Mit Naturheilkunde Stress bewältigen - Michaela Girsch - E-Book

Mit Naturheilkunde Stress bewältigen E-Book

Michaela Girsch

0,0
21,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die Auswirkungen von Stress auf Verhalten, Körper und Psyche werden von der erfahrenen Heilpraktikerin und Phytotherapeutin Michaela Girsch genau erklärt. Ausführlich stellt die Autorin 30 Heilpflanzen zur Selbstbehandlung sowie deren Möglichkeiten und Grenzen vor. Alltagstaugliche Rezepturen, Empfehlungen für gute Präparate und Verhaltenstipps helfen Ihnen, stressbedingte Beschwerden wie Schlafstörungen, Unruhe, Erschöpfung, Burnout, Spannungskopfschmerzen, Verdauungsbeschwerden und vielem mehr zu reduzieren. Adaptogene wie Ginseng, Taigawurzel und Rosenwurz unterstützen Sie zudem in Stresssituationen, um Kraft für Veränderungen zu finden. Extra: Ein Kapitel über Stress bei Kindern.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 196

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Michaela Girsch

Mit Naturheilkunde

STRESS BEWÄLTIGEN

Nachhaltige Heilpflanzenkraft bei körperlichen & seelischen Beschwerden

Inhalt

Höher, schneller, weiter?

DEM STRESS AUF DER SPUR

Ein Heilpflanzenbuch ganz im Zeichen von Stress und Anspannung?

Was ist Stress?

Was macht Stress mit uns? Was stresst uns?

DIE STRESSHORMONE

Warum Heilpflanzen?

ARZNEIMITTEL ODER NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL?

WENN STRESS AUF DIE SEELE SCHLÄGT: PSYCHISCHE BESCHWERDEN

Den Stress regulieren

Unruhe, Nervosität und Schlafstörungen

HORMONE UND BOTENSTOFFE – DIE POSTBOTEN UNSERES KÖRPERS

Konzentrationsstörungen

Erschöpfung, Burn-out und Erschöpfungsdepression

ROSENWURZ: DAS SAGT DIE WISSENSCHAFT

WENN STRESS DEN KÖRPER SCHWÄCHT: PHYSISCHE BESCHWERDEN

Hormonhaushalt im Ungleichgewicht

DYSMENORRHOE – KRAMPFARTIGE REGELBESCHWERDEN

Fragiles Immunsystem

Angegriffenes Verdauungssystem

WAS SIND BITTERSTOFFE UND WIE WIRKEN SIE?

Probleme des Herz-Kreislauf-Systems

Haut – der Spiegel der Seele

Stress und Schmerzen

KINDER UND IHR UMGANG MIT STRESS

Wie äußert sich Stress bei Kindern und Jugendlichen?

Nervosität, Unruhe und Schlafstörungen

Bauchweh

Kopfweh

Bettnässen

SERVICE

Was hilft wann – im Überblick

Bezugsquellen

Zum Weiterlesen und Informieren

Höher, schneller, weiter?

 

Ein Buch über Stress und seine Auswirkungen zu schreiben, ist eine Gratwanderung. Die Zunahme an stressbedingten Erkrankungen ist frappierend und entsprechend viele Veröffentlichungen gibt es zu dem Thema. Der Tenor dieser Veröffentlichungen ist meist: Kümmere dich um deine Gesundheit, dope deine Seele, setze Powerpflanzen ein und schau, wie du mit der Belastung klarkommst. Das ist gewiss sehr zugespitzt und dennoch reihen sich diese Empfehlungen in das große Thema der Selbstoptimierung ein. Weiter leistungsfähig zu sein ist das Ziel, ausgeblendet werden dabei die Ursachen, die uns krank machen. Die Tatsache, dass die WHO schon im Jahr 2016 Stress als eine der größten Gesundheitsgefahren des 21. Jahrhunderts beschrieben hat, lässt aufhorchen. Sind wir einfach nur empfindlicher geworden oder hat der Druck tatsächlich zugenommen? Darüber ließe sich mit Sicherheit diskutieren, vermutlich ist es die Summe verschiedenster Einflüsse, die uns belasten. Die Auslöser sind zudem sehr individuell und hier kann jeder ansetzen, um die Belastungen im eigenen Umfeld zu erkennen und zu ändern. Dass das nicht von heute auf morgen geht, ist klar, und es braucht dazu eine gehörige Portion Kraft und Entschlossenheit, die im Stress oft fehlt.

In meiner bald dreißigjährigen Praxistätigkeit erlebe ich täglich die Auswirkungen von Stress. Viele meiner Patientinnen und Patienten kommen aus dem pädagogischen Bereich, dem Gesundheitswesen und weiteren sozialen Berufen. Aber auch belastende Lebensphasen wie die Mehrfachbelastung Alleinerziehender oder unlösbare pflegerische Herausforderungen sind an der Tagesordnung. Gemeinsam haben diese Menschen, dass die Belastungen sie krank machen. Am häufigsten treten Schlafstörungen und unklare Verdauungsbeschwerden auf, gefolgt vom hormonellen Durcheinander, chronischen Kopfschmerzen und Verspannungen. Die aktuellen Untersuchungen zu den Ursachen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen belegen zudem, dass seelische Belastungen – denn auch die führen zu Stress – eine der Hauptursachen für Bluthochdruck und Herzerkrankungen sind.

Mein Bestreben mit diesem Buch ist, die Auswirkungen von Stress auf der körperlichen und seelischen Ebene zu lindern. Damit kann die Kraft entstehen, die uns die Ursachen verändern lässt: unzumutbare Arbeitsbelastung, mobbende Kollegen, die unruhige Klasse, die ständige Erreichbarkeit über das Diensthandy oder die Belastung durch häusliche Pflege. Das sind alles Dinge, die nicht in Stein gemeißelt, sondern veränderbar sind! Oft kann in solchen Situationen eine psychotherapeutische Begleitung sinnvoll sein, denn aus eingefahrenen Mustern finden wir allein nicht so schnell hinaus.

Da ich auf dem Land wohne, wie der Großteil meiner PatientInnen auch, lässt sich mein absolutes und garantiert wirksames Lieblingsrezept schnell und einfach umsetzen: der Aufenthalt in der Natur. Natürliche Reize wie das frische Grün von Bäumen und Sträuchern, Geräusche wie Vogelzwitschern, Wind oder das Plätschern eines Baches sowie Bewegung auf ungeteerten Böden aktivieren unseren Nerv der Ruhe, den Parasympathikus, der für Entspannung und Erholung zuständig ist. Ein Spaziergang in der Natur reduziert die Ausschüttung von Stresshormonen, regt die Bildung stimmungsaufhellender Botenstoffe an, flutet unseren Körper mit Sauerstoff und stärkt unser Immunsystem. Teil der Natur sind die Heilpflanzen, die in diesem Buch zum Einsatz kommen. Menschen kannten immer schon Stress, wenn auch mit anderer Ursache als heute: Kälte, Hitze, starke körperliche Strapazen – schon die Wikinger kannten pflanzliche Stärkungsmittel und in allen traditionellen Medizinsystemen gibt es stärkende Pflanzen, die vor allem im Alter oder bei zehrender Krankheit gegeben werden. Eine bewährte Auswahl traditioneller „Stresspflanzen“ stelle ich in diesem Buch vor. Dazu kommen Pflanzen mit Bezug zu den Auswirkungen von Stress auf bestimmte Organe, sodass beispielsweise nervöse Herz- oder Verdauungsbeschwerden noch gezielter gelindert werden können.

Nicht „Höher, schneller, weiter!“ kann das Ziel sein, sondern das eigene Tempo zu erkennen und die eigenen Grenzen zu respektieren. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen Zeit und Muße beim Lesen des Buches, vielleicht sogar bei einer entspannenden Tasse Tee.

Ihre

DEM STRESS AUF DER SPUR

Ein Heilpflanzenbuch ganz im Zeichen von Stress und Anspannung?

 

Bereits im Jahr 2016 erklärte die WHO (World Health Organization) Stress zu einer der größten Gesundheitsgefahren des 21. Jahrhunderts. Und die Einschätzung scheint sich zu bestätigen. Alle Experten sind sich einig: Selten war es so wahrscheinlich, an den Folgen von Stress zu erkranken, wie heute. Im Rahmen einer Stressstudie der Techniker Krankenkasse (TK) vom März 2021 – mit dem schönen Titel „Entspann dich, Deutschland!“ – wurden 1000 Versicherte ab 18 Jahren zu ihrem Stressempfinden befragt. Dabei kam heraus: Mehr als ein Viertel der Deutschen ist häufig gestresst; bei der letzten Befragung im Jahr 2013 war es noch jede fünfte Person.

Frauen sind gestresster als Männer, aber bei den Männern hat der Stress stärker zugenommen als bei den Frauen. Grundsätzlich sind Erwerbstätige stärker gestresst als Nichterwerbstätige, wobei nicht-erwerbstätige Frauen im Schnitt genauso gestresst sind wie erwerbstätige Männer. Haus-, Erziehungs- und Pflegearbeit schlagen hier folglich genauso zu Buche wie ein Bürojob. Unregelmäßige Arbeit stresst stärker als regelmäßige und die mangelnde Trennung zwischen Berufs- und Privatleben wird durch die in der Corona-Pandemie etablierten Hybridmodelle (Homeoffice und Büropräsenz) immer üblicher. Der Zwang, ständig erreichbar sein zu müssen, Überlastung durch Personalmangel, Corona-Sorgen – all das stresst.

Immer auf der Überholspur – Sport sollte Ausgleich sein, nicht zusätzlicher Stress.

Die Top Drei der Stressverursacher der Deutschen sind: Arbeit, die hohen Ansprüche an sich selbst und Erkrankungen von nahestehenden Personen. Letzteres muss im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie betrachtet werden. Auf den weiteren Plätzen folgen Konflikte im Privatleben, ständige Erreichbarkeit, Freizeitstress, Stress im Verkehr, Stress im Haushalt, Stress bei der Kinderbetreuung, finanzielle Sorgen und die Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger.

Stress löst Reaktionen aus, die kurz-, mittel- und langfristige Auswirkungen haben. In diesem Buch werde ich gründlich auf das Thema und seine Auswirkungen auf die Gesundheit eingehen. Einen ersten Überblick gibt die Tabelle unten. Sie sehen, dass Stress weitreichende Auswirkungen hat. Mit diesem Buch möchte ich Ihnen bewährte Heilpflanzen zur Begleitung der gesundheitlichen Folgen von Stress vorstellen. Nach einer gründlichen Einführung lassen sich die Wirkungen der Pflanzen gut einordnen und im besten Fall auch zur Unterstützung in stressigen Zeiten einsetzen.

Stress ist ein ziemlich weit gefasster Begriff. Im Grunde genommen handelt es sich dabei erst einmal bloß um eine körperliche und psychische Reaktion des Körpers auf eine außergewöhnliche Anforderung. Der Körper mobilisiert bestimmte Botenstoffe und Hormone, um schnell, leistungsstark und konzentriert zu sein. Diese Reaktion hilft uns, Wege zu finden, um die Anforderung zu bewältigen. Es handelt sich dabei um ein „Sonderprogramm“ für besonders herausfordernde Situationen – und ist nicht als Dauerzustand gedacht. Entsprechend anstrengend sind die Stressreaktionen für Körper und Seele, wenn sie zu häufig zum Einsatz kommen.

STRESSBEDINGTE VERÄNDERUNGEN

KÖRPERLICHE EBENE

WAHRNEHMUNGS-EBENE

VERHALTENS-EBENE

beschleunigte Herzfrequenz, erhöhter Blutdruck, Schwitzen, gesteigerte Atmung, erhöhter Blutzuckerspiegel u. a.

Müdigkeit, Verspannungen, Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Ungeduld, Gereiztheit (aggressives Verhalten) u. a.

ungesundes Essverhalten, Appetitlosigkeit, überreichlicher Alkoholgenuss, Rauchen, erhöhte Unfallgefahr durch riskantes Verhalten, Unruhe u. a.

Was ist Stress?

 

Will man sich ganz unvoreingenommen mit dem Thema beschäftigen, dann fällt das richtig schwer. Wo man geht und steht, begegnet es einem, man wird davon richtiggehend überrollt. Ganz schön stressig. Womit wir auch bereits beim Thema sind: Was ist Stress – und was nicht? Ist nicht alles irgendwie Stress? Sind wir nicht alle gestresst? Und ist das nicht sehr subjektiv? Sie kennen sicher auch die zwei Typen, die ich Ihnen hier vorstellen möchte: Anna, 24 Jahre alt, alleinstehend und Martina, 54 Jahre alt, verheiratet, zwei Kinder. Anna lässt im Alltag alles ruhig angehen. Sie liebt spontane Unternehmungen, kauft sich kurz vor der Abfahrt des Zuges ein digitales Ticket, checkt bei der Ankunft mit dem Smartphone den Weg und falls kein Bus mehr fährt, dann nimmt sie sich ein Uber. Klingelt es an der Tür, dann freut sie sich über den unangekündigten Besuch und irgendwas zu trinken findet sich immer. Sonst geht man schnell zum Späti und holt sich was – alles kein Problem. Martina plant gerne voraus. Ihr Alltag ist dicht getaktet, sie mag keinen unangekündigten Besuch und geht auch selten aus, schon gar nicht spontan, dafür gibt es viel zu viel zu tun. Kündigt sich Besuch an, dann überlegt sie schon Tage vorher, was sie anbieten kann und räumt die Wohnung auf. Beim Gedanken daran wird sie nervös und kann nicht gut schlafen. So richtig freuen kann sie sich dann gar nicht auf den Besuch. Nun sind das zwei sehr einfach dargestellte Persönlichkeiten, sie zeigen aber, wie subjektiv das Stressempfinden ist. Wir wissen nicht, ob Anna studiert und dabei in Termindruck gerät, und wir wissen auch nichts über die berufliche Situation von Martina, aber offensichtlich gibt es verschiedene Reizschwellen für die Wahrnehmung von Stress. Und offensichtlich können wir in verschiedenen Lebensphasen unterschiedlich gut mit Stress umgehen. Was für Anna Eustress ist, ist für Martina Disstress. Schauen wir uns das genauer an:

EUSTRESS

DISSTRESS

Stress, der guttut und nötig ist. Er fördert die Konzentration, motiviert uns, steigert die Aufmerksamkeit und den Antrieb und fühlt sich energiegeladen und gut an.

Stress, der anstrengend ist und Energie kostet. Er macht müde und erschöpft und hat negative Auswirkungen auf unser seelisches und körperliches Befinden.

Eustress und Disstress – um diese beiden Begriffe besser einordnen zu können, ist es wichtig, genauer darauf zu schauen, was bei Stress passiert. Den Begriff Stress hat der österreichisch-kanadische Physiologe Hans Selye in den 1940er-Jahren geprägt, um die Reaktion von Tieren und Menschen auf Belastung darzustellen. Er beschreibt, was im Körper passiert, wenn dieser Belastungen ausgesetzt ist. Stress ist eine genetisch festgelegte Aktivierungsreaktion des gesamten Organismus, um angesichts von Bedrohung Energie für Kampf oder Flucht bereitzustellen. Diese Reaktion des Organismus soll es ermöglichen, uns schnell auf wechselnde Lebensumstände einzustellen. Selye wies als Erster darauf hin, dass Stress nicht immer nur negativ ist. Evolutionär gesehen war Stress durchaus wichtig für die Entwicklung des Menschen. Die Stresstheorie nach Selye unterscheidet daher zwischen Eustress und Disstress. So, wie wir den Begriff Stress verwenden, ist damit eigentlich Disstress gemeint. Dieser tritt dann auf, wenn wir das Gefühl haben, dass unsere Ressourcen nicht ausreichen, um die an uns gestellten Anforderungen zu erfüllen.

Einige lieben es, immer unter Strom zu sein, aber vielen wird das zu viel.

„STRESS“ – WOHER KOMMT DER BEGRIFF?

Das Wort leitet sich vom lateinischen Wort stringere ab, was so viel wie „anspannen“ oder „sich zusammenziehen“ bedeutet.

WAS HAT DER SÄBELZAHNTIGER DAMIT ZU TUN?

Der Säbelzahntiger ist seit 10 000 Jahren ausgestorben. Trotzdem muss die Raubkatze aus dem Pleistozän immer wieder herhalten, um Stressreaktionen zu verstehen. Mit seinen riesigen, bis zu 20 cm langen Eckzähnen muss er für die Menschen der Steinzeit ein furchtbarer Anblick gewesen sein: Tauchte er vor einem Steinzeitmenschen auf, schaltete sich jene Alarmanlage an, die Mediziner als sympathisches Nervensystem bezeichnen, und bereitete den Organismus automatisch auf Kampf oder Flucht vor. Im Normalfall verschwand der Säbelzahntiger dann wieder, oder man suchte das Weite und die Gefahr war gebannt.

Hans Selye hat die körperliche Reaktion auf Stress, die in mehreren Phasen verläuft, modellhaft dargestellt und sie in drei Reaktionsphasen unterteilt: die Alarmreaktion, die Widerstandsphase und die Erschöpfungsphase. Diese Reaktion hat er „Allgemeines Adaptionssyndrom“ genannt. Adaption bedeutet Anpassung. Gemeint ist in dem Fall die Anpassung des Organismus an Stress.

Diese Reaktionsweise des Organismus ist genetisch festgelegt, daran lässt sich nicht rütteln. Was dabei auf der körperlichen Ebene passiert und welche Rolle Hormone dabei spielen, werde ich im Verlauf des Buches erläutern.

Die körperlichen Stressreaktionen verlaufen in verschiedenen Phasen (Stressmodell nach Hans Selye).

Interessant ist jedoch, dass es unterschiedliche Bewältigungsstrategien für stressauslösende Momente gibt, wie wir bei Anna und Martina sehen. Der amerikanische Psychologe Richard S. Lazarus fand heraus: Nicht die Situation an sich ist stressend, sondern die Art, wie wir gedanklich damit umgehen, und welche Handlungsmöglichkeiten wir sehen. Er nannte seine Theorie „Transaktionales Stressmodell“. Richard Lazarus ging davon aus, dass nicht eine Situation alleine stressig ist, sondern dass es immer einen Wechselwirkungsprozess zwischen der Situation und der Person gibt. Das Ausmaß der Stressreaktion wird daran gemessen, ob Sie glauben, eine Situation meistern zu können oder eben nicht. Der Reiz wird also erst dann zum Stressreiz, wenn er durch subjektive Wahrnehmung und Bewertung eine gewisse Intensität überschreitet. In seinem Modell verdeutlicht er typische Abläufe von Stressreaktionen, wodurch es möglich ist, Bewältigungsstrategien dafür zu entwickeln. Damit arbeiten Psychologen und Coaches.

Sollten Sie unter Stress leiden und aus der Tretmühle selber nicht mehr herausfinden, empfehle ich, einen Therapeuten zur besseren Stressbewältigung hinzuzuziehen.

Es gibt unterschiedliche Wege, mit Stress umzugehen (Stressmodell nach Richard S. Lazarus, 1984).

Was macht Stress mit uns? Was stresst uns?

 

Stress und seine Ursachen können folglich sehr subjektiv sein: Bei dem einen schnellt der Stresspegel in die Höhe, wenn er zehn Minuten im Stau steht, während ein anderer gleichmütig darauf reagiert. Das ist übrigens kulturell sehr unterschiedlich, wie Sie sicher bei Reisen ins Ausland auch schon erlebt haben. Zudem können innere Reize, wie Sorgen und Ängste, genauso Stress auslösen wie Termindruck auf der Arbeit. Das wird als emotionaler Stress bezeichnet.

Auch wenn jeder Mensch ein anderes Stressempfinden hat, lassen sich Stressfaktoren ausmachen, die ein Großteil der Menschen als belastend empfinden. Hans Selye hat diese „Stressoren“ genannt. Dazu gehören:

• Konflikte am Arbeitsplatz, in der Partnerschaft oder der Familie

• Überlastung oder Doppelbelastung durch Familie und Beruf

• Termindruck

• wenig Freizeit und fehlender Ausgleich zur Arbeit

• kritische Lebensereignisse wie Trennung, Arbeitsplatzverlust, schwere Krankheit oder der Tod einer nahestehenden Person

• eigene (Leistungs-)Ansprüche

• Sorgen und Ängste

• Einsamkeit

• Reizüberflutung, zum Beispiel Lärm, visuelle Eindrücke

• biologische Faktoren wie Hitze, Kälte, Wetterschwankungen

Das Limbische System

DER SCHNELLE WEG: ÜBER DAS SYMPATHISCHE NERVENSYSTEM

DER LANGSAME WEG: ÜBER DEN HYPOTHALAMUS

Alarmphase

Anpassungsphase

Über die Nervenstränge des sympathischen Nervensystems im Rückenmark gelangt die Information „Gefahr“ zum Mark der Nebenniere. Dort werden Adrenalin und – in geringerem Maß – Noradrenalin ausgeschüttet.

Parallel informiert die Amygdala den Hypothalamus, dass Gefahr im Verzug ist. Der Hypothalamus schüttet hormonelle Botenstoffe aus, unter anderem das Corticotropin-releasing-Hormon. Dieses Hormon wirkt auf die Hirnanhangdrüse (Hypophyse) im Gehirn. Es sorgt dafür, dass sie ein weiteres Hormon freisetzt: das Adrenocorticotropin, kurz ACTH. Es gelangt mit dem Blut zur Rinde der Nebenniere und veranlasst diese, das Stresshormon Cortisol auszuschütten.

WAS PASSIERT BEI STRESS IM KÖRPER?

Bei der körperlichen Reaktion auf Stress greifen verschiedene Systeme unseres Körpers wie ein Räderwerk ineinander. Eine sehr wichtige Hirnregion für unser Erleben von Stress und Angst ist die Amygdala, ein kleiner, mandelförmiger Komplex von Nervenzellen im unteren Bereich des Gehirns – deswegen auch Mandelkern genannt. Sie ist Teil des sogenannten Limbischen Systems, ein Verbund verschiedener Hirnstrukturen, der eine große Rolle bei der Verarbeitung von Emotionen spielt. Die Amygdala steuert – zusammen mit anderen Hirnregionen – unsere psychischen und körperlichen Reaktionen auf stress- und angstauslösende Situationen. Treffen Signale ein, die höhere Aufmerksamkeit und eine schnelle Reaktion erfordern, dann reagieren ihre Nervenzellen blitzschnell, sodass wir wacher und aufmerksamer werden. Dies geschieht bereits, bevor wir die Gefahr bewusst erkennen. Ist eine bestimmte Schwelle der Nervenaktivität erreicht, wird eine weitere Reaktion ausgelöst: Über das Ankurbeln der Ausschüttung von Stresshormonen setzt die Amygdala die Stressreaktion in Gang und aktiviert so die Kampf-oder-Flucht-Reaktion. Zusammen sorgen die ausgeschütteten Stresshormone und das sympathische Nervensystem dafür, dass unser Körper mehr Sauerstoff und Energie bekommt, um schnell handeln zu können. In der folgenden Übersicht habe ich das anschaulich dargestellt. Außer den Stresshormonen sind weitere Hormone, Botenstoffe und körpereigene Eiweiße, die sogenannten Zytokine, an der Stressreaktion beteiligt. Ich führe das im weiteren Verlauf aus.

Zwei Wege der Stressreaktion

Um die Kampf-oder-Flucht-Reaktion auszulösen, nutzt die Amygdala zwei Wege gleichzeitig. Der schnellere Weg geht über das sympathische Nervensystem, das den Körper auf Aktivität einstimmt. Etwas langsamer ist der Weg über den Hypothalamus. Der Hypothalamus ist ein komplexes Gebilde im Zwischenhirn, das grundlegende Funktionen unseres Körpers steuert. Für die Stressreaktion setzt er eine ganze Kaskade von Hormonen in Gang. Wir alle kennen Stress, es gibt im Leben immer wieder Phasen, in denen es stressig zugeht. Die Reaktion auf Stress, egal welcher Ursache, ist grundsätzlich immer dieselbe – weil genetisch festgelegt. In der Alarmphase, die Sie sich am besten als Schreckmoment vorstellen, der nur kurz anhält, wird in der Nebenniere Adrenalin und Noradrenalin gebildet („der schnelle Weg“). Es folgt die Anpassungsphase, in der der Körper bestrebt ist, das Gleichgewicht wiederherzustellen („der langsame Weg“). Unmittelbare körperliche Reaktionen wie Herzklopfen, feuchte Hände und Anspannung lassen schnell nach. Nun ist der Stress, der uns zusetzt, aber kein Schreckmoment, sondern ein andauernder Reiz, der nicht nachlässt. Und darauf reagiert der Körper mit der Ausschüttung von Cortisol, das in der Nebennierenrinde gebildet wird. Hält dieser Zustand lange an, dann wird die Nebennierenrinde immer „müder“ und es wird immer weniger Cortisol gebildet. Das äußert sich schließlich in Erschöpfung, die in eine Depression oder ein Burn-out münden kann.

Das gibt es nicht nur in der Tierwelt: Auch wir können regelrecht vor Schreck erstarren.

KÄMPFEN, FLIEHEN – ODER DOCH LIEBER TOT STELLEN?

Der Begriff Fight-or-flight-response (Kampf-oder-Flucht-Reaktion) wurde vom amerikanischen Physiologen Walter Cannon 1915 geprägt, der sich mit den Auswirkungen des Ersten Weltkrieges auf die Gesundheit von Soldaten beschäftigte. Durch Untersuchungen an Tieren, die er bedrohlichen Situationen aussetzte, erforschte er die neurobiologischen Abläufe in Stresssituationen. Er zeigte, dass das Gehirn während der Kampfoder-Flucht-Reaktion Impulse durch die Nervenbahnen des vegetativen Nervensystems an das Nebennierenmark sendet, dass sofort eine Freisetzung von Adrenalin in das Blut zur Folge hat.

Der britische Psychologe Jeffrey Alan Gray erweiterte 1988 das Reaktionsmuster um die sogenannte Freeze-Phase. Sie zeichnet sich durch eine erhöhte Aufmerksamkeit und Bewegungslosigkeit aus. Der Grund für das Erstarren ist die Hoffnung, vom Raubtier übersehen zu werden, da die Augen am ehesten auf Bewegung reagieren. Wenn weder Flucht noch Kampf eine realistische Option sind, kann die Phase Fright, also Furcht, eintreten. Diese geht einher mit einer situationsbezogenen Muskellähmung mit der Intention, sich tot zu stellen. Im Extremfall kann dies mit einer Ohnmacht einhergehen.

DIE STRESSHORMONE

Hier sollen die Hauptakteure der Stressreaktion genauer unter die Lupe genommen werden: das schnell wirkende Adrenalin und das langsamer wirkende Cortisol.

ADRENALIN UND NORADRENALIN

Beide werden in der Alarmphase ausgeschüttet. Adrenalin wird auch Epinephrin genannt und gehört zur Gruppe der Katecholamine. Diese Hormone haben gemeinsam, dass sie in der Nebenniere und im Nervensystem gebildet werden, auch Dopamin gehört dazu.

Wenn Adrenalin ins Blut ausgeschüttet wird, steigt der Blutdruck und der Herzschlag beschleunigt sich. Dadurch gelangt mehr Blut in die Muskeln und in die Lunge, die Pupillen weiten sich und die Leber setzt gespeicherten Zucker zur Energiegewinnung frei. Die bessere Durchblutung sorgt aber auch dafür, dass der Körper überhitzt. In der Folge werden die Schweißdrüsen aktiv und wir bekommen Schweißausbrüche.

Noradrenalin arbeitet Hand in Hand mit Adrenalin, es informiert unser Gehirn darüber, wie viel davon weiterhin gebraucht wird.

So wirken Adrenalin und Noradrenalin.

CORTISOL

Bei einer Dauerbelastung werden zusätzlich stoffwechselanregende Hormone wie Cortisol von der Nebennierenrinde ins Blut abgegeben, da das Adrenalin zwar sofort, aber nur für kurze Zeit wirksam ist. Cortisol gilt allgemein als das Stresshormon schlechthin. Es gehört zur Gruppe der Steroidhormone, zu denen auch unsere Geschlechtshormone Östrogen und Testosteron gehören.

Cortisol ist für die Aufrechterhaltung der wichtigsten Lebensfunktionen wichtig und wird über den Tag verteilt in schwankenden Konzentrationen ausgeschüttet. Beim morgendlichen Aufwachen ist der Cortisolspiegel am höchsten, genau dann, wenn wir damit beginnen, Leistung abzurufen. Im weiteren Verlauf des Tages schüttet die Nebenniere immer weniger Cortisol aus, bis der Blutspiegel gegen Mitternacht auf das Minimum abgesunken ist. Die lebensnotwendigen Körperfunktionen gehen in den Ruhe- und Energiesparmodus und unser Körper kann mit Beginn der Schlafphase das Regenerationsprogramm aller Körperzellen starten.

Cortisol hilft dabei, schnell Energiereserven zur Verfügung zu stellen und unwichtige Prozesse im Körper zu dämpfen, um maximal leistungsfähig zu sein. Dafür wird das Immunsystem unterdrückt, Entzündungsreaktionen gehemmt und das Schmerzempfinden gedämpft. Es wird Glukose als Energielieferant bereitgestellt, die von den Muskeln und vom Gehirn für den Kampf oder die Flucht genutzt werden kann. Die Verdauung wird heruntergefahren, weil die Rettung des Lebens wichtiger ist, und der Sexualtrieb sinkt.

CORTISOL ODER CORTISON – WAS DENN NUN?

Cortison ist die inaktive Form des Cortisols. In der medikamentösen Therapie wird synthetisch hergestelltes Cortison zur Behandlung entzündlicher Prozesse im Körper eingesetzt, wo es in der Leber zum eigentlich wirksamen Cortisol umgewandelt wird. Bei der Einnahme von Cortison in hoher Dosierung kommt es, neben anderen Nebenwirkungen, auch zu typischen Stresssymptomen wie Herzklopfen, Unruhe, Schlafstörungen, erhöhtem Blutdruck und vermehrtem Schwitzen.

AUSWIRKUNGEN VON STRESS

Neben körperlichen Reaktionen auf Stress, die wir im Verlauf des Buches genauer anschauen wollen, reagieren wir auch mit unserem Verhalten und unserer Psyche. Die Auswirkungen sind sehr unterschiedlich. Auch Sie werden beobachtet haben, dass sich manche Menschen unter Stress eher erschöpft zurückziehen und immer stiller werden, während andere zu extremem Verhalten neigen.

Auswirkungen von Stress auf das Verhalten

Stress fordert uns bis an unsere Belastungsgrenze und zahlreiche körperliche Symptome dienen eigentlich dazu, uns genau diese aufzuzeigen und die Handbremse anzuziehen. Wäre da nicht der Kopf, der sich allerlei Dinge ausdenkt, um trotzdem weiterzumachen. Und irgendwann fällt auf, dass sich Reaktionsmuster eingeschlichen haben, die nicht gut sind.

Sehr verbreitet ist das … ich nenne es mal „Belohnungsmuster“. Sie haben einen stressigen Tag oder eine stressige Zeit hinter sich gebracht und belohnen sich mit etwas, was Ihnen Freude macht. Sie kaufen sich etwas Schönes, gehen gut Essen oder Ähnliches. Das macht ein gutes Gefühl, funktioniert aber nur bei kurzfristigem Stress und nicht auf Dauer. Bei länger anhaltendem Stress setzt eine andere Reaktionsweise ein, die darauf aufbaut. Zur Belohnung kommen Rituale, die schnell Entspannung bringen: die Zigarette, das Glas Wein, ein Cognac. Auch dies kann, moderat genossen, sehr zufrieden machen und ist sicher unbedenklich. Und trotzdem kann hier schleichend eine Grenze zum Unguten überschritten werden, denn es handelt sich um Genussmittel, die den Körper bei regelmäßigem Konsum schaden, bei diesen Beispielen sind es Lunge, Leber und Kreislauf, oder abhängig machen.

Kompensation mit Kaffee oder Alkohol ist nicht selten …

Manche Menschen können gar nicht mehr entspannen und stehen so unter Strom, dass sie zu riskantem Verhalten neigen: gefährliches und aggressives Fahrverhalten, sportliche Aktivitäten, die eigentlich ausgleichend wirken, aber auch einen Kick bringen sollen. Denn der Kick beim gefährlichen Überholen, bei übermäßiger körperlicher Belastung, beim Bungee-Springen, Rafting, Klettern etc. führt zur Ausschüttung von Glückshormonen (Seite 64), die kurzfristig entspannend und euphorisierend wirken. Eine weitere Motivation für dieses Verhalten ist auch immer wieder, dass Betroffene schildern, „sich gar nicht mehr zu spüren“.