Moderne Erzählformate - Marc Lutz - E-Book

Moderne Erzählformate E-Book

Marc Lutz

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Beschreibung

Für den modernen Medienmarkt spielen Geschichtswelten, IPs (Intellectual Properties), lineare und nicht-lineare Formate und formatoffene Erzählungen eine immer größere Rolle. Was sind die Vorteile einer Geschichtswelt und wie wird sie aufgebaut? Wie gelangt man von der Geschichtswelt in mediale Erzähl- und Spieleformate? Marc Lutz beantwortet diese Fragen zu modernen Erzählformaten in seinem Buch und erklärt, wie man mit Worldbuilding Geschichten und IPs konzipiert. Dabei zeigt er zunächst die Vorteile und Chancen der formatoffenen Konzeption mit einer Geschichtswelt auf. Anschließend erklärt er Schritt für Schritt den Aufbau einer Storyworld mit Worldbuilding. Angefangen bei kompakten Welten für die Entwicklung von Mini-Serien oder Games über umfangreiche Welten, deren Mythologien und die Figurenentwicklung bis hin zum fertigen Plot. Den Abschluss bildet ein Kapitel über passende Erzählformate. Ein Buch für alle, die mit Worldbuilding im heutigen Medienmarkt erfolgreich Geschichten und IPs konzipieren wollen.

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EPUB
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Seitenzahl: 331

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Marc Lutz

Moderne Erzählformate

Die Entwicklung von Geschichten und IPs mit Worldbuilding

UVK Verlag · München

Umschlagabbildung: © iStock/Mihaela Rosu

Abbildungen: Abb. 5: © Carole Raddato, Frankfurt, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=37881322

Abbildung 6: Tierkreis: © iStock/Evheniia Vasylenko;

Abbildung 7: Christliches Kreuz, keltisches Kreuz, Ankh: © iStock/Aaltazar;

Abbildung 8: Monstranz: © shutterstock/godongphoto

 

DOI: https://doi.org/10.36198/9783838562049

 

© UVK Verlag 2024— Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KGDischingerweg 5 • D-72070 Tübingen

 

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich.

 

Internet: www.narr.deeMail: [email protected]

 

Einbandgestaltung: siegel konzeption | gestaltung

 

utb-Nr. 6204

ISBN 978-3-8252-6204-4 (Print)

ISBN 978-3-8463-6204-4 (ePub)

Inhalt

Vorwort1 Einleitung: Worldbuilding und der Nutzen für Medienschaffende2 Vom Format- zum Weltendenken2.1 Communities: Der Wert einer Geschichtswelt und das automatische Publikum2.2 Der ökonomische Aspekt: Formatbusiness vs. IP-/Weltenbusiness2.3 Vorteile von Geschichtswelten2.4 Was kann alles eine Welt sein?3 Die Bausteine des Worldbuildings3.1 Das Fundament der Welt: Die Verdichtung auf einen kraftvollen Kern3.1.1 Die Motivation der Schöpfer und die Botschaft der Welt3.1.2 Das Thema der Welt3.1.3 Die Leitfrage der Welt3.1.4 Die Weltenprämisse3.1.5 Der Blickwinkel3.1.6 Reflektive Fragen: Das Spannungsfeld zwischen primärer und sekundärer Welt3.2 Der Samen der Welt: Die vier Bausteine als Grundlage für Plots3.2.1 Gruppierungen, Kulturen und deren Mythologien3.2.2 Die kleinste Einheit der Welt: Die Figur3.2.3 Handlungsorte und Lebenswelten mit ihren Regeln/Gameplay-Elementen3.2.4 Konflikte und Fragen3.3 Das kleine Worldbuilding4 Mythologie: Die unsichtbare Zutat einer Welt4.1 Mythologien für Weltenbauer4.2 Jesus der Christus4.3 Solare Mythologie4.4 Die vier Funktionen von Mythologien4.5 Die Beziehung eines Volkes zu seiner Mythologie oder: warum wir Pyramiden bauen4.6 Metaphorische und literarische Lesung mythologischer Geschichten4.7 Weltuntergangsmythologien4.8 Gründungsmythologien und Ursprungserzählungen4.9 Rituale – Lebendige Mythologie4.10 Ausdruck der Beziehung von Gruppierungen zu Mythologien: Gebete, Schwüre, Gelübte und Verse4.11 Die Rolle von Verboten in mythologischen Geschichten4.12 Die Muttersprache der Mythologie: Die Idee der Transzendenz4.13 Die verschiedenen Gottesvorstellungen und Gottesbeziehungen für den Aufbau von Religionen und (Schöpfungs-) Mythologien✻ Die Bibel als wertvollste Geschichtswelt der Erde und ihre linearen und interaktiven Formate5 Aufbaustrategien eines Worldbuildings5.1 Entwicklung von Welt und Format5.2 Rethink, transform, extend5.2.1 Rethink: Formate neu denken5.2.2 Transform: Geschichtswelten aus bestehenden Formaten ableiten und erweitern5.2.3 Extend: Bestehende Formate erweitern, um neue Rezipienten zu erreichen5.2.4 Eine Frage der Perspektive: Der Unterschied zwischen der Entwicklung einer Serie und einem Worldbuilding5.2.5 Innovation und Konsistenz5.3 Formatbibeln5.3.1 Die Weltenbibel5.3.2 Die Formatbibel5.3.3 Die IP-Bible5.4 Die Bausteine zusammensetzen5.4.1 Das kleine Worldbuilding5.4.2 Das erweiterte Worldbuilding5.5 Reverse-Building: Vom Format in die Geschichtswelt5.5.1 Frankenstein abgeleitet: Ein Fundament aus der Prämisse abgeleitet5.5.2 Das autorische Beziehungsdreieck6 Vom Worldbuilding ins Storybuilding6.1 Inhalt und Format – Konstante und Variable6.2 Der Formatkompass6.3 Storytelling heute – Moderne Storytelling-Formate6.4 Aufbau von FormatarchitekturenEpilogLiteraturverzeichnisRegisterFilme und Filmprojekte

Marc Lutz lehrt u. a. an der Filmakademie Baden-Württemberg, an der Hochschule Darmstadt und an der Fachhochschule Graubünden mit den Schwerpunkten Worldbuilding und formatoffene Erzählung von Geschichten sowie Storytelling im kurzen Erzählformat. Er leitet das Major „Branded Motion“ an der Fachhochschule Graubünden in Chur und Bern. Außerdem ist er Storymentor für das Migros Kultur Prozent Story Lab.

Für meine Studierendenvon Herzen.

Ihr habt meinen menschlichen und kulturellen Horizont erweitert.Ich habe viel mit und durch Euch lernen dürfen. Danke für den Austausch, das Wachstum und die Inspiration.

Dank

 

Mein Dank für die fachliche Betreuung geht an Prof. Georg Struck. Außerdem danke ich H. J. Dränert für die Geduld, den Glauben und die Lebensrettung, Heidi Boner-Schilling und Marie-Therese Mäder für das Mythologie-Mentoring, Inga von Staden für das Open-Minding und die guten Ideen, Axel Melzener und Markus Röthl für die fachlichen Tipps, Lidia Pirola für die wertvollen Inputs, Lukas Eckart für die Perspektive der Spieleentwickler und Sandra Bollenbacher für das erste Lektorat.

Download | Unter https://files.narr.digital/9783825262044/Zusatzmaterial.zip steht Ihnen die Worldbible sowie die Plot- und Formatidee zum Hades-Beispiel zur Verfügung. Außerdem finden Sie dort ein Beispiel für eine Figurenentwicklung. Daneben ist unter https://files.narr.digital/9783825262044/QR_liste.pdf eine Liste der Links aus dem Buch zu finden.

Für den praktischen Teil des Buches gibt es online eine Vorlage zum Aufbau einer eigenen Geschichtswelt. Die Worldbuilding-Vorlage findet sich unter http://www.miro.com/miroverse (Suchbegriff „Worldbuilding). Sie lässt sich auch direkt über die Suchbegriffe „miroverse worldbuilding canvas marc lutz“ finden. Es gibt eine englische und eine deutsche Version. Beide sind auch in der kostenlosen Version vollumfänglich nutzbar. Lediglich für den Download des Boards in hoher Auflösung benötigt man eine Vollversion. Für Studierende ist die Vollversion kostenlos (Stand August 2024).

Vorwort

Das Thema Worldbuilding war für mich als Autor und Regisseur filmischer Formate anfangs uninteressant, weil ich ganz klassisch in meinen gelernten Medienformaten, dem Kurzfilm, Werbefilm und Imagefilm, zu Hause war. Doch durch das Internet und die ständig neuen interaktiven und linearen Formate beschäftigte ich mich plötzlich mit digitalen Gamingformaten, VR/AR-Anwendungen, dem Storytelling und Storyliving in virtuellen Welten und der Frage, wie man Geschichten dafür konzipieren kann, ohne dabei an ein Format gebunden zu sein. Und hier kam für mich das Worldbuilding ins Spiel, um Geschichten ohne ein Fomatkorsett entwickeln zu können.

 

Die ersten Berührungspunkte und Workshops mit dem Thema Worldbuilding waren für mich ernüchternd. Ich erlebte Worldbuilding als hauptsächlich designbezogen oder perspektivisch so offen, dass man nach einem langen Entwicklungsprozess daraus nur schwer Narrationen generieren konnte oder die Welten im Aufbau inkonsistent zerfielen. Man konnte stundenlang über Sinn und Nutzen neuer Elemente der Welten diskutieren, weil sie kein inhaltliches „Fundament“, keinen narrativen „Weltenkompass“, hatten, von dem ausgehend man sich orientieren konnte. Manche Weltenbauer haben während des Design-Prozesses versucht, ihrer Welt ein narratives Fundament zu geben. Das kam aber meist zu spät und endete in Inkonsistenzen zwischen bestehendem Weltenbau und neuem Fundament.

 

Ich war auf der Suche nach einem ökonomischen Weltenbau, der auf einem starken, narrativen Fundament basiert, um so ein reichhaltiges Arsenal an spannenden Fragen, Konflikten, Plots und Figuren zu haben, die viel Potential für die Entwicklung von linearen und interaktiven Geschichten jeglicher Form bieten. Sei es für fiktive oder nicht-fiktive Projekte.

Beim Lesen diverser Bücher zum Thema Worldbuilding erhielt ich interessante Einblicke und ein gutes, theoretisches Fundament, aber ich war dadurch nicht fähiger, beispielsweise ein eigenes Worldbuilding aufzubauen. Was mir an der theoretischen Literatur gefehlt hat, war ein praktischer Handwerkskoffer, wie man die Theorie des Weltenbauens anhand eines eigenen Projektes in die Praxis umsetzen kann.

 

Und so entwickelte ich einen Prozess zum Aufbauen von Geschichtswelten, der auf ein verdichtetes, narratives Fundament setzt und den ich in diesem Buch vorstellen möchte.

Der Schwerpunkt bei diesem Worldbuilding liegt somit nicht auf dem Designen von Welten, sondern im Schöpfen reichhaltiger Plots aus der Welt für lineare, interaktive, transmediale Storytelling- und Storyliving-Formate.

Daraus kann man die Bausteine einer Geschichte ohne ein dazugehöriges Erzählformat entwickeln und somit formatoffen und multiperspektivisch arbeiteten. Denn Worldbuilding ist das, was unter einer Geschichte liegt. Es ist das narrative Spannungsfeld, in dem sich die Geschichte kraftvoll entfalten kann.

Das Buch richtet sich an gleichermaßen an Medienstudierende und Berufseinsteiger wie an Medienprofis, die die Denkweise und das Handwerk des Weltenbauens für sich entdecken und dessen Vorteile nutzen wollen. Seien es Roman- und Drehbuchautoren, Spieleentwickler, Graphic-Novel-Designer, Werbende oder Medien-Produzierende und Distributoren.

 

Das im Buch vorgestellte Handwerk soll Medienschaffenden das Werkzeug an die Hand geben, selbst ein Worldbuilding und daraus die passenden Formate und Formatarchitekturen ableiten zu können. Und das nicht nur heute, sondern in einem sich ständig verändernden Medienmarkt, weil man sich mit diesen handwerklichen Grundlagen flexibel an neue lineare und interaktive Erzählformate im medialen Zeitgeist anpassen kann.

Ein Buch, das mir als handwerkliche Grundlage geholfen hat, ist Building imaginary Worlds von Mark J.P. Wolf, das ich hier als Ergänzung empfehlen möchte.

 

Da dieses Buch beim Worldbuilding den Schwerpunkt auf dem Erzählen von Geschichten setzt, wird, neben dem Aufbau der Welt, auch der Weg in den Plot behandelt. Somit begegnet man in diesem Buch auch narrativen Elementen aus dem Storybuilding. Allerdings werden sie im Worldbuilding formatoffen und multiperspektivisch behandelt.

Der Aufbau des Buches

Der Beginn des Buches (Kapitel 2) öffnet das Prinzip der Konzeption vom Format- hin zum Weltendenken und erklärt die heutigen, marktpolitischen Aspekte anhand einiger Beispiele. Außerdem behandelt es die Grundlagen für das Entwickeln von Geschichtswelten.

Im Anschluss (Kapitel 3 bis 6) folgt der Praxisteil mit einem Leitfaden zum Aufbau eigener Geschichtswelten und mit dem Schwerpunkt auf Storytelling und Figurenentwicklung. Dabei gibt es generell zwei unterschiedliche Aufbauprozesse: das erweiterte Worldbuilding und das kleine Worldbuilding. Den Unterschied erkläre ich später im Buch. Ein Kapitel behandelt Mythologie für Weltenbauer als das unsichtbare Fundament einer Welt und das letzte Kapitel geht auf mögliche Formatstrategien ein, um von der Welt in die passenden linearen, interaktiven oder transmedialen Formate zu kommen.

Hinweise | Um den Lesefluss aufrechtzuerhalten verzichte ich auf die Einhaltung von Genderregeln. Ich wünsche mir, dass jeder Mensch seine Bedürfnisse in Freiheit ausleben kann, solange es anderen Menschen nicht schadet. Alle Menschen verdienen Respekt, unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Religion oder sexueller Orientierung.

Spätestens im Praxisteil verwende ich die direkte, persönliche Ansprache. Für mich hat es sich beim Schreiben falsch angefühlt im Neutrum zu schreiben, wenn es im Praxisteil um das Anwenden kreativer Prozesse geht.

Der Einfachheit halber werde ich im Buch oftmals von Medienschaffenden sprechen und beziehe mich dabei auf sämtliche Berufsbilder, wie beispielsweise Roman- oder Drehbuchautoren, Spieleentwickler, Graphic-Novel-Designer, Produzenten oder Distributoren.

Wenn ich von Geschichten spreche, beziehe ich mich, neben den linearen Erzählformaten, auch auf interaktive Formate wie beispielsweise Spiele oder transmediale Formatarchitekturen.

1Einleitung: Worldbuilding und der Nutzen für Medienschaffende

„Eine Welt benötigt keine Geschichte, aber eine Geschichte benötigt eine Welt.“

Mark J. P. Wolf

Netflix, Amazon Prime Video, Disney+ oder Steam – moderne Mediendistributoren suchen Geschichtswelten/IPs (Intellectual Properties) und deren Communitites, für die sie passende Inhalte produzieren können. Ob Filme, Serien, Spiele, Prequels, Sequels oder Spin-offs – der moderne Medienmarkt hat sich weg vom Formatgeschäft hin zum IP-/Weltengeschäft entwickelt. So wie es ein erfahrener Autor zu Mark J. P. Wolf gesagt hat:

„Als ich anfing, hat man eine Geschichte gepitcht, weil man ohne eine gute Geschichte keinen guten Film hatte. Später, als Fortsetzungen aufkamen, pitchte man eine Figur, weil eine gute Figur mehrere Geschichten ermöglicht. Und jetzt pitcht man eine Welt, weil eine Welt mehrere Geschichten über mehrere Medien hinweg ermöglicht.”1

Entsprechend sehen auch die Listen der erfolgreichsten Filme und Spiele, Comics und Graphic Novels aus. Dort finden sich fast ausschließlich Projekte, die in sekundären Welten spielen, Sequels, Prequels oder Spin-offs sind oder eine große Community haben.

Rank

Film

basierend auf

1

Avatar: The Way of Water

IP

2

Top Gun: Maverick

Sequel

3

Jurassic World Dominion

IP

4

Doctor Strange in the Multiverse of Madness

IP

5

Minions: The Rise of Gru

IP

6

Black Panther: Wakanda Forever

IP

7

The Batman

IP

8

Thor: Love and Thunder

IP

9

Water Gate Bridge

Sequel

10

Puss in Boots: The Last Wish

IP

11

Moon Man

IP

12

Fantastic Beasts: The Secrets of Dumbledore

IP

13

Uncharted

IP

14

Sonic the Hedgehog 2

IP

15

Black Adam

IP

16

Elvis

Pop-Ikone, Community

17

The Bad Guys

IP

18

Bullet Train

Buch

19

Lightyear

IP

20

Smile

-.-

Tabelle 1 |

Die 20 erfolgreichsten Kinofilme aus dem Jahr 2022 und worauf deren Geschichte basiert2

Rank

Spieletitel

basierend auf

1

Call Of Duty: Modern Warfare II

IP

2

Elden Ring

IP

3

Madden NFL 23

IP

4

God Of War: Ragnarök

IP

5

LEGO Star Wars: The Skywalker Saga

IP

6

Pokémon: Scarlet/Violet

IP

7

FIFA 23

IP

8

Pokémon Legends: Arceus

IP

9

Horizon II: Forbidden West

IP

10

MLB: The Show 22

IP

11

Mario Kart 8

IP

12

Call Of Duty: Vanguard

IP

13

Gran Turismo 7

IP

14

Kirby and the Forgotten Land

IP

15

NBA 2K23

IP

16

Sonic Frontiers

IP

17

Gotham Knights

IP

18

Minecraft

IP

19

Nintendo Switch Sports

IP

20

Super Smash Bros. Ultimate

IP

Tabelle 2 |

Die 20 erfolgreichsten Games aus dem Jahr 2022 und worauf deren Welt basiert3

Rank

Titel

basierend auf

1

Batman Spawn #1 (One-Shot)

IP

2

Miles Morales Spider-Man #1

IP

3

Batman #130

IP

4

Amazing Spider-Man #15

IP

5

Dark Web #1

IP

6

Dark Crisis On Infinite Earths #7 (Of 7)

IP

7

Gargoyles #1

IP

8

Batman & The Joker The Deadly Duo #2 (Of 7) (Mature)

IP

9

Daredevil #6

IP

10

Thor #29

IP

11

Spider-Man #3

IP

12

Fantastic Four #2

IP

13

Immortal X-Men #9

IP

14

Amazing Spider-Man #16

IP

15

Invincible Iron Man #1

IP

16

Joker The Man Who Stopped Laughing #3

IP

17

Mary Jane & Black Cat #1 (Of 5)

IP

18

BRZRKR #11 (Of 12) (Mature)

IP

19

X-Men Annual #1

IP

20

Poison Ivy #7

IP

Tabelle 3 |

Die 20 erfolgreichsten Comics aus dem Jahr 2022 und worauf deren Welt basiert4

In den USA wird heute kaum mehr ein Blockbuster, Spiel oder Comic entwickelt, der sich nicht auch als Storyworld/IP eignet. Oftmals kommen Filme, Spiele und Comics auch aus derselben IP, wie beispielsweise The Last of UsThe Last of Us, UnchartedUncharted, ResidentEvilResident Evil, TombRaiderTomb Raider , The SandmanThe Sandman, Star WarsStar Wars, oder WarcraftWarcraft.

Worldbuilding ist zu einem Produktionsstandart großer Studios geworden. Neue mediale Formate werden größtenteils aus bestehenden Storyworlds/IPs entwickelt. Dadurch ist das Aufbauen und Erweitern von Geschichtswelten im modernen Medienmarkt zu einem wichtigen, erzählerischen Handwerk für alle Arten von Medienschaffenden geworden. Egal ob Roman- oder Drehbuchautoren, Spieleentwickler, Graphic Novel Designer, Produzenten oder Distributoren.

In Büchern beschreibt man die Welt, in Filmen stellt man die Welt dar und in Spielen kann man sie erspielen und erkunden.

Den Begriff WorldbuildingWorldbuilding haben viele Medienschaffende bereits gehört, aber sie kennen meist das Potential nicht, das in diesem Handwerk steckt, weil der Begriff weitläufig verwendet wird und unterschiedliche Prozesse beschreiben kann. Er erstreckt sich von reinem Gestaltungsdesign über die Entwicklung von Fantasywelten bis hin zur Schaffung alternativer Gesellschaftsmodelle für die Entstehung neuer Metropolen. Doch was sind die Vorteile einer Geschichtswelt? Wann und wie baut man sie auf? Wie kommt man von der Welt in die medialen Erzähl- oder Spieleformate?

 

Dieses Buch behandelt Worldbuilding mit dem Schwerpunkt auf formatoffenes Erzählen von Geschichten sowie Formatstrategien, um aus den Geschichtswelten auch in lineare, interaktive oder transmediale Erzählformate oder Formatarchitekturen zu kommen. Es geht also nicht um das Designen von Welten, sondern darum, reichhaltige Plots aus der Welt schöpfen zu können für lineare, interaktive, transmediale Storytelling und Storyliving Formate.

Der klassische Weg: Die Welt

Geschichten, egal ob für lineare oder interaktive Spiele, Filme, Comics oder Theaterstücke, benötigen eine Welt, in der sie stattfinden. Viele Medienschaffende denken bei der Entwicklung einer Geschichte erstmal nicht über die Welt, in der die Geschichte spielen soll, nach, sondern in erster Linie an die Geschichte, die sie erzählen wollen. Sie erzählen sie in einer Welt, die sie kennen. Aber vielleicht ist diese Welt für das Thema oder die Geschichte noch nicht der optimale Nährboden. Daher ist es sinnvoll, sich bewusst mit der Welt auseinanderzusetzen, in der eine Geschichte spielen soll. Eine Geschichtswelt kann dabei in nur wenigen Aspekten von unserer Welt abweichen und sie kann auch nicht-fiktional angelegt sein. Im besten Fall wird die Welt ein spannender, narrativer Boden, in dem sich die Geschichte kraftvoll einfalten kann.

Der klassische Weg: Das mediale Format

Geschichten oder Spiele werden von ihren Schöpfern normalerweise in einem Formatkorsett entwickelt. Also beispielsweise im Format eines Kurzfilms, Multi-Player-Games, Theaterstücks, Romans, Comics oder in einem anderen Spiele- oder Erzählformat, das bereits formatspezifische, dramaturgische Eigenheiten und Begrenzungen mitbringt. Es kann jedoch sinnvoll sein zuerst die Geschichte formatbefreit in ihrem ganzen narrativen Potential zu entfalten, bevor man sie in ein Formatkorsett überführt.

Aber der spannendste Aspekt einer neu erschaffenen, sekundären Welt ist vor allem die Beziehung zwischen unserer realen Welt und dieser imaginierten Welt. Dieses dramaturgische Spannungsfeld der Beziehung zwischen realer und imaginärer Welt ist ein zentraler, dramaturgischer Muskel für Geschichtenerzähler. Hier entscheidet sich, ob eine sekundäre Welt einen narrativen Sog entwickelt oder nichtssagend, beispielsweise im Design, verhaftet bleibt.

Minimaleminimale Welt und maximale Welten

Die Charts vom Beginn des Kapitels führen einige große Welten auf, z. B. bei AvatarAvatar, PokémonPokémon und BatmanBatman. Doch eine Welt muss nicht immer riesig sein. Sie kann auch etwas Kleines sein, um daraus z. B. Mini-Serien oder Mini-Games zu entwickeln.

Beispiel | Eine minmale Handlungswelt kann beispielsweise aus einem schwarzen Strich auf weißem Untergrund bestehen. Eine Regel dieser Handlungswelt könnte die physikalische Grundlage sein, dass es auch in dieser stilisierten Welt Schwerkraft gibt und die Welt an den Grenzen der weißen Linie endet. Hier können nun weitere Regeln definiert werden, die auch als Regeln einer Serienwelt übernommen werden können.

Die Figuren in dieser Welt sind ein Kreis und ein Quadrat, die sich auf dem Strich befinden. Der Kreis ist der feminine Teil: verspielt, elegant, leicht und dynamisch. Das Quadrat ist der maskuline Teil: schwerfällig, kräftig und langsam. Emotionaler Ausdruck wird durch die Art der Bewegung der Figuren fühlbar, sowie durch einfache Laute, die sie von sich geben können.

Abbildung 1 |

Eine minimale Handlungswelt mit Kreis und Quadrat

Das Thema der Welt ist Sehnsucht und somit ist die treibende Kraft beider Figuren die Liebe und Sehnsucht, die sie füreinander empfinden. Doch ein Strich als antagonistische Gegenkraft trennt beide Figuren voneinander. Die Fragen in dieser Welt wären: Werden Kreis und Quadrat es schaffen, den Strich zu überwinden, um sich zu vereinigen? Wird sich ihre Sehnsucht erfüllen?

Aus dieser kleinen Welt, die erstmal ohne eine Formatperspektive entwickelt wird, kann man nun lineare und interaktive Formate entwickeln. In einer Animationsserie wäre beispielsweise die Leitfrage: Wie werden die Figuren es diesmal schaffen, die Linie zu überwinden? In einem Mini-Game wäre die Leitfrage: Wirst Du es schaffen, die Hindernisse zu überwinden und die Figuren zusammen zu führen?

Im Gegensatz dazu auch noch ein Beispiel für eine maximale Weltmaximale Welt. Diese Hades-WeltHades-Welt haben Jessica Bauer, Lola Grösch, Sina Minor, Jennifer Rink und Britta Schumann in einem meiner Worldbuilding-Kurse entwickelt. Im Buch wird das Fundament dieser Welt verwendet.

Beispiel | Die Hades-WeltHades-Welt behandelt das Thema Tod, den Umgang mit seiner Ungewissheit und den Verlust geliebter Menschen. Die Leitfrage der Welt ist: Ist es wirklich gut zu wissen, wann man stirbt? Die passende Weltenprämisse dazu ist: „Stell Dir eine Welt vor, in der jeder weiß, wann er sterben wird.“ Diese sekundäre Welt entspricht dabei in vielen Belangen unserer Welt, bis auf ein geändertes Naturgesetz: In dieser Welt kommt jeder Mensch mit einer Art länglichen Narbe auf der Innenseite der Unterlippe auf die Welt. Anhand der Länge der Narbe kann man das zu erwartende Lebensalter einer Person bis auf die Woche genau bestimmen.

Mit diesem veränderten Naturgesetz kann man nun Gesellschaften und Kulturen aufbauen, die ganz unterschiedlich mit dieser Lebensnarbe umgehen.

Wie sehen Schöpfungsmythologien, Religionen und Kulturen in dieser Welt aus? Gibt es Religionen in dieser Welt, die es verbieten, die Narbe auszulesen? Oder Kulturen, die diese Narbe bei der Geburt der Menschen entfernen? Was wären deren Motivationen? Gibt es Lebensversicherungen in diesen Gesellschaften? Wie würde ein Dating-Portal in dieser Welt aussehen? Welche Frage steht bei einem ersten Date im Raum? Finden Beerdigungsrituale noch mit den Lebenden, aber bald sterbenden Personen statt, so dass man sich noch zu Lebzeiten voneinander verabschieden kann?

Diese Weltenprämisse und die Änderung eines Naturgesetzes eröffnet viel Spannungspotential für den Aufbau einer Geschichtswelt. Vor allem aber spiegelt diese Prämisse starke Fragen in unsere Welt: Ist es gut zu wissen, wann man stirbt? Wie gehe ich mit dem vorhersehbaren Tod einer geliebten Person um? Will ich überhaupt wissen, wie lang die Narbe meiner geliebten Mitmenschen ist? Will ich wissen, wie lange meine eigene Lebensnarbe ist?

Diese Welt weicht in nur einem Naturgesetz von unserer Welt ab, liefert aber viel Potential für den Aufbau von Mythologien, Kulturen und Gesellschaften und spannende Fragen für die Entwicklung von Geschichten aus der Welt.

Diese Beispielwelt wird sich durch das ganze Buch ziehen. Anhand dieser Welt werden verschiedene handwerkliche Aspekte des Worldbuildings erlebbar werden. Den bisherigen Stand des Worldbuildings und einen ersten Plot aus der Welt steht zum Download zu Verfügung.

Die Medienschaffenden im Treibsand der medialen Erzählformate

Als ich im Jahr 3 b. Y. (before Youtube) meinen Abschluss in der Werbefilmabteilung an einer Filmhochschule gemacht habe, wurden dort zwei Formate gelehrt: Der Werbefilm und der Imagefilm. Der Medienmarkt bestand aus überschaubaren Distributionskanälen (Kino, TV, DVD, VHS-Video) in der Hand weniger großer Distributoren und die Halbwertszeit der bis dahin gelehrten und produzierten Erzählformate ging in die Jahrzehnte.

Lief im Fernsehen am Samstagabend die Sendung Wetten, dass..?Wetten, dass..? mit Thomas Gottschalk, saß gefühlt das gesamte deutschsprachige Europa vor dem Fernseher und am Montagmorgen hatte man ein gemeinsames Thema, über das man mit allen Altersgruppen und durch alle gesellschaftlichen Schichten sprechen konnte.

 

Heute, gute 20 Jahre später, hat sich der Medienmarkt fundamental verändert. Wir befinden uns im Zeitalter der geteilten Inhalte und der geteilten Aufmerksamkeit. Der Markt erschafft ständig neue Devices und Softwareplattformen die neue mediale Interaktions- und Erzählformate hervorbringen. Das Social Web gibt uns eine Macht, die noch vor 15 Jahren undenkbar gewesen wäre. Wir leben heute in der Mediendemokratie: Produzent und Rezipient begegnen sich auf Augenhöhe. Viele große Webplattformen arbeiten nur noch mit User Generated ContentUser Generated Content. Der Rezipient ist zum ProsumentProsument (= professional consumer) geworden.

 

Wetten, dass..? war gestern. Jugendliche mit einem Altersabstand von wenigen Jahren kennen ihre medial konsumierten Inhalte untereinander nicht mehr, weil es keine gemeinsame Referenzkultur mehr gibt. Die Mediennutzung war noch nie so divers wie heute. Medienkonsumenten leben heute in individualisierten, digitalen Filterblasen, die durch personalisierte Algorithmen erzeugt werden.

Wie konsumiert der Mensch heute? In jedem Augenblick entstehender Langeweile, Unsicherheit oder Einsamkeit zieht man das Smartphone aus der Tasche, um sich einen der täglich unzähligen, homöopathischen Dopamin-Kicks abzuholen, auf der Suche nach einem versüßten Augenblick, der Momente später wieder vergessen ist. Gleichzeitig sind die meisten Menschen durch die unzähligen medialen Impulse und unendlichen Feeds gelangweilter denn je.

 

Das Smartphone ist 24/7 geworden. Viele Menschen gehen abends mit dem Blick auf das Smartphone ins Bett und stehen morgens mit dem Blick auf das Smartphone auf. Es ist digitales Kommunikationszentrum, Arbeitsgerät und Zentrum unserer Lebensplanung geworden. Man verbindet es mit Wearables und sämtlichen Lebenszubehör. Es begleitet auf dem Weg zur Schule und zur Arbeit, viele fühlen sich hilflos, wenn das Handy nicht dabei ist.

Wir stehen morgens auf und unser Geist wird abgefüllt mit medialen Inhalten, noch bevor er richtig wach ist. Unsere Konzentrations- und Aufmerksamkeitsfähigkeit ist durch die ständigen medialen Inputs und das dauerhaft geistige Abgefülltsein auf ein Minimum gesunken. Aufmerksamkeit ist in diesem Zeitgeist die neue Währung geworden. Konsumieren wir die sozialen Medien oder werden wir von ihnen konsumiert?

 

Hinzu kommt, dass sich die technische Produktionsqualität von Produzent und Rezipient im visuellen Endprodukt kaum mehr unterscheiden. Ein modernes Smartphone kann heute eine Bildqualität erzeugen, die für den Laien nicht mehr von professionellen Kameras zu unterscheiden ist. Allein mit schönen Bildern, edler Grafik, aufwändigen visuellen Effekten und Animationen kann sich ein Medienproduzent heute nicht mehr abheben.

Der Inhalt macht den Unterschied

Wie kann man als Medienschaffender dieses mediale Grundrauschen durchdringen und aus der Masse der Produktionen herausstechen? Guter Content war noch nie so wichtig wie heute. Doch guter Content ist selten geworden. Viele Distributoren und Kunden sind heute nicht mehr bereit, Geld für eine gute Idee und den Prozess der konzeptionellen Entwicklung von Inhalten und Geschichten auszugeben. Sie bezahlen für das Resultat: die Produktion der Formate.

 

Guter Inhalt kostet Zeit, Mühen und somit Geld. In einer digital-medialen Welt, in der Inhalte inflationär verbraucht werden, und mediale Projekte auf kurze Halbwertszeiten ausgelegt sind, laufen die Kosten in möglichst billige, schnelllebige, aber erfolgsversprechende Formate, denen es meist an starken und originären Inhalten mangelt. Hier kann man mit guten Geschichten aus spannenden Welten und in ungewohnten Erzählformaten aus der Masse der Mittelmäßigkeit herausstechen.

Künstliche Intelligenz und die Produktion von Inhalten

Gleichzeitig hält die maschinelle Intelligenz Einzug in die Konzeption, Produktion und Evaluation von medialem Content: Neben den populären Plattformen hat beispielsweise Largo Films (Schweiz) mit Largo.ai einen Algorithmus entwickelt, der Geschichten bereits in der Konzeption auf das Zuschauererlebnis hin analysiert, daraufhin dramaturgische Änderungen des Inhalts vorschlägt, den möglichen Hauptcast mit dem Content abgleicht und hilft, die richtigen Entscheidungen für das gewünschte Publikum (Arthaus oder Mainstream?) und einen Zuschauererfolg zu treffen. Ebenfalls eine Vorhersage der möglichen Einnahmen.

 

The Scriptbook, ein ähnliches Tool zum Greenlighten von Geschichten, analysiert Drehbücher auf Figuren, Protagonisten, antagonistische Kräfte und Emotionen und sagt Zielgruppe und Box-Office voraus. Und das ist erst der Anfang eines neuen Zeitalters: Disney wiederum hat Dialogprototypen für personalisierte Gespräche zwischen K. I. und Kindern entwickelt, gleicht bei Testscreenings neuer Filme mit einem Algorithmus die emotionalen Reaktionen via Facial Performance Capture der Zuschauer ab und vergleicht diese mit der emotionalen Zuschauererwartung an das Projekt. Bleiben die Reaktionskurven unter der Erwartungskurve, geht das Projekt zurück in die Produktion.

 

Bereits 1998 organisierte Douglas Hofstadter ein Konzert der besonderen Art: Ein Pianist spielte drei Stücke im Stil von Bach aber nur eines war eine Komposition von Bach. Ein Stück war die Komposition eines Musikprofessors, den Stil Bachs nachahmend, und eine Komposition entstand durch einen Algorithmus. Das Publikum, in dem Bach-affine Zuhörer saßen, musste erraten, welches die echte Bach-Komposition war. Das vom Publikum gewählte Stück war das vom Algorithmus komponierte.

Wie werden sich Algorithmen auf uns Geschichtenerzähler auswirken? Wie werden sich unser Berufsbild und die Erzählformate durch Algorithmen verändern? Wie kreativ kann ein Algorithmus sein? Oder, wie es Douglas Hofstadter formulierte: Ist die Seele irrelevant für die Komposition von Musik?

Der Weg zur IP und deren Geschichtswelt

Moderne Algorithmen sorgen dafür, dass Konsumierende heute genau die Inhalte erhalten, auf die sie reagieren. So befindet sich jeder moderne Medienkonsument in seiner individuellen „Bubble“ (Medienblase). Distributoren sind händeringend auf der Suche nach Inhalten, um zu den großen Bubbles mit ihren vitalen Communitites durchdringen zu können. Das geschieht fast nur noch IP-basiert, also über die Suche nach Spiel-, Geschichts- und Werbewelten, die bei großen Communities funktionieren und aus denen sich unbegrenzt neue Inhalte produzieren lassen. Auf diese Weise kann man bestehende Communities bedienen, aber diese auch durch neue Inhalte erweitern und somit die Reichweite und den Wert der IP erhöhen. Genau hier beginnt das Umdenken von der Formatproduktion hin zur Welt, IP und deren Communities, auf das ich im zweiten Kapitel eingehen werde.

Wo befindet in diesem unruhigen Zeitgeist der Ruhepol und die Komfortzone für Geschichtenerzähler und welches Handwerk hilft, in diesem unruhigen Meer der beständigen Veränderungen flexibel anpassbar zu sein?

Der ewig ruhende Pol im Treibsand der medialen Formate: die klassischen Dramaturgien

Während Endgeräte, Onlineplattformen und deren medialen Formate kommen und gehen, bleibt eine Konstante bestehen: Die klassischen Dramaturgien des Erzählens und der Mensch in seinem Wesen und seinen Bedürfnissen selbst.

Für Medienschaffende ist der Mensch der handwerkliche Ruhepol. Seine Psyche und die tief darin liegenden Fragen und Bedürfnisse haben sich seit Jahrtausenden nicht verändert. Je besser man den Menschen in seinen emotionalen (und manchmal irrationalen) Handlungen, Sehnsüchten, Träumen, Ängsten und den daraus erwachsenden Wünschen und Bedürfnissen versteht, desto besser kann man für ihn Welten und Geschichten konzipieren. Und der „Homo narrans“ liebt Geschichten und das Eintauchen in fremde Welten. Unser Gehirn ist auf das Aufnehmen und Erzählen von Geschichten ausgelegt.

Inhalt und Erzählformat

Das Erzählen von Geschichten lässt sich in zwei Säulen aufteilen: Den Inhalt – was erzählt wird – und das Erzählformat – wie es erzählt wird. Während sich der Inhalt unserer Geschichten im Kern kaum verändert hat, ist die Variable das Erzählformat. Früher haben Menschen Felswände mit Jagdgeschichten bemalt und Mythologien ihres Stammes am Lagerfeuer erzählt. Im Mittelalter gab es das Markttheater, bis es die Kirche verbot und selbst die Predigt von der Kanzel ist ein Erzählformat. Romeo und Julia war in seinem ersten Erzählformat ein Theaterstück, dann folgten Adaptionen als Buchroman, Opern, Musicals, Ballettaufführungen, Spielfilme, Hörspiele, VR-Experiences und in einigen Jahren vielleicht eine interaktive Holo-Deck-Experience: Formate sind in ständiger Evolution. Sie kommen und gehen. Was bleibt, ist der Inhalt, die Geschichte und die Welt, in der sie spielt.

Die Emanzipation vom Erzählformat

Wir kommen aus einer medialen Zeit, in der Content für bestimmte Formate generiert wurde und wird. Bisher haben Verlage, Sender und Medienproduzierende in Büchern, Sendeplätzen, Kinoslots, DVD- und Bluray-Auswertungen und deren Formatkorsette gedacht. Das Format bestimmte den Inhalt: Was passt ins Vorabendprogramm? Was auf den Freitagabend um 20:15 Uhr? Welche Romcom platzieren wir im Kino parallel zum neuen James Bond? Das ist die Suche nach Inhalten für feste Formate. Das Format definiert Inhalt, Genre, Tonalität, Filmlänge und meist noch ein ganzes Regelwerk an Vorgaben. Ein Formatkorsett, in das Geschichten hineingeschrieben werden.

 

Als der Gameboy 1989 auf den Markt kam, war die Hauptfrage vor der Veröffentlichung, welches Spiel mit dem Gameboy verkauft wird, um dieses neue Format mit einem passenden Spielerlebnis zu füllen. Denn wenn es keine gute Anwendung dafür gibt, kann der Konsument damit nichts anfangen, schrieb Microsoft-Gründer Bill Gates 1996 bezogen auf das Internet in einem Beitrag mit dem Titel „Content is king“. Der damalige CEO der Fox Corp. Rupert Murdoch erweiterte Bill Gates’ Aussage mit "Content is not just king. It is the emperor of all things electronic." Doch mit neuen Devices, Plattformen und Apps und der Erweiterung des linearen Fernsehens in neue Distributionskanäle, Mediatheken, Streaming-Plattformen sowie den interaktiven Spiel- und Erzählmöglichkeiten sind klassische Erzählformate nur noch eine Möglichkeit von vielen geworden.

 

Die Dogmen klassischer Erzählformate sind obsolet, weil man heute eine Möglichkeit hat, die vor 15 Jahren noch undenkbar gewesen wäre: Man kann das Erzählformat passend für den Inhalt entwickeln und in den Spiel- oder Erzählformaten erzählen, die zu den jeweiligen Communitites und Rezipienten passen. Der Inhalt muss nicht mehr dem Format(korsett) folgen, sondern das Format kann an den Inhalt und die Rezipienten angepasst oder dafür extra entwickelt werden.

 

Somit ist der vielleicht wichtigste Schritt für Medienschaffende, den Content vom Erzählformat getrennt zu behandeln. Gedanklich aus den Dogmen der Erzählformate auszubrechen und erstmal die Frage zu stellen, welches Potential in einer Geschichte liegt und in welchen Formaten die jeweiligen Rezipienten aktuell unterwegs sind. Genau hier beginnt das Pre-Development einer Geschichte und hier kommt das Worldbuilding ins Spiel, in dem alle Elemente der Geschichte angelegt werden, bevor es zur Entwicklung medialer Formate kommt. Hier hilft das Handwerk des Worldbuildings: zuerst die Geschichten formatoffen entwickeln, bevor dazu die passenden, medialen Formate entwickelt werden.

 

Zum Schluss noch eine Anekdote zur unterschiedlichen Mediennutzung zweier Generationen: Nachdem der Fernseher meiner Eltern den Geist aufgegeben hat, habe ich ihnen einen Smart-Fernseher gekauft, so dass sie auch Streaming-Angebote nutzen können. Meine Mutter hatte vom Streaming gehört und sie wollte das jetzt auch haben. Ich habe ihr erklärt, dass Streaming wie eine Bücherei funktioniert, in der man digital durch die Buchreihen gehen, und sich „DVDs“ anschauen kann, wann und wie man möchte. Ich habe ihr einen Film angespielt, den sie sehen wollte, ihr die Möglichkeiten vom non-linearen Abspielen und Pausieren gezeigt und dann gefragt, ob sie das Prinzip verstanden hat. „Klar!“, kam als Antwort. Wir haben gemeinsam gegessen und als ich die Wohnung verließ, hat sie mich gefragt, wann denn der Film im Streaming läuft. Da wurde mir klar, dass die Mauern der Gewohnheit höher sind, als ich es erwartet hatte.

Die Formatmöglichkeiten enden heute nicht mehr mit den Limitierungen der Technologien, sondern in unseren Köpfen.

2Vom Format- zum Weltendenken

2.1Communities: Der Wert einer Geschichtswelt und das automatische Publikum

Was haben Jesus Christus, Mohammed, James BondJames Bond, Homer Simpson, Donald J. Trump und Kim Kardashian gemeinsam? Sie alle haben eine aktive Anhängerschaft, die ihnen in ihre Welten (und Wertesysteme) folgt. Je größer diese zahlende Anhängerschaft ist, desto wertvoller wird auch die „Geschichtswelt/IP“ und desto einfacher lassen sich neue Formate aus dieser Welt finanzieren.

Der Wert einer Geschichtswelt misst sich an der Größe und Vitalität ihrer Anhängerschaft.

Der strategische Schritt weg von der klassischen Formatproduktion, hin zu Geschichtswelten und IP kann man beispielsweise deutlich bei Streaming-Plattformen beobachten:

Als Amazon Prime Video die neue Star-TrekStar Trek-Serie PicardPicard (2020) mit der Figur des Jean-Luc Picard in der Hauptrolle ankündigte, ging ein lang gehegter Traum vieler Star-Trek-Fans in Erfüllung. Seit vielen Jahren war es ein Wunsch der weltweiten Star-Trek-Community, die Geschichten um Jean-Luc Picard aus der Star-Trek-Welt fortzusetzen. Der Rechteinhaber Paramount Global hat auf diesen Wunsch jahrzehntelang nicht reagiert und so musste erst Prime Video kommen, um diesen Wunsch der Community zu erfüllen. Für Prime Video ist das beileibe keine sentimentale Entscheidung, sondern eine strategische. Denn diese Eigenproduktion bringt neue Abonnenten aus der Star-Trek-Community auf die Streaming-Plattform.

Schaut man sich die Eigenproduktionen im Jahre 2021 der Amazon Studios an, findet man viele Projekte, die auf großen Fan-Bases/Communities aufbauen. So zum Beispiel bei der Comedy-Serie LOL: Last One LaughingLOL: Last One Laughing. Hier bringt jeder Comedian bereits eine Anhängerschaft mit. Die Serie vereint somit die jeweiligen Anhänger der Comedians zu einer großen Community. Ähnliches bei der Buchverfilmungen: Mehr als 1 Mio. Buchverkäufe und die internen Nutzerdaten von Amazon führten zu der Serienverfilmung Der GreifDer Greif von Wolfgang HohlbeinHohlbein, Wolfgang, einer der erfolgreichsten Autoren Deutschlands. Hier wird es sicherlich eine große Community geben, die Interesse an der Verfilmung haben wird. Mit Sebastian FitzekFitzek, Sebastian schlossen die Amazon Studios einen Exklusivdeal für die Verfilmung drei seiner Romane als Serie. Hier kennt Amazon als Buchhändler die Verkaufszahlen der Bücher und somit die Größe der interessierten Community. Im Non-fiction-Bereich produzieren die Amazon Studios Doku-Serien über BushidoBushido und den Fußballverein Bayern München. Auch hier bringen die Hauptakteure jeweils umfangreiche Communities und somit zahlenden Streamingkunden mit.

BatmanBatman und der Joker sind zwei Figuren aus dem DC-Universum, das auf eine große Community blicken kann. Heath Ledger hat in dem Psycho-Thriller The Dark KnightThe Dark Knight (2008) einen Joker dargestellt, der durch seine starken menschlichen Züge eine ungeahnte Tiefe bekam. Selbst das Make-up bröckelte und man konnte den Menschen hinter der Maske fühlen. Eine angstfreie Figur, die weder nach Geld oder Besitz strebte und den Kapitalismus anprangerte. Die Zuschauer waren von dieser Figur fasziniert und es entstand das Bedürfnis, mehr über die Hintergründe dieser Figur zu erfahren. Todd PhillipsPhillips, Todd, der Autor und Regisseur von JokerJoker (2019), erklärte, sein Film handele nicht vom Joker, sondern erzähle die Geschichte von dem Mann, der einmal Joker werden soll. Hier wurde die antagonistische Figur der Batman-Filme plötzlich Hauptfigur in einer eigenen Erzählung, in der Batman eine kleine Nebenrolle spielt. Stellen Sie sich den Film The JokerJoker als ein eigenständiges Werk vor, das nichts mit der Batman-Welt von D.C.-Comics zu tun hätte. Ein arthausiges Psychodrama und intensives Psychogramm des werdenden Jokers. Hätte dieser Film dieses starke Zuschauerinteresse gehabt, wenn es sich nicht die Figur des Jokers aus der DC-Welt gewesen wäre? Der Joker hat als Figur aus der Geschichtswelt des Batman eine feste Community und so ist es auch möglich, mit einem „arthausigen“ Genrefilm einen Kassenschlager zu produzieren.

Beispiel | Wir alle kennen die Walt Disney Company als Heimat von Mickey Maus, Donald Duck und vielen weiteren Comic- und Märchenfiguren. Doch Disney hat seinen Kanon an Geschichtswelten in den letzten Jahrzehnten permanent erweitert. Zuerst mit dem Zukauf von Pixar und dessen Welten und Figuren, dann folgte das Marvel Cinematic Universe (Avengers, Fantastic Four, Blade, Thor, Spider-Man, Guardians of the Galaxy, Iron Man, Hulk u. v. m.), Lucasfilm Ltd. (StarWarsStar Wars, IndianaJonesIndiana Jones, Monkey Island etc.) und schließlich 21st Century Fox (The Simpsons, Deadpool, AvatarAvatar, X-Men,Modern Family, National Geographic u. v. m.). Damit besitzt Disney die wertvollsten IPs der globalen Unterhaltungsbranche. Mit Disney+ besitzt Disney auch seine eigene Streamingplattform, sowie weltweit diverse TV-Sender um seine eigenen Inhalte unter die Zuschauer zu bringen. Die Walt Disney Comapny ist somit Herr der Geschichtswelten und ihrer Distribution.

Was das für einen Druck unter den Distributionsplattformen erzeugt, kann man an den verfügbaren Titeln bei Netflix sehen: Vor 2019 hatte Netflix noch sämtliche Disney-Titel im Programm. Durch den Start von Disney+ zog Disney seine Titel auf seine eigene Distributionsplattform. Mit dem Start von Paramount+ Ende 2022 verloren auch Amazon Prime Video und Netflix weiter Inhalte aus dem Star-Trek-Universe, sowie klassische Paramount-Titel. Und so spielt sich aktuell das Leben und Sterben der Streamingdienste anhand vorhandener IPs ab.

Wer hat die nächste Geschichtswelt (IP), mit der sich Zuschauer gewinnen und halten lassen? Denn wer die Geschichtswelten und deren Formate besitzt, gewinnt auch die dazugehörigen, zahlenden Communities.

Die großen Distributoren suchen heute händeringend neue IPs und Geschichtswelten, aus denen sich Medienformate, meist Serien und Spiele, erzählen lassen und mit denen man große Communities an sich binden kann. Das bringt beispielsweise Amazon Prime Video dazu, für einen kleinen zeitlichen Abschnitt aus der Herr-der-RingeHerr-der-Ringe-Welt 250 Millionen Dollar für die globalen Verfilmungsrechte zu bezahlen, um daraus eine neue Serie zu entwickeln, die wiederum die Herr-der-Ringe-Fans an die Streamingplattform binden soll.

 

Auch im Gaming-Markt gibt es Unternehmen, die ihre Inhalte von der Welt bis hin zur Distribution der Gamingformate in einer Hand halten. Gamern ist die Valve CorporationValve Corporation ein Begriff. Das amerikanische Unternehmen produziert Spielewelten wie unter anderem Half-Life, Counter-Strike, Portal, Team Fortress, Left 4 Dead und Dota und setzt dabei auf Spieleserien, die aus eigenen Geschichtswelten entwickelt werden. Somit werden bestehende Communities gepflegt. Daneben hat Valve mit Steam eine eigene Distributionsplattform für eigene und fremde Inhalte, sowie eigene Hardware, wie SteamVR oder Steam Deck im Angebot. Also eine ähnliche Architektur wie Disney: Eigene Geschichtswelten, daraus diverse Spielformate und eine eigene Distributionsplattform. Im Gegensatz zu Disney produziert Valve allerdings gerne komplett neue Spielwelten oder Gameplay-Konzepte, anstatt alte immer wiederzuverwenden und sie sind generell für ihre Kreativitätsbereitschaft bekannt.

2.2Der ökonomische Aspekt: Formatbusiness vs. IP-/Weltenbusiness

Die Beispiele der großen Streamer und der Valve Corporation zeigen, dass sich für Produzierende, Verlage und Distributoren der Blick auf den Unterschied zwischen klassischem Formatbusiness und Weltenbusiness lohnt.

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