Möge der Blues die Musik nie verlassen - Andreas Vierk - E-Book

Möge der Blues die Musik nie verlassen E-Book

Andreas Vierk

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Beschreibung

Ich sah am Baum ein weißes Fahrrad stehen. Der Radler war wohl singend abgestiegen, um leicht ins Ewige emporzusteigen.

Das E-Book Möge der Blues die Musik nie verlassen wird angeboten von Books on Demand und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:
Lyrik, Poesie, Gedichte

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Seitenzahl: 33

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Ein schwarzer Pfau ist diese Welt

und grob in ihren Samen.

Glücklich die Seelen, die gingen.

Glückselig die Seelen,

die nie kamen

in ihre Samen.

Inhaltsverzeichnis

Wir?

Du?

Wir?

Ich?

Wir?

Wir?

Nackt kommen wir über uns,

schimmernde Initiale,

kostbar, scheu und heilig.

In den Wasserlinsen

entziffern sich unsere Hände,

beschwören talmudisches Leuchten der Nacht.

Lass unsere Atemzüge den Rehen

in den sichernden Ohrmuscheln glänzen.

Wir schenken uns Kinder

von Hand zu Hand, wie Wasser

gleitend von Leben zu Leben.

Ein Traum ist die Reise,

ein Traum sich entkleidender Küsten.

Die Düsen saugen ihn ein.

Mit uns Tauchenden

sinkt die Sehnsucht ins Vergessen,

der Traum sich entsagender Häfen.

Hellsichtig, lyrisch hätten wir

aus Gottes Händen gleiten sollen,

vielleicht von Traum zu Traum,

gewiss von Stund’ zu Stunde.

Verbergen wir nicht unsere Blicke,

damit die Blindheit erblindet?

Maskieren wir nicht unsere Herzen,

damit dahinter Mitgefühl

und Poesie verkümmern?

Sind unsere Münder noch Küsse,

noch pflanzlich unsere Hände?

Wir werden hinter uns

nie nackt mehr sein,

nur stumm,

einander unsichtbar.

Das Urlicht scheint im Herzen

des Dunkels heller als das Licht,

und wir befürchten, zu erblinden,

schauen wir hinein in Augen

abgezehrter, resignierter Trauer,

verbrannter Erde Glut im Blick,

Flehen tiefdunkelbrauner Iris

und ihrer Schneckenspur

aus Rotz, Verzweiflung, Dreck.

Schau in diese Sonne! Schau!

Mach deine Blicke hell an Mut

und Tapferkeit und Unerpressbarkeit.

Schau in diese Sonne! Schau!

Mach deine Augen opferblau.

Vielleicht die ersten metallenen Saiten

drehte man in Berlin-Plötzensee

auf Klangkörpern wie auf Geliebten.

Mit dem Strom der elektrischen Stühle

tanzt heute die singende Hand.

Möge der Blues die Musik nie verlassen.

In allen Welten flackern Noten,

die Flocken tändeln leicht im Wind

und betten sich zu uns, den Toten,

die nichts als stumpfe Rhythmen sind.

Wir kennen nicht die wahren Farben

und Klänge, um sie zu benennen,

wir knistern wie die Feuergarben

und Dichter, wenn sie in uns brennen.

Die Dichter zirpen keine Lieder mehr

Der Neuntöter hat sie alle aufgespießt.

Der Tod ist dunkel wie die Liebe.

Die Spatzen betteln mit offenen Schnäbeln.

Der Neuntöter hat sie alle aufgespießt.

Die Liebe vorenthält ihnen den Tod.

Die Trinker wollten das All aussaufen.

Der Neuntöter hat sie alle aufgespießt.

Atem ist tränenbitter wie Liebe.

Das fahrende Volk ist verstreut.

Der Neuntöter hat uns alle aufgespießt.

Die Liebe ist unmöglich wie Tod.

Begrübe man einen von uns

wie geheiligte Manuskripte,

die Seiten braun und verklebt

durch Feuer, Zeit und Wasser,

im weiten syrischen Bergland –

es wüchse ein Kirschbaum hervor

und hell schäumte der Himmel

über Haubitzen und Drohnen.

Doch dort, in die Spuren der Raupen,

aussäte man die kleinen Totgeburten,

auf dass aus ihnen Brunnen keimten.

Doch Blau spiegelte keiner,

nur das Schluchzen der Mütter.

Der Frühling blutet sachte in die Hürde,

so wie es jede Mutter einmal tut.

Und wir verloren allen Lebensmut,

dass unsre Stunde wieder leichter würde.

Wir strauchelten und fielen in die Zeit.

Zehntausend Jahre Krieg und Pest und Viren,

um uns am Ende selber zu verlieren

an alle Süchte der Getriebenheit.

Ich sah am Baum ein weißes Fahrrad stehen.

Der Radler war wohl singend abgestiegen,

um leicht ins Ewige emporzusteigen.

Da konnte ich in unsre Zukunft sehen:

Wie sind wie Federn, die am Boden liegen,

obwohl sich schon die Wolken zu uns neigen.

Entwurzelt ist die syrische Kirsche:

sie blutet und schneit in die Gärten.

Die Mütter ertranken in eigenen Tränen,

denn die Kinder sind eins um das andre

verschart unter Erde und Blüten.

Den Enkeln stahl man die Gesichter,

trank Blut und Augenlicht

aus weißen, todschmalen Händen.

Entwurzelt ist die syrische Kirsche:

sie blutet und schneit.

In dieser Nacht schmolzen Sterne

und Kornähren im Liebesakt.

Die Dorfruinen schaukelten

in Trichtern und Dünen wie Greisinnen

und murmelten im Schlaf von früher.

Der Pfau schrie wie in Golgatha:

„Aaaoouuaa! Aaaoouuaa!“

Und die Mütter griffen die Kinder

und liefen in die Bunker am Strand.

Wenn das Deckweiß der Dünen erwacht,

wird das Dorf tot sein, verlassen,