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Seitenzahl: 39
Mond spielt seine Mandoline,
füllt das Tal mit See.
Duft von Pflaume, Mandarine,
Taumel einer Honigbiene
tun den Sinnen weh,
weil es heute Abschied nimmt,
schnürt ja schon den Schuh.
Stern erstickt im Abendzimt.
Wenn der letzte Docht verglimmt,
wirft’s mir Küsse zu.
Lyrik schmilzt dein Nachtgesicht
in die hellen Schleier
ihrer Quelle. Dein Gedicht
ist den Lippen Glanz und Licht,
Vogellaut der Leier.
In sich selber tief genug,
Blitz und steile Bahn,
fern von Hass und Selbstbetrug,
sieht in deinem Düsenflug
sie einen Goldfasan.
In den Versen taumeln trunken
Nachtigall und Klinge,
in der warmen Nacht versunken.
Lyrik will den Pinsel tunken
in die Wasserringe.
Lichter drehn in Wasserkreisen,
Flut ertrinkt in mir.
Schwingen muss ich von mir weisen.
Sinne gehn auf blaue Reisen,
ankern dennoch hier.
Tag erwacht am Honigpier
meiner Sonnenstirn.
Lungen atmen Sang von dir,
Alte Welt. In neuer Gier
will ich mich verirr’n!
Atem steigt in mein Gehirn:
Zwitschern wie von Meisen,
kobaltgraues Flügelschwirr’n,
Düfte, die sich selbst entwirr’n,
ihre Gärten preisen!
Leergefegte tiefe Bläue:
Stiller Ozean,
bliebe bei mir deine Treue,
Tag für Tag dein Rausch aufs Neue
auf der Nervenbahn!
Flammen auf den Fingernägeln
lassen mich erzittern,
wenn auf hellen Sonnensegeln,
gegen alle Kraft und Regeln,
Strahlen windverwittern.
Wie ein Mal auf einer Wange
bebt des Tages Mond.
Lichtes Opium wirkt lange.
Tanz an unsichtbarer Stange,
du, die in mir wohnt!
Heiße Kirschen, Haselnüsse
strömen durch das Sein,
Sommergluten, Lavaküsse,
Stunden wie Pistolenschüsse,
helle Daseinspein.
Drosseln blühn in Hosentaschen,
flügge hinzusterben.
Boote knospen bunt in Laschen.
Blaue Flaggen will ich haschen,
hier am Kai verderben.
Taumellyrik will ich schreiben,
mich in Schaum zersingen,
mich an späten Tagen reiben,
in der Seifenblase bleiben,
dann im Wind zerspringen.
Groß genug war dieses Leben,
vollerhand verschwendet.
Weit das Land und still die Reben.
Ferne will die Erde beben,
wenn der Sommer endet.
Lied soll nur aus Rhythmus sein:
Atemmelodie.
Gib nichts dazu, leg nichts hinein,
umspüle nur mit Schaum und Schein
ihr leises Nie für nie.
Daseinsschlaf und Apathie
kurz vor dem Erwachen,
die ich singend an mich zieh:
Magdala gebar Marie,
Tod und Vogellachen.
Lippen müssen mir entfachen,
Silben saug ich ein.
Strophen glühen Mund und Rachen,
Charon auf dem gelben Nachen,
Puls im wilden Wein.
Ein Vers muss eine Saite sein,
ein Hungervogellied.
Dein Kuss webt eine Welt hinein
aus Strahlenklang und Sinnenschein,
durch die dein Wesen zieht.
Die Strophe ist ein Gartenland,
das blüht von Metastasen,
ein Schierlingsbecher, bis zum Rand
voll Durst und Sehnsuchtswüstensand
und hellen Halbschlafphasen.
Die rhythmische Verworfenheit,
das goldne Menschheitslicht,
ein Puls, der schweigt und singt und schreit,
ein Herz, das Eruptionen speit,
vollenden das Gedicht.
In jedem Wort wacht Poesie,
wenn auch noch knospengrün.
Und wenn ich mit den Pollen zieh –
gedrehter Hauch, Koketterie –
bring ich sie zum Erblühn.
Wenn Küsse im Gespinst verderben,
verzehren sie den Garten.
Die Farben werden Gifte erben,
die Taube wird vor Trauer sterben
und alle Vogelarten.
Ein Lyriker muss Gärtner sein
der wilden Sehnsuchtsbecher.
Er atmet ihnen Düfte ein,
wird diesem Spiegel, jenem Wein,
sich selber Wind und Fächer.
Bücher können Lampen sein
im Abenddunkelbraun,
gießen in den Vollmondschein
Flüstern und Choral hinein
und Bienenaugenschau’n.
Such meine Verse in der Stille.
(Ich weiß ja, wie man stirbt.)
Vom Brunnenrand schweigt eine Grille
und sieht durch meine Lesebrille,
wie das Licht verdirbt.
In meinem Garten pflück Reseden,
als Klang und Schlüsselbund,
im Vorhang grauer Spinnenfäden
aufzustoßen meine Läden,
zu öffnen meinen Mund.
Ich bin noch da, mich auszuwringen
auf den Treppenstiegen,
dann muss ich durch die Dinge dringen,
in sozialen Netzen singen,
auf der Fahrbahn liegen.
Sind’s Engel, Irre oder Säufer,
die tausend Monde speien?
Sind’s Eremiten, Straßenläufer,
sind’s Döner- Hanf- und Schnapsverkäufer,
die aus den Sphären schreien?
Der Trinker-Engel schreibt ein Buch
mit taumelnden Gedichten.
Das ist der Welt kein rotes Tuch,
treibt keinen Heiligen zum Fluch.
Die Ignoranz wird’s richten.
Doch wenn das Artensterben zieht
in seine Welt hinein,
ist er’s, der in die Bläue flieht.
Und Ofterdingens Wanderlied
muss laut gesungen sein.
Bröckeln Mauern um das Zimmer,
reckt sich’s in den Grund,
trinkt die Schlieren und den Glimmer:
Taucher wird’s, im Gischt ein Schwimmer,
Durst und offner Mund.
Meine Lunge wird zum Rochen,
schlingt das Mittelmeer,
Marmorstaub, Orangenpochen,
Weisheit, heimlich zugesprochen,
als wenn’s ein Becher wär.
Indien schimmert in den Seiten:
Tausend Wissensschätze
schmelzen Gold durch alle Zeiten.
Atemhauch muss überschreiten
alle Glaubenssätze.
Bücher gingen oft durchs Feuer,
brachten manchen um,
blieben vielen Herzen teuer,
sprengten meines Raums Gemäuer:
Evangelium!
Wahrhaftig bin ich nur im Lied,
im tiefsten Atemhauch,
der die Arterie durchzieht,
dass Welt und Kälte aus ihr flieht
und Todesschweigen auch.
Noch hält mein Arm die Mandoline