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Ich sah am Baum ein weißes Fahrrad stehen.
Der Radler war wohl singend abgestiegen,
um leicht ins Ewige emporzusteigen.
Das E-Book Möge der Blues die Musik nie verlassen wird angeboten von Books on Demand und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:
Lyrik, Poesie, Gedichte
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Seitenzahl: 33
Ein schwarzer Pfau ist diese Welt
und grob in ihren Samen.
Glücklich die Seelen, die gingen.
Glückselig die Seelen,
die nie kamen
in ihre Samen.
Wir?
Du?
Wir?
Ich?
Wir?
Nackt kommen wir über uns,
schimmernde Initiale,
kostbar, scheu und heilig.
In den Wasserlinsen
entziffern sich unsere Hände,
beschwören talmudisches Leuchten der Nacht.
Lass unsere Atemzüge den Rehen
in den sichernden Ohrmuscheln glänzen.
Wir schenken uns Kinder
von Hand zu Hand, wie Wasser
gleitend von Leben zu Leben.
Ein Traum ist die Reise,
ein Traum sich entkleidender Küsten.
Die Düsen saugen ihn ein.
Mit uns Tauchenden
sinkt die Sehnsucht ins Vergessen,
der Traum sich entsagender Häfen.
Hellsichtig, lyrisch hätten wir
aus Gottes Händen gleiten sollen,
vielleicht von Traum zu Traum,
gewiss von Stund’ zu Stunde.
Verbergen wir nicht unsere Blicke,
damit die Blindheit erblindet?
Maskieren wir nicht unsere Herzen,
damit dahinter Mitgefühl
und Poesie verkümmern?
Sind unsere Münder noch Küsse,
noch pflanzlich unsere Hände?
Wir werden hinter uns
nie nackt mehr sein,
nur stumm,
einander unsichtbar.
Das Urlicht scheint im Herzen
des Dunkels heller als das Licht,
und wir befürchten, zu erblinden,
schauen wir hinein in Augen
abgezehrter, resignierter Trauer,
verbrannter Erde Glut im Blick,
Flehen tiefdunkelbrauner Iris
und ihrer Schneckenspur
aus Rotz, Verzweiflung, Dreck.
Schau in diese Sonne! Schau!
Mach deine Blicke hell an Mut
und Tapferkeit und Unerpressbarkeit.
Schau in diese Sonne! Schau!
Mach deine Augen opferblau.
Vielleicht die ersten metallenen Saiten
drehte man in Berlin-Plötzensee
auf Klangkörpern wie auf Geliebten.
Mit dem Strom der elektrischen Stühle
tanzt heute die singende Hand.
Möge der Blues die Musik nie verlassen.
In allen Welten flackern Noten,
die Flocken tändeln leicht im Wind
und betten sich zu uns, den Toten,
die nichts als stumpfe Rhythmen sind.
Wir kennen nicht die wahren Farben
und Klänge, um sie zu benennen,
wir knistern wie die Feuergarben
und Dichter, wenn sie in uns brennen.
Die Dichter zirpen keine Lieder mehr
Der Neuntöter hat sie alle aufgespießt.
Der Tod ist dunkel wie die Liebe.
Die Spatzen betteln mit offenen Schnäbeln.
Der Neuntöter hat sie alle aufgespießt.
Die Liebe vorenthält ihnen den Tod.
Die Trinker wollten das All aussaufen.
Der Neuntöter hat sie alle aufgespießt.
Atem ist tränenbitter wie Liebe.
Das fahrende Volk ist verstreut.
Der Neuntöter hat uns alle aufgespießt.
Die Liebe ist unmöglich wie Tod.
Begrübe man einen von uns
wie geheiligte Manuskripte,
die Seiten braun und verklebt
durch Feuer, Zeit und Wasser,
im weiten syrischen Bergland –
es wüchse ein Kirschbaum hervor
und hell schäumte der Himmel
über Haubitzen und Drohnen.
Doch dort, in die Spuren der Raupen,
aussäte man die kleinen Totgeburten,
auf dass aus ihnen Brunnen keimten.
Doch Blau spiegelte keiner,
nur das Schluchzen der Mütter.
Der Frühling blutet sachte in die Hürde,
so wie es jede Mutter einmal tut.
Und wir verloren allen Lebensmut,
dass unsre Stunde wieder leichter würde.
Wir strauchelten und fielen in die Zeit.
Zehntausend Jahre Krieg und Pest und Viren,
um uns am Ende selber zu verlieren
an alle Süchte der Getriebenheit.
Ich sah am Baum ein weißes Fahrrad stehen.
Der Radler war wohl singend abgestiegen,
um leicht ins Ewige emporzusteigen.
Da konnte ich in unsre Zukunft sehen:
Wie sind wie Federn, die am Boden liegen,
obwohl sich schon die Wolken zu uns neigen.
Entwurzelt ist die syrische Kirsche:
sie blutet und schneit in die Gärten.
Die Mütter ertranken in eigenen Tränen,
denn die Kinder sind eins um das andre
verschart unter Erde und Blüten.
Den Enkeln stahl man die Gesichter,
trank Blut und Augenlicht
aus weißen, todschmalen Händen.
Entwurzelt ist die syrische Kirsche:
sie blutet und schneit.
In dieser Nacht schmolzen Sterne
und Kornähren im Liebesakt.
Die Dorfruinen schaukelten
in Trichtern und Dünen wie Greisinnen
und murmelten im Schlaf von früher.
Der Pfau schrie wie in Golgatha:
„Aaaoouuaa! Aaaoouuaa!“
Und die Mütter griffen die Kinder
und liefen in die Bunker am Strand.
Wenn das Deckweiß der Dünen erwacht,
wird das Dorf tot sein, verlassen,