Steppen sind jetzt ruhig; ich kenne sie nicht erst von heute und gestern, und das, was mich traf, war nur eine Insulte menschlicher Bosheit.«
»Und wer verfolgt denn den gnädigen Herrn so arg?«
»Das gäbe eine lange Erzählung. Es ist ein böser Nachbar, erlauchter Statthalter, welcher meine Existenz zerstörte, von meinen Besitzungen mich vertreibt, den Sohn erschlagen hat, und – wie Ihr gesehen, auch meinen Hals bedrohte.«
»Tragt Ihr denn nicht einen Säbel an der Seite?«
In dem mächtigen Antlitz Abdanks blitzte ein Ausdruck tiefsten Hasses auf, die Augen glänzten in düsterem Licht, und langsam und deutlich entgegnete er:
»Wohl trage ich ihn! – und so Gott mir helfe, werde ich gegen meine Widersacher nur bei ihm Zuflucht suchen.«
Der Hauptmann wollte noch etwas weiter sagen, als plötzlich der Schall von Pferdegetrappel, vielmehr ein beschleunigtes Rascheln von Pferdefüßen auf dem aufgeweichten Rasen der Steppe sich hören ließ. Bald darauf erschien auch der Diener des Statthalters mit der Nachricht, daß sich Reiter näherten.
»Das sind gewiß meine Leute,« sagte Abdank, »welche gleich hinter dem Taschmin zurückblieben. Ich hatte, keinen Verrat fürchtend, versprochen, sie hier zu erwarten.«
Nach einer kleinen Weile umringte die Reiterschar im Halbkreis die Erhöhung. Beim lichten Feuerschein zeigten sich Pferdeköpfe mit geöffneten Nüstern, schnaubend vor Müdigkeit, und über sie gebeugt die Häupter der Reiter, welche, die Augen mit den Händen beschattet, scharf nach dem Feuer hinsahen.
»Heda, Leute! Wer seid ihr?« fragte Abdank.
»Streiter Gottes!« entgegneten die Stimmen aus dem Dunkel.
»Ja, es sind meine Krieger,« wiederholte Abdank, sich dem Statthalter zuwendend. »Heran! heran!«
Einige verließen die Pferde und näherten sich dem Feuer.
»O, wir haben uns beeilt, Väterchen. Was ist mit dir?«
»Es war ein Überfall. Chwedko, der Verräter, wußte um den Ort und wartete mit anderen hier. Er mußte kurz vor mir gekommen sein. Mit dem Lasso fingen sie mich.«
»Behüt' Gott! Behüt Gott! Und was ist das für ein Leche Lechen werden die Polen von den Russen genannt. neben dir?«
Dies sprechend blickten sie drohend auf Herrn Skrzetuski und seine Gefährten.
»Das sind gute Busenfreunde,« sagte Abdank. »Ehre sei Gott, ich bin ganz und lebendig. Wir reisen gleich weiter.«
»Ehre sei Gott! Wir sind bereit!«
Die Neuangekommenen begannen ihre Hände am Feuer zu wärmen, denn die Nacht war klar, aber kalt. Es waren vierzig Mann, alle gut gewachsen und bewaffnet. Sie sahen gar nicht aus wie Linienkosaken, worüber Herr Skrzetuski sich nicht wenig wunderte, besonders, da ihrer so viele waren. Das alles kam dem Statthalter sehr verdächtig vor. Hätte der Großhetman den Herrn Abdank nach Kudak geschickt, so hätte er ihm gewiß Eskorte von den Linienkosaken gegeben und dann, wie kam er dazu, durch die Steppe zu ziehen, statt den Weg zu Wasser zu nehmen. Die Notwendigkeit, alle Flüsse zu überschreiten, welche durch die wilden Felder in den Dniepr strömten, mußte ihre Ankunft dort sehr verspäten. Es sah vielmehr gerade so aus, als wollte Herr Abdank Kudak umgehen.
Aber auch die Persönlichkeit des Herrn Abdank gab dem jungen Statthalter zu denken. Er hatte bemerkt, daß die Kosaken, welche sich in der Regel mit ihren Hauptleuten auf einen sehr vertraulichen Fuß stellten, diesen hier mit einer so außergewöhnlichen Ehrfurcht umgaben, wie einen rechtmäßigen Hetman. Er mußte also ein Ritter von vornehmster Herkunft sein, was dem Herrn Skrzetuski um so verwunderlicher erschien, da er, bekannt in der Ukraine auf dieser und jener Seite des Dniepr, von einem derartig berühmten Abdank nie etwas gehört hatte. Außerdem lag in dem Antlitz dieses Mannes etwas so Außergewöhnliches, – der frappierende Ausdruck einer geheimen Macht, welcher dasselbe wie flammendes Feuer durchleuchtete, eines unbeugsamen Willens, welcher vor nichts und niemandem zurückschreckt. Denselben Ausdruck festen Willens trug das Antlitz des Fürsten Jeremias Wischniowiezki; was aber bei ihm die natürliche Folge einer hohen Geburt und unumschränkten Macht war, das mußte bei diesem Manne, der unbekannten Namens durch die Steppe schweifte, doppelt ins Auge fallen. Herr Skrzetuski dachte lange darüber nach. Es kam ihm der Gedanke, daß dies vielleicht ein mächtiger Bandit sei, der vor seinen Verfolgern sich in die wilden Felder flüchtete, dann wiederum, es möchte der Führer einer Räuberbande sein, aber das letztere war unwahrscheinlich. Die Kleidung und Sprache dieses Mannes kennzeichneten etwas anderes. Der Statthalter konnte gar keinen bestimmten Anhalt finden, er konnte nur vorsichtig sein.
Währenddes ließ Abdank sein Pferd vorführen.
»Gnädiger Statthalter,« rief er, »wer auf der Reise ist, muß weiter. Erlaubt, daß ich Euch nochmals für die Rettung danke. So Gott will, vergelte ich diesen Dienst mit einem gleichen.«
»Ich wußte nicht, wen ich rettete – habe also keinen Dank verdient.«
»Deine Bescheidenheit gleicht deiner Tapferkeit. Nimm von mir diesen Ring an.«
Des Statthalters Antlitz verfinsterte sich; er trat einen Schritt zurück und maß mit den Augen den Herrn Abdank. Dieser aber sprach weiter mit fast väterlicher Würde in Ton und Haltung:
»Sieh nur, es ist nicht die Kostbarkeit des Ringes, welche ihn wertvoll macht. Dieses Steinchen verschließt etwas Staub vom Grabe Christi. Eine solche Gabe weist man nicht zurück und wenn sie aus der Hand eines Verfehmten käme. Dieser Ring behütet und bewahrt vor Gefahren, wenn der Tag des letzten Gerichts kommt, und ich sage dir, dieser Tag beginnt schon die wilden Felder zu durchziehen.«
Es folgte eine Weile tiefer Stille; man hörte nur das Prasseln der Flammen und das Schnaufen der Pferde. Aus dem fernen Schilf tönte das Geheul der Wölfe herüber, langgezogen, trauervoll. Plötzlich wiederholte Abdank seine letzten Worte, als wenn er sie zu sich selbst spräche:
»Der Tag des Gerichts schreitet schon durch die wilden Felder, und wenn er erschienen ist – wird die Welt Wunder sehen.«
Der Statthalter nahm den Ring mechanisch in Empfang, so tief war er von den Worten dieses seltsamen Mannes ergriffen. Und dieser sah unverwandt ins tiefe Dunkel der Steppe, dann wandte er sich langsam um und bestieg sein Pferd.
»Vorwärts! Vorwärts! Bleib gesund, treuer Krieger,« sagte er zum Statthalter. »Die Zeiten sind derartig, daß der Bruder dem Bruder nicht traut, deshalb weißt du auch nicht, wen du beschütztest, denn ich habe dir meinen Namen nicht genannt.«
»So seid Ihr nicht Abdank?«
»Das ist nur mein Wappen ...«
»Und Euer Name?«
»Bogdan Zenobius Chmielnizki.«
Indem er dies sagte, sprengte er vom Hügel hinab, und seine Leute folgten ihm. Bald hüllte sie die Nacht und der Nebel ein.
Als Herr Skrzetuski den nächsten Tag früh in Tschechryn eintraf, nahm er Quartier im Hause des Fürsten Jeremias, wo er sich eine Zeitlang aufhalten wollte, um die Leute und Pferde nach der langen Reise aus der Krim, welche infolge des hohen Wasserstandes und der starken Strömung des Dniepr, die eine Fahrt mit Flußkähnen stromaufwärts durchaus unmöglich machten, also zu Lande gemacht werden mußte, verschnaufen zu lassen. Skrzetuski selbst pflegte sich eine Weile, dann erst ging er zu Herrn Sazwilichowski, dem früheren Kommissarius des Freistaates, welcher ein guter Soldat, wenn auch nicht in Diensten des Fürsten Jeremias, doch ein vertrauter Freund Skrzetuskis war. Der Statthalter war begierig zu hören, ob für ihn keine Dispositionen aus Lubnie gekommen waren. Der Fürst hatte nichts Besonderes hinterlassen. Er hatte dem Statthalter sagen lassen, daß für den Fall, daß die Antwort des Khans eine günstige wäre, er langsam heimkehren solle, damit Pferde und Menschen möglichst geschont würden. Die Angelegenheit mit dem Khan war aber folgende: Es handelte sich um die Bestrafung einiger schwarzer Tataren, welche sich widerrechtlich in seine Hinter-Dnieprschen Besitzungen eingedrängt, und welche er selbst schon tüchtig zusammengehauen hatte. Der Khan hatte auf seine diesbezüglichen Klagen wirklich eine günstige Antwort gegeben. Er hatte versprochen, die Ungehorsamen zu strafen, im April einen besonderen Gesandten zu schicken, und da ihm daran lag, sich die Geneigtheit eines so berühmten Kriegers, wie der Fürst war, zu erwerben, so sandte er demselben durch Herrn Skrzetuski ein Pferd edelster Rasse. Skrzetuski war froh, längere Zeit in Tschechryn verweilen zu können, nachdem er seine Botschaft so ehrenvoll durchgeführt hatte, eine Botschaft, deren Zweck allein schon eine ehrenvolle Auszeichnung für ihn war. Dafür war Herr Sazwilichowski sehr bekümmert um das, was seit einiger Zeit in Tschechryn vorging. Sie gingen also zusammen zu dem Walachen Dopula, welcher in der Stadt eine Ausspannung und Weinstube hielt, und dort trafen sie trotz der frühen Stunde eine Menge Adlige, denn es war Markttag. Außerdem hielten an diesem Tage in Tschechryn zahlreiche Viehherden Rast, welche in das Lager des Kronenmilitärs getrieben wurden, was wieder eine Ansammlung von vielen Fremdlingen mit sich brachte. Die Adligen nun versammelten sich am Markte in dem sogenannten Glockenviertel bei Dopula. Es waren dort Pächter der Koniezpolski, Tschechryner Beamte, und Besitzer privilegierter polnischer Ländereien, unabhängiger seßhafter Adel, ferner landwirtschaftliche Beamte, einige Kosakenhauptleute und polnischer Kleinadel, teils in Stellungen, teils auf eigenen Höfen lebend.
Die einen wie die anderen nahmen die Bänke längs der langen eichenen Tische ein, sich laut unterhaltend von der Flucht Chmielnizkis, welche in der Stadt große Bewegung hervorgerufen hatte. Skrzetuski und Sazwilichowski setzten sich abseits in einen Winkel, und der Statthalter fing an zu fragen, wer denn dieser Chmielnizki sei, daß alle von ihm sprächen.
»So wißt Ihr das nicht?« antwortete der alte Soldat. »Es ist der Schreiber der Saporogen-Regimenter, der Besitzer von Subotowo und – setzte er leiser hinzu – mein Gevatter. Wir kennen uns schon lange. Manche Not haben wir gemeinschaftlich durchgemacht, immer erreichte er sein Ziel, was er besonders bei Cecora bewies. Einen in Militärsachen erfahreneren Menschen gibt es kaum noch in der Republik. Man darf nicht laut davon sprechen, aber das ist ein echter Führer, ein kluger, willensstarker Mensch; ihm gehorcht das gesamte Kosakenvolk mehr als allen Hauptleuten und Feldherren. Er ist ein Mensch, welchem auch Tugenden nicht fehlen, aber stolz, unruhig, und wenn Haß ihn befällt, so kann er erschreckend grausam sein.«
»Was ist ihm denn geschehen, daß er aus Tschechryn floh?«
»Er hatte fortwährend Streit mit dem Starosten Tschaplinski, aber das ist Nebensache. Wie das so ist, aus Feindschaft flickte ein Edelmann dem anderen was am Zeuge; bald er diesem, bald dieser ihm. Man sagt noch, daß er der Frau des Starosten den Kopf verdreht hat; der hatte ihm in früheren Jahren die Liebste weggeheiratet, dafür machte er sie jetzt in sich verliebt, und das ist kein unmöglich Ding, denn – das Weib ist leichtfertig. Seht, Herr Statthalter, die Sache ist die: In Tscherkessien wohnt der alte Barabasch, ein Kosakenhauptmann, unser Freund. Er besaß einige Privilegien und königliche Urkunden, von denen man sagt, daß sie dazu dienten, die Kosaken zum Widerstand gegen den Adel zu reizen. Aber da er ein Menschenfreund ist, behielt er sie bei sich und veröffentlichte sie nicht. Nun schickte Chmielnizki, während er den Barabasch hierher nach Tschechryn in sein Haus zu einem Festessen geladen hatte, Leute auf seinen Hof, welche der Frau desselben diese Urkunden gewaltsam abnehmen mußten – und mit ihnen entfloh er. Wir sind in Angst, daß er sie benutzt, einen Kosakenaufstand anzuzetteln, denn wie gesagt: er ist ein schrecklicher Mensch, und niemandem ist bekannt, wohin er ging.«
»So hat dieser Fuchs mich ins Feld geführt,« sagte Herr Skrzetuski. »Er stellte sich mir als Kosakenhauptmann des Fürsten Saslawski vor. Ich habe ihn ja in der letzten Nacht in der Steppe getroffen und vom Lasso befreit.«
»Um Gottes willen, was sprecht Ihr? Das ist unmöglich!«
»Was ist unmöglich! Es ist wahr. Er sagte mir, der Fürst Saslawski sende ihn nach Kudak mit Briefen an den Herrn Grodschitzki, aber ich glaubte ihm das nicht, da er nicht zu Wasser reiste, sondern sich durch die Steppe schlich.«
»Der Mann ist listig wie Ulysses! Und wo traft Ihr ihn?«
»Und wollte Kudak vermeiden. Jetzt verstehe ich. Waren viel Leute bei ihm?«
»Etwa vierzig Mann. Aber sie kamen zu spät. Wären nicht die Meinigen zur Stelle gewesen, so hätten die Diener des Starosten ihn erwürgt.«
»Wartet, gnädiger Herr, das ist ein wichtig Ding. Die Diener des Starosten sagt Ihr?«
»Er selbst nannte sie.«
»Woher sollte der Starost wissen, wo er ihn zu suchen hatte, da hier in der Stadt sich alle die Köpfe zerbrechen, wohin er sein könnte.«
»Das kann ich auch nicht wissen. Vielleicht log Chmielnizki und machte gewöhnliche Raubmörder zu Dienern des Starosten, um das ihm getane Unrecht zu betonen.«
»Das kann nicht sein! Aber es ist doch eine wunderliche Sache. Wißt Ihr, daß der Großhetman Briefe erlassen hat mit dem Befehl, den Chmielnizki zu fangen, tot oder lebendig?«
Der Statthalter vermochte nicht mehr zu antworten, denn in diesem Augenblick betrat die Stube ein Edelmann in lärmender Weise. Er schlug ein und das andere Mal heftig die Tür zu, sah sich herausfordernd in dem Raume um und rief: »Ich grüße die Herren!«
Er schien ein Mann von nahezu vierzig Jahren, niedrigen Wuchses mit dem Ausdruck des Jähzornes im Gesicht, der noch erhöht wurde durch zwei pflaumenartig vorstehende, bewegliche Augen – ein lebhafter, stürmischer und leicht zu Zorn geneigter Mensch.
»Ich grüße die Herren!« wiederholte er lauter und schärfer, als ihm nicht sofort gedankt wurde.
»Wir grüßen! Wir grüßen!« ließen sich einzelne Stimmen vernehmen.
Der Angekommene war Herr Tschaplinski, Unterstarost in Tschechryn, der vertraute Diener des jungen Fähnrichs Koniezpolski. In Tschechryn war er nicht beliebt, denn er war ein Streithahn und Prahler. Aber er hatte sozusagen einen breiten Buckel, deshalb politisierten manche mit ihm, sie gingen ihm um den Bart. Herr Sazwilichowski war der einzige, welchen er respektierte, seiner Würde, Tugend und Tapferkeit wegen. Sobald er ihn erblickte, schritt er auf ihn zu, und nachdem er sich stolz vor Skrzetuski verneigt hatte, setzte er sich mit seiner Kanne Met zu ihnen.
»Ehrwürdiger Starost,« fragte Herr Sazwilichowski, »wißt Ihr, was mit Chmielnizki vorgeht?«
»Er hängt, gnädigster Herr, so wahr ich Tschaplinski bin, er hängt, und wenn er bis jetzt dem Strick nicht entlaufen ist, so wird er hängen. Jetzt, wo die Fehdebriefe des Fürsten im Umlauf sind, soll er nur in meine Hände fallen.«
Indem er dies sagte, schlug er mit der Faust auf den Tisch, daß die Kannen schwankten und einen Teil ihres Inhalts vergossen.
»Vergießt den edlen Met nicht, Herr!« sagte Skrzetuski.
Sazwilichowski unterbrach ihn:
»Und glaubt Ihr ihn denn zu fangen? Er ist ja entflohen, und niemand weiß wohin.«
»Niemand weiß? Ich weiß – so wahr ich Tscharlinski bin. Ein verfluchter Teufelssohn!«
Er schlug wieder heftig auf den Tisch.
»Vergießt den Wein nicht!« wiederholte Skrzetuski mit Nachdruck. Ein sonderbarer, unbezwinglicher Widerwillen hatte sich seiner vom ersten Augenblick an gegen den Unterstarosten bemächtigt.
Der Edelmann wurde rot, blitzte ingrimmig mit seinen vorstehenden Augen Skrzetuski an, in der Meinung, dieser wolle ihn reizen. Aber sobald er die Farben der Wischniowiezki erkannte, bezwang er sich.
»Chmielnizki« – fuhr Sazwilichowski fort, – »ist dem Hinterhalt entgangen und nach der Sitsch entkommen, wovon Herr Krakowski heute noch benachrichtigt werden muß. Mit Chmielnizki ist nicht zu spaßen, kurz gesagt – er hat mehr Verstand, eine mächtigere Hand und ein größeres Glück als Ihr, Herr, der Ihr zu heißspornig seid. Ich wiederhole es, Chmielnizki reitet sicher seinem Ziele zu, und wenn Ihr es nicht glauben wollt, so kann dieser Kavalier, der ihn gestern in der Steppe traf und ihn gesund verabschiedete, es Euch wiederholen.«
»Es kann nicht sein! Es kann nicht sein!« schrie Tschaplinski, sich das Haar raufend.
»Und noch mehr,« setzte der Starost hinzu, »dieser Kavalier hier war sein Retter; er hat Eure Diener totgeschlagen, wofür er nichts kann, da er, auf der Rückkehr aus der Krim begriffen, nichts von den Fehdebriefen wußte und den Menschen für einen harmlosen Wanderer hielt, den eine Räuberbande überfallen. Ich sehe mich veranlaßt, Euch rechtzeitig von dieser Errettung zu benachrichtigen, denn Chmielnizki ist imstande, Euch mit seinen Saporogern auf Eurem Hofe aufzusuchen, und mir scheint, Ihr würdet Euch darüber nicht besonders freuen. Ihr habt zu viel mit ihm herumgehändelt. Pfui, zum Henker!«
Sazwilichowski mochte den Tschaplinski auch nicht leiden.
Tschaplinski sprang auf. Der Zorn hatte ihm die Sprache benommen. Das Gesicht wurde blutrot, und die Augen traten immer mehr aus ihren Höhlen. So stand er vor Skrzetuski. Allmählich stieß er abgerissene Worte hervor:
»Also! Ihr habt trotz der Briefe des Großhetmans! ... Ich werde Euch ... ich werde Euch ...«
Herr Skrzetuski erhob sich nicht einmal von der Bank. Er stemmte den Kopf auf beide Ellbogen und heftete den Blick auf den umherspringenden Tschaplinski, wie der Falke auf einen am Faden zappelnden Sperling.
»Ich werde Euch aufs Schloß mitführen ... Ihr ... trotz der Fehdebriefe ... Mit den Kosaken werde ich Euch ...!«
Er schrie so, daß in der Stube alles still ward.
»Schweigt Ihr nur still,« sagte der alte Starost. »Dieser Kavalier ist bei mir.«
»Ich werde Euch ... ins Schloß ... in den Stock ...« schrie Tschaplinski, auf nichts mehr achtend, weiter.
Jetzt erhob sich Herr Skrzetuski zu seiner ganzen Höhe, aber er zog den Säbel nicht, sondern faßte ihn, welcher niedrig im Gehänge hing, in der Mitte, hob ihn gerade hoch genug, daß sein Griff mit dem darauf befindlichen Kreuz dicht unter die Nase Tschaplinskis kam.
»Riecht einmal hieran,« sagte er kalt.
»Schlage, wer an Gott glaubt ... Diener!« schrie Tschaplinski, indem er den Griff faßte. Allein er kam nicht dazu, den Säbel herauszuziehen. Der junge Statthalter drehte ihn in den Fingern um, faßte ihn mit einer Hand im Genick, mit der anderen an den Pluderhosen unterhalb des Rückens, hob den wie einen Bock Strampelnden in die Höhe, und, der Tür zuschreitend, rief er:
»Platz, macht Platz für den Bock, meine Herren Brüder, sonst stößt er euch.«
Er stieß, an der Tür angekommen, dieselbe mit dem vorwärtsgehaltenen Tschaplinski auf und warf den Unterstarosten hinaus auf die Straße. Nachher setzte er sich ruhig auf seinen früheren Platz neben Sazwilichowski.
In der Stube herrschte eine Weile tiefe Stille. Der Beweis von Stärke, welchen Herr Skrzetuski eben gegeben, imponierte dem versammelten Adel. Bald aber erdröhnte dieselbe von lautem Gelächter.
»Vivat! Es leben die Wischniowiezkis!« riefen die einen.
»Er ist ohnmächtig und blutet!« schrieen andere, die neugierig durch die Tür blickten, was wohl Tschaplinski tun würde. »Die Diener heben ihn auf!«
Nur eine kleine Gruppe Anhänger des Starosten schwieg; sie hatten nicht den Mut, für ihn einzutreten, und blickten nur finster auf den Statthalter.
»Wahrhaftig, dieser Jagdhund gibt Fersengeld,« sagte Sazwilichowski.
»Der Köter, nicht der Jagdhund,« erwiderte näher tretend ein dicker Edelmann, welcher in dem einen Auge den grauen Star und auf der Stirn ein Loch von der Größe eines Talers hatte, durch das der blanke Stirnknochen glänzte. »Ein Köter und kein Jagdhund! Erlaubt,« wendete er sich an Herrn Skrzetuski, »daß ich Euch meine Dienste weihe. Johann Sagloba mit dem Wappen in der Stirn.«
Es kamen noch andere hinzu, um mit Herrn Skrzetuski Bekanntschaft zu schließen und ihm ihre Sympathien kundzutun; niemand hatte den Tschaplinski gern, und jeder gönnte ihm die erhaltene Schlappe.
Sie kamen mit ihren Kannen in den Händen zu Herrn Skrzetuski und sprachen: »Trinkt, Herr Bruder! Trinkt auch mit mir! Es leben die Wischniowiezkis! So jung und schon Statthalter beim Fürsten. Vivat, Fürst Jeremias, der Hetman der Hetmane! – Mit Fürst Jeremias gehen wir an der Welt Ende! Gegen Türken und Tataren! – Nach Stambul! – Es lebe unser geliebter Monarch, Ladislaus IV.!« Am lautesten aber schrie Herr Sagloba, welcher imstande war, ganz allein ein Regiment zu überschreien und totzutrinken.
Zum Glück wurde sein Diskurs von einem anderen Edelmanne unterbrochen, der, sich ihm nähernd, ihn am Ärmel zupfte und in singender litauischer Mundart sprach:
»Macht mich bekannt, Herr Sagloba, macht mich bekannt mit dem Herrn Statthalter Skrzetuski, wollt Ihr?«
»Natürlich, natürlich! Herr Statthalter, hier ist Herr Powschinoga (Gleitfuß).«
»Podbipienta (Hackenschlag)« – verbesserte der Edelmann.
»Ist ganz egal! Vom Wappen der zerrissenen Pluderhosen, also Pluderreiß.«
»Hutabschläger« – verbesserte der Edelmann.
»Ist ganz egal! – Aus Pschikischki (Hundedarm).«
»Aus Myschykischki (Mäusedarm)« – verbesserte der Edelmann.
»Ist ja ganz egal. Ich weiß nicht, was ich lieber wollte, den Hundedarm oder den Mäusedarm. Das steht fest, daß ich weder in dem einen noch in dem anderen wohnen möchte, denn erstens würde es mir sehr schwer fallen, mich dort anzusiedeln, noch viel schwerer aber, wieder hinauszukommen. Gnädiger Herr,« sprach er weiter zu Skrzetuski, auf den Litauer weisend, »seht, schon eine ganze Woche trinke ich Wein für das Geld dieses Edelmannes, dessen Schwert an der Seite ebenso schwer ist als seine Geldkatze, und diese ist wiederum so schwer als sein Witz. Aber wenn ich jemals für das Geld eines wunderbareren Menschen, als dieser hier, Wein trank, so erlaube ich, mich den größten Narren zu schimpfen; einen ebenso großen, wie der ist, der mir den Wein kauft.«
»Der versteht es, jemandem um den Bart zu gehen!« riefen lachend die Edelleute.
Aber der Litauer war nicht beleidigt, winkte nur mit der Hand, lächelte sanft und wiederholte:
»Laßt das lieber sein – es hört sich schlecht an!«
Herr Skrzetuski sah diese neue Figur neugierig an. Jedenfalls verdiente er das Prädikat: wunderbarer Mensch. Vor allem war er ein so großer Mann, daß sein Kopf die Deckbalken erreichte; seine außergewöhnliche Magerkeit trug dazu bei, ihn noch viel größer erscheinen zu lassen, als er wirklich war. Seine breiten Schultern und der muskulöse Hals verrieten eine ungewöhnliche Kraft, sie waren aber nur Haut und Knochen. Der Bauch war unter den Rippen so eingefallen, daß man ihn für einen Hungerleider halten konnte, obwohl er sehr gut bekleidet war mit einem enganliegenden Wams aus Schwiebuser Tuch mit engen Ärmeln und hohen schwedischen Stiefeln, welche in Litauen eben anfingen in Brauch zu kommen. Der breite, wohlgefütterte Gurt fiel ihm bis auf die Hüften, da er keinen Halt fand, und das an ihm befestigte Schwert aus der Zeit der Kreuzfahrer war so lang, daß es diesem Riesen bis fast unter den Arm reichte.
Aber wer vor diesem Schwert erschrak, der faßte bald neuen Mut, wenn er in das Antlitz seines Eigentümers blickte. Dieses Antlitz, ebenso mager wie die ganze Figur, war geschmückt mit einem Paar lang herunterhängenden Augenwimpern, einem ebenso lang herabhängenden flachsblonden Schnurrbart und trug einen grundehrlichen, fast kindlichen Ausdruck. Die außergewöhnliche Länge und Farbe der Wimpern und des Bartes gaben dem Gesicht etwas zugleich Schwermütiges und Lächerliches. Der Mann sah aus wie einer, der von allen herumgestoßen wird, aber Herrn Skrzetuski gefiel er eben des ehrlichen Gesichtsausdrucks und seiner gut militärischen Haltung wegen.
»Herr Statthalter,« sagte er, »seid Ihr beim Fürsten Wischniowiezki?«
»So ist es!«
Der Litauer faltete die Hände wie zum Gebet und blickte nach oben.
»Ach, was ist das für ein großer Krieger, für ein Ritter und Führer.«
»Gäbe Gott, daß die Republik vieler solcher aufzuweisen hätte.«
»Das ist gewiß. Das ist gewiß. Und könnte man vielleicht bei ihm unterkommen?«
»Er wird Euch gern nehmen.«
Hier mischte sich Sagloba in das Gespräch:
»Der Fürst wird zwei Bratspieße für seine Küche gewinnen, indem er Euch in Dienst nimmt. Der eine ist Euer Schwert, der andere seid Ihr selbst, oder er wird Euch als Meister mieten und an Euch Schelme aufhängen, oder nach Eurer Länge Tuch zu seinen Livreen messen! Pfui! Daß Ihr Euch doch nicht schämt, als Mensch und Katholik so lang zu sein wie eine heidnische Lanze.«
»Das hört sich schlecht an,« erwiderte Podbipienta geduldig.
»Wie ist Euer Name?« fragte Skrzetuski, »denn als Ihr sprachet, unterbrach Herr Sagloba Euch so oft, daß ich – entschuldigt – nichts verstand.«
»Podbipienta.«
»Powschinoga,« unterbrach Sagloba.
»Vom Wappen der Hutabschläger,« sagte Podbipienta weiter.
»Da liegt der Hund begraben. – Trinke ich nun immerfort seinen Wein, und jetzt entpuppt sich der Mensch als ein Heide; ich bin ein Schelm, wenn das nicht lauter heidnische Namen sind,« fiel Sagloba wieder dazwischen.
»Seid Ihr lange fort aus Litauen?« fragte der Statthalter.
»Seit zwei Wochen bin ich in Tschechryn! Ich erfuhr von Herrn Sazwilichowski, daß Ihr hier durchziehen würdet, gnädiger Herr, und wartete auf Euch, damit ich unter Eurer Protektion dem Fürsten meine Bitte vortragen kann.«
»Aber sagt mir, gnädiger Herr, ich bitte, zu was tragt Ihr dieses Henkerschwert dort unter dem Arm?«
»Das ist kein Henkerschwert, gnädiger Statthalter, sondern ein Kreuzfahrerschwert. Ich trage es, weil es erbeutet wurde und sich schon lange in unserer Familie befindet. Schon bei Choyniza diente es in litauischen Händen – so trage auch ich es.«
»Aber das ist ja eine greuliche Maschine, die fürchterlich schwer sein muß. Es läßt sich höchstens mit beiden Händen regieren.«
»Vielleicht mit beiden, vielleicht mit einer, wie man will.«
»Zeigt her.«
Der Litauer zog es aus der Scheide und reichte es hin, aber Herr Skrzetuski ließ sofort den Arm sinken. »Man kann damit nicht auslegen, noch bequem einen Hieb ausführen,« sagte er. Mit beiden Händen ging es schon besser, aber es war auch noch zu schwer. Etwas beschämt wendete sich Herr Skrzetuski an die Anwesenden:
»Nun, meine Herren – wer versucht es?«
»Wir haben es schon versucht,« antworteten einige Stimmen. »Der einzige, welcher es in die Höhe hebt, ist Herr Sazwilichowski, aber bewegen kann er es auch nicht.«
»Und Ihr, gnädiger Herr? – Wie steht es mit Euch?« fragte, sich ihm zuwendend, Herr Skrzetuski den Litauer.
Der Edelmann hob das Schwert in die Höhe wie einen Rohrstengel, focht mit größter Leichtigkeit etliche Male damit umher, so daß die Luft in der Stube sauste und die Gesichter kühl anwehte.
»Daß Euch Gott helfe!« rief Skrzetuski. »Euer Dienst beim Fürsten ist so gut wie ausgemacht.«
»Gott ist mein Zeuge, wie ich danach verlange. In des Fürsten Dienst wird mir das Schwert nicht rosten.«
Sazwilichowski stand auf, um mit dem Statthalter das Gasthaus zu verlassen, als eben ein Mann, weiß wie eine Taube, in die Stube trat und gerade auf den Starosten zuging.
»Ich komme expreß zu Euch, gnädigster Herr Kommissarius,« rief er ihm entgegen.
Der Mann war Barabasch, Hauptmann von Tscherkassy. –
»So kommt mit in mein Quartier,« sagte Sazwilichowski. »Hier rauchen die Schöpfe schon derartig, daß fast nichts von der Welt zu sehen ist.«
Sie gingen zusammen hinaus, Skrzetuski mit ihnen. Gleich hinter der Tür fragte Barabasch:
»Gibt es Nachrichten von Chmielnizki?«
»Ja! Er ist nach der Sitsch entflohen. Hier dieser Offizier traf ihn gestern in der Steppe.«
»So hat er also nicht den Weg zu Wasser genommen? Ich schickte einen Eilboten nach Kudak, daß man ihn dort festhalten sollte, aber wenn es so ist, da geschah es umsonst.«
Indem er dies sagte, bedeckte Barabasch die Augen mit beiden Händen und stöhnte:
»O Herr Christe, o Herr Christe!«
»Weshalb seid Ihr so bekümmert?«
»Wißt Ihr denn nicht, was er mir verräterisch entrissen hat? Wißt Ihr, was es heißt, solche Dokumente dort unter den Kosaken zu publizieren? Herr Gott! Wenn der König nicht sofort den Bissurmanen eine Kriegserklärung schickt, so sind die Papiere ein Funke in ein Pulverfaß.«
»Was, Ihr prophezeit eine Rebellion?«
»Ich prophezeie nicht, ich sehe sie bereits, und Chmielnizki ist ein besserer Rebellenführer, als Nalewajko und Lobeda es waren.«
»Wer sollte wohl mit ihm gehen?«
»Ihr fragt noch? Die ganzen Völker am Dniepr und Dniestr, die Linienkosaken, die Städte, die Tataren vom Schwarzen Meer, die Hofbesitzer und seht dort – diese.«
Hier zeigte Herr Barabasch nach dem Markte auf die dort kreisenden Menschen. Der ganze Markt war besetzt mit großen, grauweißen Ochsen, welche für die Soldaten nach Korsun getrieben wurden; neben ihnen lagerte eine Menge Treiber, Menschen, die das ganze Leben in der wüsten Steppe verbrachten, ohne jegliches Religionsbekenntnis, von grauenerregender Wildheit. Hier sah man Gestalten, ähnlicher den schlimmsten Räubern als Viehtreibern, fürchterlich anzusehen, roh, häßlich und bedeckt mit Lumpen. Der größte Teil von ihnen war bekleidet mit einem Oberrock aus Schaffellen oder ungegerbten Ochsenfellen, mit der haarigen und wolligen Seite nach außen, vorn auseinandergerissen, so daß trotz des Winters die blanke, von dem scharfen Steppenwind gebräunte Brust zu sehen war. Alle waren bewaffnet, jedoch mit den verschiedensten Waffen. Zwischen ihnen bewegten sich weniger wild aussehende, aber besser bewaffnete Leute aus den Niederungen, welche getrocknete Fische, Wildbret, Hammelfett zum Verkauf nach dem Lager schafften, weiter Salzhändler mit Salz, Imker aus der Steppe und den Wäldern mit Wachs und Honig, Ansiedler aus den Wäldern mit Teer und Pech, ferner Bauern mit Vorspann, Linienkosaken, Tataren aus Bialogrod und Gott weiß, wer noch! Herumtreiber von der Welt Ende. Die ganze Stadt war angefüllt mit Betrunkenen. Von allen Seiten tönte Lärmen und Geschrei. Der durchdringende Ton tatarischer Pfeifen und Trommelwirbel mischte sich mit dem Gebrüll des Viehs und den milderen Tönen der Zithern. Das alles war wild bis zum Wahnsinn.
Es genügte ein Blick, um Herrn Sazwilichowski zu überzeugen, daß Barabasch recht hatte, wenn er sagte: »Ein leiser Hauch genügt, um diese wilden Elemente zu entfesseln, die ohnehin so zu Mord und Raub aufgelegt, und die die ganze Ukraine überschwemmten. Und hinter diesen standen die Leute aus den Wojewodschaften Sitsch und Saporogien, welche erst unlängst in Fesseln geschlagen und bei Maslow ganz überwältigt waren, die aber ungeduldig an dem angelegten Zaum bissen, stets eingedenk der früheren Privilegien. Diese verachteten das Regiment der Kommissarien und bildeten eine wohlorganisierte Kraft. Und diese Kraft besaß vollständig die Sympathien der ungeheuren Massen Bauern, welche gerade hier weit unduldsamer waren als in anderen Teilen der Republik. Es war kein Wunder, daß der Starost, obgleich er ein geborener Ruthene und eifriger Anhänger der Gebräuche des Ostens war, sehr bekümmert dreinschaute. Dem alten Manne standen noch lebendig die Zeiten des Nalewajko, Loboda und Kremski vor Augen; er kannte die ukrainischen Räubereien besser als irgend jemand in Ruthenen, und da er gleichzeitig auch den Chmielnizki kannte, so wußte er genau, daß erst zwanzig Nalewajkos und Lobodas auf einen Chmielnizki kamen. Ihm leuchtete die ganze Größe der Gefahr ein, welche mit der Flucht Chmielnizkis nach der Sitsch verbunden war, besonders mit den Briefen des Königs, von denen Herr Barabasch erzählte, daß sie voller Versprechungen und Aufstachelungen zum Widerstande der Kosaken waren.
Einige Tage später zog unser Statthalter frisch und mutig nach Lubnie. Nachdem der Dniepr überschritten war, ging er mit seinen Leuten den breiten Steppenweg, welcher Tschechryn mit Lubnie verband, über Zuki, Semi-Mogila und Chorol. Ein zweiter ebensolcher Weg führte von dem Stammsitz des Fürsten nach Kiew. In früheren Zeiten existierten diese Wege gar nicht. Nach Kiew mußte man aus Lubnie durch die große Steppenwüste, nach Tschechryn zu Wasser und von dort zurück über Chorol. Im großen ganzen waren diese Dnieprschen Länder eine Wüste, fast unbewohnt, von den Tataren durchschwärmt, den Saporoger Banden preisgegeben.
An den Ufern des Sula rauschten mächtige, vom Fuß der Menschen noch nicht entweihte Wälder; stellenweise hatten sich an den Ufern der vielen Nebenflüßchen des Dniepr große sumpfige Stellen gebildet, welche teils entblößt dalagen, teils mit dichtem Gesträuch bewachsen waren. Diese Plätze waren ein guter und sicherer Aufenthaltsort für allerlei Raubgetier. In den tiefsten Tiefen der Wälder aber lebte eine große Menge Wölfe, Bären und Wildschweine, daneben ungezählte Scharen Luchse, Marder, große Rudel Rehe und Rotwild. In den Sümpfen und Lachen hatten Biber ihre Kessel angelegt, Biber, von denen man erzählte, daß unter ihnen sich ganz weißhaarige Greise befänden. In den hohen trockenen Steppengräsern tummelten sich Herden wilder Steppenpferde mit zottigen Köpfen und roten Augen. Es war ein wunderbares Stück Erde, halb wie im Schlaf liegend, halb die Spuren menschlichen Daseins tragend. Die Flüsse wimmelten von Fischen. Überall fand man alte, eingeäscherte Wohnstätten; selbst Lubnie und Chorol waren auf solchen Aschenhaufen neu erbaut; überall Grabmäler älterer und neuerer Zeiten, schon mit Waldgesträuch überwuchert. Auch hier sollten, wie in den wilden Feldern, Geister hausen und nächtlichen Spuk treiben, und die alten Bewohner von Saporogien erzählten sich beim lichten Feuerschein Wunder, die oft in den Waldestiefen dort geschehen sollten. Diese Erde war so wenig gastfreundlich, so wenig zugänglich, stellenweise aufgeweicht, stellenweise dürstend nach Feuchtigkeit, als Wohnsitz gefährlich, da Ansiedler sehr bald von den Tataren vertrieben, ihr Hab und Gut geraubt wurde. Trotzdem versuchten immer wieder neue Ansiedler sich festzusetzen. Es entstanden in der Wüste Einzäunungen, Ansiedelungen, Kolonien, Waldparzellen. Der Boden war ertragsfähig, und der Wohlstand lockte. Aber zur Blüte gelangten diese Ländereien erst, als sie in die Hände der Wischniowiezkis übergingen.
Schon der Fürst Michael hatte nach seiner Verheiratung mit einer Prinzessin Mohilan die Verwaltung derselben energischer betrieben. Er zog Leute herbei, besetzte die verlassenen Ansiedelungen und gab ihnen Schutz auf dreißig Jahre hinaus. Ferner baute er Klöster und führte eigene fürstliche Rechte ein. Selbst solche Ansiedler, die aus früheren Zeiten noch dort auf ihren eigenen Besitzungen lebten, gaben ihr Eigentumsrecht gern auf, um sich unter den Schutz des Fürsten zu stellen, welcher ihnen weit größere Sicherheit bot. Aber voll zur Blüte gelangte das Leben dort doch erst unter der eisernen Hand des Fürsten Jeremias. Gleich hinter Tschechryn fing sein Reich an und dehnte sich aus bis hinter Konotop und Romny. Aber das waren nicht alle seine Besitzungen, denn er hatte noch Güter in den Wojewodschaften Sandomir, Wolhynien, Kiew und Ruthenen, aber diese Besitzungen hier am Dniepr waren doch sein Augapfel, der Augapfel des Siegers von Putywlo.
Seitdem lauerten die Tataren lange wie ein Wolf im Hinterhalt, ehe sie einmal wagten, um Mitternacht ihre Pferde in die Steppe zu treiben; die Niederländer wagten keine Einfälle, die einheimischen Unruhestifter gingen in Dienst, das wilde, räuberische Volk, welches früher nur von Gewalttaten und Überfällen lebte, war jetzt in harter Zucht gehalten und behütete wie eine grimmige, an der Kette liegende Dogge die Grenzen des fürstlichen Reiches. So entwickelte sich der Wohlstand schnell. Nach den Spuren der früheren Landstraßen wurden neue Wege gebaut, die Flüsse eingedämmt. Dort, wo einst im Schilf der Wind nachts grausig pfiff und die Wölfe heulten, dort klapperten jetzt Mühlen. Über vierhundert Räder, ohne die große Zahl hier und dort verstreuter Windmühlen, drehte das Wasser, um Korn zu mahlen. Vierzigtausend zinspflichtige Angesiedelte trugen ihren Zins in die fürstlichen Kassen, in den Wäldern mehrten sich die Bienenstände, immer mehr Dörfer und Höfe entstanden. In der Steppe weideten, neben den eingezäunten wilden, große Herden zahmen, einheimischen Viehs und Pferde. Die unabsehbare Einförmigkeit der Wälder und Steppen wurden wohltätig unterbrochen durch die rauchenden Schornsteine, die goldigen Kuppeln der polnischen und russischen Kirchen, kurz – die Wüste hatte sich in ein stark bevölkertes Land umgewandelt.
Der Statthalter ritt ohne Eile und mit aller vorbereiteten Bequemlichkeit durchs Land. Es war zu Anfang des Jahres 1648, aber vom Winter spürte man nichts. In der Luft duftete der Frühling; große glänzende Wasserlachen standen in den tiefer gelegenen Teilen, die Saaten grünten in den Feldern, und die Sonne glühte so heiß um Mittag, daß die Pelze auf den Rücken brannten wie im Hochsommer.
Unterwegs hatte die Begleitung des Statthalters einen wesentlichen Zuwachs erhalten; es hatte sich ihr die walachische Botschaft zugesellt, welche der Hospodar in der Person des Herrn Roswan Ursu nach Lubnie sandte. Bei dieser Botschaft befanden sich einige hundert Mann Eskorte und mehrere Wagen mit Bedienung. Außerdem begleitete den Statthalter unser guter Bekannter, der Herr Podbipienta mit dem im Wappen befindlichen Hutabschläger, mit seinem langen Schwert unterm Arm und einiger Dienerschaft.
Die warme Sonne, der Duft des nahen Frühlings erfüllten die Herzen aller mit Frohsinn, und der Statthalter war um so heiterer, als er nach langer, beschwerlicher Reise unter das Dach des Fürsten, welches auch sein Dach war, heimkehrte, um so heiterer, als er seine Botschaft so gut durchgeführt und einen freundlichen Empfang zu erwarten hatte.
Aber sein Frohsinn hatte noch andere Ursachen.
Außer der Gnade des Fürsten, welchen er von ganzer Seele liebte, erwarteten ihn in Lubnie noch ein Paar schwarze Augen, so süß wie Honig.
Diese Augen gehörten dem Fräulein Anna Krasienska, der Respektsdame der Fürstin Griseldis, dem schönsten Mädchen des gesamten Frauenzimmers, einer großen Kokette, in welche ganz Lubnie verliebt war, während sie niemanden bevorzugte. Am Hofe der Fürstin herrschten feine Sitten und eine große moralische Zucht, welche jedoch nicht hindern konnte, daß die jungen Leute miteinander liebäugelten und nacheinander seufzten. Herr Skrzetuski sandte also seine Seufzer an die Adresse jener schwarzen Augen gleichzeitig mit vielen anderen, und wenn er sich allein in seinem Quartier befand, griff er nach der Laute und sang:
»Du bist die Schönste der Schönen –«
oder auch:
»Wie eine Tatarenhorde Nimmst du die Herzen gefangen.«
Aber, da er ein fröhlicher Mensch war und dabei ein Krieger von Passion, so nahm er es sich nicht besonders zu Herzen, wenn Anna ihm ebenso zulächelte wie dem Herrn Bychowiez aus der walachischen Fahne, wie dem Herrn Wurzel von der Artillerie, dem Herrn Wolodyjowski von den Dragonern, und sogar dem Herrn Baranowski von den Husaren, obgleich der letztere pockennarbig war und stotterte, weil eine Kugel ihm den Gaumen lädiert hatte. Herr Skrzetuski hatte sich sogar schon einmal auf Säbel mit Herrn Wolodyjowski geschlagen, der schönen Anna wegen, aber als es nichts anderes zu tun gab, als in Lubnie zu sitzen, wurde ihm die Zeit gar lang, sogar die Anwesenheit Annas langweilte ihn, und als es hieß, fortziehen zum Khan, da zog er gern, ohne Wehmut, ohne trübe Gedanken.
Dafür kehrte er frohen Mutes zurück. Jetzt, nachdem er nach glücklicher Ausführung seiner Botschaft aus der Krim zurückkam, sang er ein frohes Lied und spornte sein Pferd zu schnellem Gange. Er ritt neben Herrn Podbipienta, welchem seiner Länge wegen der Beiname Longinus gegeben worden war. Dieser saß auf einer ungeheuren livländischen Stute und sah bekümmert und traurig aus wie immer. Die Wagen, die Dienerschaft und die übrigen Genossen blieben weit hinter ihnen zurück.
»Seine Gnaden, der Herr Gesandte, liegt auf dem Wagen wie ein Holzklotz und schläft fortwährend,« sagte der Statthalter. »Er hat mir so lange Wunderdinge von seiner Walachei vorgeschwatzt, bis er eingeschlafen ist. Ich hörte ihm neubegierig zu. Man kann nichts dagegen einwenden; es ist ein reiches Land. Das Klima ist vorzüglich, Gold, Wein, Lebensmittel und Vieh in Fülle. Ich dachte mir dabei, daß unseres Fürsten Mutter eine geborene Mohilan ist und er ein ebensolches Recht auf den Thron des Hospodaren hat als irgend jemand. Dieses Recht erwarb sich doch Fürst Michael. Die Wallachei ist für unsere Herrlein keine terra incognita mehr. Sie schlugen dort schon die Türken und Tataren.«
»Aber die Menschen sind dort auch gemütvoller; Herr Sagloba erzählte mir davon in Tschechryn,« antwortete Herr Longinus.
»Wieviel glaubt Ihr, gnädiger Herr, daß der Fürst Leute unter den Waffen hat?«
»Ohne die Kosaken, welche zerstreut in den Feldern hausen, werden es etwa achttausend Mann sein. Aber Herr Sazwilichowski erzählte mir, daß jetzt neue Aushebungen stattfinden sollen.«
»Vielleicht gibt mir Gott irgend einen Kriegszug unter dem Fürsten?«
»Man spricht davon, daß ein großer Krieg gegen die Türken sich vorbereitet, und daß der König selbst mit der großen Macht der Republik sich verbinden will. Ich weiß auch, daß den Tataren Ermahnungen zugegangen sind, in der Ackerbestellung einzuhalten. Davon hörte ich auch in der Krim, wo man mich nur deshalb so leutselig empfing, weil dort das Gerücht verbreitet ist, daß, sobald der König mit den Hetmanen sich verbindet, die Krim überfallen und sämtliche Tataren ausgehauen werden sollen.«
Herr Longinus erhob Augen und Hände gen Himmel.
»Gebe Gott der Allmächtige einen so heiligen Krieg zum Ruhme der Christenheit und unserer Nation. Und mir armem Sünder verleihe er, während seiner Dauer mein Gelübde zu erfüllen oder den Tod davonzutragen.«
»So habt Ihr ein den Krieg betreffendes Gelübde getan?«
»Einem so edlen Ritter, wie Ihr es seid, öffne ich freudig alle Kammern meines Herzens. Es gibt zwar viel zu erzählen, aber da Ihr mir ein so geneigtes Ohr schenkt, so beginne ich: Ihr wißt, gnädiger Herr, daß ich im Wappen den Hutabschläger trage. Das kommt daher: Als ein Vorfahr von mir, Stowejko Podbipienta, bei Grunwald mitfocht, sah er drei Ritter in Mönchskapuzen in einer Reihe daherreiten. Als sie ihn erreicht hatten, da hieb er mit einem Hieb allen dreien zugleich die Köpfe ab. Von dieser Heldentat schreiben die Chroniken in einer meinen Vorfahren sehr rühmlichen Weise ...«
»Da hatte er ja eine ebenso starke Hand wie Ihr, und man nannte ihn mit Recht Hutabschläger.«
»Deshalb gab ihm der König auch dies Wappen: in silbernem Felde drei Ziegenköpfe, zum Andenken an jene drei Ritter, welche auf ihren Schildern ebensolche Köpfe trugen. Dieses Wappen nebst diesem Schwert hier hat unser Vorfahr uns hinterlassen mit dem Befehl, daß wir uns bemühen sollten, den Ruhm der Familie und des Schwertes zu erhalten.«
»Alle Ehre! Ihr stammt aus einem artigen Geschlecht.«
Hier begann Herr Longinus zu seufzen, und als er sich dadurch etwas erleichtert fühlte, fuhr er fort:
»Da ich der letzte unseres Stammes bin, gelobte ich der heiligen Jungfrau im Kloster zu Troki, daß ich nicht eher vor dem Traualtar stehen und bis dahin ein reines, unbeflecktes Leben führen wolle, ehe ich nicht nach dem Beispiel meines Vorfahren mit ebendemselben Schwerte drei Feindesköpfe auf einen Hieb abgeschlagen haben würde. Barmherziger Gott, du siehst, daß ich alles mögliche getan habe. Meine Reinheit habe ich bis zum heutigen Tage bewahrt, dem liebebedürftigen Herzen habe ich Stillschweigen geboten, ich suchte Kriege, kämpfte tapfer, aber bis jetzt hatte ich das Glück nicht.«
Der Statthalter lächelte unmerklich.
»Und Ihr schlugt noch keine drei Köpfe ab?«
»Es schickte sich noch immer nicht so! Ich habe kein Glück! Zu zweien auf einmal, das geschah schon oft, aber niemals zu dreien. Ihnen so beizukommen gelang nicht, und man kann dem Feinde doch nicht befehlen, sich derartig aufzustellen. Gott allein kennt meinen Kummer! Die Körperstärke ist da, der Reichtum ist da – aber die Zeit vergeht, ich bin bald fünfundvierzig Jahre alt, das Herz begehrt nach Liebe, das Geschlecht stirbt aus, und ich kann die drei Köpfe nicht bekommen. Solch ein Hutabschläger bin ich nun. Den Leuten diene ich zum Gelächter, wie Herr Sagloba richtig sagt; ich ertrage alles geduldig und bringe alles dem Herrn Jesu zum Opfer.«
Der Litauer begann wieder so zu seufzen, daß seine livländische Stute wohl aus Mitgefühl mit ihrem Herrn auch zu stöhnen anfing.
»Da kann ich Euch nur sagen,« sprach Skrzetuski, »daß wenn Euch die Sache unter dem Fürsten Jeremias nicht gelingt, dann wohl überhaupt niemals.«
»Gott gebe es!« entgegnete Longinus, »deshalb reite ich auch zum Fürsten, um seine Gnade zu erbitten.«
Plötzlich, wo der Weg eine Biegung macht, hielten die Reiter an, denn ein seltsamer Anblick fesselte sie. Mitten im Wege lag, ganz auf die Seite geneigt mit zerbrochener Achse, eine herrschaftliche Kutsche. Die ausgespannten Pferde wurden von zwei Kosaken gehalten. Der Kutscher fehlte ganz, wahrscheinlich war er ausgeschickt, Hilfe zu suchen. Neben der Kutsche standen zwei Frauen; die eine angetan mit einem Fuchspelz, ebensolcher Mütze mit rundem Deckel, mit strengen, männlichen Gesichtszügen, die andere ein junges Mädchen, majestätischen Wuchses, mit feinen Gesichtszügen.