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Anfang 16. Jahrhundert - In einem Kloster in Manoppello sterben junge Mönche. Offenbar haben sie einen geheimen Schwur geleistet, der Ihnen zum Verhängnis wird. Bruno Santo versucht die unheimlichen Todesfälle aufzuklären und wird dabei selbst immer tiefer in die dunklen Geheimnisse des Klosters hineingerissen. Ein Wettlauf gegen einen mystischen Feind beginnt…
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Seitenzahl: 388
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Der junge Mann war die ganze Zeit schnell unterwegs gewesen. Man konnte
sehen, dass er Strapazen hinter sich hatte. Er war schnell geritten und er hatte
wenig Proviant dabei. Es grenzte an ein Wunder, dass er mich überhaupt
gefunden hatte, aber da stand er nun vor mir. Sein Pferd keuchte. Er ebenfalls.
„Signore Santo?“, fragte er mit flacher Stimme.
„Ja“, sagte ich, „Warum?“
Er reichte mir aus dem Sattel einen Briefumschlag in die Hand.
„Ich hoffe, Sie sind der richtige für uns alle“, sagte er. Dann gab er seinem Pferd
die Sporen und war so schnell weg wie er aufgetaucht war. Ich rief ihm noch
hinterher, aber er hörte mich nicht.
Er war der Mensch, der mein Leben, meine Art zu denken, mein Vertrauen in die
heile Welt für immer verändern sollte, und doch hatte ich ihn an jenem Tag nur für
einen einzigen Moment zu Gesicht bekommen. Dass ich den jungen Mann einige
Zeit später noch einmal unter weitaus unerfreulicheren Umständen sehen sollte,
wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht. Als ich den Brief las, der zusammen mit
einem wirklich großzügigen Geldbetrag im Umschlag gewesen war, wusste ich,
dass ich helfen wollte. Helfen musste. Ich wusste allerdings nicht, worauf ich mich
einließ.
Manoppello, Italien, Anno Domini 1505
Scharf hing der Geruch in den Straßen des kleinen Ortes. Fäkalien, Müll, und Tod
nebelten die Luft zum Atmen ein. Der Tod war allgegenwärtig zu jener Zeit. Jedes
Dorf wurde von ihm heimgesucht. Wie ein mächtiger schwarzer Reiter aus uralten
Zeiten, der niemanden verschonen wollte. Keine Gnade für Kinder, Frauen, junge
Männer, weise Menschen. Der Tod schaffte sich seinen Weg in jedes Haus, in
jede Familie. Er brachte Elend. Dunkelheit. Angst. Jedes Haus in dem kleinen Dorf
hatte ein großes schwarzes Kreuz an der Tür bepinselt, als Zeichen des Verlustes
eines geliebten Menschen im Haus. Ein bedrückendes Gefühl, durch die engen
Gassen an den Häusern vorbei zu gehen. Tote Menschen mit großen
aufgeschnittenen blutigen Beulen, die man vergeblich versucht hatte zu retten,
pflasterten die Gassen. Sie wurden nach ihrem qualvollen Tod schnell vor die Tür
gelegt. Anschließend sperrten sich die verbarrikadierten sich die Lebenden
wieder. Es schien kein lebender sich mehr rauszutrauen. Klagelieder und Gebete
füllten neben dem Gestank, die Luft mit schweren Klängen. Ich ritt langsam durch
die schmalen Gassen. Ich hatte schon viele Städte gesehen auf meinen Reisen,
aber diese schien mir die düsterste von allen zu sein. Der Tag war noch jung,
dennoch war es dunkel, als würde die Welt Trauer tragen. Kutscher zogen durch
den schwarzen matschigen Boden beschwerlich ihre Karren, um die Toden
aufzusammeln. Nur die Augen der Kutscher waren zu erkennen, ihre Gesichter
waren komplett mit Tüchern umwickelt. An ihren großen Stöcken, die sie fest in
ihren Händen hielten stand geschrieben: „Dio, perdona.“ Gott vergib uns. Mit ihren
Stöcken, verscheuchten sie umher streunende Hunde, Katzen, Vögel, die sich an
den leblosen Körpern satt fressen wollten.
Ich war durchnässt und müde von meiner Reise, aber so trostlos dort alles war, so
anders muss ich auf die Menschen gewirkt haben. Ich zog meine Kapuze noch ein
wenig weiter in mein Gesicht, um den Blicken der Gestalten zu entgehen, während
ich die Hauptstraße hinauf ritt. Langsam, denn durch teils lehmigen Weg, teils
glatten Kopfsteinpflaster hatte mein Pferd keinen guten Halt. Der vor mir reitende
Kutscher war auch nicht viel schneller. Auch sein Pferd kämpfte mit dem
Untergrund. Mir schien, als drücke er alles den Berg wieder hinauf, was versuchte
herunterzukommen. Ich beobachtete das Gespann vor mir. Es waren zwei
Männer. Der kleinere trieb das Tier an, der ungleich größere, massivere lief neben
dem Wagen her, teils im Voraus. Er sammelte die Reglosen von der Straße auf.
Gekonnt warf er sie auf die Pritsche des Wagens, bevor er wieder und wieder vor
lief, um den Nächsten aufzuheben.
Es wurde langsam heller; wahrscheinlich stand die Sonne schon recht hoch am
Himmel, doch man sah sie nicht. Die dicken schwarzen Wolken dämpften das
Licht und tauchten den ganzen Tag in eine seltsame, wie in eine von Kerzenruß
dumpf erleuchtete Atmosphäre. Als die Beiden vor mir abbogen, sah ich es
endlich vor mir. Den Grund meiner Reise. Diese Stadt beherbergte etwas
Sonderbares. Etwas, was man nicht überall hatte; etwas, dass den meisten
Menschen mehr Nachteile, als Vorteile verschaffte. Dennoch zog es viele an.
Diese Stadt war der Bischofssitz. Mir brachte dieser Umstand eher Vorteile, als
Nachteile, denn in diesen düsteren Zeiten wurde ich zu manch ausweglos
erscheinenden Situation gerufen. Es war die Zeit, in der die Menschen den
Glauben zu verlieren schienen. Sie riefen mich, wenn sie nicht mehr auf ihren
Glauben bauen konnten, wenn das Leid größer war. Wenn sie den Glauben in die
Kirche mit ihren ewigen Erklärungsversuchen für das ein oder andere Übel leid
waren. Wenn sie glaubten mit diesem heimsuchendem Elend von Gott bestraft zu
werden.
Dieses Mal allerdings war es anders. Kein Hilferuf aus normalem Haus hatte mich
erreicht; nein, dieses Mal war es der Bischof selbst.
Düster dampfend baute sich das gewaltige Kloster langsam vor mir auf, während
ich mich näherte. Die Stadt reichte bis an die Grundmauern des festungsähnlichen
Gemäuers. Es waren keine Fenster oder ähnliche Einlasse zu erkennen, nur die
schwere Holztür, vor der zwei Wächter standen, als würden sie eine andere, eine
heile Welt im Inneren des Gebäudes vor dem Verderben draußen schützen. Es ist
lange her, dass ich zuletzt hier war.
Ich glaubte nicht, dass man sich wirklich an mich erinnern würde, ich war
schließlich damals noch ein Kind gewesen. Der Eindruck aber, den ich damals
bekam, hatte sich in meinen Kopf eingebrannt. Langsam ritt ich immer näher auf
die Tür zu. An den Mauern versuchten einige Bauern ihre Produkte anzubieten,
ohne Erfolg allerdings, wie mir schien. Die zwei Wächter standen regungslos da,
als bemerkten sie mich gar nicht; ich war allerdings sicher, dass sie es taten, alle
anderen taten es jedenfalls. Ich ritt dicht an sie heran. Vor ihnen blieb ich stehen.
Es war eine seltsame Situation. Sie beachteten mich immer noch nicht.
Wahrscheinlich waren sie es nicht gewohnt, dass einzelne Reiter hier um Einlass
baten. Der Regen schien noch stärker zu werden, ich fühlte mich schwach und
müde. Ohne abzusteigen beugte ich mich zu einem der Männer herunter. Beide
trugen eine dunkelrote Uniform, die in dieser Umgebung fast lächerlich wirkte, und
hatten zur Verteidigung eine Art Speer mit Säbelspitze.
Misstrauisch beäugte mich der Mann. Ich sah in sein Gesicht, das nicht wie die
anderen Gesichter in der Stadt durch Armut, Hunger und Leid gezeichnet war. Ich
sagte ihm leise meinen Namen.
Er sah mich noch einmal misstrauisch an. Offensichtlich war mein Name bekannt.
Schließlich erwartete man mich, ich war mir allerdings nicht sicher, ob die Wächter
mich so erwartet hatten. Er drehte sich schließlich um und klopfte an die schwere
Holztür. Dumpf hallten die Töne in den Innenhof, doch der Regen schien einen
Großteil von ihnen zu verschlucken.
„Signore Santo ist angekommen“, schrie der Wächter in den Regen.
Dann passierte eine Weile lang gar nichts. Der Wächter drehte sich wieder um
und würdigte mich keines Blickes mehr. Es schien, als sei die Zeit stehen
geblieben, als wir so dort vor der Holztür standen und warteten. Der Regen
hämmerte unaufhörlich auf uns ein, als wolle er uns ertränken. Es dauerte eine
Ewigkeit, bis sich die Tür schwer in Bewegung versetzte. Als sie geöffnet wurde,
eröffnete sich eine andere Welt. Langsam trabte ich auf meinem Pferd in den
Innenhof. Hinter mir schloss sich rasch die Holztür. Ich hörte hinter mir großes
Geschrei. Die Bauern hatten versucht, sich ebenfalls einen Weg in das Innere der
Gemäuer zu verschaffen, wurden aber gewaltsam von den Wächtern
zurückgetrieben. Im Inneren lag eine gewaltige Ruhe. Es war, als würde man ins
pure Nichts eintreten. Ich sah einige Menschen, hauptsächlich Wärter, manche
standen hoch oben auf der Befestigungsmauer. Offensichtlich konnte man durch
die Türme, die in kurzer Entfernung zueinander standen, auf die Mauer gelangen.
Vor mir lag ein leer gefegter Platz, an dessen linken Ende ein unfreundlicher Weg,
von einer Wiese umringt, hinauf zum Haupthaus führte.
Schnell kam ein weiterer Uniformierter zu mir herüber. Mir fiel auf, dass er erst
kam, nachdem das Tor verschlossen war.
Er begrüßte mich und reichte mir freundlich die Hand zum Absteigen, doch ich
benötigte sie nicht. Ein weiterer Wärter kam hinzu.
„Ich werde mich persönlich um Ihr Pferd kümmern“, sagte er während ich abstieg.
Ich sah ihm an, dass er es ehrlich meinte. Schon hatte er es am Zügel und zog es
zu den Stallungen herüber, wo offensichtlich noch andere Pferde Unterschlupf
fanden. Ich war froh angekommen zu sein. Die beiden Wärter grenzten sich zu
den Menschen draußen gewaltig ab; der schwarze Tod schien keinen Weg in
diese Gemäuer gefunden zu haben – dass er nur in einer anderen Form hier war,
wusste ich noch nicht. Überhaupt hatte die Nachricht des Bischofs mich über
meinen Auftrag eher im Dunklen gelassen, aber die Dringlichkeit war nicht zu
überhören gewesen. Außerdem war ich gespannt, in welcher Weise ich wohl den
Vertretern Gottes helfen konnte.
Der erste Wärter deutete auf den Weg vor uns. Dahinter baute sich das Kloster
dunkel auf. Es bestand im Wesentlichen aus einem schmucklosen grauen
Steinbau, vielleicht drei Etagen hoch. An der Vorderseite waren keine Fenster, nur
die unheimliche Masse der grauen Wand. Die einzigen Verzierungen, die ich sah,
waren um die oben spitz zulaufende Tür angebracht.
„Bitte sehr, Signore Santo. Hier entlang. Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme
Reise.“
Ich blickte ihn unter meiner Kapuze heraus an.
„Ich freue mich jedenfalls hier zu sein“
„Ich verstehe“, sagte der Mann. „Dann zeige ich Ihnen mal, wo Sie sich etwas
frisch ausruhen können.“
Gemeinsam gingen wir den doch recht langen Weg zum Haupthaus hinauf. Der
Wächter wirkte auffallend kühl, aber ich ignorierte es. Das Gelände war groß; ich
erahnte hinter dem Haupthaus die Kapelle, und ich konnte mich erinnern, dass
dahinter noch ein großer Garten mit den Gebäuden für die Wächter auf der
anderen Seite war. Die Treppe zur Haupttür war schlicht und auch die Tür selbst
stellte nichts Besonderes dar. In dunklem Holz wirkte sie zwar außerordentlich
massiv, aber dennoch schmucklos. Einzig der steinerne Rahmen darum war reich
mit seltsamen Figuren verziert. Ich konnte mich erinnern, dass sie mir bereits als
Kind aufgefallen waren, mir aber niemand wirklich sagen konnte, was sie
darstellten.
Der Wächter, der mich begleitete klopfte dreimal gegen die Tür. Dumpf hallten die
Schläge in den Raum dahinter und es verging eine Weile, bis die schwere Tür sich
langsam und quälend in Bewegung setzte. Die Dunkelheit des Raumes schlug mir
entgegen, obwohl es draußen nicht besonders hell war. Man konnte nicht sehen,
wer die Tür geöffnet hatte; fast, als wäre sie von Geisterhand geöffnet worden.
Der Wächter kannte das vermutlich schon. Er ging gezielt hindurch in den dunklen
Raum. Ich folgte ihm. Im inneren des Gebäudes brannten nur ein paar Fackeln an
den kalten Wänden. Man hörte sie knistern, aber sonst hörte man nichts außer
den schweren Tritten des Wächters in der Stille. Laut schlug plötzlich hinter mir die
Tür zu. Mit einem Mal wurde es noch dunkler in dem Raum. Ich erschrak und
drehte mich um, während der Wächter sich nicht beirren ließ und seinen Weg wie
zuvor weiterging. Als ich nach hinten blickte, sah ich die Umrisse eines Mannes in
der Dunkelheit verschwinden. Ich drehte mich wieder um und ging weiter, um den
Wächter nicht aus den Augen zu verlieren. Ich fragte mich, ob ich wohl von außen
Fenster gesehen hatte. Ich hatte nicht darauf geachtet, aber es müssen wohl
welche da gewesen sein. In meiner Erinnerung war das Gebäude hell gewesen.
Jetzt wirkte es eher wie eine Grabkammer. Wie zutreffend meine Ansicht doch
war, würde ich allerdings erst später erfahren.
Wir gingen eine ganze Weile, bis wir am anderen Ende der Halle wieder eine Tür
erreichten. Diese musste allerdings nicht von innen geöffnet werden, denn der
Wächter hatte einen Schlüssel. Ziemlich gut geschützt für ein Kloster, dachte ich
mir im Stillen, während er den großen Schlüssel lautstark im Zylinder drehte. Auch
der nächste Raum wirkte nicht einladender, als der erste; er bestand praktisch nur
aus Steinwänden und dem Steinboden, aber wenigstens waren ein paar mehr
Fackeln an der Wand. Unsere Schritte hallten laut durch den Raum, und obwohl
ich die ganze Zeit durch den Regen geritten war, wurde mir erst in diesen Räumen
richtig kalt. Am anderen Ende des schmalen Korridors konnte ich eine weitere Tür
erkennen, und etwa in der Mitte ging eine Treppe nach oben. Wortlos führte mich
der Wächter die Treppe hinauf. Auffällig wurde inzwischen, dass im gesamten
Gebäude absolute Stille herrschte. Keine Menschenseele zu sehen. Auch der
Wärter hatte es offensichtlich eilig durch die Gänge zu kommen, jedenfalls legte er
ein ordentliches Tempo vor. Im ersten Stock waren einige massive Türen, hinter
denen sich wohl Zimmer befanden. Man hörte nichts, keine Stimmen, gar nichts.
Wir erreichten mein Zimmer. Der Wärter schloss die ebenfalls massiv aussehende
Tür auf und drückte mir den Schlüssel in die Hand. Dann blickte er mir direkt in die
Augen.
„Machen Sie sich ein bisschen frisch. Sie finden alles was Sie brauchen im
Zimmer. Ich werde Sie später abholen.“
Seine Art zu sprechen hatte etwas Angst einflößendes. Ein Schauer lief eiskalt
meinen Rücken herunter, aber ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen. Er
schaute mich noch eine Zeitlang an, dann drehte er sich ohne ein weiteres Wort
um und ging weg. Meine Müdigkeit war wie weggeblasen. Sie war einer
undefinierbaren Angespanntheit gewichen. Ich wusste nicht warum, aber hätte mir
der Mann nicht den Schlüssel gegeben, wäre ich sicher gewesen, ein Gefangener
zu sein.
Ich betrat das Zimmer unbewusst mit großer Vorsicht. Mein Herz pochte, aber ich
wusste nicht warum. Wahrscheinlich spielte mir mein Körper nach der langen
Reise einen Streich. Das Zimmer war nicht in dem dunklen Stil der anderen
Räume gehalten. Hier brannten diverse Fackeln und Kerzen, man hatte es
offenbar für mich vorbereitet. Es gab zwei recht große Räume, mit einem Bett in
dem einen und einem Schreibtisch mit Sitzgelegenheit für vier Personen in dem
anderen. An der langen Wand war ein großer Kamin. An der anderen Seite eine
verschlossene Tür und der Eingang ins Schlafzimmer. Die Schlagläden vor dem
Fenster auf der anderen Seite des Raumes waren geschlossen. Ich beschloss sie
zu öffnen, aber musste, als ich mich daran begab, feststellen, dass sie sich nicht
bewegen ließen. Man hatte sie offensichtlich auf irgendeine Weise befestigt. Ich
wollte nicht anfangen an ihnen herumzuwerkeln, also ließ ich von ihnen ab und
wandte mich der noch verschlossen Türe zu. Hinter ihr war das schön
eingerichtete Badezimmer versteckt. Es hatte sogar eine Badewanne, und ich
fragte mich sofort, wer wohl das Wasser dafür herbrachte. Jedenfalls stand auf
einem glänzenden kleinen Schrank bereits eine große Schüssel mit dampfendem
Wasser, das wohl für mich gedacht war. Es duftete herrlich und verbreitete ein
Klima, wie ich es hier nicht erwartet hätte. Langsam legte sich meine Nervosität.
Ich ging zurück ins erste Zimmer. Meine Sachen waren völlig durchnässt. Um sie
zu trocknen, zündete ich in dem gewaltigen Kamin ein Feuer an. Holz dafür lag
schon im Kamin und daneben war noch ein weiterer Stapel Holz. Das Holz
brannte schnell. Sofort strömte die Wärme aus. Ich zog mich aus und hing meine
Sachen über zwei Stühle, die ich vor den Kamin stellte. Dann ging ich ins
Badezimmer, um mich ausgiebig zu waschen. Man hatte mir zahlreiche weiche
Handtücher zurechtgelegt. In eines davon hüllte ich meinen Körper und ging wieder
hinaus ins Wohnzimmer. Es war schon herrlich warm geworden. Von meinem
Gefühl her hätte es schon spät am Abend sein können. Ich hätte nichts dagegen
gehabt mich ins Bett fallen zu lassen und zu schlafen, doch es war Vormittag. Mein
Gefühl rührte wohl daher, dass kein Tageslicht in den Raum kam. Also ließ ich mich
stattdessen in einen der zwei schweren Sessel fallen, die vor dem Kamin standen.
Ich muss wohl eingeschlafen sein, denn das Nächste, was ich bemerkte, war ein
Rascheln vor meiner Tür. Es klang wie ein Kratzen an Holz, ich konnte es nicht
identifizieren. Ich sprang auf, weil ich dachte, der Wärter würde mich abholen.
Immer noch in das Handtuch gewickelt ging ich zur Tür und öffnete diese, aber es
war niemand da. Der ganze Korridor war leer. So leer, dass es fast unheimlich war.
Und trüb. Man konnte den gesamten Raum bis zur Treppe sehen, aber irgendetwas
machte die Sicht undeutlich. Ich schloss die Tür wieder. Das Feuer im Kamin war
schon deutlich kleiner geworden. Ich fühlte meine Kleider. Sie waren trocken und
warm. Schnell zog ich mich an. Mir wurde klar, dass ich recht lange geschlafen
haben musste. Meine Sachen fühlten sich wunderbar an. Die Wärme auf der Haut
zu spüren, ließ mich den dämmerigen Gang wieder vergessen. Ich hatte gerade
meinen zweiten Stiefel angezogen, als es dreimal laut an der Tür klopfte. Das
musste der Wärter sein. Wieder war ich schnell bei der Tür. Tatsächlich stand ein
Wärter dort. Nicht der gleiche von zuvor, aber auch er wirkte reserviert. Er sagte
nichts, blickte mich nur still an.
Er hatte die Erscheinung eines Kampfhundes, sein kurzes schwarzes Haar wirkte
wie Schleifpapier auf seinen kantigen Kopf. Seine Uniform war aufwendig
gearbeitet.
„Ich bin fertig“, sagte ich, „wir können gehen“
Stumm drehte er sich um und setzte sich lautstark in Richtung Treppe in
Bewegung.
„Ach, Entschuldigung“, rief ich ihm hinterher
Er blieb stehen und drehte sich zu mir um.
„Mein Name ist Santo, Bruno Santo. Ich hoffe, ich habe nichts getan, um Sie zu
verärgern.“
Der kleine Mann zog eine seiner scharf gezeichneten Augenbrauen hoch und
fixierte mich eine Weile.
„Mich nennt man hier Carlos.“
Er wirkte so kühl, dass die Luft um ihn herum zu Eis zu erstarren drohte. Ich fragte
mich, ob ich wohl bei meiner Ankunft unhöflich zu ihm gewesen war, aber ich
konnte mich nicht erinnern. Er drehte sich wieder um und ging weiter. Wir gingen
die Treppe wieder hinunter. Wir traten durch einige Türen, vorbei an groß- und
kleinflächigen Gemälden. Von einem steinernen Korridor gelangten wir in den
nächsten. Und immer noch wirkte dort alles, wie in einem endlosen Alptraum. Als
seien alle Menschen von einem tausendjährigen Schlaf befallen worden, und nur
Carlos und ich konnten uns ihm widersetzen.
Nach einer Weile blieb Carlos vor einer Tür stehen. Man sah ihr schon an, dass
hinter ihr etwas Besonderes war, denn hier standen nun endlich noch zwei
Menschen. Wachen von Carlos Schlag. Darüber hinaus war die Tür etwas größer
als die anderen und mit Ornamenten reichhaltig verziert.
„Warten Sie hier“, sagte er leise, aber in seinem Tonfall konnte man den Befehl
hören. Er öffnete die Tür und ging hinein, nicht ohne sie sofort von innen zu
schließen. Um mich herum war wieder nur Stille. Wo gerade eben noch das laute
Geräusch unserer Schuhe zu hören war, hörte man jetzt rein gar nichts.
Niemanden. Es war wie ein Geisterschloss. Noch nicht einmal die beiden Wärter
bewegten sich. Sie waren regungslos und starrten fixierend auf die
gegenüberliegende Wand. Die Stille drückte so sehr auf mir, dass ich drauf und
dran war, die Tür zu öffnen, doch ich widerstand der Versuchung. Schließlich ging
sie auf und Carlos stand wieder vor mir. Ich war erstaunlich erfreut ihn zu sehen,
und ich glaube, er bemerkte ein Lächeln in meinem Gesicht, aber er starrte mich
noch immer kalt und ausdruckslos an.
„Seine Eminenz empfängt euch jetzt“, sagte er knapp und tat einen Schritt zurück
in den Raum. Er hielt mir die Türe auf, während ich hineinging. Sofort schlug mir
ein eigenartig strenger Geruch in die Nase. War das Parfüm? Ich konnte es
irgendwie nicht einordnen. Carlos ging wieder hinaus und schloss die Tür; dann
sah ich die Silhouette eines Mannes vor mir, den ich aus meiner Kindheit noch
kannte, und der sich kaum verändert hatte. Fröhlich lachend kam er auf mich zu.
„Bruno!“, rief er mich mit meinem Vornamen „Ich bin so froh, dass du kommen
konntest.“
Auch ich machte einen Schritt auf ihn zu. „Die Freude ist ganz auf meiner Seite,
Eminenz“, sagte ich und reichte ihm die Hand zum Gruß.
Er lachte und schnappte sich meine Hand. Sein Händedruck war fest für einen
Geistlichen. Hätte ich es nicht gewusst, hätte ich ihn eher für den Händedruck
eines Dorfbauern gehalten. Er zog mich mit der Hand an sich und umarmte mich.
„Ach Bruno, sei nicht so förmlich. Hat du denn vergessen, wer ich bin?“
Nein, wahrlich, das hatte ich nicht. Er war so dick wie damals, nur seine Haut
verriet sein Alter, sein Gesicht aber war von gesunder rötlicher Farbe und seine
Augen funkelten wild. Haare hatte er noch nie, jedenfalls nicht, soweit ich mich
erinnern konnte. Sein kahler Kopf bildete eine gleichmäßige Fläche ohne Dellen
oder Erhebungen.
„Weißt du nicht mehr, wie wir damals gespielt haben, hier auf den Gängen?“
„Natürlich weiß ich das noch. Du hast mich nie besiegt.“
Er lachte laut auf und brach damit die Spannung, auch ich lachte mit.
„Bruno, mein alter Freund. Mein Gott, was bist du groß geworden. Aber nenn mich
doch bitte Ernesto, so wie früher.“
„Ernesto. Aber jetzt erzähl doch mal, was so dringend ist. Dein Brief war kryptisch
unheimlich geschrieben. Außerdem wäre ich auch gekommen, wenn du mir kein
Geld geschickt hättest.“
„Das weiß ich, aber die Situation ist anders, als du es dir vorstellen kannst. Aber
erzähl erst einmal, wie es dir ergangen ist, Bruno.“
„Nun ja, da gibt es nicht viel zu erzählen.“ Natürlich gab es da zwar einiges, ich
hatte schon seit längerem den Ruf eines Mannes, der in der Lage war, ganz
spezielle Probleme lösen zu können. Probleme, die andere Leute wohl als
übernatürlich bezeichnen würden, die sich aber meistens relativ leicht erklären
ließen. Nach seinem Brief, den der Bote mir gegeben hatte, zu urteilen, wusste
Ernesto aber über meine Fähigkeiten Bescheid.
Wir gingen hinüber zu dem Tisch, an dem schon zwei Stühle standen.
„Mir ist aufgefallen, dass hier alles recht trostlos wirkt. Ich habe außer Carlos und
deinen zwei Wachen keinen Menschen gesehen.“ Mit Blick auf sein Fenster, bei
dem ebenfalls die Schlagläden zu waren, ergänzte ich. „Außerdem scheint ihr das
Tageslicht nicht mehr zu mögen.“
Der alte Mann ließ sich schwer auf seinen Stuhl sacken. Wie auf ein Kommando
war die Freude in seinen Gesichtszügen einer beklemmenden Angespanntheit
gewichen. Er saß ungemütlich gerade da und legte seine Hände auf seine
Oberschenkel.
„Bruno“, sagte er nach einer Weile, in der ich das Gefühl hatte, dass er
angestrengt nachdachte, „Bruno, die Menschen hier haben Angst.“
Er hielt kurz inne: „Sie haben Angst zu sterben“
Er ging langsam zu dem großen Vorhang, der an der Wand angebracht war.
Schwer und rot hing er herunter und deckte alles ab, was hinter ihm lag Er
machte eine kleine Pause und fixierte mich. „Ich hatte gehofft, dass du mir sagen
könntest, wovor wir hier Angst haben.“
Mit den Worten ging er zu dem Vorhang und öffnete ihn. Ich erschrak unwillkürlich,
denn so direkt seine Sprache auch war, sie wurde von dem, was er mir zeigte,
übertroffen. Hinter dem Vorhang war ein Durchgang in einen weiteren Raum und
in diesem Raum, fein säuberlich, stand ein Tisch, auf dem ein Mensch lag. Das
hatte ich nicht erwartet, aber wenigstens wusste ich jetzt, wo der Geruch herkam,
der sich hier überall ausbreitete. Ernestos Versuche den Geruch zu überdecken,
waren wenig erfolgreich gewesen. Ich näherte mich langsam dem Tisch, an
Ernesto vorbei. Der Mann auf dem Tisch war offensichtlich tot, die Leichenstarre
hatte seinen Arm in einem unnatürlichen Winkel nach oben stehen gelassen. Es
war ein junger Mann, wohl einer der Klosterbewohner hier, ein junger Mönch,
denn er hatte eine Kutte an. Äußerlich sah er auf den ersten Blick unversehrt aus,
aber je näher ich ihm kam, desto klarer wurde mir, was die Ursache für seinen Tod
war. Es war sein Gesicht, sein ganzer Kopf. Die Augen waren weit aufgerissen,
sein Mund ebenfalls, sein Kopf stand in einer unnatürlichen Stellung zu seinem
Körper, er war fast bis zu seinem Rücken gedreht. Sein ganzer Körper schien sich
zu krümmen. Man sah es dem Mann ganz deutlich an. Er hatte ein schreckliches
Ende gehabt. Man konnte es förmlich in seinen toten Augen sehen. Ungläubig
drehte ich mich wieder zu Ernesto um. Er stand nur da, immer noch den Vorhang
in der Hand.
„Verstehst du jetzt, was ich meine?“
„Mein Gott. Wie ist das passiert?“
Ernesto schüttelte stumm den Kopf. „Ich weiß es nicht. Er hat die eine oder andere
kleine Verletzung, Kampfspuren vielleicht. Nach seinem Kopf zu urteilen ist er an
einem Genickbruch gestorben, aber sicher bin ich mir nicht.“ Ernestos Auftreten
war imposant, aber in dieser Situation konnte man erkennen, dass er eine gewisse
Hilflosigkeit ausstrahlte.
„Wo ist er gefunden worden?“
„In seinem Zimmer. Aber da ist noch etwas...“
Ich blickte ihn fragend an, während ein Moment der Stille sich im Zimmer
ausbreitete.
„Er war nicht der Erste“, fügte er still hinzu.
Nicht der Erste? „Wie meinst du das? Es hat schon andere Tote gegeben?“
Der Geistliche nickte. „Das ist Timothei. Einer unserer Mönche. Wir fanden ihn vor
zwei Tagen. Er war nicht zur Messe gekommen und wir bekamen keine Antwort
an seiner Tür. Carlos hat sie dann aufgebrochen. Wir fanden ihn so, wie er da
liegt.“
Ich schaute ihn mir noch einmal an. Ich war kein Arzt, kannte mich medizinisch nur
begrenzt aus, aber auch ich vermutete, dass er an einem Genickbruch gestorben
war.
„Und wie viele andere Opfer gibt es?“
Er schwieg einen kurzen Moment, als überlege er noch, ob er es wirklich sagen
wolle. Stumm ging er rückwärts und ließ sich wieder in seinen Stuhl fallen. Er
senkte seinen Blick und hielt einen Moment inne. Dann schaute er mich wieder an.
„Er war der Zehnte.“
„Der Zehnte?“ Ich war schockiert.
Ernesto nickte. Ich konnte es kaum fassen.
„Der zehnte Tote? Wie sind sie gestorben? Ähnlich wie Timothei?“
Ernesto sah mich streng an.
„Mehr oder weniger, wir hatten auch schon Tote mit weitaus offensichtlicheren
Verletzungen hier.“
Ich wollte es gar nicht wissen, was das für Verletzungen gewesen waren. So
etwas hatte ich noch nie erlebt. Zehn Tote!
„Wann hat es angefangen?“
„Vor zwei Wochen“, sagte Ernesto, und das war das Nächste, was mich
schockierte, denn es bedeutete, dass fast jeden Tag jemand starb. Das schaffte
sonst nur die Pest.
„Aber in den letzten drei Tagen ist niemand gestorben.“
Unwillkürlich dachte ich an den Boten, der mir die Nachricht überbracht hatte.
Vielleicht hatte er etwas damit zu tun, aber ich verwarf den Gedanken wieder,
obwohl es anscheinend seit seiner Abreise keine Toten mehr gegeben hatte.
„Er liegt schon seit drei Tagen hier?“, fragte ich, „Und die anderen?“ Mir kam der
Gedanke, wie Ernesto es geschafft hatte, drei Tage mit diesem stinkenden Körper
zu verbringen.
„Die anderen sind schon beerdigt. Timothei habe ich noch nicht beerdigt, weil ich
wollte, dass du ihn siehst. Es ist schrecklich. Diese Gewalt. Und dann dieser
Ausdruck im Gesicht, ich habe so etwas noch nie gesehen.“
Ich auch nicht, dachte ich mir im Stillen, aber es gab sicherlich eine natürliche
Erklärung für die ganzen Toten. Da es sich offensichtlich nicht um eine rätselhafte
Krankheit handelte.
„Gab es an den Stellen, an denen ihr sie gefunden habt, etwas Auffälliges?“
Ernesto nickte. Dann seufzte er: „Die Fensterscheiben waren immer zerstört.
Offensichtlich ist jemand durch die Fenster in die Zimmer eingedrungen und hat
sie ermordet. Jedenfalls waren die Türen immer unversehrt.“
„Durch die Fenster?“, fragte ich und sah in Ernestos Gesichtsausdruck, dass er
wusste, worauf ich hinaus wollte. Denn obwohl zerschlagene Fenster eindeutig auf
ein gewaltsames Eindringen schließen ließen, war da ein Problem. Außen war die
Mauer bis zum ersten Stock mindestens fünf Meter hoch, vom zweiten Stock ganz
zu schweigen. Im unteren Stockwerk hatte ich noch keine Anzeichen für private
Zimmer gesehen. Eigentlich ausgeschlossen, dass jemand da an die Fenster
herankäme. Ernesto schien meinen Gedankengang zu sehen.
„Es gibt im Außenbereich keine Leitern, die lang genug wären. Keine der Leichen
wurde hier im Erdgeschoss gefunden“, sagte er, „Es gibt keine Hilfsmittel um an
die Fenster heranzukommen. Außerdem“, er machte ein kleine Pause und blickte
auf sein verbarrikadiertes Fenster, „zwei Unglücke sind oben im dritten Stock
passiert.“
Das schloss natürlich die Leiter-Theorie aus.
„Deshalb sind hier also alle Fenster verriegelt.“
Ernesto nickte. „Aber auch nachdem die Fenster verriegelt wurden sind Mönche
gestorben und Fensterscheiben waren zerstört. Ich weiß einfach nicht mehr
weiter, Bruno. Du musst mir hier helfen. Du musst herausfinden, warum diese
schrecklichen Dinge geschehen.“ Er machte eine kurze Pause und schaute mich
schon wieder in seiner unglaublich intensiven Art an.
„Die Menschen haben Angst, aber wo sollen sie hin? Im Dorf grassiert die Pest,
wir waren schon lange nicht mehr vor unseren Toren. Wir lassen auch niemanden
hinein. Bisher konnten wir den schwarzen Tod aus unseren Mauern heraushalten.“
„Dafür habt ihr euch eine andere Variante hereingeholt.“
Ernesto antwortete nicht, aber es stimmte.
„Hat es einfach so begonnen?“, fragte ich ihn. „Aus dem nichts? Oder war vor dem
ersten Toten etwas Besonderes? Vielleicht ein neuer Mönch?“
„Nein“, erwiderte Ernesto, „wie gesagt, wir lassen hier niemanden von außen
hinein. Du hast da eine Ausnahme gebildet. Selbst die Wachen, die vor dem
Haupttor stehen, bleiben draußen, sie haben ein Häuschen direkt an der Mauer.
Dort können wir sie von oben versorgen. Es sind vier. Sie wechseln sich immer
ab.“
„Wie lange macht ihr das schon?“
Ernesto winkte ab: „Seit mindestens sechs Monaten. Seitdem ist hier niemand
hereingekommen.“
Er blickte jetzt noch düsterer und schaute mir direkt in die Augen.
„Es gibt nur eine logische Erklärung für das Ganze“, sagte er.
Für einen Moment war Stille in dem Raum, dann aber sagte Ernesto etwas, was
fast den Boden erzittern ließ, das Wort war so raumfüllend, dass es alles andere
verdrängte.
„Luzifer“, sagte er still und doch gleichzeitig laut.
Danach war einen Moment lang wieder Ruhe. Ernesto saß immer noch in dem
Stuhl.
„Wie meinst du das?“, fragte ich.
„Kannst du mir einen anderen nennen, der so etwas vollbringen könnte?“
Im Moment hatte ich keine brauchbare Idee, aber ich wusste wenigstens, warum
Ernesto in seinem Brief so schnell nach mir verlangte.
Der Teufel war sicher
niemand, mit dem ein Bischof gerne scherzte. Würde ich es schaffen die Toten
einem anderen Grund zuzuordnen, wäre er sicher mehr als erfreut, zumal man
bedenken musste, warum der Teufel sich wohl gerade die Mönche ausgesucht
hatte. Ich schüttelte den Gedanken Ernestos ab. Ich war fest davon überzeugt,
dass es für das Ganze eine logische Erklärung geben musste, einen Teufel in
Menschengestalt praktisch.
„Ernesto, ich weiß...“, fing ich einen Satz an, als wir plötzlich scharf unterbrochen
wurden. Laut klopfte jemand an die Tür. Es war Carlos. Er wartete nicht einmal ab,
bis man ihn hereinbat, nein, er stürmte geradewegs in das Zimmer. Leicht nach
Luft ringend stand er da – er war offensichtlich gerannt, ich konnte seine
Halsschlagader pulsieren sehen. Er blickte uns einen Moment mit all seiner
autoritären Strenge an, dann sprach er fünf Worte, die niemand hören wollte:
„Noch einer, es ist Arthur.“
Ernesto stand erschrocken auf.
„Arthur?“
Carlos nickte. „Einer meiner Männer. Er ist von der Mauer gefallen.“
Ernesto hauchte nur ein kurzes „Nein“, dann rannte er los. Auch Carlos rannte los.
Ernesto hinter ihm her, und da ich auch sehen wollte, was passiert war, rannte ich
ebenfalls hinter den beiden her. Wir rannten den Gang entlang durch die
unzähligen Türen, von denen jetzt keine abgeschlossen war, und weiter in die
Eingangshalle. Auch hier stand die Tür offen und gab den Weg an das Tageslicht
frei. Wir rannten hinaus, die Treppe hinunter. Immer hinter Carlos her. Es hatte
aufgehört zu regnen, aber es war trotzdem ein durch und durch grauer Tag.
Nachdem wir um das Gebäude herum gerannt waren, konnte man schon sehen,
was passiert war. Da lag er, einer der Wachen, tief in den schlammigen Boden
herein gedrückt. Er lag direkt neben einem kleineren Schuppen. Und er sah aus,
als läge er schon eine Weile dort, er war total durchnässt. Sein ganzer Körper war
nur zur Hälfte zu sehen, er lag mit dem Gesicht nach unten. Vermutlich war er von
der Mauer, auf denen die Wachen patrouillierten, heruntergefallen. Es standen
auch ein paar andere Gestalten um ihn herum, zwei Wärter und drei Mönche. Die
ersten Menschen, die mir hier direkt begegneten. Ernesto kniete sich neben ihm in
den Schlamm. Offenbar war es ihm egal, seine Gewänder zu beschmutzen.
Er packte den Wächter an den Schultern und drehte ihn herum auf den Rücken.
Schnell wischte er den Schlamm mit seiner Hand aus dem Gesicht des Opfers.
Und da war es wieder. Dieser Ausdruck, dieser verdrehte Kopf. Ernesto ließ ihn
resigniert sinken und bekreuzigte sich still. Er war tot. Da lag er nun, der Wächter.
Die Starre war noch nicht eingetreten, aber seine Gesichtszüge waren auf eine
seltsame Art scheinbar eingefroren. Selbst seine Augen vermochte Ernesto nicht
zu schließen. Ich sah mich in der Gruppe der Leute um, die hier standen.
„Hat jemand gesehen, was passiert ist?“
Mir fiel sofort auf, dass nur noch zwei Mönche da waren; ich drehte mich um, aber
der Dritte war nirgendwo zu sehen. Die übrigen sahen genauso erschrocken aus
wie Ernesto, nur Carlos stand da wie immer mit seinem strengen Blick. Er verlor
nicht einen Millimeter an Fassung.
Die beiden Mönche und die Wachmänner schüttelten stumm den Kopf.
„Wir fanden ihn gerade eben. Er lag schon so hier“, sagte einer der Mönche, ein
großer dünner Mann, ungefähr im selben Alter wie der Tote in Ernestos Zimmer.
Ich sah ihn an. Es fiel mir erst jetzt auf, aber er war tropfnass. Seine Kutte war von
oben bis zu den Hüften durchtränkt.
„Sind Sie nass geworden?“, fragte ich ihn.
Er schaute mich verwundert an „Ja.“
Ich fragte mich, wie man nass werden konnte, während man über den Hof lief,
zumal es nicht mehr regnete. Ich entschloss mich, nicht weiter zu fragen. Ich
schaute in den Himmel. Die Sonne blitzte zwischen der Wolkendecke hervor.
„Habt ihr etwas gehört, als er gefallen ist?“
Wieder verneinten alle.
„Wer hat ihn zuerst entdeckt?“
„Das war ich“, antwortete der dünne Mönch wieder, „aber ich habe ihn nicht
bewegt. Er lag schon so da.“
„Was ist mit dem Mönch, der gerade weggegangen ist? Hat er vielleicht etwas
gesehen?“
Nun schaltete sich auch der dritte Mönch ein. Er war ein ganzes Stück älter. „Nein,
Bruder Claudio war bei mir. Wir haben uns um Ihr Pferd gekümmert. Den da
liegenden Wachmann haben wir erst bemerkt, als Bruder Umberto die Wachen
gerufen hat.“
Ich blickte hinauf auf die Mauer, von der er herunter gefallen war. Es war nichts
Verdächtiges zu sehen. Was war nur dort los? Die Menschen schienen im Kloster
gefährlicher zu leben als in dem pestverseuchten Dorf. Unwillkürlich sah ich zu
den Ställen mit meinem Pferd hinüber. Hoffentlich hatte ich keinen Fehler
begangen hierher zu kommen. Jedenfalls war die sichere, friedliche Herberge der
Geistigen zum Schauplatz einer Macht geworden, die scheinbar nicht daran
interessiert war mit dem Morden aufzuhören.
„Bringt ihn hier weg“, sagte Ernesto still. „Bringt ihn rein und macht ihn sauber.“
Dann stand er wieder auf und drehte sich um.
„Wir feiern jeden Mittag eine Messe, Bruno“, sagte er leise, dann ging er langsam
in Richtung des Hauses.
Ich kniete mich neben den toten Wächter. Es war außergewöhnlich, sein Gesicht
war tatsächlich mit einer gewissen Angst versetzt. Ich sah ihn mir genau an, es
war aber keinerlei offene Verletzung zu finden, hingegen hatte er bestimmt
mehrere Knochenbrüche, denn irgendwie sah er verdreht aus. Vielleicht ist er
einfach nur die Mauer heruntergefallen, dachte ich mir, aber ich hielt das eher für
unwahrscheinlich.
„Wie kommt man da hinauf?“ fragte ich Carlos auf die Mauer zeigend.
„Durch den Eingang in dem Turm da vorne.“
Ich überlegte nicht lange. „Können Sie es mir zeigen, ja?“
„Jetzt sofort?“
„Ja, warum nicht?“
Carlos zögerte zwar kurz, aber dann nickte er zustimmend und drehte sich zu
seinen Männern um.
„Bringt ihn hinein“, befahl er den anderen Wachen, die noch da standen. „Wascht
ihn, wie der Bischof es gesagt hat.“ Die anderen beiden Mönche boten ihre Hilfe
an. Dann drehte sich Carlos zu mir um.
„Kommen Sie.“
Wir gingen hinüber zu dem Turm. Carlos schloss die Tür auf.
„Kann man auch durch die anderen Türme auf die Mauer gelangen?“, fragte ich.
Carlos nickte still. „Die Mauer geht einmal komplett herum. Durch alle vier Türme
kann man hinauf und auch wieder herunter gehen.“ „ Dann ist es also möglich,
dass jemand durch eine der anderen Türen hinauf gelangen konnte und jetzt auch
unbemerkt fliehen konnte?“
„Nein“, sagte Carlos knapp, während er mit seinem Schlüsselbund hantierte.
„Nein?“, fragte ich, „Warum nicht?“
Jetzt hatte Carlos den richtigen Schlüssel gefunden. Er steckte ihn in das Schloss
und drehte.
„Alle Türen sind verriegelt. Ich habe sie selbst verschlossen und nur der Bischof
und ich haben einen Schlüssel zu den anderen drei Türmen. Dieser hier ist der
einzige, zu dem auch die Wachen einen Schlüssel haben.“
„Wie viele Wachen haben denn einen?“
„Es gibt nur einen Schlüssel.“, sagte Carlos während er die Tür öffnete. „Und den
geben die Wachen immer wieder an ihre Ablösung weiter. Sie übergeben den
Schlüssel hier unten an der Tür. Der ablösende Wächter schließt dann immer
sofort ab, bevor er hinaufgeht.“
Wir betraten den Turm. Unmittelbar vor uns war die Treppe, die sich in einer
kompletten Drehung nach oben wand. Es war kalt in dem Turm und feucht. Aber
der Weg nach oben war nicht sehr lang. Oben blies uns der Wind um die Ohren.
„Hier laufen die Wachen her“, sagte Carlos. Ich schaute auf den langen schmalen
Weg, der sich vor uns erstreckte.
„Was bewachen sie hier eigentlich?“
„Dieses Kloster ist eine Oase inmitten der Gegend dort draußen. Haben Sie nicht
gesehen, wie es in dem Dorf aussieht?“
Doch, das hatte ich in der Tat.
„Wir schützen uns hauptsächlich vor Menschen aus dem Dorf, die versuchen über
die Mauer in das Kloster zu gelangen.“
„Passiert das oft?“
„Dann und wann versucht es jemand. Aber bisher hat es noch niemand geschafft.“
Ich fand es seltsam, dass die Kirche sich vor Zuflucht suchenden Menschen mit
Gewalt schützte, aber ich hatte schon vorher Erfahrungen mit diversen Geistlichen
gehabt, also überraschte es mich nicht besonders.
„Vielleicht hat es nun doch jemand geschafft und sie haben es nicht bemerkt.“
Carlos sah mich böse an. „Das glaube ich nicht, Mr. Santo.“
Eigentlich glaubte ich es auch nicht. Immerhin war die Mauer nach draußen recht
hoch. Man hätte es bestimmte bemerkt, wenn jemand versucht hätte sie zu
überwinden.
Vor mir sah ich eine Art endlosen Balkon, auf dem man mühelos laufen konnte. Er
war zu beiden Seiten durch eine Mauer gesichert. Zur Außenseite war sie etwas
höher als Innen, aber selbst Innen konnte man nicht versehentlich runterfallen.
Jemand muss den Wachmann herunter geschubst haben. Oder vielleicht war er
ohnmächtig geworden. Vielleicht war sogar Suizid eine Möglichkeit. Immerhin
passte er nicht in das Schema der anderen Toten. Er war zwar auch recht jung,
aber er war sicherlich kein Mönch.
„Haben sie eine Theorie zu den vielen Toten?“, fragte ich Carlos, während wir auf
der Mauer gingen.
„Eine Theorie? Eigentlich nicht. Aber ich denke, dass es jemand aus dem Kloster
war. Vielleicht ist einer der Mönche durchgedreht oder einer meiner Männer.“
Es überraschte mich, dass er seine Männer nicht ausschloss.
„Benimmt sich denn jemand ungewöhnlich?“
„Wenn jemand sich ungewöhnlich benehmen würde, hätte ich ihn schon längst
ausgequetscht, aber bis auf den Fakt, dass alle Angst haben, sind sie so wie
immer.“
„Dann ist es vielleicht doch jemand von draußen.“
„Das ist unmöglich“, sagte Carlos. Ich merkte, dass auch er mit seinen
Nachforschungen in einer Sackgasse steckte.
Wir gingen auf der Mauer eine komplette Runde um das Schloss. Es war kein
Mensch hier oben. Die übrigen drei Türme waren auch nach oben hin durch eine
schwere Tür gesichert, aber Carlos sperrte trotzdem jeden einzelnen auf, um
hereinzuschauen. Es war nirgendwo etwas Verdächtiges zu sehen. Wenn es
stimmte, was Carlos gesagt hatte, so muss der Mörder auf einem anderen Weg
als durch die Türme auf die Mauer und wieder herunter gelangt sein.
„Außer den Türmen gibt es keinen Weg auf die Mauer?“
Carlos schüttelte den Kopf. Unten sahen wir, wie die zwei Wachen den Körper des
toten Wachmanns auf ein Brett legten, um ihn fortzutragen.
„Was ist mit dem Mönch, der den Toten gefunden hat?“, fragte ich Carlos als wir
wieder bei unserem Ursprungsturm waren.
„Umberto? Er hat meinen Mann bestimmt nicht von der Mauer geschubst, ich
meine, sehen sie ihn sich mal an, er ist doch wirklich nicht der Inbegriff eines
Gewalttätigen.“
Ich sah die zwei Wächter und die zwei Mönche unten an. Es stimmte, der Mönch
machte tatsächlich nicht den Eindruck, als könne er einen Mord begehen,
geschweige denn, zehn oder elf. Bei Carlos allerdings war ich mir da nicht so
sicher.
In einiger Entfernung saß der Mönch Claudio allein in seinem Zimmer und dachte
nach. Er wusste, dass es für ihn unangenehm werden konnte. Die Wachmänner
hatten nicht die Befugnis, die Privatgemächer in dem Gebäude zu durchsuchen,
aber nun war dieser seltsame Fremde gekommen. Er war kein Geistlicher, dass
hatte Claudio schon gesehen, als er angekommen war. Er sah eher aus wie ein
Räuber, aber er wusste, dass er hier war, um die Mordfälle zu klären. Trotzdem,
dieser Ankömmling würde für ihn und Umberto nichts Gutes bedeuten. Es waren
zu viele Menschen gestorben hier in letzter Zeit, man würde alles daran geben,
den Schuldigen zu finden, und Claudio dachte sich, dass der Mann der da
angekommen war bei der Schuldfrage nicht in erster Linie an das Werk des
Teufels denken würde. Claudio hatte Angst. Angst, dass jenes Geheimnis
entdeckt werden würde, das die jungen Mönche verwahrt hatten. Das Geheimnis,
für das sie offenbar umgebracht wurden. Er würde es nicht mehr allzu lange
verstecken können, denn auch der Mörder wusste, dass es nur noch eine Person
außer ihm gab, die davon wusste. Er brauchte eine Idee. Er musste es mit
Umberto nach draußen bringen, es den Menschen zeigen, aber es war so
unglaublich, dass er wusste, dass ihm niemand glauben würde. Trotzdem, im
Kloster konnte es nicht bleiben. Dafür war es hier viel zu gefährlich. Wenn der
Mörder ihn und Umberto umbringen sollte, wäre die Geschichte für immer
verloren. Kein Mensch würde jemals die Wahrheit erfahren.
Carlos hatte mir gesagt, wo ich die fünf Personen finden konnte, die bei dem Toten
Wächter waren, aber er hatte mir darüber hinaus deutlich gemacht, dass ich von
ihm selbst keine Hilfe zu erwarten hätte, denn er hätte viel zu tun. Seine Aversion
gegen mich war offensichtlich. Ich fragte mich wieder und wieder, was ich wohl
diesem jungen Mann angetan hatte, aber es fiel mir einfach nicht ein. Ich beschloss
also die Tatsache einfach zu akzeptieren, dass er mich nicht mochte. Die zwei
Wärter hatte ich draußen schon angesprochen, als ich wieder in das Gebäude ging.
Sie hatten unabhängig voneinander angegeben, dass die drei Mönche schon dort
gewesen waren, als sie bei dem Toten ankamen. Ich schenkte ihnen in diesem
Punkt Vertrauen, erstens weil sie sich gegenseitig bestätigten, aber zweitens auch,
weil ich davon überzeugt war, dass keiner der Wärter mit den Morden etwas zu tun
hatte.
Die drei Mönche wollte ich später befragen. Als erstes interessierten mich viel
mehr die Toten. In welcher Beziehung standen sie zueinander? Ich machte mich
auf den Weg zurück zu Ernesto. Auf den Gängen in dem Palast war jetzt nicht viel
mehr los, als zuvor. Aber direkt an der Tür lief ich in einen der Mönche hinein. Ich
fiel fast hin, so fest hatte er mich angerempelt. Er murmelte ein „Entschuldigung“
und ging dann schnell weiter. Der hatte es aber eilig, dachte ich mir und ging
weiter. Erst im Nachhinein wurde mir bewusst, dass es der Mönch Umberto war,
den ich auch vorhin schon bemerkt hatte. Für sein schlankes Erscheinungsbild
war er unglaublich stabil.
Es war ein langer Weg zu dem Zimmer des Bischofs und ich begegnete dem
einen oder anderen Wachmann, aber ich sah keine Mönche mehr. Nun ja, sie
werden sich wohl alle auf die Messe vorbereiten, dachte ich mir, und als ich in
Ernestos Zimmer eingelassen wurde, sah ich, dass dieser Gedankengang wohl
der richtige war. Auch Ernesto bereitete sich auf die Messe vor. Außerdem waren
in dem Zimmer noch zwei Wächter, die gerade den Körper des Toten
heraustrugen, den mir Ernesto vorher gezeigt hatte.
„Ist es nicht schrecklich?“, fragte Ernesto, ohne mich anzuschauen, während er
seine Kutte überlegte. „Um uns herum sterben die Menschen wie die Fliegen.“
„Ja, schrecklich“, antwortete ich ihm. Die Situation war unglaublich bizarr. Es war
seltsam, aber es schien, als würde dieser eine Tote bei der großen Anzahl der
anderen nicht mehr so ins Gewicht fallen. Es war ein Verhalten, das ich schon
vorher beobachtet hatte. Ab einer gewissen Zahl von Opfern ist man sich der
einzelnen Schicksale nicht mehr so bewusst. Das galt vor allem in Zeiten wie
jenen, in denen die großen Epidemien grassierten. Tote wurden nur noch
abgehandelt. So war es sicher auch draußen im Dorf, wo der schwarze Tod seine
Fänge nach den Menschen ausgerichtet hatte. Die Situation im Kloster war
anders. Ich hatte das Gefühl, als ob das Leben seiner Mönche und Wächter
Ernesto wirklich wichtig waren.
„Sag mal, kanntest du eigentlich alle zehn, entschuldige, elf Toten?“
„Selbstverständlich“ antwortete er mir. Ich half ihm die Kutte zu richten „Ich kenne
hier jeden.“ In seinem Gesicht spiegelte sich der Schmerz. Der Schmerz über die
gestorbenen Mönche und der Schmerz über das jüngste Opfer, der sich noch
nicht völlig ausgebreitet hatte.
„Auch die Wachmänner?“
„Nun ja, eingestellt werden sie immer von Carlos, aber wir sind schon so lange
hier auf diesem Raum zusammen, dass ich alle kenne, denke ich.“
„Auf jeden Fall kanntest du alle Toten. Wie viele Mönche gibt es hier?“
„Es gibt hier genau zweiundfünfzig Mönche“, er hielt kurz inne, „ich meine natürlich
es gab hier zweiundfünfzig Mönche, nun sind es nur noch zweiundvierzig, drei
Priester, die aber schon seit Jahren hier sind und einen Bischof“, er lächelte mich
von der Seite an. „Aber den kennst du ja“.
Ich erwiderte sein Lächeln, „Ja, das stimmt. Den Bischof kenne ich“
„Hatten die Toten irgendein gemeinsames Projekt?“
„Außer, dass sie Gott gedient haben meinst du? – Nein. Sie haben hier
unterschiedliche Dinge getan. Die Mönche sind in Arbeitsgruppen für alle Bereiche
aufgeteilt, aber die Bereiche der Toten stehen in keinem Zusammenhang“.
Ich merkte schnell, dass Ernesto sich auf seine Luzifer-Theorie eingefahren hatte.
Es war schwierig andere Ansatzpunkte zu finden.
„Wo sind sie denn beerdigt?“, fragte ich
„Hinter der Kapelle. Warum?“
„Ach, nur so“.
„Wil st du hingehen?“
„Ja, ich dachte daran“.
„Gut, aber denk daran, ich würde mich freuen dich später in der Messe zu sehen“.
Ich versprach es ihm. Ernesto war durch und durch nicht nur Bischof, sondern
auch Priester. Er verstand es die Menschen um sich zu sammeln.