Mörder-Ragout fin - Wilfried A. Hary - E-Book

Mörder-Ragout fin E-Book

Wilfried A. Hary

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Beschreibung

Es fauchte da vor dem Schirm und wirkte wie ein giftiger Hauch aus der Leichengruft. Ein Kopf war erschienen.
Die gelben Zähne waren gebleckt. Die Augenhöhlen waren schwarze Löcher, aus denen jedoch rot glimmende Augäpfel hingen, an blutigen Nervenfäden pendelnd. Einige irgendwie verwittert aussehende Haarsträhnen bedeckten den ansonsten wie abgenagt wirkenden Schädel. Durch die freiliegenden Sehnenstränge am Hals konnte man die Wirbelsäule hindurchschimmern sehen.
Weiter schob sich der Unheimliche aus der eigentlich für ihn viel zu kleinen Sichtscheibe, breitete sich regelrecht aus, wuchs heran, um sich über dem angstschlotternd daliegenden Professor zu erheben.
Am hochgewachsenen Körper hingen ausgefranste und verdreckte Lumpen. Es roch nach fortgeschrittener Verwesung, Moder und Verfall. Der Unheimliche verließ vollends die Apparatur und stand breitbeinig über dem Professor. Die Zähne klapperten …

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Wilfried A. Hary

 

 

Mörder-Ragout fin

 

 

 

Unheimlicher Roman

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

 

 

Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv 

Cover: © by Steve Mayer, 2022

Nach Motiven von Franc Helgath

 

Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang

 

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

 

Alle Rechte vorbehalten

Inhaltsverzeichnis

Impressum 

Das Buch 

1. Kapitel 

2. Kapitel 

3. Kapitel 

4. Kapitel 

5. Kapitel 

6. Kapitel 

7. Kapitel 

8. Kapitel 

9. Kapitel 

10. Kapitel 

11. Kapitel 

12. Kapitel 

13. Kapitel 

14. Kapitel 

15. Kapitel 

16. Kapitel 

17. Kapitel 

18. Kapitel 

 

Das Buch

 

 

Es fauchte da vor dem Schirm und wirkte wie ein giftiger Hauch aus der Leichengruft. Ein Kopf war erschienen.

Die gelben Zähne waren gebleckt. Die Augenhöhlen waren schwarze Löcher, aus denen jedoch rot glimmende Augäpfel hingen, an blutigen Nervenfäden pendelnd. Einige irgendwie verwittert aussehende Haarsträhnen bedeckten den ansonsten wie abgenagt wirkenden Schädel. Durch die freiliegenden Sehnenstränge am Hals konnte man die Wirbelsäule hindurchschimmern sehen.

Weiter schob sich der Unheimliche aus der eigentlich für ihn viel zu kleinen Sichtscheibe, breitete sich regelrecht aus, wuchs heran, um sich über dem angstschlotternd daliegenden Professor zu erheben.

Am hochgewachsenen Körper hingen ausgefranste und verdreckte Lumpen. Es roch nach fortgeschrittener Verwesung, Moder und Verfall. Der Unheimliche verließ vollends die Apparatur und stand breitbeinig über dem Professor. Die Zähne klapperten …

 

 

***

 

 

 

1. Kapitel

 

 

Also so was: Mit Sternen und Sternennebeln jedenfalls hatte das Bild nichts zu tun, das die große, leicht gewölbte Sichtscheibe zeigte. Eine Art schemenhafte Gestalten huschten über den ganzen Schirm, von links nach rechts, von rechts nach links, aber auch von oben und unten.

Wie das denn?

Spencer hatte mit seinem Gerät doch einfach nur einzelne Planeten vom Nachbarsonnensystem Alpha Centauri entdecken wollen. Also, richtig entdecken, nicht nur anhand vager Hinweise rechnerisch nachweisen wie üblich. Immerhin mit seiner genialen Erfindung. Was ihn schlagartig zum größten Wissenschaftler innerhalb seines Faches hätte werden lassen.

Hätte!

Und nun stattdessen?

Er kratzte sich den schütteren grauen Haarschopf, rieb sich sogar mehrmals über die vom angestrengt Hinstarren schon brennenden Augen …

Das Bild auf dem Schirm, der ausgeschaltet milchig wirkte, wie eine stark beschlagene Fensterscheibe, und jetzt eigentlich nur sinnlosen Quatsch zeigte, wie der ordentliche Professor meinte, blieb jedoch gleich:

Anstelle der erwarteten Welten eines schier unerreichbar fernen Sternensystems huschten da die Schatten umher, wie um ihm persönlich zu höhnen, ihm und seiner genialen Erfindung.

War es das dann mit dem Probelauf? Konnte er das Ding jetzt gleich wieder auf den Schrotthaufen werfen?

Moment mal, diese Schatten: Erinnerten sie denn nicht irgendwie an … Menschen?

Ach was, das konnten unmöglich welche sein. Schließlich hatte er doch Ausschau in ein fernes Sonnensystem halten wollen, und da huschten mit Sicherheit keine Menschen umher, als würden sie sich bemühen, sich seinen Blicken zu entziehen.

Jetzt reichte es Spencer. Er war zumindest versucht, einfach alles abzuschalten, um jetzt tatsächlich diese Apparatur, die er mangels eines besseren Namens, der ihm einfach nicht hatte einfallen wollen, Opticrossover getauft hatte, tatsächlich als Schrott zu entsorgen.

All diese Mühe jedoch, die er da hineingesteckt hatte … All die Entbehrungen während der schier endlos erscheinenden Zeit der Entwicklung …

Wobei er eigentlich selber überhaupt nicht verstanden hatte, was da von ihm mit eigenen Händen erschaffen worden war und wie es funktionierte. Man hatte ihn dafür ausgelacht, ja, sogar verachtet. Aber er hatte dennoch weiter gemacht, unbeirrbar. Um endlich auf diesen wahrhaft großen Moment hin zu arbeiten.

Die letzten Justierungen hatte er vorgenommen. Sein einzigartiger Opticrossover …

Zugegeben, irgendwie klang der Name bescheuert, was er sogar selber zugeben musste. Andererseits erschien er ihm allerdings allzu treffend:

Optic hatte ja was mit Sehen zu tun, nicht wahr? Und er konnte damit tatsächlich sehen. Hier in seinem Labor Lichtjahre weit entfernte Dinge, ohne eine direkte Sichtverbindung dafür haben zu müssen, wie etwa mit einem der üblichen Teleskope. Er musste nur die entsprechenden Einstellungen vornehmen, fein justieren, genügend Energie einspeisen und dann …

… huschten lediglich sinnlos irgendwelche Schatten über den Sichtschirm, die an Menschen erinnerten?

Wie bitte?

Er schaltete nicht ab, denn jetzt siegte in ihm endgültig die Sturheit des zu Höherem berufenen Wissenschaftlers. Sein unbändiger Forschungseifer zwang ihn regelrecht dazu, weiterhin wie gebannt auf diesen Schirm zu starren, der nicht nur jeglichen Erwartungen widersprach, sondern eben etwas zeigte, was absolut unmöglich war, ja, sein musste.

Ein Fehler im Apparatesystem?

Na, dann musste er erst recht am Ball bleiben, um diesen Fehler zu finden und letztlich zu eliminieren.

Richtig, insofern war es in der Tat viel zu früh zum Aufgeben. Ganz im Gegenteil:

JETZT ERST RECHT musste er weitermachen!

Moment mal, das wurde ja immer verrückter: Menschliche Formen von Wesen flackerten auf und vergingen wieder, tanzten eine Art Reigen des Wahnsinns, oder war es schon der eigene Wahnsinn, der ihm total die Sinne vernebelte und ihn sehen ließ, was gar nicht zu sehen war?

Abermals erschienen die Wesen, lösten sich wieder auf, um den nächsten Schemen Platz zu machen. Beinahe fühlte Spencer sich sogar an die Geistersagen und Legenden seiner schottischen Wahlheimat erinnert, schüttelte dann aber widerwillig den Kopf, dass die wenigen noch verbliebenen Haare auf seinem grauen Schädel zu tanzen versuchten.

Endlich fing er sich einigermaßen wieder. Also gut, keine Planeten von Alpha Centauri. Pech gehabt. Was dann sonst? Nur geisterhafte Trugbilder, entstanden durch fehlerhafte Technik? Aber das musste jetzt einfach nur einmal herausgefunden werden. Wozu war er denn schließlich Forscher und Erfinder?

Also schaute er nicht nur, sondern er analysierte. Dabei kritzelte er auf einem Notizblock hin, was seine Augen da sahen. Denn das Gesehene blieb nicht ständig gleich. Es war allem Anschein nach gewissen Gesetzesmäßigkeiten unterworfen, sich auswirkend als eine Art rhythmisch erfolgenden Veränderungen. Was jetzt unbedingt von ihm akribisch festgehalten werden musste.

So waren seine Schilderungen garantiert exakt und gaben höchst präzise seine Eindrücke wieder, garniert mit jenen Ableitungen, die ihm dabei gerade in den Sinn kamen. Wichtig für eine spätere Ausarbeitung. Wer wusste denn, wie lange diese Eindrücke noch bestehen blieben? Es war ja nicht unmöglich, dass sie auf einmal wieder verschwanden und die Sichtscheibe nur noch das einheitliche Grau mehr zeigte, als wäre sie dick beschlagen.

Und dann wurde es immer dreister. Aus den Schemen wurden immer deutlicher menschliche Wesen. Sie bewegten sich nicht mehr huschend, sogleich wieder verschwindend, nachdem sie entstanden waren, als eigentlich sinnloses Gewusel wie vor allem zu Beginn.

Gesichter wurden nebelhaft erkennbar.

Auf einmal erschrak er heftig, denn er glaubte, zwei dieser Gesichter sogar zu erkennen. Das nackte Grauen packte mit kalter Hand nach ihm, doch Professor Spencer überwand tapfer all diese Schrecken, beobachtete, versuchte zu analysieren und vor allem … schrieb weiter.

Noch einmal spielte er allerdings auch mit dem Gedanken, die Apparatur jetzt doch noch abzuschalten. Vielleicht für einen Neustart? Nachdem alles wieder auf Anfang gesetzt war. In der wilden Hoffnung, vielleicht würde sie dann endlich das erwünschte Resultat erbringen.

Ein nur recht kurzer Augenblick des Zauderns, denn als er schon die freie Hand ausstrecken wollte, die er nicht zum Schreiben benötigte, um es endlich zu tun, gehorchte ihm diese Hand nicht mehr.

Sein Wille war wie gelähmt. Er konnte gar nichts anderes mehr tun, als einfach nur beobachten, während seine Hand regelrecht über den Notizblock flog.

Die Gesichter!

Er kritzelte die dazu passenden Namen, schrieb akribisch die ebenfalls dazu passenden Daten nieder.

Wie unter einem unwiderstehlichen Zwang, gegen den es keine Gegenwehr gab.

Und keinerlei Zweifel war mehr möglich: Diese beiden Gesichter, die ihn von der Sichtscheibe her anstarrten, waren ihm nur zu gut bekannt.

Nicht weil er mit ihnen in irgendeiner Weise zu tun hatte. Nein, mit diesen auf keinen Fall. Denn:

Es waren die Gesichter von Toten!

Von längst Verstorbenen eben, wobei er nicht nur die Lebensdaten wusste, sondern auch ihr Sterbedatum. Als würden sie ihm diese Zahlen heimlich einflüstern, während sie ihn mit ihren toten Augen anstarrten.

Zwei der übelsten Serienmörder waren das nämlich. Ja, gerade diese beiden. Alles andere, diese Schemen von vorher, war endgültig unwichtig geworden. Als wäre dies nur ein perfides Vorspiel gewesen, um seine Sinne zu narren, seinen Verstand, und ihn vorzubereiten auf eine Art endgültiges Ergebnis:

Eben der Darstellung dieser beiden Serienmörder, die trotz ihrer eindeutig toten Augen auf völlig unnatürliche Weise recht lebendig wirkten.

Waren sie es, die seinen Willen lähmten, dass er nur noch sie anstarren konnte, während es ihm unmöglich geworden war, einfach diese offensichtlich verfluchte Apparatur abzuschalten?

Von wegen Opticrossover: Das war womöglich die Maschine des Teufels persönlich, und ihre Entwicklung hatte er keineswegs seiner eigenen Genialität zu verdanken, sondern das abgrundtief Böse hatte ihn dazu verleitet.

Um jetzt dies alles zu einem vorläufigen Höhepunkt zu bringen:

Ein angestrengtes Keuchen gelangte an seine Ohren, und es stammte nicht von ihm selbst.

Dabei wusste er sehr genau, dass es nirgendwo im Raum eine Lautsprecheranlage gab. Während aus dem angestrengten Keuchen ein gar grässliches Stöhnen und Ächzen wurde.

Er konnte jetzt auch nicht mehr schreiben, weil ihn der nächste Sinneseindruck total lähmte:

Eine irgendwie grün schimmernde Hand wurde sichtbar und verdrängte den Anblick der beiden toten Serienmörder.

Und es wurde immer schlimmer, als sich diese grün schimmernde Hand … aus dem Schirm hervor schob, als wäre die Sichtscheibe nicht mehr als nur eine Art Nebelstreif, der ihr keinerlei Widerstand entgegensetzen konnte.

Das durfte doch nicht sein!

Aber nichts dergleichen, was er in den letzten Minuten hatte durchstehen müssen, durfte eigentlich sein.

Seine Apparatur, das war doch letztlich nur ein optisches System, eingebettet in Magnetfeldern, denen er so etwas wie Resonanzeigenschaften verliehen hatte, um die schier unüberbrückbare Entfernung über Lichtjahre hinweg rein optisch zu überspringen.

Ein reines Beobachtungsgerät mithin, vielleicht missbräuchlich verwendbar für Spionagezwecke, doch eigentlich von ihm nur gedacht, um all diese üblichen und in seinen Augen längst untauglichen optischen Systeme aller Astronomen ein für allemal überflüssig zu machen.

Soweit zumindest seine bisherige Theorie. Und wieso zwängte sich dann nach dieser grün schimmernden Hand mehr und mehr ein vollständiger Arm hervor wie aus einem zähen, wenngleich durchsichtigen Brei?

Die Schulter folgte.

Spencer wollte schreien, doch kein Laut verließ seine bebenden Lippen. Er war jetzt erst recht unfähig zu jeglicher Bewegung. Der Kugelschreiber entglitt seiner schlaff gewordenen Hand und rollte über den Boden davon.

Unter Aufbietung aller Kräfte, gelang es Spencer, den Block vom Arbeitstisch zu wischen, was er eigentlich gar nicht gewollt hatte. Er hatte keinerlei Kontrolle darüber und war schon froh, dass es ihm jetzt sogar gelang, sich so weit wie möglich in seinem Stuhl zurückzulehnen. Als könnte er nur so der nach ihm tastenden grünen Hand entgehen.

Noch weiter, bis der Stuhl ins Kippen kam und er rücklings zu Boden stürzte.

Dort blieb er liegen, wieder vollständig gelähmt und fassungslos starrend:

Es fauchte da vor dem Schirm und wirkte wie ein giftiger Hauch aus der Leichengruft. Ein Kopf war erschienen.

Die gelben Zähne waren gebleckt. Die Augenhöhlen waren schwarze Löcher, aus denen jedoch rot glimmende Augäpfel hingen, an blutigen Nervenfäden pendelnd.

Einige irgendwie verwittert aussehende Haarsträhnen bedeckten den ansonsten wie abgenagt wirkenden Schädel.

Durch die freiliegenden Sehnenstränge am Hals konnte man die Wirbelsäule hindurch schimmern sehen.

Weiter schob sich der Unheimliche aus der eigentlich viel zu kleinen Sichtscheibe, breitete sich regelrecht aus, wuchs heran, um über dem angstschlotternd da liegenden Professor sich zu erheben.

Am hochgewachsenen Körper hingen ausgefranste und verdreckte Lumpen. Es roch nach fortgeschrittener Verwesung, Moder und Verfall.

Der Unheimliche verließ vollends die Apparatur und stand breitbeinig über dem Professor. Die Zähne klapperten.

Ohne sich jedoch um den Professor zu kümmern, griff das Schauerwesen nun hinter sich in den Schirm hinein und half einem weiteren seiner Art in diese Welt.

Es war das genaue Spiegelbild des ersten. Unerträglich schier war der wahre Gifthauch, der von den beiden ausging. Ihre verrotteten Schädel sahen aus, als würden sie ständig hämisch grinsen.

Schließlich flankierten sie den am Boden bibbernden Professor von beiden Seiten.

 

*

 

Sean Spencer lag wie ein fleischgewordenes Häufchen Elend auf seinem umgestürzten Stuhl, die Knie jetzt wie in Abwehrstellung fast bis zum Kinn hochgezogen. Die einzige Bewegung, die ihm die ansonsten allumfassende Lähmung gerade noch gestattet hatte.

Er hatte Angst. Unsagbare Angst. Denn er wusste ja, wer die beiden waren. Wie sie einmal geheißen hatten, als sie noch Menschen gewesen waren.

Jetzt waren sie Tote.

Fortgeschritten verweste Leichname, die von einer unbeschreiblichen Macht des Bösen aus dem Totenreich direkt in diese Welt gebracht worden waren.

Oder direkt aus der Hölle. Denn dorthin hätten die beiden zweifellos gehört, wenn es wirklich so etwas wie eine ausgleichende Gerechtigkeit auch noch nach dem Tode geben sollte.

Professor Spencer war die randlose Brille sowieso schon längst von der Nase gerutscht und zu Boden gefallen. Das Glas knirschte unter dem Fuß des einen Monsters und zersprang in tausend Splitter.

Sein bereits recht faltig gewordenes Antlitz war indessen kreidebleich geworden wie ein frisch gewaschenes Leintuch. Seine Lippen bebten.

»Nein!«, stöhnte er mühsam, wobei es ihm schon beinahe wie ein wahres Wunder vorkam, dass er überhaupt auch nur dieses eine Wort hatte hervorbringen können.

Ein zweistimmiges hässliches, irgendwie blechernes Lachen, das von den kahlen Wänden des Labors scheppernd widerhallte, war die Antwort.

»Keine Bange, Professor«, kam es von der rechten der beiden Schauergestalten, »unser wahrer Retter hat doch nun wirklich von uns nichts zu befürchten. Wir werden uns höchst erkenntlich zeigen ob deiner Hilfe und dir dafür das Leben schenken. Also, die paar Jährchen halt, die du noch zu erwarten hast.«

Wieder lachten sie, wie über einen besonders gelungenen Witz, wobei ihre blank liegenden, gelblich verfärbten Zähne gar schauerlich klapperten.

Sie standen noch ein wenig schwankend da, und eine grünlich schimmernde Aura umgab sie dabei – beinahe wie eine zweite Haut.

Das Grauen raubte Spencer fast den wissenschaftlichen Verstand. Falls er diesen überhaupt noch besaß und sich nicht in Wahrheit dies alles hier nur einbildete, hieß das.

Seine Sinne wehrten sich allerdings vergeblich, zu akzeptieren, was er da überhaupt erlebte.

Die beiden schienen auch noch Gedanken lesen zu können. Der rechte sagte nämlich daraufhin:

»Nein, nein Professor, du hast nicht schon den Verstand verloren, obwohl dies alles wissenschaftlich natürlich in keiner Weise erklärbar ist. Aber hast du denn wirklich geglaubt, mit so einem Apparat tief in den Weltraum hineinblicken zu können? Im Ernst?

Und bitte, du träumst das alles auch nicht. Du bist hellwach. Und du musst akzeptieren, was ist, obwohl du dich mit aller Macht dagegen zu wehren versuchst.

Das würde dir ja wohl so passen, wie? Alles einfach als Einbildung abzutun und so? Uns gibt es wirklich. Akzeptiere das! Und es gibt uns nun endlich tatsächlich wieder, weil du uns mit deiner so wundersamen Maschine die Rückkehr ermöglicht hast. Dafür müssen wir dir dankbar sein bis an dein Lebensende.«

»Bis wir dich vielleicht doch noch fressen«, fügte das zweite Schreckgespenst hinzu.

Dann erklang wieder das unmenschliche Lachen, wie aus den tiefsten Tiefen der Hölle, begleitet vom Klappern der freiliegenden Zähne inmitten dieses Totengesichtes.

Spencer war gefühlt noch deutlich kleiner geworden. Er spürte Stiche in seiner Herzgegend. Der Puls raste. Das beklemmende Gefühl wurde übermächtig, als würden sich stählerne Klammern um seinen Brustkorb legen, die allmählich immer weiter angezogen wurden.

Da er seinen bedenklichen Gesundheitszustand längst kannte, obwohl er immer so getan hatte, als könnte es ihn niemals aufhalten, ahnte er schon, was bald passieren konnte. Die Aufregung hatte ihn doch tatsächlich gefährlich nah an den Rand eines Herzinfarkts gebracht.

Der kalte Schweiß brach ihm aus allen Poren. Das Blut pochte in den Schläfen.

Ein Ächzen stahl sich über seine blau angelaufenen Lippen, die mit seinem aschfahlen Gesicht seltsam kontrastierten.

»Was machen wir jetzt mit ihm?«, fragte der eine und starrte mit seinen hohlen Augen über den herabbaumelnden roten Augäpfeln auf den Wissenschaftler hinunter. Zufällig pendelten die Augäpfel sich aus und schienen ihn zusätzlich zu betrachten. »So können wir ihn doch nicht hier liegen lassen. Und was ist, wenn er sich wieder erholt? Zwar ist er derjenige, der es uns ermöglicht hat, zurückzukehren, aber was, wenn er das den Falschen weitererzählt?«

Spencer ächzte ersterbend:

»Nein, nein. Nichts sage ich. Wird mir eh niemand glauben. Die halten mich sowieso für verrückt.«

»Halt’s Maul, Professor«, herrschte nun der andere ihn an. »Vielleicht erklären sie dich ja tatsächlich und endgültig für verrückt und du kommst in die Klapsmühle, aber plaudern würdest du bestimmt. Ist es nicht doch besser, wenn wir ihn einfach fressen, Bruder? Ist zwar kaum etwas dran an diesem alten, dürren Körper, aber wir brauchen dringend Fleisch und Lebensenergie von einem Lebenden, um uns zumindest einigermaßen zu regenerieren, ehe wir noch ganz auseinanderfallen in diesem höchst unwürdigen Zustand.«

Der Angesprochene schüttelte den Totenschädel, dass die Nackenwirbel knirschten.

»Muss noch nicht sein. Können wir immer noch machen. Jetzt haben wir ja Zeit. Aber wir haben doch auch inzwischen etwas gelernt. Wir können ihn doch das Ganze einfach vergessen lassen. Dann darf er weiterleben in dem Wahn, irgendein optisches Gerät zur Erkundung des Weltraums erfunden zu haben.«

»Wie du willst. Ich hätte ihn zwar lieber für alle Zeiten zum Schweigen gebracht, denn der lebt ohnehin nicht mehr allzu lange, wie du siehst … Andererseits, arg viel Lebensenergie gibt er sowieso nicht ab, und wie gesagt: Was gibt es da auch groß zu fressen bei diesem Klappergestell?

Aber schau doch mal, wie seine Schläfen pochen. Der macht es tatsächlich nicht mehr lange, wie mir scheint.«

Der andere meinte nur noch:

»Wir haben es auch früher so gehalten, noch zu Lebzeiten, als wir noch auf Menschenjagd gingen, um sie genüsslich zu verzehren, dass wir stets unsere Helfershelfer verschonten. Und ich schlage vor, wir machen damit einfach jetzt weiter, wo wir die Chance zu einer Neuauflage haben. Und lass ihn unser erster Helfer sein. Aber dann darf er auch nicht gleich schon abkratzen.«

Sein Bruder verstand recht gut, wie er das meinte:

»Wie du willst. Du bist schließlich rund eine halbe Stunde älter als ich.«

Eine klebrige Hand legte sich daraufhin auf Spencers Brust, und schlagartig verschwanden dessen Schmerzen. Eisige Kälte breitete sich allerdings in ihm aus, eine Kälte, die ihn gefühllos machte und irgendwie auch bis in sein Gehirn auszustrahlen schien, was ihm auch jegliche Angst nahm vor den beiden Schauergestalten.

Ja, es war ihm auf einmal, als wären sie ihm vertraute Gesellen, denen zu dienen es sich vortrefflich lohnen würde.

»So ist es recht, Professor. Und nun mach die Augen zu. Du wirst jetzt ein wenig schlafen, und wenn du wieder wach wirst, dann erinnerst du dich an nichts mehr, kapiert? Aber du bleibst natürlich stets in Bereitschaft für uns, wann immer wir dich benötigen.«

Tatsächlich hatten sich Spencers Lider flatternd bereits gesenkt. Sein Atem ging flach, aber ruhig.

»Na, also«, sagte der Untote krächzend. »Dann haben wir uns doch verstanden. Und jetzt nicke noch kurz mit dem Kopf, dass du wirklich alles kapiert hast.«

Als der Professor dem Befehl nicht sogleich nachfolgte, fuhr der lebende Leichnam ihm mit der Hand in die schütteren weißen Haare und zog seinen Kopf so auf und ab, dass Spencer wie eine Puppe nickte.

»Sehr schön, sehr schön, Professor. Mit dir werden wir noch unser Vergnügen haben, denke ich. Und jetzt werden wir uns noch ein wenig in deiner Bude umsehen.

Hast du Waffen?«

Es zeigte sich, dass Professor Spencer noch immer nicht ganz schlief. Er konnte gar nicht anders, als sein greises Haupt zu schütteln anstelle einer Antwort.

»Hätte ich mir doch gleich denken können«, knurrte der andere Untote und stieß den auf dem Boden Liegenden verächtlich mit dem Fuß an. Er traf ihn an der Stirn, wo es sogleich ein wenig zu bluten begann. »Ich bin schon wieder dafür, dass wir ihn endgültig zum Schweigen bringen. Eine wirkliche Hilfe scheint er mir ganz und gar nicht zu sein.«

»Machen wir nicht«, ertönte es vom anderen erneut. »Vielleicht haben wir irgendwie doch noch Verwendung für ihn? Könnte ja sein, dass wir Verstärkung brauchen.«

»Verstärkung? Wozu Verstärkung? Dieses miese Dorf hier machen wir dem Erdboden gleich, sobald wir alle gefressen haben. Zumindest angefressen. Es wird uns im entscheidenden Maße stärken. Wir hätten es doch schon zu Lebzeiten beinahe geschafft, alles platt zu machen. Weißt du noch, was für ein Spaß das war?«

»Ja, natürlich. Bis man uns einfing wie wilde Tiere und uns im wahrsten Sinne des Wortes zur Strecke brachte. Wofür jetzt alle doppelt und dreifach büßen werden!«

»Diesmal werden sie uns nicht mehr kriegen. Diesmal können sie uns nämlich noch nicht einmal etwas anhaben.« Erneut ein unmenschliches Lachen. »Diesmal können sie sogar mit Granatwerfern und Panzerfäusten kommen, und wir lachen sie nur aus. Diesmal gibt es keine Pannen.«

»Was machen wir jetzt zuerst?«

»Ich denke, wir sehen uns noch ein wenig um, solange es Nacht ist. Viel Zeit bleibt uns da nicht mehr. Am Tage können wir vorerst nichts unternehmen.«

»Mist.«

»Wieso? Früher hatten wir doch auch unsere schönsten Auftritte immer nur nachts. In dieser Hinsicht hat sich also kaum etwas geändert.

Gehen wir jetzt.«

Mit schlurfenden Schritten bewegten sie sich nach draußen und über die knarrende Treppe nach oben. Außer Professor Spencer bewohnte niemand mehr dieses alte Haus nahe des Dorfes, mit dem privaten Labor im Keller.

Oben war jede Menge Unrat und vor allem Unordnung. Seine Forschungen hatten so viel Geld verschlungen, dass er sich trotz seiner hohen Pension keine Hausgehilfin leisten konnte.

Spencer hätte sie auch nicht gebraucht. Er war Zeit seines Lebens ein Eigenbrötler gewesen, der die Menschen scheute und sich lieber nur auf sich selbst verließ. Auch wenn es beispielweise darum ging, in der Küche ein karges Mahl zu bereiten. Vom Aufräumen und ähnlichen hausfraulichen Verrichtungen des Alltags hielt er ohnehin nicht viel.

Die beiden Untoten interessierten sich auch nicht für Unordnung und Unrat, als sie dem Ausgang zu strebten.

Während Sean Spencer im Keller in einen tiefen Schlaf versank.

---ENDE DER LESEPROBE---