Mords Quilt - Manfred H. Krämer - E-Book

Mords Quilt E-Book

Manfred H. Krämer

4,6

Beschreibung

Fünf Frauen - Fünf Tote. Unfall? Selbstmord? Herzversagen? Alle Fäden laufen buchstäblich in Bernardines Stoffstübchen zusammen! Quilterinnen sind äußerst kreativ. Auch beim Beseitigen untreuer Ehemänner! Ein rabenschwarzes, herrlich schräges Meisterwerk aus der Feder des Erfolgsautors Manfred H. Krämer. Desperate Housewives meets Agatha Christie! Das in dem Roman beschriebene Stoffstübchen gibt es übrigens wirklich. Dort könnte Ihnen unter Umständen auch das eine oder andere Vorbild für Krämers mörderische Quilterinnen begegnen. Seien Sie nett zu ihnen! (In manchen Dingen verstehen die Damen absolut keinen Spaß!) "Wo alle Fäden zusammenlaufen, sitzt entweder ein Gangsterboss oder eine Quilterin." Maurizia Klawuttke - Giftmörderin

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Manfred H. KrämerMordsquiltKriminalroman

Gesamtherstellung:WAP Waldkirch Produktion GmbH, MannheimTitelidee: Manfred H. KrämerTitelfoto: Monika KrämerSatz & Gestaltung: Verena Kessel

ISBN TaschenbuchISBN E-Book EPUBISBN E-Book PDF

978-3-86476-020-4978-3-86476-506-3978-3-86476-507-0

Verlag Waldkirch KGSchützenstraße 1868259 MannheimTelefon 0621-79 70 65Fax 0621-79 50 25E-Mail: [email protected]

© Verlag Waldkirch Mannheim, 2012Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Verlags.

Manfred H. Krämer

Dies ist ein Roman. Jede Ähnlichkeit ... das kennen Sie ja schon. Sollten sich dennoch einige Personen in den Figuren der Geschichte wiedererkennen, so sollten sie entweder zur Beichte gehen, oder sich freiwillig stellen. Einzig Nika Hemmig habe ich im Großen und Ganzen bei meiner Frau abgeschrieben. Ich hoffe, dass mir das Schicksal ihres Roman-Gatten erspart bleibt. Sollten Sie dennoch mittlerweile von meinem Tod erfahren haben, so benachrichtigen Sie bitte umgehend die Polizeistation Lampertheim Telefon: 06206-94400 oder jede andere Polizeidienststelle. Glauben Sie mir: Es war Mord!

Was ist ein Quilt?

Ein Quilt (engl. quilt „Steppdecke“, „steppen“) ist eine vielseitig verwendbare Zierdecke, die als Tagesdecke dienen kann, sich aber auch als Wandteppich eignet. Die Decke besteht aus drei Lagen. Oben liegt die Schauseite, auch Top genannt, die Zwischenlage bildet ein wärmendes Vlies aus Wolle, Baumwolle, Seide oder Synthetik. Die Rückseite oder die Unterseite besteht zumeist aus einer Stoffbahn. Diese drei Lagen werden mit groben Heftstichen oder Sicherheitsnadeln gegen ein Verschieben während der weiteren Bearbeitung fixiert. Quelle: Wikipedia

„Hast du ihm je verziehen?“„Ja, ich hab ihm verziehen. Das macht man so, wennjemand stirbt.“

Zitat aus dem Spielfilm „Ein amerikanischer Quilt“,USA 1995

Für Monika,die sich vielleicht in der Figur der Nika Hemmigwiederfindet.(Er hat sie nie betrogen!)

Prolog

Zärtlich strichen ihre langen, gepflegten Finger über den weichen Stoff, fuhren die Applikationen nach und entfernten ein winziges grünes Fädchen. Ihre Augen ruhten zufrieden auf dem gerade fertig gestellten Block. Es würde ein ganz besonderer Quilt werden. Ein Quilt, der eine ganz besondere Geschichte erzählt. Ein Quilt, der in der Tradition der Amischen entstand. Von Hand genäht. In gemeinschaftlicher Runde, versammelt um einen großen, aus rohem Holz gezimmerten Tisch.

Sie hatten ein wenig warten müssen, bis sie vollzählig waren. Doch nun waren sie endlich wieder vereint. Alle fünf. Ein Quilting-Bee1 wie aus dem Bilderbuch.

Bernardine Fleurance war, selbst hier an diesem Ort, perfekt frisiert wie immer. Die silbergraue Mähne, ihr aristokratisch wirkendes Gesicht und die leicht schräg gestellten Augen ließen sie fast wie eine edle Main-Coon-Katze aussehen. Ihr französischer Akzent war da nur noch das Tüpfelchen auf dem i. Sie war die graue Eminenz des Nähkränzchens. Zurückhaltend mit ihrem umfassenden Wissen über die Quilttraditionen der Amischen, einer Glaubensgemeinschaft in Pennsylvania, deren Kunst sie sehr bewunderte. Mit den Jahren war Bernardine selbst zu einer wahren Quilt- und Patchwork-Meisterin geworden.

Leise, aber sehr bestimmt, vertrat sie ihren Standpunkt ohne jemals unfreundlich oder gar zornig zu werden. Den Part hatte ja schon Maurizia inne. Die resolute, selbsternannte Chefin im Ring sprach stets aus, was sie dachte. Sie nahm dabei keine Rücksicht auf Gefühle oder Freundschaften. „Quilt ist Quilt und Prosecco ist Prosecco!“, war einer ihrer Lieblingssprüche. Selbst wenn sie in ihrer unnachahmlichen Art und Weise, die Unterarme vor dem Gesicht wie ein angeschlagener Boxer in der achten Runde, die Finger mit den Nähnadeln nur Zentimeter vor den über die Lesebrille hinwegblickenden Augen, komplizierte Stiche setzte, entging ihr nichts. Jede Bemerkung, jeder Wimpernschlag und jeder Seufzer wurde registriert und wenn nötig, voller Zynismus kommentiert. Trotz ihrer bärbeißigen Art, war Maurizia bei den anderen Quilterinnen beliebt und geachtet. Längst hatten die Damen den dicken Panzer aus Spott und Häme durchschaut und die hochsensible und kreative Frau dahinter entdeckt. Zudem war auch Maurizia Klawuttke unbestritten eine Grande Dame der deutschen Quilt- und Patchworkszene, Mitglied der Patchwork Gilde Deutschland e. V. und eines halben Dutzends weiterer Clubs und Vereinigungen. Quilts von ihr hingen auf jeder namhaften Ausstellung und waren in zahlreichen Fachbüchern abgebildet.

Monika Hemmig, genannt Nika, war mit ihren 49 Jahren das Nesthäkchen der Gruppe. Sie war das glatte Gegenteil zu Maurizia, nicht nur wegen ihrer grazilen Elfenfigur. Nika war von Natur aus freundlich und tolerant, selbst gegenüber den skurrilsten Auswüchsen der menschlichen Gesellschaft, hatte ein ansteckendes Lachen und das Quilten erst vor zwei Jahren entdeckt. Begierig probierte sie alle möglichen Techniken aus und war berüchtigt für ihre Ausdauer und ihren Ehrgeiz. In ihrer kurzen Karriere hatte sie bereits einen beachtlichen Fundus an Quilts, Tischläufern, Topflappen und Kissen produziert. Allen gemeinsam war die perfekte Abstimmung der verwendeten Farben. Eine Gabe, die wohl schon immer in ihr geschlummert hatte.

Nika war auch die Erste, welche die schillernde Jule in ihr Herz geschlossen hatte. Die fast zwei Meter große Blondine mit Oberarmen und Schultern wie kasachische Hammerwerferinnen und einer Stimme, die John Wayne zu einem Sängerknaben degradierte, war einst gebückt durch die Tür von Bernardines Stofflädchen gekommen, hatte einen traumhaft schönen Mystery-Quilt auf die Theke gelegt und gebrummt: „Das will ich auch machen.“

Der Quilt war ein Erbstück ihrer Großtante und mit das Schönste, was Bernardine jemals gesehen hatte. Obwohl das winzige Hinterzimmer ihres Lädchens mit ihr und ihren drei Freundinnen vom Nähkränzchen schon aus allen Nähten zu platzen drohte, bot sie der riesigen schmuckbehängten Frau in den edlen Designerklamotten und der weißblonden Wallemähne spontan an, sich ihnen anzuschließen. Da Julia van Hangstrathen, so ihr voller Name, ihr Recht auf Selbstzerstörung mittels Nikotin immer und überall auslebte, als sei sie Helmut Schmidt, setzte Bernardine sie unmittelbar neben die Tür. Die Statik des kleinen Häuschens in der Lorscher Altstadt hätte zudem wohl ernsthaft Schaden genommen, wenn sich Jule auf einen der hinteren Plätze auf der Eckbank durchgekämpft hätte. Frau rückte halt ein wenig enger zusammen und nur Maurizia verteidigte ihr angestammtes Revier mit ausgestellten Ellbogen und mürrischen Blicken.

Ja ... und dann gab es da noch Josefa. Klein, dünn, um nicht zu sagen dürr, in abgetragenen Öko-Klamotten, mit strähnigem grauem Haar, welches mit einem Stirnband gebändigt wurde. Es sah aus, als hätte es das gesamte Festival über im Schlamm von Woodstock gelegen. Über ihrem stacheligen Wollpullover baumelte ein Peacezeichen, groß wie das Markenzeichen eines VW-Bulli. Ihr hatten sie das alles zu verdanken. „Sie hat damit angefangen“, keifte Maurizia in schöner Regelmäßigkeit bei jedem Treffen. Josefa senkte dann immer schuldbewusst den Kopf, obwohl das gar nicht stimmte. Sie hatte ihren Mann nicht umgebracht. Alle wussten das, alle! Sogar die Staatsanwältin. Es war erst gar nicht zur Anklage gekommen. Ein Unfall. Hiebund stichfest! Ein übles Wortspiel! Besonders wenn man bedenkt, dass der gar nicht gute Gatte durch ein Beil den Tod gefunden hatte. Und überhaupt: Wenn eine aus diesem Kreis die Spirale des Todes in Gang gesetzt hatte, dann war das Maurizia! Josefa, die Spinnen mit Marmeladegläsern einfing, um sie in ihrem winzigen Kräutergärtchen auszuwildern. Die laut Maurizia sogar ihre Silberfische adoptierte und einem Straßenräuber noch hinterherlief, um sich zu entschuldigen, weil in ihrer Handtasche kaum Geld war. Eine Verbrecherin? Undenkbar. Niemand hätte hier mit ihr gerechnet und doch: Josefa war die Letzte aus der illustren Gilde, die ihren Platz an dem großen Eichentisch eingenommen hatte. Beihilfe zu einem versuchten Mord, hatte der Richter vorgelesen. Blöd. Sie wollte nur helfen. Nika hätte das allein unmöglich gepackt. Nun ja, sie beide zusammen haben es auch nicht gepackt. Deswegen waren sie hier. Immerhin, Bernardine hatte der Anstaltsleitung der JVA Frankfurt III den Raum und die erforderlichen Genehmigungen abgeschwatzt. Jeden Tag drei Stunden durften sie hier unter Aufsicht nähen, applizieren, quilten und über ihre Männer stänkern. Gott hab’ sie selig ...

1 Quilter-Treffen

„Gefängnismauern sind auch nichts weiterals ein Log-Cabin-Block.“Jule van Hangstrathen

Josefa

Burg-Herzberg, 1971. Der klapprige VW-Bully mit seiner rotznasigen Ölfarbenlackierung reihte sich in die lange Reihe von Ford-Transits, Granadas und VW-Käfern ein, die alle das gleiche Ziel hatten: das größte Hippie-Festival Deutschlands in der Nähe von Alsfeld/Hessen. Bomber saß am Steuer, hielt das dürre weiße Lenkrad in seinen riesigen Pranken und schaute durch seine lächerlich kleine, rosagefärbte John-Lennon-Brille auf die knatternde und stinkende Blechkarawane vor ihnen. Aus den Lautsprechern krächzte Bob Dylans Blowin’In The Wind und aus den Fenstern des vor ihnen fahrenden 1200er Käfers wehten süßlich riechende Schwaden. Bomber, der eigentlich Bodo hieß, was kaum einer wusste, war ein zwei Meter großer Kerl mit beinah komplett zugewachsenem Gesicht, der seine langen, naturkrausen Haare mit einem Stirnband bändigte und bunte Perlen in seinen zottigen blonden Bart geflochten hatte. Er trug eine speckige braune Wildlederweste auf nackter Haut, Jeans die mit Eddingstiften über und über bemalt waren und Cowboystiefel mit schiefgelatschten Absätzen. Um den Hals trug er ein Lederband, an welchem ein schweres metallenes Peacezeichen hing, das allerdings fast komplett in dem struppigen Brusthaar verschwand.

Neben ihm saß Josie. Jeans, Batikshirt und ein selbstgehäkeltes Stirnband wiesen auch sie als Mitglied der Hippieszene aus. Laut und falsch sangen beide mit, während hinten im Bus zwischen den Army-Seesäcken, der Zeltausrüstung und drei Hunden unbestimmbarer Rasse, Jack und Jill, die in Wirklichkeit Alfred und Martina hießen, selig schlummerten. Es war das erste Mal, dass Josie mit ihrer Clique unterwegs war, ohne dass ihre Eltern Einwände hatten. Nun ja, die Eltern waren ihrerseits unterwegs, ihr altersschwacher Opel Rekord zog gerade ihren Wohnwagen über den Brenner und Josie war offiziell mit der Jugendgruppe der Kirchengemeinde auf Pilgerreise. Dies war ihr ureigener Summer of Love. Der zwei Jahre jüngere Bomber hatte ihr Herz im Sturm erobert, als er einen Kerl, der drei kleine Kätzchen ersäufen wollte, selbst in den dreckigen Tümpel warf, an dessen Ufer er ihn erwischt hatte. Josie, zwar schon 22 Jahre alt aber noch unerfahren, war immer zufrieden gewesen mit ihrem Leben als behütete einzige Tochter eines Buchhalters und der Leiterin der örtlichen Leihbücherei. Sie verkroch sich lieber hinter Büchern und erlebte ihre Abenteuer in ihrer Fantasie. Bis Bomber kam. Über Nacht wurde aus dem schüchternen Stubenhockermädchen eine richtige kleine Fegerin, die sich nachts über den Balkon aus ihrem Zimmer stahl, um mit der bunten Clique aus Dorfhippies und GIs aus der nahen Garnison umherzuziehen. Bomber, der wegen seiner Erscheinung und seiner mürrischen Schweigsamkeit bei der Dorfjugend großen Respekt genoss, nahm das dürre Dingelchen unter seine Fittiche, und so wurde Josie eine Art Maskottchen der Gruppe. Keiner nahm ihr übel, wenn sie die kreisenden Joints weiterreichte und beim Alkoholkonsum zurückhaltend war. Sie sah immer noch aus wie eine unterernährte Vierzehnjährige und besaß noch nicht einmal einen Führerschein. Bomber und Josie waren für alle anderen bereits ein Paar, als die beiden dies selbst noch gar nicht realisiert hatten. Bomber war Josies erster „richtiger“ Freund und das sollte bis an ihr Lebensende auch so bleiben. Zumindest bis an Bombers Lebensende.

Vier Jahre später rasierte sich Bomber das Gesicht, schnitt sich die Haare und quetschte sich in einen geliehenen Anzug, während Josie ihr dünnes straßenköterbraunes Haar mit einer überdosierten Dauerwelle in einen unbeabsichtigten gewaltigen Afro verwandelte, in dem ihr Spitzmausgesicht beinahe verschwand. Zur Hochzeit trug sie ein geliehenes Brautkleid und Schuhe ihrer Mutter, die neu eingefärbt waren. Der alte Opel-Rekord trug stolz den Blumenschmuck auf seiner rostigen Motorhaube. Bomber, der Schlachter gelernt hatte, fand eine Stelle in einer Abdeckerei und Josie arbeitete stundenweise als Aushilfe im Teeladen einer Bekannten. Josie verspürte zwar den Wunsch nach einem Kind und Bomber ließ es auch nicht am nötigen Eifer fehlen, aber das Schicksal hatte wohl andere Pläne. Weitere zehn Jahre später, aus Josie war längst Josefa und aus Bomber Bodo geworden, wurde die Abdeckerei geschlossen und Bodo trat einen Job im Mannheimer Schlachthof an. Dort fand er rasch Anschluss bei den Kollegen, ging nach der Arbeit nur zu gerne in die umliegenden Kneipen mit, rasierte sich irgendwann das schütter gewordene Haar, trug Springerstiefel und Bomberjacke und verunstaltete sich mit dilettantischen, im Suff gestochenen Tattoos. Aus dem einstigen Love & Peace-Hippie war ein übler Macho geworden, der Josefas Sparbuch plünderte, um sich eine Harley zu kaufen, immer häufiger besoffen nach Hause kam und seine Frau schikanierte. Nie schlug er sie. Nie betrog er sie. Das war Teil seiner verworrenen Weltanschauung. Jedoch verlangte er unbedingten Gehorsam und Josefa, im Herzen immer noch ein Blumenkind, nahm die Demütigungen als Schicksal an. Sie schuf sich mit unzähligen Büchern und ihrem Hobby, dem Quilten, einen eigenen Rückzugsort. Vor zwei Jahren hatte sie das Veganertum als weitere Möglichkeit der Abgrenzung gegenüber ihrem fleischfressenden Bodo entdeckt, den sie seither im Stillen nur noch den „Carnivoren“ nannte.

Aus der schwärmerischen Liebe der siebziger Jahre zu dem sanften Riesen mit dem weichen Herzen wurde kalte Verachtung. Trennung, Scheidung gar, kam für sie nicht in Frage. Josefa war streng katholisch erzogen, sie lebte ihren Glauben, fand Halt und Hilfe in Jesus und nahm die Worte des Pfarrers „bis dass der Tod euch scheidet“ bitterernst. Trotzdem litt sie sehr unter dem Leben mit dem Carnivoren. Seit sie Veganerin war, hatten die Schikanen ihres Mannes eher noch zugenommen. Beinahe täglich schleppte er Fleisch und Wurst an, stopfte Kühlschrank und Gefriertruhe damit voll und verdonnerte Josefa dazu, ihm allabendlich gewaltige Steaks zu braten, Wurstplatten zu richten und zum Frühstück mächtige Portionen Rührei mit Speck auf den Tisch zu bringen. Für sie hatte er nur ätzenden Spott übrig und regte sich jedesmal furchtbar auf, wenn sie wieder Stoff für ihre Quilts eingekauft hatte, obwohl sie sorgfältig darauf bedacht war, hierfür nur ihr eigenes, selbstverdientes Geld zu verwenden.

Alles steckte sie weg. Seine Häme, seine Beschimpfungen, sein Gebrüll, sein unmögliches Benehmen bei Tisch und auch seine „Freunde“, grölende Kerle mit ebenso lauten Motorrädern. Alle um die fünfzig und älter, was sie besonders widerlich fand, hatten doch garantiert einige davon selbst eine Ehefrau, Kinder oder gar Enkel! Gott würde sie strafen. Gott sollte sie strafen! Am besten heute noch. Dieser Gedanke war allein schon eine Sünde und in einem kurzen Stoßgebet leistete sie stumme Abbitte dafür.

Es war ein Samstag, an dem Josefa beinah ihren Glauben verloren hätte. Ein heißer Samstag im Juli. Draußen im Hof klirrte ein Metallteil, gefolgt von wüsten Flüchen. Der Carnivore schraubte wieder einmal an seinem hässlichen schwarzen Motorrad herum. Die Harley Davidson Fatboy war im sogenannten Bobberstyle umgebaut, besaß einen obszön breiten Hinterreifen und einen unglaublich hohen Lenker, an dem der Carnivore immer hing wie ein Orang-Utan an seiner Reckstange. Heute Morgen hatte er etwas von Ölwechsel gemurmelt und seitdem wurstelte er da draußen herum. Das Fluchen hatte aufgehört und stattdessen klapperte etwas quer durch den Hof, was er offenbar in blindem Zorn fortgeschleudert hatte. Kopfschüttelnd ging Josefa in den Keller, räumte die Waschmaschine aus und schleppte den Korb keuchend die steile Stiege des alten Hauses hinauf. Die Haustür stand offen und sie sah das schwere Motorrad, welches der Carnivore auf zwei Metallstützen aufgebockt hatte. Er lag quer darunter, alles mögliche Werkzeug um sich herum verstreut.

Mit einem dumpfen Geräusch fiel der Wäschekorb zu Boden. Fassungslos starrte Josefa auf das Bild, welches sich ihren Augen bot: Der gewaltige Körper des fetten Carnivoren lag auf einem Quilt. Einem Quilt? Heilige Mutter Gottes! Nicht auf irgendeinem Quilt! Der Kerl wälzte seinen ölbesudelten Wanst auf dem Flower-Garden-Quilt ihrer Großtante! Ein ungeheuer kompliziertes Muster, über mehrere Jahre hinweg gewachsen zu einem der prächtigsten Quilts, die sie je gesehen hatte. Es war dieses Kunstwerk, welches damals den Wunsch in Josefa geweckt hatte, auch eine Quilterin zu werden. Sie hatte ihn gestern aus seiner Schutzhülle geholt, ihn vorsichtig aufgebügelt und in ihrem Nähzimmer, welches sich auch im Keller befand, bereitgelegt. Sie wollte ihn am Montag einer Quiltfreundin zeigen. Im Nähzimmer stand auch die große Werkzeugkiste des Carnivoren. In seiner ignoranten Dumpfheit hatte er sich den Quilt geschnappt, um eine Unterlage für den Ölwechsel an seinem grässlichen Motorrad zu haben. Alles drehte sich um sie, ihr Kopf dröhnte, als sei er eine große Glocke. Der Carnivore und sein Motorrad verschwammen vor ihren Augen ...

„Dreiviertelzöller!“, erklang plötzlich seine kratzige Säuferstimme, „gib mir den Dreiviertelzöller, wenn du schon so bescheuert da rumstehst!“ Sie machte ein paar unsichere Schritte auf ihn zu.

„Na los! Pennst du, Alte, oder was?“

Jetzt stand sie unmittelbar hinter dem aufgebockten Motorrad.

„Halloooo?“, die Stimme des Carnivoren bebte vor Zorn. Seine Beine zuckten, als er sich anschickte unter der Maschine hervorzukriechen. Josefa sah, dass eine der dreibeinigen Stützen, die unter dem schimmernden Sturzbügel angebracht war, im Begriff war, zu verrutschen. Die Maschine lag jetzt nur noch mit wenigen Millimetern auf.

„Na warte!“, der Carnivore keuchte. Wieder wackelte die Maschine, als er in seiner Unbeholfenheit mit der Schulter gegen den Getriebeblock stieß. Josefa verlagerte ihr Gewicht auf den linken Fuß. Die Spitze ihrer Stiefelette schwebte unmittelbar vor dem Stützbock. Ein unterdimensioniertes, wackeliges Teil aus dem Supermarkt.

Es war nur einer, höchsten zwei Zentimeter. Sie brauchte das Teil nur ganz leicht anzutippen. Den Rest besorgte das Gewicht des Motorrades. Scheppernd fiel die Stütze um und Josefa machte einen Satz rückwärts, fiel über die Einfriedung des kleinen Gemüsegartens und landete auf ihrem Allerwertesten im Salatbeet. Mit weit aufgerissenen Augen registrierte sie das Geschehen wie in Zeitlupe: Fast dreihundert Kilo Eisen neigten sich auf die Seite, während die Beine des Carnivoren wild zappelten und sein unartikuliertes Gebrüll den Hof erfüllte. Mit einem hässlichen Knirschen und Scheppern kippte die Maschine auf die Seite. Die massiven Sturzbügel verhinderten, dass die Beine des Besitzers vom Motorblock zermalmt wurden, aber das wäre Josefa jetzt auch egal gewesen. Immer noch brüllend wie ein angestochener Stier, wälzte sich der Carnivore unter seiner Maschine heraus, wobei er den kostbaren Quilt mit Blut, welches aus einer kleineren Risswunde an seinem linken Oberschenkel quoll, noch weiter einsaute. Als das Geschrei wieder zu einigermaßen verständlichen Worten wurde, fixierte der waidwunde Goliath seine leichenblasse Frau im Gemüsebeet.

„Warum hast du sie nicht gehalten! Warum hast du sie nicht gehalten! Schau dir das an! Verdammte Kacke, schau dir das an!“ „Der Idiot“, dachte Josefa. „Der hat noch nicht einmal gemerkt, dass ich die Stütze weggetreten habe. Schade, dass die Kiste ihm nicht auf den Kopf gefallen ist.“ Sofort schalt sie sich wegen des unchristlichen Gedankens. Doch dann wanderten ihre Augen wieder zu dem ruinierten Quilt. Hieß es nicht auch in der Heiligen Schrift Auge um Auge, Zahn um Zahn?

„Los, mach schon! Hilf mir, sie wieder aufzuheben! Los, glotz nicht so dämlich!“, schrie er, packte sie am Ärmel ihrer Strickjacke und zerrte sie auf die Füße. Sorgfältig vermied sie es, auch noch auf den Quilt zu treten und stemmte ihre 54 kg gegen die Maschine. Der Carnivore wuchtete das Motorrad fast allein in die Senkrechte, klappte den Seitenständer aus und ließ sie vorsichtig darauf ab. Entsetzt starrte er auf die Kratzer am Tank und den verbogenen Lenker. Am Heck baumelte einer der Blinker lose am Kabel herunter und das seitlich angebrachte Nummernschild war samt Halterung übel zerknittert.

Wortlos zerrte Josefa den Quilt unter der Maschine heraus, faltete ihn, ungeachtet der Ölschmiere zusammen, während ihr die Tränen über die eingefallenen Wangen rollten. Der Carnivore bemerkte nichts davon. Er war in die Hocke gegangen und strich immer wieder über den zerkratzten Tank. Seine Lippen bewegten sich in stummer Verzweiflung, auch seine Augen schimmerten feucht. Um seine Wunde kümmerte er sich nicht. Josefa beschloss, es ihm gleichzutun.

„Bis dass der Tod euch scheidet“, hatte Pfarrer Heinrichs damals gesagt, „bis dass der Tod euch scheidet ...“ Sie hatte das stets ernst genommen. Für sie waren das keine leeren Worte, keine Show für die Verwandtschaft und die anderen Hochzeitsgäste. Aber ... nirgends stand geschrieben, von welcher Art Tod Gott hier sprach, oder? In ihrem Nähzimmer im Keller angekommen, breitete sie den Quilt der Großtante auf dem Zuschneidetisch aus und betrachtete die Verwüstungen mit klarem und analysierendem Blick. Sie würde versuchen, zu retten was zu retten war. Ihre Quiltfreundinnen wussten sicher Rat. Dieses Meisterwerk durfte nicht vernichtet werden. Nicht durch die dumpfe Brutalität und Ignoranz dieses verrohten Stück Viehs. Dann spürte sie es: zuerst ein leises Klopfen, tief in ihrem Herzen, das rasch zu einem energischen Pochen wurde. Der Teufel ... er nutzte die einmalige Chance zu ihr vorzudringen. War Satan nicht auch ein Engel? Verstoßen zwar, aber doch ein Geschöpf Gottes? Tritt ein, sei willkommen. Ich will dir eine ergebene Dienerin und Helferin sein.

Lächelnd folgte sie den schwarzen Spuren des Schmieröls auf den in Jahrzehnten ausgeblichenen, ehemals leuchtenden Farben. Das rostige Rot des gerinnenden Blutes sah aus wie ein hieroglyphischer Schriftzug. Sie hob den Kopf. Sie sah nicht das vergitterte Kellerfenster. Sah nicht die Holzregale mit den Einmachgläsern, nicht den alten Esstisch, auf dem ihre Nähmaschine stand. Sie sah den dunklen Engel. Er lächelte ihr zu. Grinste verschwörerisch und hob die linke Hand in besänftigender Geste. „Lass mich nur machen“, schien er ihr sagen wollen, „lass mich nur machen ...“ Hätte der Carnivore in diesem Augenblick in das schmale blasse Gesicht seiner Frau geschaut, hätte er dieses Lächeln gesehen, dann hätte er wohl zum ersten Mal in seinem Leben Angst gehabt. Todesangst.

Zwei Wochen später:

Es nahm kein Ende. Der große Einkaufskorb war schon fast voll und immer noch förderten ihre Hände weitere dieser grässlichen weichen Pakete zutage. Kleine und große, dicke und dünne, schwere und leichte. Sie atmete flach, trotzdem ließ es sich nicht vermeiden, dass der Gestank von Fleisch, Knochen und Blut ihr in die Nase stieg. Sie kämpfte gegen das Würgen, als endlich das letzte der grausigen Stücke im Korb lag. Sie würde den Kühlschrank abtauen müssen. Sie musste ihn heiß auswaschen und desinfizieren, bevor sie ihn wieder nutzen konnte. Doch zunächst musste dieser fürchterliche Korb weg! Zum Glück war es kühl draußen, da konnte sie die ganze Ladung bedenkenlos in den Hausmüll geben. Das ganze grausige Sortiment: Schinken, Steaks, Bratwürste, grob, fein, geräuchert, Edelsalami, speckige Fleischwurst. Fleischwurst! Einen ganzen Ring konnte der auf einmal davon essen. Zur Not auch ohne Brot.

Jetzt nicht mehr! Der Carnivore war tot! Sie unterdrückte ein Kichern und erhob sich ungelenk mit steifen Gliedern. Mit sechsundsechzig war man eben keine zwanzig mehr. Aber mit sechsundsechzig fing doch das Leben erst an, oder? Das hatte mal einer gesungen: „Mit sechsundsechzig Jahren, da fängt das Leben an …“, für sie traf das ja jetzt wohl zu. Und wie! Der Carnivore war tot! Wieder kicherte sie. Diesmal laut. Tot! Das fleischfressende, brutale, stinkende Monstrum war tot. Elendig verreckt an einer Blutvergiftung, die er sich an einem seiner Schlachterbeile geholt hatte. Dumm und männlich wie er war, hatte er die rote Spur auf seinem linken Arm so lange ignoriert, bis ihm keiner mehr helfen konnte. Armes Schwein. Schwein? Sie blickte auf den überquellenden Korb. Ja, Schwein und Rind und Kalb und Schaf, alles, was das Carnivorenherz erfreute. Jetzt hatten sie sich also gerächt. Ein kleiner Ritz an der oft geschliffenen, schartigen Schneide der Ausbeinaxt, und schon waren sie in seine Venen geströmt wie johlende Sturmtruppen. Mitgerissen, sich in wahnsinnigem Tempo vermehrend, alles überflutend auf dem Weg zum Herzen, dem Herzen aus Stein, das doch machtlos war gegen diese toxische Invasion und mit einem letzten Muskelzucken in sich zusammenfiel wie ein faltiger, leerer Lederbeutel.

Der Carnivore war tot ...

Der Sensenmann, sie kicherte wieder, Verzeihung, der Mann mit dem Beil, schlug auf der Nachtschicht zu. Wie praktisch! Bis zum frühen Nachmittag war alles erledigt: die Fahrt zur Unfallklinik, das Erledigen der notwendigen Formalitäten, der kurze Besuch beim Bestatter, ja der Günstigste, nein, keine besonderen Wünsche, was die Ausstattung betraf, Hauptsache billig. Beerdigungen kosteten so schon genug, auch ohne protzige Eichenkiste mit polierten Griffen. Kiefer war gut, am liebsten wäre ihr der Zinksarg gewesen, mit dem er transportiert worden war, aber das sprach sie nicht laut aus. Der pickelige Bestatterlehrling war auch so schon zur Genüge verunsichert durch ihr geschäftsmäßiges Auftreten. Er schob es wohl auf Posttraumata oder so. Sollte er ruhig.

Es war gerade mal 14.25 Uhr, als alles getan war. Nun ja, fast alles. Der Kühlschrank! Das musste unbedingt auch noch erledigt werden. Die restlichen Spuren des Carnivoren würde sie im Laufe der Woche beseitigen. Kleidung, Bücher, Fotos, Hygieneartikel, das Motorrad. Alles weg! Als wäre er niemals da gewesen.

Sie stand im Hof, neben der nun vollen Mülltonne (den Korb hatte sie gleich mit weggeworfen), in ihrer dünnen Strickjacke im kalten Abendwind und fror doch nicht. Sie, die selbst im Sommer den Ölofen über Nacht brennen ließ, wenn die Temperatur auch nur knapp unter die 20 °C Marke fiel, fror nicht! Heute nicht. Sanft rieselnde Wärme kroch durch ihren Körper, breitete sich aus wie schwelende Glut und brachte ihr wohlige Entspannung. Sie schaute zu dem kleinen Fachwerkhaus, in dem sie seit so vielen Jahren wohnte. Registrierte es, als sähe sie es zum ersten Mal. Selbst die grelle Neonröhre über der Arbeitsplatte in ihrer Küche schien plötzlich warmes, gemütliches Licht zu verströmen. Ein Heim. Sie hatte endlich wieder ein Heim. Vom nahen Kirchturm schlug es dreimal. Sie ging zurück ins Haus, tappte die steile Treppe in den Keller hinunter und betrat das Nähzimmer. Liebevoll strich ihr Blick über die bunten Stoffe, die prächtigen Quilts an den Wänden und zusammengefaltet auf Stuhl, Tisch und Schrank. Das hatte der fiese Carnivore gut gemacht! Starb früh genug, damit sie ihre Nähstunde im Stoff-Stübchen nicht absagen musste. Brav!

„Wo die Nadel durchkommt,da kommt auch der Faden durch.“Josefa Bollmann

Montags im Stoff-Stübchen

„Na, Josefa, du siehst ja heute so entspannt aus. Hat dir dein Mann Blumen mitgebracht?“ Diese für einen Außenstehenden wahrscheinlich durchaus freundlich klingende Frage konnte nur von Maurizia kommen. Der lauernde Unterton und der argwöhnische Blick aus ihren zusammengekniffenen Schweinsäuglein entlarvten den Satz als ironisch-bösartige Anspielung, insbesondere da alle wussten, dass die Wahrscheinlichkeit im Lotto sechs Richtige zu haben ungefähr zehnmal so hoch war, wie von Bodo Blumen zu bekommen. Jule gluckste ihr dezentestes High-Society-Hüsteln und Nika, die stets für Frieden und Gerechtigkeit Kämpfende, sandte strafende Blicke zu Maurizia. Bernardine stellte eine Schale Gummibärchen auf den Tisch und setzte sich zu den anderen an den Tisch.

„Gut siehst du aus, meine Liebe. Maurizia hat recht“, entkräftete sie die Schärfe der Bemerkung. Maurizia grunzte und grapschte mit ihrer dicken Hand in die Schüssel.

„Dein Mann versteht doch was von alten Autos“, wandte sich Josefa an Bernardine, was Maurizia mit dem Mund voller Gummibärchen kommentierte: „Mehr als von alten Mädchen jedenfalls.“ Jules riesiger Walkürenkörper bebte vor unterdrückter Heiterkeit. Für sie war das Gestänkere ihrer Quiltfreundin immer wieder ein Fest.

„Willst du dir etwa auch so eine rostzerfressene Sparkasse anschaffen?“ Bernardine schaute Josefa mit belustigtem Gesichtsausdruck an. „Kannst seinen Lancia haben, vielleicht können wir uns dann endlich mal wieder einen richtigen Urlaub leisten.“

„Es geht um Bodos Motorrad“, antwortete Josefa und legte das Stück Stoff, an dem sie gerade arbeitete, auf den Tisch. „Ich möchte wissen, was man für so eine Maschine noch kriegt.“

„Die Harley? Bodo will seine über alles geliebte Harley verscheppern? Das glaub ich jetzt nicht!“ Das war Jule, die Josefa ungläubig musterte.

„Ich verkauf’ die Maschine, nicht Bodo“. Über Josefas Gesicht glitt ein feines Lächeln, welches sie augenblicklich zehn Jahre jünger aussehen ließ.

„Du? Nicht Bodo?“, Maurizia drehte ihren Kopf wie einen Geschützturm und schaute Josefa an, als sähe sie sie zum ersten Mal, „was sagt der denn dazu?“

„Nichts. Er ist heute früh gestorben ...“

Die folgende Szene wirkte, als sei der Film hängenblieben. Alle erstarrten mitten in der Bewegung, ja sogar Maurizias Hand, schon halb geöffnet, schwebte bewegungslos über den Gummibärchen. Jule hielt ihr immer noch brennendes Feuerzeug in der Hand und die Zigarette im Mund, Nika sah mit ihrem heruntergeklappten Unterkiefer und ihren weit aufgerissenen riesigen Augen aus wie ein Mondkalb und Bernardine schien mit schiefgelegtem Kopf und halbgeschlossenen Augen einer unsichtbaren Melodie zu lauschen.

„Hammer!“ Maurizia fing sich als Erste wieder und stopfte sich eine handvoll Bärchen in die Backen.

Jule hatte es endlich geschafft, mit zitternden Fingern ihre Zigarette anzuzünden und blies unkonzentriert den Rauch mitten in Maurizias gespanntes Gesicht.

„Gestorben? Gestorben, sagst du? Wie gestorben?“

„Es war das Beil, er hat sich ...“, weiter kam Josefa nicht. Ein kollektiver Aufschrei erschütterte das winzige Hinterzimmer, so dass Django, der in seiner Ecke lag und ab zu furzte, erschrocken bellend aufsprang.

„Mit dem Beil!“, kreischten alle, so wie man es absolut nicht einstudieren konnte, „mit dem Beil! Du hast ihn mit dem Beil ...“