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Wo der Tod lauert … Der Gartenkrimi „Moderholz“ von Berndt Schulz jetzt als eBook bei dotbooks. Max Horner, ehemaliger Kriminalhauptkommissar und passionierter Gärtner, verbringt seine Zeit mit Vorliebe im Frankfurter Bethmannpark. Doch als dort eines Tages eine Leiche im Teich treibt, ist es mit der erholsamen Idylle vorbei. Um seine Ruhe schnellstmöglich wiederzubekommen, stellt Horner selbst Nachforschungen an – und stößt unweigerlich auf die Parkgärtner, die allesamt entlassene Sträflinge sind. Aufgrund seiner jahrelangen Erfahrung weiß Horner jedoch, dass es nicht so einfach sein kann. Und je mehr Details er erfährt, desto mehr Rätsel gibt ihm dieser Fall auf … Jetzt als eBook kaufen und genießen: „Moderholz“ von Berndt Schulz. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
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Seitenzahl: 241
Über dieses Buch:
Max Horner, ehemaliger Kriminalhauptkommissar und passionierter Gärtner, verbringt seine Zeit mit Vorliebe im Frankfurter Bethmannpark. Doch als dort eines Tages eine Leiche im Teich treibt, ist es mit der erholsamen Idylle vorbei. Um seine Ruhe schnellstmöglich wiederzubekommen, stellt Horner selbst Nachforschungen an – und stößt unweigerlich auf die Parkgärtner, die allesamt entlassene Sträflinge sind. Aufgrund seiner jahrelangen Erfahrung weiß Horner jedoch, dass es nicht so einfach sein kann. Und je mehr Details er erfährt, desto mehr Rätsel gibt ihm dieser Fall auf …
Über den Autor:
Berndt Schulz wurde 1942 in Berlin geboren. Er veröffentlichte zahlreiche Kriminalromane und Sachbücher. Außerdem ist Schulz unter dem Pseudonym Mattias Gerwald als Autor historischer Romane erfolgreich. Er lebt in Nordhessen und Frankfurt am Main.
Bei dotbooks erscheint Berndt Schulz' Krimi-Reihe rund um Kriminalkommissar Martin Velsmann, die folgende Bände umfasst: »Novembermord: Martin Velsmann ermittelt – Der erste Fall« »Engelmord: Martin Velsmann ermittelt – Der zweite Fall« »Regenmord: Martin Velsmann ermittelt – Der dritte Fall« »Frühjahrsmord: Martin Velsmann ermittelt – Der vierte Fall« »Klostermord: Martin Velsmann ermittelt – Der fünfte Fall« Die ersten zwei Romanen der »Martin Velsmann«-Reihe sind auch als Sammelband unter dem Titel »Novembermord & Engelmord« erhältlich.
Außerdem erscheinen bei dotbooks Berndt Schulz' Kriminalroman »Wildwuchs«, der Roman »Eine Liebe im Krieg« sowie der Kinderkriminalroman »Das Geheimnis des Falkengottes«.
Ebenfalls bei dotbooks veröffentlicht Berndt Schulz unter dem Pseudonym Mattias Gerwald folgende Bände der »Tempelritter-Saga«:
»Die Suche nach Vineta«, »Das Grabtuch Christi«, »Der Kreuzzug der Kinder«, »Die Stunde der Gerechten«, »Die Säulen Salomons«, »Das Grab des Heiligen« Und die historischen Romane »Die Geliebte des Propheten«, »Das Geheimnis des Ketzers«, »Die Entdecker«, »Die Sternenburg«, »Die Gottkönigin«, »Die Gesandten des Kaisers« und »Die Hetzjagd«.
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eBook-Neuausgabe April 2017
Copyright © der Originalausgabe 2012 Sutton Verlag GmbH, Hochheimer Straße 59, 99094 Erfurt
Copyright © der Neuausgabe 2017 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von Bildmotiven von shutterstock/Martin Darley, 1000 Words, Noppanun, carroteater
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH
ISBN 978-3-95824-863-2
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Berndt Schulz
Moderholz
Kriminalroman
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Die vier Männer in den Höhen ließen Fäden aus sich herausgleiten, die zu Boden schwebten. Mit ihren wattierten Hosen, den roten und blauen Jacken, Sturzhelmen und dem Ohrenschutz wirkten sie wie überlebensgroße Insekten. Aus dem Leib des Obersten schien jetzt ein dickeres, grüngelbes Seil zu wachsen, es mündete unten in einem halb geöffneten Sack zwischen herabgefallenen, verfärbten Blättern. Er kletterte weiter. Von seinem breiten Bauchgürtel hingen Schlingen und Lederschlaufen, klappernde Steigeisen, Drähte und stählerne Karabinerhaken. Er trug sein Werkzeug, eine Handsäge im Halfter, Schlaufen für Schneider und Stichel, Laschen aus glänzendem Leichtmetall.
Der Mann krallte sich mit seinen behandschuhten Händen an die immer dünner werdenden Äste. Alles schwankte. In das fast mädchenhaft wirkende Gesicht des Mannes, dessen Lippen verdächtig rot und feucht schimmerten, zog ein anderer Ausdruck ein. War es Angst? Die Umstehenden auf der Straße, jenseits der Umfassungsmauer an der Friedberger Landstraße, konnten es nicht erkennen, aber sie mussten es befürchten. Für einen Moment schien es so, als verlöre der Mann seinen Halt, eine Geste der Müdigkeit. Dann fing er sich wieder. Er zog mit ausgreifenden Armbewegungen ein weiteres Seil zu sich empor, setzte sich in eine Schlinge, umfing den Starkast als wolle er ihn halten, vielleicht liebkosen, er legte seinen Kopf an das Holz. In sein weiches Gesicht, dessen breiter Mund sich soeben noch belustigt verzogen hatte, zog Blässe ein. Blonde lange Strähnen lagen wie ein Strahlenkranz um seine verschwitzte Stirn. Sein Blick hob sich wie verträumt. Über ihm war nicht mehr viel.
In zwanzig Metern Höhe suchte er mit Händen und Beinen Halt im Schwanken der Äste. Er saß jetzt sicher, gefangen in den Schlaufen seines Seiles wie in seinem eigenen Spinnennetz. Unten band ein Gehilfe eine Stielsäge an das Seil, er zog es empor. Wie ein Angler, der unter einem diesigen Himmel imaginäre Fische fangen will, fuhr er die Säge aus, streckte sie träge von seinem Körper weg, tastete nach einem Ziel, dann begann er damit, den entferntesten Ast zu bearbeiten. Das Sägen strengte ihn an, er öffnete seinen Mund, ließ in gespielter Erschöpfung seine Zunge heraushängen, atmete seufzend ein. Sechs Meter befallenes Holz, das Moderholz werden würde, fielen zu Boden.
Der Mann in der Höhe setzte nach einer kurzen Pause die Arbeit fort, die Sehnen an Hals und Armen spannten sich. Die Bewegungen gegenläufig, sie schüttelten ihn durch, er beobachtete, wie der Baum sich verhielt. Auch der Baum schüttelte sich, wie unter Schmerzen. Mit Getöse fielen weitere Äste und Zweige. Die anderen dirigierten unter ihm den Fall, hatten alles unter Kontrolle, auch die drei anderen Männer auf den umstehenden Bäumen. Sie führten ihre Sägen im Gleichtakt wie Wünschelruten. So wie er, der sein Werkzeug jetzt, wie um etwas zu zeigen, hinter seinem Rücken entlangführte, für einen Moment hing die Säge an ihrem Stiel kraftlos nach unten, er hatte nachgegeben. Dann hob er sie erneut, zurrte sie am Gelenk fest.
Unten begann ein anderer in roter Hose, aus einer schmutzigen Sacktasche mit Trageriemen Schnüre und Steigeisen zu ziehen. Er liebte es wagemutiger, obwohl er ermahnt worden war. Sein Helm saß schief auf kurzen, dunklen Haaren, er schlug darauf, seine randlose Brille verrutschte für einen Moment. Er bestieg eine ausfahrbare Leiter, die sich nun leise schnurrend emporschob, auch seine Bewegungen waren sicher, muskulös und langsam, dennoch wirkte sein Tun schlafwandlerisch, obwohl seine Gesten zielgerichtet waren. Für einen Moment, als wolle er der Schwerkraft spotten, stand er aufrecht auf dem Stamm des Baumes, der sich an der Gabelung verwachsen zur Seite neigte, er klammerte sich an den Zweigen fest, drückte sich langsam hinauf. Er knotete die Schnur um einen Astvorsprung, lockerte das Seil, zog es hinter sich her, suchte nach Halt, den er nur mühsam fand.
Wenn er abrutschte und stürzte, würde er tief fallen. Aber vielleicht nicht bis zum Boden. Er würde dicht über den Köpfen der Herumstehenden hängenbleiben, kopfunter, das Seil an den Füßen, wie ein Zirkusartist, das Bild eines Opfers.
Der Mann mit der roten Hose musste abbrechen, er rückte seine Brille zurecht, verließ seine Leiter, ließ sich jetzt von seinem Baum herabgleiten, der Flaschenzug seines Seiles trug ihn sicher hinunter, es ging langsam abwärts. Unten angekommen, legte er den Kopf in den Nacken, maß die Entfernung. Der Himmel öffnete sich in diesem Augenblick, Wolken und Nebel schwammen zur Seite, die Sonne trat hervor, es war, als würde ein Theatervorhang zur Seite gezogen.
Der in der allerhöchsten Baumkrone, dessen Säge ausgefahren war und immer noch länger wurde, hantierte jetzt mit seinen Seilen wie ein Reiter, der die Zügel bearbeitet, das Geäst schien sich nicht bewegen zu wollen. Er legte den Kopf in den Nacken, sein Blick ging nach oben ins Licht, als suchte er Hilfe, oder war er nur geblendet? Er war auf sich selbst angewiesen. Er taxierte den Baum, die Höhe, die Differenz zwischen Höhe und Gefahr. Als er seine Säge wie ein Gebiss in einen Ast schlug, verkeilte sie sich. Er zog und ruckte, rüttelte an den Griffen.
Unten, jenseits der Gartenmauer, hatte sich inzwischen, trotz der frühen Morgenstunde, eine stetig anwachsende Menschenmenge versammelt. Der Straßenverkehr in Richtung des nördlichen Frankfurter Umlandes war stärker geworden, etliche Autos hielten am Straßenrand. Jetzt sahen die Zuschauer, dass der Mann in der höchsten Baumkrone an der ausgefahrenen Griffstange eine Stahlschere befestigt hatte, der blonde Mann, dessen Haar ihm jetzt ins Gesicht fiel, wollte schneiden. Das Werkzeug hatte sich verfangen, er konnte die Scheren nicht bewegen, nicht durch den Zug der Schnur, die über flexible Rollen lief, nicht durch das Repetieren des Gelenks, an dem sich die scharfen Scherenhälften gegeneinander bewegten.
Er hielt inne, schaute zu seinen Kollegen in den anderen Bäumen. Er blieb länger als üblich in dieser ungewöhnlichen Haltung stehen. Er deutete nach oben, vollführte eine kreisende Bewegung, deutete eine seitwärts fallende Bewegung an. Besorgt blickten die anderen Männer zu ihm hinüber. Man verstand ihn nicht, fragte sich, was ihn bewegte. Jemand rief ihm etwas zu, dann wiederholte er es, bekam keine Antwort. Was geschah dort?
Im gleichen Moment begann der blonde Baumschneider zu schwanken. Als er mit den Armen um sich schlug und taumelte, löste sich ein Schrei aus vielen Kehlen, als wollte man damit ein Sprungtuch weben, das ihn auffing. Aber seine Hände lösten sich unaufhaltsam vom Starkgeäst, danach die in braunem, weichem Wildleder steckenden Füße. Er schien für einen langen Augenblick ohne jeden Halt weitermachen zu wollen.
Dann stürzte er hinunter.
Hauptkommissar a. D. Max Horner sah das Bild wieder und wieder vor sich. Vielleicht hätte er sich davon befreien können, denn er war trotz der unruhigen Nacht und seiner Träume klar im Kopf, aber die Vorstellung gefiel ihm eigentlich. Der Tod hat etwas Verlockendes, dachte er, er kommt auf uns zu, und wir bleiben stehen. Wir erwarten ihn.
Der Mann, der ihm in den Sinn gekommen war, hatte nach seiner langen Reise die Fallgrube übersehen. Er hatte Schluchten und Seen durchquert, war über ausgeblichenes Totholz und Felsen gestolpert. Auf einem Auge blind durch den fliegenden Sand des wüsten Landes und von den Funken auf den Vulkanen, zermürbt wegen der jahrelangen Strapazen, angsterfüllt und halb erfroren, überquerte er den Mauna Kea in Begleitung seines treuen Scotchterriers Billy. Er roch an den Blättern des Kalifornischen Lorbeers und bekam lang anhaltende, wütende Kopfschmerzen von den ätherischen Ölen. Er taumelte unter zickzackförmigen Blitzen am Himmel durch seine Nächte, erfüllt und zu Tode erschöpft. Am Morgen sah er die Gefahr nicht mehr und stürzte hinunter.
Max Horner stieg noch während der Fahrt ab, versuchte sein Fahrrad zu bändigen und parkte es neben den flachen, weißen Baracken rund um den gepflasterten Innenhof des Betriebshofes. Die vier Radständer des Bethmannparks waren noch verwaist. Sein Labrador hielt sich mit dem Ankommen nicht auf und rannte bereits durch den Parkeingang. Horner rief ihm hinterher:
»Mach dich klein, Wallander, du bist hier verboten.«
Der Pflanzenjäger … Unten, auf dem Grund der Fallgrube, hatte ein verletzter und vor Hunger rasender Stier auf den besessenen Forscher gewartet. Seinen aufgespießten und zertrampelten Körper und den seines Hundes fanden im Verlauf des nächsten Tages zwei Einheimische, die den Stier töteten.
Max Horner entknautschte seine Baskenmütze, er trug sie in der Jackentasche, jetzt suchte er ihr einen Platz auf seinem unordentlichen, weißen Haupthaar. Er hatte die Kopfbedeckung während der Fahrt verloren, eine plötzliche Windböe hatte sie ihm mitten auf der Kreuzung der Miquel-Adickes-Allee vom Kopf gerissen, schlingernd und fluchend war er zum Stehen gekommen, hatte das Fahrrad unbeholfen rückwärts bewegt, die Mütze aufgesammelt und sich schleunigst vor den heranrasenden und hupenden Pendlern aus dem Main-Taunus-Kreis in Sicherheit bringen müssen.
Horner blickte seinem Hund nach. Wallander drehte sich ungeduldig um, in seinen braunen, feuchten Augen leuchtete die Anziehungskraft, die der Park auf ihn ausübte. Machte er nicht sogar eine Kopfbewegung, die seinen Herrn zur Eile aufforderte? Horner antwortete mit einer Geste, die Wallander beschwichtigen sollte. Horner wusste nicht immer, ob Hund und Pensionär zusammenpassten.
Es geht schon, dachte Horner, er zog die Fahrradklammer von der Hose, schüttelte sein rechtes Bein aus, in dessen Kniegelenk plötzlich etwas hineinstach, und ging langsam den Hauptweg des Parks hinunter, in Richtung der duftenden Blumenteppiche und der Mauer des Chinesischen Gartens.
Heute schien der australische Flaschenputzer in seinen braunen Tontöpfen aufgebrochen zu sein, ein Nachzügler mit unvergleichlichem Geruch.
Horner entrichtete seinen Morgengruß an seinem Lieblingsbaum, strich mit der Hand über die dicke, korkige Borke des hell gemusterten Stammreliefs, legte den Kopf in den Nacken. Pseudotsuga menziesii. Horner fühlte seit dem Frühjahr eine Art Patenschaft zu diesem Baum. Die Magie der Douglasie wirkte auch dann auf ihn, wenn er schlecht gelaunt war. Als er eine der zentimeterlangen, dunkelgrünen Nadeln zwischen seinen Fingern zerrieb, roch sie nach Zitrusfrüchten.
Max Horner schnüffelte lange. Er genoss den fremden, kostbaren Duft, den auf den Ausfallstraßen vermutlich niemand kannte, vielleicht in der ganzen Stadt keiner.
Horner wusste, welche Geschichten sich dahinter verbargen, bis solche Exoten in den heimischen Parks kultiviert werden konnten, damit Leute wie er sie bewundern durften. Er beschäftigte sich seit fünf Jahren damit, es war ein Wunder. Mut und Opferbereitschaft, Strapazen und Lebensgefahren. Was war alles geschehen zwischen dem Sammeln von Samen in exotischen Ländern und dem Anblick dieser Riesen, der ihm hier beinahe täglich vergönnt war. Allein der verlotterte und rastlose Gordon Douglas, dem die barfüßigen Beine mehr als einmal ihren Dienst versagt hatten, hatte über zweihundert Arten eingeführt, Neophyten, die seitdem die Gärten Europas veränderten.
Horner behielt die duftende Nadel zwischen den Fingern. Es sind vor allem die großen Bäume im Park, an denen viele Besucher achtlos Vorbeigehen, dachte er, und doch verblassen dahinter unsere eigenen Lebensgeschichten.
Der Hain mit den knorrigen Eichen am hinteren Ende des Bethmannparks vor der Gartenmauer zur Friedberger Landstraße war mit rotweißen Bändern abgesperrt. Ein Schild warnte davor, den »Tatort« zu betreten. Horner bemerkte das erst jetzt. Er wollte es sich unverzüglich ansehen, kramte dann aber nur seine Brille aus dem Etui, setzte sie auf und blickte hinüber. Was war in seinem Park los? Vor den Eichen lagen Berge von abgeschnittenem Totholz. Gordon Douglas hatte zu seiner Zeit mit dem Gewehr Zweige von den höchsten Eichen heruntergeschossen, wenn er die obersten Blätter studieren wollte.
Horner versuchte, den Pflanzenjäger endlich aus seinem Kopf zu verbannen, er sah keinen der Gartenarbeiter, und auch den rührigen Pflanzendoktor nicht, der sonst allgegenwärtig war. Irgendetwas war heute anders. Er blieb unschlüssig, ob er sich damit beschäftigen sollte, bewegte sich aber weiter in Richtung des Eichenhains. Erst jetzt fiel ihm auf, dass heute Morgen sogar die Schachspielfläche verwaist war. Und unter der Pergola saßen nicht die Spieler mit dem Turniertick, auch keine Gewohnheitstrinker und nicht die Zeitungsleser aus den umliegenden Wohnblocks der dicht besiedelten Stadtviertel Nordend und Bornheim. Der Geruch des Parks kam ihm wie eine Woge dazwischen, er atmete ihn tief ein, genoss das alles, er fühlte sich wohl.
Was ging ihn dieser angebliche Tatort an!
Auch durch die Landschaftsfenster in der Mauer des Chinesischen Gartens war niemand zu sehen, mit dem er ein paar Worte wechseln konnte. Der Schmerz in seinem Knie war verschwunden, Horner kehrte um und ging an der Mauer entlang in Richtung des Chinesischen Gartens. Die Morgensonne blendete ihn. Es wurde schnell warm.
Max Horner spuckte seinen kalten Zigarettenstummel auf den Parkweg. Dann besann er sich und hob ihn wieder auf. Er blickte sich nach einem Abfallkorb um und entsorgte das stinkende Indiz seiner Sucht. Jetzt war ein Parkarbeiter im Hintergrund aufgetaucht, es war ein Junge namens Wulf, er blickte streng zu ihm herüber und stand schon mit Stielschaufel und Besen auf dem Sprung. Rauchfreier Park. Horner winkte ab und beruhigte ihn mit einem übertriebenen Lächeln. Dann suchte er sich eine freie Bank am Rand des Chinesischen Gartens. Der verbotene Wallander blieb in der Nähe.
Sein Kopfschmerz zwischen den Augen erinnerte Horner daran, wie er in der Nacht mehrmals aus Träumen aufgeschreckt war, die ihn in einen betörenden Rhododendronwald geschickt hatten, dann hatte er gegen klebrige Nadeln und Riesenzapfen der höchsten Tannenbäume gekämpft. Sein Hund, der in dieses Abenteuer nicht hineingezogen werden wollte, hatte ihn mit seiner rauen Zunge geweckt. Erst gegen Morgen war er noch einmal eingenickt.
Horners Gedanken kehrten zu dem Anblick zurück, den er am Parkeingang wahrgenommen hatte. Die Eichen. Das abgeschnittene Holz davor. Was für ein Tatort sollte das sein?
Horner erblickte jetzt drei Männer, die sich den Absperrungen näherten. Es waren die Hilfsgärtner, er kannte sie inzwischen alle mit Namen. Ein Polizist in Uniform folgte ihnen. Vor den Eichen blieben sie stehen und gestikulierten. Sie deuteten und blickten in die Baumkronen. Der Leiter des Pilotprojektes machte eine Handbewegung, als wollte er jemandem den Hals durchschneiden. Der Polizist legte ihm eine Hand auf die Schulter.
Max Horner blieb auf seiner Bank sitzen, obwohl ihn die Neugier gepackt hatte. Erst vor zwei Tagen hatte er mit Halland über den Zustand des Parks gesprochen.
Max Horner zog ein kleines, in eine Hülle aus Geschenkpapier eingeschlagenes Buch aus der Innentasche seiner Windjacke, ließ es aber auf den Knien liegen. Er beobachtete die Männer über die Ränder seiner Brille hinweg. Einer trat mehrmals gegen den Haufen mit den abgeschnittenen Ästen.
Plötzlich vibrierte Horners Handy. Er zog es heraus, es verfing sich im aufgerissenen Seidenfutter der Tasche. Horner fluchte politisch unkorrekt. Er meldete sich, nachdem er die Rufnummer identifiziert hatte. Eine helle Frauenstimme sagte: »Kann ich schon heute kommen?«
»Anica?«
»Kann ich schon heute kommen? Mein Betreuer hat sich plötzlich angemeldet, dann kann ich schlecht weg.«
Horner überlegte. Es passte ihm gar nicht. Warum kannst du dich nie an unsere Absprachen halten, dachte er. Dann sagte er freundlicher:
»Wann wollen Sie denn kommen?«
»Jetzt gleich.«
»Ich bin gerade erst im Park angekommen. Geben Sie mir drei Stunden.«
»Aber das ist so spät, wie soll ich das schaffen, ich …«
»Anica, schubsen Sie mich nicht rum.«
»Was meinen Sie?«
»Versauen sie einem Pensionär nicht seinen wohlverdienten Vormittag.«
Ein Seufzen. »Wie immer um eins also?«
»Mit ein paar Minuten Spielraum.«
Die Gartenarbeiter begannen wie in einem stummen Ballett, die Berge von Zweigen und Ästen zu umkreisen. Der Uniformierte ging zur Seite, holte ein Handy aus der Jacke und sprach hinein. Der Leiter des Resozialisierungsprojektes mit den Hilfsgärtnern, ein Mann namens Gerd Halland, so stämmig wie eine Platanus occidentalis, gab Anweisungen. Jetzt starrte er zu Horner herüber, sie nickten sich zu, er lächelte nicht, aber das tat er selten. Horner nahm sich vor zu warten bis der Polizist weg war, bevor er Gerd Halland fragte, was eigentlich los war.
Er schlug sein Buch auf. Ernest Wilson, Chinesisches Verwirrspiel. Mit Zeichnungen von der Hand des Pflanzenjägers.
Aber er konnte sich nicht konzentrieren. Heute Morgen war wirklich alles ein bisschen anders als gewohnt. Sogar Wallander gab keine Ruhe, hechelte, als wäre es noch immer Hochsommer, und tigerte unruhig auf den Kieswegen herum.
»Platz«, sagte Horner. Der Hund gehorchte nicht. »Platz«, befahl Horner noch einmal. Der Labrador drehte sich in seine Richtung, warf ihm mit schief gelegtem Kopf einen ironischen Blick zu und trippelte in Richtung des Eichenhains davon. Dann setzte er sich auf ein Rasenstück.
Hauptkommissar a. D. Max Horner schlug sein Buch wieder zu, stand auf und ging tiefer in den ummauerten Chinesischen Garten hinein, in den immerwährenden Frühlingsgarten. Er wusste, sein Hund würde ihm folgen, er liebte es, in den Teich mit den Seerosen zu starren, in dem sich der Wasserpavillon spiegelte.
Horner wählte eine Bank im Steingarten. Jetzt folgte ihm Wallander und nahm seinen Platz ein. Na also, dachte Horner und übersah den Hund geflissentlich. Er beugte sich vor, sah aber die Männer am Eichenhain nicht mehr. Er beschloss, sie für den Rest des Vormittags zu ignorieren.
Allmählich erreichte er seine Stufe der Behaglichkeit. Die nächsten Stunden konnten angenehm vorüberschlurfen. Es war still, daran änderten auch nichts die hin und wieder niedrig fliegenden Flugzeuge, und auch nicht die vielen Landschaftsfenster in der weißen Mauer, durch die der restliche Park eindrang. Lag es am Wasserfall, dass der Lärm hier im Herzen der Stadt draußen blieb? Oder lag es an der Marmorbrücke, deren Zickzack- Form die bösen Geister des Getöses und des Unfriedens abhalten sollte, weil Geister nur geradeaus gehen konnten? So hatte Gerd Halland es ihm erklärt. Der Mann kannte sich in diesen Dingen aus.
Horner schlug erneut sein Buch auf.
Schon die erste Seite nahm ihn gefangen. Die Reise zur Mündung des Columbia auf der Grenze zwischen Washington und Oregon dauerte entsetzliche achteinhalb Monate …
Horner versuchte, sich vorzustellen, was er las.
Entsetzliche achteinhalb Monate …
Ihm genügte manchmal ein einziger Tag, um völlig zu verzweifeln.
Dann halfen nur der Besuch des Grabes und das stumme Gespräch mit Terttu. Manchmal halfen auch die Dinge in seiner Werkstatt. Diese lange Reihe unbeweglicher Gegenstände, die auf ihn warteten, alle an ihrem Platz, zu jeder Zeit.
Wallander begann endlich damit, in den Teich zu starren.
Der Duft von exotischen Lilien und von Seerosen.
Fast absolute Stille.
Kein Mensch.
Max Horner versank in seiner Lektüre.
Um halb eins tauchte er wieder daraus auf. Er hatte in der Fantasie Tausende von Kilometern zurückgelegt. Aber jetzt wartete seine slowenische Putzfrau in Ginnheim.
Horner legte das rote Lesezeichen der Buchhandlung »Carolus« in der Liebfrauenstraße in das Buch, klappte es zu und erhob sich. Er schnalzte in Wallanders Richtung und ging zu seinem Fahrrad.
Er klemmte den Stoff seines ausgebeulten Beinkleides aus dünnem, hellbraunem Cordstoff wieder mit der Hosenklammer zusammen. Seit einigen Tagen ein Ritual. Wallander setzte sich sofort in Trab wie eine Elchkuh.
Max Horner blickte hinüber zu den Absperrungen. Dort tat sich nichts mehr. Auch der Betriebshof des Parks lag verwaist im Sonnenlicht. Die Gartenarbeiter waren nicht zu sehen.
Unter den Zeugen des Absturzes hatte sich auch Gerd Halland befunden. Er hatte der Kolonne der Baumschneider den Auftrag erteilt. Hallands Gesicht, ohnehin von harten Linien gezeichnet, versperrte sich beim Anblick des Tatortes. Er schüttelte immer wieder den kahlgeschorenen, braungebrannten Kopf. Das hatte einfach nicht passieren dürfen! Nicht gerade jetzt, wo die Öffentlichkeit argwöhnischer denn je auf sie blickte. Nicht gerade jetzt, wo Jens Brandstätter eintraf. Aber natürlich gab es niemals einen geeigneten Zeitpunkt für den Absturz eines Baumschneiders aus höchsten Höhen.
Zum Glück war der nicht ernsthaft verletzt worden, das hatten die Sanitäter gleich bestätigt, bevor sie ihn abtransportierten. Er war dicht über dem Erdboden in seinen Sicherungsseilen hängengeblieben. Aber was würde nun nicht alles spekuliert werden! Was war los im Bethmannpark? Man würde nicht dem Chefgärtner die Schuld geben, dem »Pflanzendoktor« Kalli Bender, zu dem alle gern mit ihren »Patienten« kamen, mit dem verdorrten Kaktus, dem kränkelnden Hortensientopf, der eigensinnigen Zuchtrose, um seine »ärztliche« Hilfe in Anspruch zu nehmen. Sondern allein ihm, der die Hilfsgärtner des Resozialisierungsprojektes für Strafentlassene befehligte, gab man die Schuld, wenn etwas schiefging. Er, Gerd Halland, war zwar nicht verantwortlich, denn er arbeitete nur Benders Einsatzpläne ab, aber er fühlte sich verantwortlich. Für alle Gehölze, für sein Team und für das Drumherum.
Vor allem war er für das Totholz verantwortlich. Er wusste, auch Totholz war ein Lebensraum. Man durfte es nicht einfach nur beseitigen. Es gab Gärtner, die den Totholzstapel wie ein Staudenbeet regelmäßig gossen, damit sich Pilze bildeten. Wer sie unter Kontrolle behielt, kommandierte eine Armee von Zersetzern im Garten, die Gift überflüssig machten. Eine Armee von natürlichen Polizisten, die mit dem Abfall aufräumten. Halland gab sich alle Mühe, diese Armee zu befehligen. Er war stolz auf sein Wissen, das er sich ganz allein angeeignet hatte.
Gerd Halland versuchte, der Bitterkeit Herr zu werden, die ihn wie eine Hitzewelle überfiel und die er nicht unterdrücken konnte. Er stapfte die Parkwege entlang. Sie waren bereits geharkt, aber er bemerkte argwöhnisch, dass die beiden Gehilfen schlampig gearbeitet hatten. Wieder einmal. Unkraut spross ungeniert an den Rändern der Blumenrabatten.
Wo waren die beiden Kerls eigentlich! Er rief, so laut er konnte, zum Betriebshof hinüber.
»Hilbert, Subotnik, wo steckt ihr!«
Sofort stürzten sie heraus. Hilbert auf krummen Fußballerbeinen, flink, durstig wie ein Frettchen, der dunkle Subotnik mit dem Phlegma eines Jungen, der sich gern im Spiegel sieht und sich oft kämmt.
»Es ist nach eins! Macht eure Arbeit!«
»Chef, wir haben Mittagspause! Es ist alles …«
»Red nicht herum. Horst, was ist mit dem Unkraut in den Rabatten los? Und du, Marco, kümmere dich endlich um die Wege im Baumgarten! Sie machen uns allen zusammen die Hölle heiß, wenn wir nicht ordentlich arbeiten! Sie lauern doch schon hinter den Hecken!«
»Wie meinen Sie das, Chef?«
»Ihr werdet jedenfalls nicht fürs Reden bezahlt!«
»Ja, Chef!«
Die beiden Hilfsgärtner blickten verunsichert zu Boden. Horst Subotnik, 28 Jahre, Kleinkrimineller, Marco Hilbert, 36 Jahre, ehemaliger Fixer, nicht vorbestraft. Halland lachte bitter auf. Er sah förmlich, wie der Garten sich angewidert schüttelte vor solchen Gärtnern. Aber sie mussten es packen. Er würde die beiden schon formen. Um den dritten, den Jungen, machte er sich keine Sorgen, Wulf tat immer mehr, als er eigentlich musste, er machte es freiwillig, besaß die Liebe zu allem, was im Garten wuchs – wie Halland selbst. Mit ihm zusammen würde er der Frankfurter Öffentlichkeit beweisen, was mit Hingabe und einem Gespür für Pflanzen zu schaffen war, wenn kein Geld für Fachkräfte da war. Sie würden beweisen, dass Hilfsgärtner den schönsten Park in Frankfurt in Schuss halten konnten!
In Hallands Kopf wirbelte ein Insektenschwarm. Die beiden Hilfsgärtner standen noch immer da und sahen ihn vorsichtig an.
»Nun bewegt euch schon, ihr beiden! Nachmittags will ich Resultate sehen! Am Abend wie immer Rapport!«
Allmählich beruhigte er sich. Es waren seine Leute. Letztlich wollte er keine anderen. Er war für sie verantwortlich. Und, weiß Gott, er würde sich um sie kümmern!
Gerd Halland blickte auf die Armbanduhr und setzte seine Runde durch den Park fort. Er machte an der östlichen Mauer des Bethmannparks Halt, hinter der die hochlebendige Berger Straße begann, die ihre Anwohner jeden Tag in Scharen in den Park spuckte. Heute hielt sich alles in Grenzen. Halland sah nur eine Handvoll Zeitungsleserinnen, die üblichen Obdachlosen auf ihren angestammten Bänken am Rande, den ewig Schreibenden in seinem roten Sommerhemd unter den Platanen, noch keine Mütter mit Kindern hinter der grünen Absperrung des Spielplatzes. Auch das Freiflächenschach war noch verwaist.
Halland spürte so etwas wie Besitzerstolz. Es ist mein Park, dachte er, und es ist ihr Park, der Besucherpark, er ist für sie gemacht, und deshalb besitzt er so viele lauschige Ecken, Inseln der Geborgenheit. Er sah erneut zu den Polizeiabsperrungen hinüber. Horner, der alte Stöberhund, hatte den Park Gott sei Dank wieder verlassen, an diesem Tag wollte er nicht mit ihm sprechen. Obwohl der alte Bulle ihm sympathisch war. Horner besaß eine Tugend. Er war nicht eingebildet. Man konnte in seiner Gegenwart den Mund aufmachen, ohne dass er sofort reinpinkelte, für einen Bullen eine feine Leistung.
Halland blieb unschlüssig stehen. Er hatte noch eine halbe Stunde Zeit, bis Jens Brandstätter eintraf. Der Neue. Der Weggefährte. Mit ihm würde das Gärtnerteam komplett sein. Halland hoffte es wenigstens – dass auch Jens einen grünen Daumen besaß, dass er ein Gespür entwickeln konnte für die Pflanzen und Gehölze. Dass er sich einpassen konnte in die gemeinsame Aufgabe. Gartenarbeit heilt, dachte Halland, mit gutem Gerät und Liebe zur Natur kann man viel wiedergutmachen. Vier Leute, die es nötig hatten, Brandstätter, Subotnik, Hilbert und Wulf Hildebrandt. Wirkliche Gartenliebhaber verschmelzen mit ihrem Garten, dachte Halland, aber das kann ich von ihnen nicht erwarten. Gärtnerarbeit kann aber auch aus harten Jungs, die sich nicht unterordnen können, passable Zeitgenossen machen.
Halland freute sich auf Jens. Damals war Jens Brandstätter sein Freund gewesen. Halland ließ ihre gemeinsame Zeit im Geiste Revue passieren, alles, was passiert war. Für eine kurze Zeit in der gemeinsamen Zelle hatten sie beide geglaubt, nach der Entlassung könnten sie die Welt umkrempeln.
Deshalb hatte er ihn jetzt geholt.
Gerd Halland beschlich plötzlich das Gefühl, es könnte ein Fehler gewesen sein. Der Knast zeigt einen Menschen nicht, wie er wirklich ist. Da drinnen hält jeder den Atem an.
Ach was! Er riss sich zusammen. Auch Jens braucht seine Chance! Ich werde ihn schon an die Kandare nehmen. Wenn er diesen Garten sieht, wird er weich werden.
Gleich würde er kommen, wahrscheinlich auf dem Motorrad. Wenn er inzwischen Pünktlichkeit gelernt hatte! Halland setzte seinen Strohhut auf, ordnete seine Arbeitskleidung. Sein linker Arm juckte plötzlich stark, dort, wo das Tattoo saß. Er kratzte sich.
Man würde ja sehen.
Gleich nachdem die junge, slowenische Putzfrau Anica das Haus in Ginnheim betreten und Horner sie in ihre Aufgaben eingewiesen hatte, nahm er sich Messer, Korb und Gärtnerschürze und ging hinüber in seinen Schrebergarten, der sich ein paar hundert Meter von seinem Haus entfernt auf den Niddawiesen befand. Die Gartenkolonie »Am Mühlengarten« war an diesem Mittag wie ausgestorben.
Horner sah sich um. Er verwendete zum Kochen nur die Zutaten aus seinem eigenen kleinen Paradies, er wollte alles unter Kontrolle haben. Deshalb beschränkten sich seine Kochversuche im Wesentlichen auf die Zeit zwischen Mai und Oktober. Heute dachte er an eine Ginnheimer Gemüsesuppe. Mal sehen, dachte er, was ich dafür mitnehmen kann.
Porree hatte er als winterfeste Zwiebelart angebaut. Die hartnäckige Lauchmotte bekämpfte er mit einem Kulturschutznetz.