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Examensarbeit aus dem Jahr 2003 im Fachbereich Biologie - Zoologie, Note: 1,0, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg (Zoologisches Institunt), Sprache: Deutsch, Abstract: Erste Versuche in der molekularen Evolutionsforschung gelangen dem Britischen Biologen G. H. Falkner um 1900. Schon dortmals schlussfolgerte er aus seinen Untersuchungen immunologischer Merkmale in Blutproben von Menschen und Menschenaffen, dass Homo sapiens mit den afrikanischen Menschenaffenlinien näher verwandt ist als mit solchen aus Asien. Nach und nach etablierten sich Methoden, wie u. a. DNA-DNA-Hybridisierung (entwickelt 1960 von R. J. Britten und D. E. Kohne), Strangbruchmethoden zur DNA-Sequenzierung (Sanger und Mitarbeiter, 1975 bis 1977) und Polymerase-Kettenreaktion (Kay Mullis und Mitarbeiter, 1983 bis 1985). Mit diesen modernen Methoden wurde es möglich, neue Techniken in der molekulare Evolutionsforschung anzuwenden. Schon die ersten veröffentlichten Arbeiten novellierten das Bild der bestehenden Systematik. Bis heute wurden weit über 1000 Arbeiten in dieser Disziplin angefertigt und publiziert. Immer schneller werdende Computer, immer ausgefeilter werdende biochemische und molekularbiologische Untersuchungsmethoden sind dafür verantwortlich, dass die Kladistik auch in Zukunft immer größeren Einfluss in systematischen Untersuchungsmethoden bekommt. Durch molekularbiologische und biochemische Untersuchungsmethoden der Kladistik wird heute versucht, das über Jahrhunderte bestehende System der Einordnung von Lebewesen, die klassische Systematik von Carl von Linée grundlegend zu verändern. Gerade die Linie der Arthropoden war das erste Objekt in der Novellierung ihrer systematischen Stellung. Die Arbeit, die im Zuge meines Examens erstellt wurde, erklärt den Begriff der phyllogenetischen Stammbaumforschung (Kladistik), gibt Einblicke in Arbeitsweisen der modernen Kladistik, diskutiert die derzeitige Grenzen der phylogenetischen Stammbaumforschung, beleuchtet die Evolution des Genoms, diskutiert die Stabilität von DNA und versucht sich kritisch mit der Kladistik auseinanderzusetzen. Auf diesem Wege wünsche ich Ihnen viele neue Einblicke und Erkenntnisse in die noch teils unbekannte Welt der phyllogenetischen Stammbaumforschung.
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Molekularbiologische und biochemische Methoden
zur Systematik am Beispiel Ecdysozoa
Wissenschaftliche Abschlussarbeit zur Erlangung des 1. Staatsex-
amens in Biologie/Chemie LA
Zoologisches Institut
Ruperto-Carola-Universität Heidelberg
Marcus Kuntze
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Tabelle 1 - Neu zu diskutierende Taxa der Arthropoden (Schmidt-Rhaesa, Bartolomaeuset al.
1998)................................................................................................................................. 14 Tabelle 2 - Heutige zeitliche Einteilung des Quartärs............................................................. 16
Abbildung 1 - Glaziale und Interglaziale in Mitteleuropa....................................................... 16 Abbildung 2 - Zeittafel der Entstehung einiger wichtiger Vertreter der Ecdysozoa ............... 17 Abbildung 3 - Flussdiagramm kladistischer Analysen............................................................ 21 Abbildung 4 - Neighbour Joining-Kladogramm ..................................................................... 23 Abbildung 5 - Neighbour Joining-Stammbaum ...................................................................... 23 Abbildung 6 - Dendrogramm im Gedankenexperiment .......................................................... 26 Abbildung 7 - Wirkmechanismus von transponierbaren Elementen....................................... 28
Abbildung 8 - Charles Darwin................................................................................................. 31 Abbildung 9 - Möglichkeiten des horizontalen Gentransfers.................................................. 34 Abbildung 10 -Culex nigripalpus-Moskitolarveinfiziert mit Baculoviren (mit freundlicher Genehmigung von D. Barnard, U. S. Departement of Agriculture)................................ 35 Abbildung 11 - Vermehrung des HI-Virus (Mit freundlicher Genehmigung der Bildredaktion Spektrum der Wissenschaft, aus Spektrum der Wissenschaft 10/2002, S. 65, Grafik:
Quade Paul) ...................................................................................................................... 37 Abbildung 12 - Adsorption eines Duplex-DNA-Moleküls an ein Mineralienpartikel (Mit freundlicher Genehmigung von W. Wackernagel, Universität Oldenburg)..................... 39
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Einführung: Motivation dieser Arbeit
Die Systematik als Grundlagenwissenschaft hilft nicht nur Biologen, sich einen Überblick über das Tier- und Pflanzenreich zu verschaffen. Mit einem geordneten System lässt es sich besser arbeiten. Schon der Volksmund sagt: „Es ist besser die Dinge beim Namen zu nennen.“ Wegbereiter für die klassische Systematik, wie wir sie heute kennen, war Carl von Linné. Von ihm wurde im Jahr 1758 die binäre Nomenklatur zur Klassifikation der Lebewesen eingeführt. Die ersten überlieferten Systematisierungskonzepte (e. g. dichotome Klassifikationstafeln) gehen auf Plato (427-347 v. Chr.) und seinen Schülern zurück. Aristoteles (384-322 v. Chr., Schüler von Plato) ermöglichte die Bestimmung von Unbestimmtem und Möglichem durch Einführung seines Stoff-Form-Verhältnisses, indem er Platos Gegensatz „Welt der Ideen“ in „Welt der Erscheinungen“ änderte.
Jede Wissenschaft erneuert sich stets in ihren Erkenntnissen. Hypothesen werden falsifiziert oder verifiziert, verifizierte Hypothesen werden zu Theorien und bestätigte Theorien zu Lehren.
Die klassische Systematik fasst Stämme, Klassen, Ordnungen, Familien und Gattungen an-hand morphologischer Daten zusammen. Vergleichende Anatomie ist das Mittel ihrer Wahl. Das „konsequent phylogenetische System“ wurde von W. Hennig im Jahr 1950 begründet. Hierin werden anhand dichotomer Verzweigungsmuster phylogenetische Kladogramme erstellt.
Jede Art von Systematik versucht autapomorphe Merkmale zu finden. Durch das Auffinden von Autapomorphien können zu ordnende Vertreter in einer phyletischen Gruppe zusammengefasst werden. Die Radula ist beispielsweise eine solche für den Stamm Mollusca. Die Entwicklung von immer schneller werdenden Rechnern, die neuartigen biochemischen und molekularbiologischen Methoden ermöglichen Systematik nicht nur anhand morphologischer Merkmale zu betreiben. Sequenziermaschinen nach Vorbild Sangers lassen den genetischen Code nahezu aller lebenden Organismen innerhalb von wenigen Monaten aufklären. Kristallisationstechniken in der Biochemie ermöglichen die Bestimmung von Proteinstrukturen. Die Röntgenstrukturanalyse entschlüsselt Proteine bis auf ihre Primärstruktur. All diese Techniken ermöglichen der phylogenetischen Kladistik, autapomorphe Merkmale in DNA- und Proteinsequenzen zu finden.
Der Druck, viel in kurzer Zeit publizieren zu müssen, lässt zum Teil auch noch nicht ausgereifte Techniken anwenden. Es werden Ergebnisse veröffentlicht, die nach wenigen Jahren wieder als falsch gelten können. Diese Abschlussarbeit versucht anhand von Primär- und Se-kundärliteratur neben der Vorstellung kladistischer Methoden, die neue Technik der phyloge- netischen Systematik zu bewerten.
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Kurzfassung 13
Kurzfassung
Das erste Kapitel in dieser Arbeit setzt sich mit der Stellung der Arthropoda im Tierreich aus-einander. Berücksichtigt werden darin die neuesten Forschungsergebnisse bis zum Jahre 2002. Die neu festgelegten Ordnungen der Ecdysozoa werden vorgestellt. Das zweite Kapitel dient als unterstützendes Kapitel zum ersten Kapitel. Es beschreibt den Weg ausgehend von den angewandten molekularen Methoden bis hin zu der Interpretation der Ergebnisse aus den Untersuchungen, die zu den im ersten Kapitel dargestellten Ergebnissen führten. Eine Möglichkeit der symbiotischen Verknüpfung zwischen molekularer und morphologischer Datenerhebung wird demonstriert.
Im dritten Kapitel werden die derzeitigen Grenzen der phylogenetischen Stammbaumforschung aufgewiesen. Dabei spielen das Auffinden und Verwenden der richtigen Gensequenzabschnitte im Genom, adaptive Radiation, genetische Variabilität, fehlende Datenerhebungen von DNA-Sequenzen eine große Rolle.
Das vierte Kapitel dient dazu, allgemeine Methoden der Kladistik vorzustellen. Behandelt werden mögliche allgemeine Abläufe kladistischer Analysen, Computeralgorithmen zur Bestimmung von kladistischen Stammbäumen und Bewertungsmaßstäbe der allgemeinen kladistischen Analysen.
Das fünfte Kapitel beschäftigt sich mit der Evolution des Genoms. Darin werden Transposons, DNA-Rearrangements, DNA-Reparaturmechanismen, Repeats, Mutationen und ihre Bedeutung in der Evolution des Genoms angesprochen. Ein großer Aspekt liefert der horizontale Gentransfer, dem das sechste Kapitel gewidmet wurde.
Außer der Vorstellung des horizontalen Gentransfers gibt das sechste Kapitel eine kleine Einführung in die Darwin’schen und Lamarck’schen Lehren, behandelt neuere Erkenntnisse in der modernen Evolutionsforschung, diskutiert Mitochondrien und Chloroplasten als semiautonome Organelle, larvaler Transfer, sekundärer Endosymbiontenverlust, horizontaler Gentransfer zwischen verschiedenen Spezies, die Transfektion über Viren, die Transformation durch Nahrungsmittel und zu guter letzt die Gefahr globaler Katastrophen in bezug auf horizontalem Gentransfer.
Das siebte Kapitel diskutiert die Stabilität von DNA in Aggregaten. Im letzten Kapitel werden die Ergebnisse verglichen und Vorschläge für die Handhabung kladistischer Analysen für die Zukunft gegeben.