More better Deals - Tödliche Geschäfte - Joe R. Lansdale - E-Book

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Joe R. Lansdale

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Beschreibung

Ed verkauft Gebrauchtwagen, ein Geschäft, das auf manipulierten Kilometerzählern, kaum lesbarem Kleingedruckten und der Überzeugung, dass »Käufer besser aufpassen müssen«, beruht. Er träumt von einer besseren Zukunft. Und das ist genau das, was seine alkoholkranke Mutter sich wünscht, denn sie nervt Ed ständig, endlich etwas zu tun, das seiner Hautfarbe würdig ist. Als er einen Cadillac an Frank und dessen schöne Frau Nancy ausliefert, bekommt Ed endlich die Chance, seinem miserablen Leben zu entkommen. Denn Nancy hat die Nase voll von dem Trottel, der ihr Ehemann ist. Sie beginnt eine Affäre mit Ed und schlägt vor, er soll Frank töten, damit sie an seine Versicherungspolice kommt. Ein verlockendes Angebot: die Frau, das Auto und jede Menge Geld. Aber hat Ed das Zeug dazu, den Plan durchzuziehen? Der US-Autor meldet sich zurück mit einer knallharten Geschichte, erzählt mit Lansdales typischem schwarzen Humor. Locus Magazin: »Ein meisterhafter Geschichtenerzähler.« Robert Schekulin (Krimibuchhandlung Hammett, Berlin): »Lansdale steht ebenbürtig in der Tradition großer Südstaatenerzähler wie Faulkner und Twain.

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Seitenzahl: 318

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Aus dem Amerikanischen von Wulf Bergner

Impressum

Die amerikanische Originalausgabe More Better Deals

erschien 2020 im Verlag Mulholland Books.

Copyright © 2020 by Joe R. Lansdale

Copyright © dieser Ausgabe 2024 by Festa Verlag GmbH, Leipzig

Published in agreement with the author,

c/o BAROR INTERNATIONAL, INC., Armonk, New York, U.S.A.

Titelbild: Dirk Berger – www.lightandstorm.com

Alle Rechte vorbehalten

eISBN 978-3-98676-137-0

www.Festa-Verlag.de

Hinweis:

In diesem Buch haben wir rassistische und diskriminierende Begriffe und Äußerungen unverändert im Text belassen, sofern sie von einem Protagonisten diskriminierend und beleidigend gemeint sind. Wir bitten unser Publikum, das Buch im zeitlichen und inhaltlichen Kontext zu begreifen und dass eine Bereinigung dieser Begriffe das Buch verfälschen und verharmlosen würde.

Unser Verlag lehnt Rassismus und Diskriminierung natürlich ab.

Für Chet Williamson und Laurie Williamson.

Freunde

Ist man unzufrieden mit dem,

was man besitzt,

wäre man auch unzufrieden mit dem,

was man begehrt.

Sokrates

1

Ich faltete den Scheck zusammen, steckte ihn in meine Hemdtasche und bemühte mich, nicht zu grinsen. Der Ehemann, ein Mr. Diedre, hatte gerade einen gebrauchten Buick gekauft, der schon länger bei uns gestanden hatte, und seine Frau, eine hübsche kleine Person in rosa Chiffon und dämlichen weißen Rüschen, schien darüber glücklich genug zu sein, um ihren Mann die ganze Nacht lang zu beschäftigen, sodass er nicht traurig darüber sein würde.

Der Buick, den sie gekauft hatten, war zwar erst ein paar Jahre alt, Baujahr 1962, aber er war hart rangenommen worden und hatte irrwitzig viele Meilen auf dem Tacho. Sein Vorbesitzer, ein 17-Jähriger, war immer gerast. Seine Eltern hatten ihm den Wagen weggenommen und ihn gezwungen, einen Job als Einpacker im Piggly Wiggly anzunehmen.

Ich wusste, wie scharf und wie viel der Wagen ge­­fahren worden war, weil ich den Tacho so weit zurückgestellt hatte, dass ich behaupten konnte, er habe einer kleinen alten Lady gehört, die ihn gekauft habe, um damit sonntags in die Kirche und montags zum Supermarkt zu fahren; sie sei überraschend gestorben, und ihr Sohn habe den Buick in Zahlung gegeben, weil er selbst keine Verwendung für ihn hatte. Einfache Story. Einfache Lüge.

Ich hatte das Getriebe ein bisschen überholen lassen, aber wenn das Paar in den nächsten Tagen mehrmals starke Steigungen befuhr oder es irgendwann eilig hatte, würde das Scheißgetriebe versagen, wenn der Kühler ihm nicht zuvorkam. Er hatte ein kleines Loch, das ich verstopft hatte, aber dieser Propfen glich einem Kaugummi in einem Loch im Hoover-­Staudamm. Er würde nicht halten. Er funktionierte hauptsächlich per Ehrenwort, das er nicht hätte geben sollen. Aber als Ausgleich für das alles war der Buick überteuert und seine Reifen viel schlechter, als sie aussahen.

Bis sie rausfanden, dass ihnen eine Schrottkiste gehörte, deren Reparaturkosten den Kaufpreis übersteigen würden, war es sicher schon zu spät. Mein Boss Smiling Dave, der Besitzer des Gebrauchtwagenhandels, arbeitete nach dem Prinzip, dass jeder Wagen, der bezahlt vom Platz rollte, ganz dem Käufer gehörte – mitsamt allen etwaigen Problemen.

Schecks von Kunden reichten wir eilig ein.

Diedre würde vielleicht wütend zurückkommen, aber er würde nicht viel ausrichten können. Die Regel stand auf unseren kleinen schwarz-­weißen ­Schildern. Die hatten wir überall stehen, und sie besagten, alle Deals seien endgültig. Schilder gab es viele, aber sie waren klein, und die Schrift war noch kleiner. So machten wir die Leute nicht gleich anfangs nervös. Diese Klausel stand auch in unseren Verträgen, aber die lesen nur wenige Leute wirklich, und selbst wenn sie’s tun, wollen sie ein Auto und kaufen es, wenn sie das Geld dafür haben. Schaffte ein gekaufter Wagen es bis auf die Straße, war man erledigt, und der Fall für uns auch.

Außerdem war bekannt, dass ich ein paar Unzu­­frie­dene mit einem Schlag über den Schädel zur Vernunft gebracht hatte, und Smiling Dave, ungefähr 110 Kilo Fett bei weniger als 1,75 Meter auf winzigen Füßen, hatte eine billige Pistole in einer Schreibtischschublade in seinem Büro, das auch mein Büro war.

Ich hatte einen kleineren Schreibtisch und einen weniger bequemen Stuhl. Er saß mir gegenüber, und ich konnte sehen, wie er wegen seiner Zigarre hustete, und hören, wie er furzte und auf seinem quietschenden Drehstuhl herumrutschte. Das Büro roch immer wie ein brennendes Tabaklager. Ich selbst rauche nicht. Hässliche Angewohnheit. Macht dich kurzatmig, brennt Löcher in deine Kleidung und lässt dich riechen wie unser Büro. Mit Frauen, die rauchen, kann ich nichts anfangen. Ich küsse lieber eine, die nicht wie ein Aschenbecher oder Kautabak von gestern riecht.

Ich kam ins Büro, gab Smiling Dave Diedres Scheck und empfahl ihm, ihn zur Bank zu bringen.

Er schürzte die Lippen, als er den Vertrag und den Scheck studierte. »Hast dir ’ne hübsche Provision verdient, Ed. Du machst deine Sache gut. Das sind jetzt … drei Autos diese Woche?«

»Genau. Und eines von ihnen hält vielleicht sogar ein Jahr. Heute muss ich etwas früher gehen. Muss einen Hund treten und eine alte Lady die Treppe runterschubsen.«

»Leg dir kein Gewissen zu, Ed. Das ist schlecht für dein Bankkonto. Du kennst die Redensart: Der Käufer soll sich in Acht nehmen, und lieber du bist abgefuckt als ich.«

Ich ging hinüber, setzte mich auf meinen kleinen Stuhl an meinem kleinen Schreibtisch und kniff die Augen wegen des Zigarrenqualms zusammen.

Smiling Dave quietschte seinen Stuhl in meine Richtung und legte seine Zigarre in den großen Aschenbecher, den sein Sohn im Ferienlager für ihn getöpfert hatte. Er sah aus wie ein Klumpen Ton, in den jemand mit der Faust eine Vertiefung geschlagen hatte. Auf der Seite stand DAD wie von arthritischer Hand gekritzelt.

»Ich hab was, das du für mich tun musst. Hol den roten Caddy zurück, den ich vor einiger Zeit einem Paar namens Craig verkauft habe.«

»Verdammt, das war ein fast neuer Wagen.«

»Jep. Und in gutem Zustand. Nicht unser üblicher Eimer voller Muttern und Schrauben und bester Wünsche. Ich hab nicht versucht, ihn ihnen gleich zu verkaufen, zu teuer und zur Abwechslung sein Geld wert. Ich hab ihnen Ratenzahlung zugebilligt, dem Paar, das ihn gekauft hat. Nur so konnte ich ihn für das verkaufen, was er wert war. Hier kommen nicht viele Leute mit genug Geld rein, um einen kaum gebrauchten Caddy zu kaufen.«

»Na, und wie hat die Frau ausgesehen?«

»Du kennst mich, das steht fest. Ich würde sie nicht aus dem Bett schmeißen, weil sie Cracker isst.«

»Das hab ich mir gedacht, wenn du dich auf so einen Deal einlässt.«

»Hey, ich hab ihre Beine sehen dürfen, hab die An­­zahlung und zwei Monatsraten gekriegt, aber dann nichts mehr. Ich hab versucht, sie anzurufen, hab ’nen Brief geschickt. Keine Antwort.«

»Hast du’s mit ’ner Brieftaube versucht?«

»Das wärst dann du, Ed. Du bist meine Brieftaube. Am besten nimmst du deinen Totschläger mit, vielleicht auch einen Schlagring. Ihr Mann ist ein ziemlicher Brocken. Sieht nicht so aus, als könnte er jeden Tag mit bloßen Händen einen Lastwagen umwerfen, aber ich denke, er könnte einem Kerl ein blaues Auge verpassen und ihm ein paar Zähne lockern.«

»Okay. Ich fahre nach der Arbeit hin.«

»Nicht nötig. Fahr meinetwegen in der Arbeitszeit hin. Teufel, ich zahl dir nicht genug für zusätzliche Arbeit.«

»Du zahlst auch für reguläre Arbeit nicht viel. Ein paar Dollar und Provisionen.«

»Scheiße, Ed. Du verkaufst ’ne Menge Autos. Du kriegst ’ne gute Provision. Du brauchst keine Stechuhr zu bedienen, keine Krawatte zu tragen. Du hast diese Sportsakkos und Quasten an deinen Schuhen. Die übrigens dämlich aussehen.«

»Sagt ein fetter Kerl mit Zigarrenasche auf dem Hemd.«

Smiling Dave schmunzelte. »Ja, aber ich hab meine Persönlichkeit, auf die ich zurückgreifen kann.«

2

Am Spätnachmittag nach der Arbeit trank ich in meiner Wohnung eine Tasse Kaffee und hörte Radio, dann suchte ich die Unterlagen zusammen, die ich vermutlich brauchen würde, und beschloss, rauszufahren und den Caddy zurückzuholen.

Als Erstes rief ich meine Schwester an und erklärte ihr, ich würde sie abholen und sie könne mein Auto für mich zurückfahren.

»Weil ich mich von dir rumkommandieren lasse?«, fragte Melinda.

»Nein. Weil ich dir zehn Dollar zahle.«

»Klingt schon besser.«

Als ich die Wohnwagensiedlung erreichte, in der Melinda lebte, saß sie auf den Stufen und las ein Magazin. Ich hatte Schwierigkeiten, mir vorzustellen, dass sie jetzt 19 war. Sie war eine clevere und hübsche Frau geworden, und die Vorstellung, dass sie in der Fabrik für Aluminiumstühle arbeiten würde, ärgerte mich, obwohl ich selbst nicht gerade ein Vorbild war. Sie sah mich vorfahren, ließ das Magazin auf den Stufen liegen und stieg bei mir ein, wobei ihr langes schwarzes Haar ihre Schultern umschmeichelte.

»Hallo, Bruderherz.«

»Was zum Teufel trägst du da?«

»Viele Leute nennen diese Dinger Shorts.«

»Na, kurz sind sie jedenfalls.«

»Du magst Frauen, die viel Bein zeigen.«

»Ja, aber die sind nicht meine kleine Schwester.«

»Willst du reinkommen und Mama besuchen, bevor wir losfahren?«

»Nicht gerade jetzt«, sagte ich.

Die Adresse in dem Vertrag zeigte, dass die Craigs außerhalb der Stadt wohnten. Ihnen gehörte ein großes Grundstück mit einem Autokino, THE HIGH-­TONE DRIVE-­IN, und daneben lag ein über einen Hektar großes eingezäuntes Gelände mit einem Metallschild über dem Eingang, auf dem TIERFRIEDHOF stand. Umgeben war das Ganze von einem klasse Plankenzaun. Eine seltsame Wahl für jede Art Friedhof, aber so war es nun einmal. Dort draußen gab es viel Gras und zwei Gebäude, beide ziemlich groß, und eines war größer als das andere und schien eine Garage zu sein.

An einem Rand des Friedhofs stand eine Baumreihe, hinter der sich eine kleine Straße davonschlängelte. Das Haus stand fast an der Straße und hatte eine mit Kies bestreute Einfahrt. Es war ein kleines weißes Holzhaus, das ein neues Dach und jemanden brauchte, der den Rasen mähte. Es war von einem weißen Lattenzaun umgeben und hatte eine weiße Holztür und einen Fußweg aus Natursteinplatten.

Der Caddy war nirgends zu sehen, stand hoffentlich in der Garage.

Ich parkte vor der Gartentür.

Melinda sagte: »Kein schlechtes Haus, und du sagst, dass ihnen der Friedhof und das Autokino gehören?«

»Ja.«

»Mit zwei Geschäften müssten sie doch ein Auto abstottern können.«

»Um mit dem Friedhof Geld zu verdienen, braucht man Haustiere, die begraben werden sollen, aber vielleicht floriert das Autokino. In das fahren viele Teenager.«

»Ja, Jody und ich fahren manchmal hin, damit wir rumalbern können.«

»Erzähl mir nichts weiter davon, Sis. Lass den Schlüssel für den Fall stecken, dass du schnell abhauen musst. Manchmal werden die Leute gewalttätig. Rutsch nach links, wenn ich ausgestiegen bin.«

Ich beugte mich an Melinda vorbei, holte den Totschläger aus dem Handschuhfach und steckte ihn in die Innentasche meines Sakkos.

»Verdammt, Ed, willst du eine Zahlung aus ihnen rausprügeln?«

»Ich sorge nur vor, damit das Gespräch auf ebenem Kiel bleibt.«

Ich stieg aus, öffnete die Gartentür und ging auf dem Plattenweg zur Haustür.

Ich klopfte an und bemühte mich, nicht bedrohlich zu erscheinen. Eine Frau kam an die Tür und stieß die Fliegengittertür so weit auf, dass ich zurücktreten musste. Als sie ganz offen war, trat ich wieder einen halben Schritt vor und ließ sie von meinem Körper in dieser Position halten. Die Frau blockierte den Eingang, indem sie sich an den Türrahmen lehnte.

Mrs. Craig, nahm ich an. Sie schien ungefähr 25 zu sein. In einer Hand hielt sie ein hohes Trinkglas mit Blütendekor, das zu drei Vierteln mit einer rosafarbenen Flüssigkeit gefüllt war, die mich an Blut in Wasser denken ließ. Sie war auf billige Aus-­der-­Flasche-­Weise blond, hatte gewölbte Augenbrauen und Lippen, die einen Mann, vielleicht auch manche Frauen, zu allem überreden konnten. Sie trug kein Make-up. Sie brauchte keines. Sie war barfuß mit langen, gebräunten Beinen in schneeweißen ultrakurzen Shorts, die so knalleng waren, dass kein Schuhlöffel hineingepasst hätte, und in ihrer knappen blauen Bluse, die vorn mit einer Schleife geschlossen war, steckten weitere nette Sachen. Ich konnte ihren Nabel sehen. Es war ein hübscher Nabel. Aus diesem Nabel hätte ich gern Champagner oder Schokolade geleckt. Tatsächlich sogar Teichwasser, wenn sie das gerade darin gehabt hätte.

Ihre Augen standen ein bisschen eng zusammen, und ich würde sagen, dass das ihr einziger Makel war: die Art und Weise, wie diese schwarzen Augen mich musterten, als ich vor ihr stand. Wie ein Alligator, der kurz davor war, mich in den Kopf zu beißen und mit sich in tiefes Wasser zu ziehen, aus dem es kein Auftauchen mehr geben würde.

Ich merkte, dass meine Hand nach dem Totschläger in meinem Sakko tastete. Das kann ich nicht recht erklären, aber ich erinnere mich daran, gedacht zu haben: Sie ist nur eine Frau, eine bildhübsche dazu, und du wirst keinen Totschläger brauchen.

»Mrs. Craig«, sagte ich.

»Die bin ich.«

»Ist Ihr Mann zu Hause?«

»Nö. Denken Sie, dass ich Geschäftliches nur erledigen kann, wenn er da ist?«

»Ich bin wegen einer Sache hier, die ich mit Ihnen beiden besprechen muss.«

»Gut gekontert, großer Junge.«

»Darf ich reinkommen?«

»Sie kreuzen hier auf, lächeln mich an und glauben, dass das genügt, damit ich Sie reinlasse?«

»Das habe ich allerdings gehofft.«

»Haben Sie meine Beine lange genug angestarrt?«

»Nicht solange es sie zu sehen gibt.«

Sie lächelte schwach, nahm einen Schluck aus ihrem Glas. Sie musterte mich wie ein Käufer einen Fisch auf dem Fischmarkt. »Sie sehen wie jemand aus, den man aus den richtigen Zutaten zusammengemischt hat, Hübscher.«

»Oh, ich weiß nicht recht. Ich fürchte, ich bin etwas zu salzig.«

Diesmal lächelte sie richtig. Sie hatte Zähne wie ein Filmstar. »Wer ist das im Auto – Ihre Freundin oder die Fahrerin Ihres Fluchtautos?«

Ich sah mich um und stellte fest, dass Melinda wie angewiesen nach links hinters Steuer gerutscht war. Sie winkte mir kurz zu.

»Meine Schwester. Sie wartet auf mich, aber ich hab’s nicht eilig.«

»Kommen Sie rein«, sagte sie.

Sie ging ins Haus zurück, und ich folgte ihr, wobei ich darauf achtete, das Fliegengitter nicht zuknallen zu lassen.

Ins Wohnzimmerfenster war ein großer Swamp Cooler eingebaut. Sein Luftstrom zerzauste uns das Haar, als wir am Wohnzimmer vorbei in die Küche gingen. Die Hintertür stand offen, aber das Fliegengitter war geschlossen. Draußen sank die Abenddämmerung herab, aber ich konnte von hier aus den Friedhof sehen, und die beiden Gebäude im rückwärtigen Teil, die mit hohem Gras bewachsene Fläche zwischen ihnen und den Wald dahinter.

Auf dem Küchentisch stand ein großer Glaskrug mit der rosafarbenen Flüssigkeit, in der Eiswürfel schwammen. Um den Tisch standen billige Stühle mit blauen Plastiklehnen. Eines der Platzdeckchen aus Gummi wies einen Wasserring auf, der zum Boden ihres Glases passen würde.

Sie setzte sich, ohne mir einen Stuhl anzubieten. Ich zog selbst einen heran, setzte mich, zog die mitgebrachten zusammengefalteten Unterlagen, die den Cadillac betrafen, aus meinem Sportsakko, legte sie ihr hin und strich sie glatt.

Sie fragte: »Was zu trinken?«

Ich wusste nicht, was in dem Krug war, aber es sah kalt aus, und obwohl der Swamp Cooler sich abmühte, schaffte er nicht viel mehr, als die Luft zu befeuchten. Das war nicht besser, als riebe einem jemand das Gesicht mit einem warmen, feuchten Handtuch ab.

»Klar«, sagte ich. Ich wusste, dass es besser gewesen wäre, die Sache hinter mich zu bringen, aber irgendwas an ihr ließ mich trödeln. Sie schien es keineswegs eilig zu haben, etwas zu erfahren – warum sollte ich mich also beeilen?

Sie stand auf, nahm ein Glas aus dem Hängeschrank und kam damit zu mir zurück. Ihre Bewegungen waren ein Sexballett. Sie stellte das Glas auf den Tisch, füllte es mit dem Zeug aus dem Krug und stellte es so vor mich hin, dass es halb auf der Gummimatte und halb auf dem Vertrag stand.

Als sie sich setzte, griff ich nach dem Glas und probierte einen Schluck. Das Zeug war irgendein Erdbeerdrink, der genügend Whiskey enthielt, dass man einen Aal darin hätte einlegen können.

»Na, das möbelt einen abends richtig auf«, sagte ich.

»Ja. Ich dachte, ich würde vor dem Abendessen ein, zwei Gläser trinken und dann das Essen ausfallen lassen.«

»Ich denke, ich sollte jetzt zur Sache kommen.«

»Wie Sie wollen.«

»Es geht um den Cadillac.«

»Sie meinen den mit den ausstehenden Raten?«

»Genau.«

»Ja. Nun, ich habe in der Scheune dort drüben eine rostige Klapperkiste stehen, aber keinen Cadillac.«

»Aber Sie haben einen Cadillac gekauft.«

»Das war mein Mann, und er ist nicht da. Er sitzt drin, oder vielleicht sitzt er nicht drin und trinkt irgendwo, vielleicht fickt oder prügelt er. Vielleicht bei­des gleichzeitig. Ich weiß nicht mal, wo er ist. Er ist seit ungefähr zwei Monaten fort. Er hat den Caddy mitgenommen und die Ratenzahlungen eingestellt. In ein paar Wochen sind weitere Rechnungen fällig. Vielleicht muss ich mich nach einem Job umsehen, wenn ich nicht vorher auf den Strich gehe. Das war übrigens ein Scherz.«

»Ich verstehe. Also hat er den Wagen?«

»Ich weiß ziemlich sicher, dass ich das gesagt habe.«

»Das haben Sie allerdings. Weil die Raten überfällig sind, brauchen wir Geld oder das Auto. Sie können gleich bei mir bezahlen.«

»Nein, das kann ich nicht. Ich habe kein Geld.«

»Wann kommt Ihr Mann zurück?«

»Kann ich nicht sagen. Weiß ich nicht. Aber wenn er zurückkommt, mag er Montage. Dienstags kommt er selten zurück, aber die restlichen Tage sind ungefähr gleich.«

»Wo arbeitet er?«

»Reisevertreter.«

»Was verkauft er?«

»Lexika.«

»Ach, kommen Sie!«

»Im Ernst. Hören Sie … Wie heißen Sie?«

»Edwards.«

»Und weiter?«

»Ed Edwards.«

»Verdammt. Ist Ihr zweiter Vorname auch Ed?«

»Die Sache ist die, Mrs. Craig …«

»Nancy.«

»Die Rechnung ist überfällig, und wir müssen unser Geld bekommen oder den Wagen zurückholen. Tut mir leid, aber so funktioniert das eben. Wenn Sie etwas kaufen, müssen Sie dafür zahlen.«

»Ich will’s mal so ausdrücken: Was ich vorher über Geld gesagt habe, dass ich keines habe, hat sich seitdem nicht geändert, außer ein unbekannter reicher Onkel ist gestorben und hat mir was hinterlassen. Vielleicht bekomme ich später ein Telegramm. Was den Wagen betrifft, können Sie ihn sich gern zurückholen, aber ich habe ihn nicht. Finden Sie meinen Mann Frank und nehmen Sie ihm die Karre weg. Was übrigens erhebliche Anstrengung kosten dürfte. Man könnte ihn ziemlich wild nennen.«

»Na gut«, sagte ich. »Ich denke, ich gehe jetzt.«

»Trinken Sie erst aus.«

Ich nahm einen weiteren kleinen Schluck, spürte, wie meine Leber sich hinter der Lunge zu verstecken versuchte, und stellte das Glas ab. »Das reicht mir«, sagte ich.

Ich stand auf, schob den Stuhl bewusst langsam unter den Tisch zurück und griff nach dem Vertrag. Ich schüttelte ihn etwas. »Sie haben einen Vertrag unterschrieben.«

»Nö. Das war Frank.«

»Ich komme wieder.«

»Nicht in diesem Sakko. Machen Sie sich nächstes Mal fein. Vielleicht gehen wir tanzen. Ist Frank daheim, können wir mit dem Cadillac herumfahren. Aber ich habe das Gefühl, dass Sie mehr ein Dairy-­Queen-­Kerl sind, der am liebsten bei einem TV-­Dinner zu Hause trinkt.«

»Manchmal teile ich mein Bier und mein TV-­Dinner mit jemandem«, sagte ich.

»Sie haben einen Hund?«

»Goodbye, Mrs. Craig. Bis zum nächsten Mal, wenn ich den Wagen hole.«

»Ist Frank daheim, sollten Sie vielleicht ein Montiereisen mitbringen.«

Ich dachte an den Totschläger in meiner Jackentasche. Ich rechnete damit, dass er genügen würde.

3

Ich ließ Melinda nach rechts rutschen und setzte mich ans Steuer. Unterdessen war es ganz dunkel geworden.

»Na?«, fragte Melinda.

»Sie sagt, dass sie nicht weiß, wo der Wagen ist. Dass ihr Mann ihn hat, und der ist seit ein paar Monaten nicht mehr daheim, verkauft Lexika von Tür zu Tür.«

»Glaubst du das?«

»No. Nun, vielleicht ist er echt nicht da und verkauft wirklich Lexika, aber ich habe den Verdacht, dass der Caddy dort draußen in der Garage steht.«

»Die zehn Dollar kriege ich also trotzdem?«

»Die kriegst du. Kauf dir dafür eine Hose, vielleicht ein Kleid.«

»Du könntest dieser Frau einen Zehner geben, damit sie sich eine Hose kauft.«

»Nun, ich sag’s noch mal, sie ist nicht meine Schwester.«

»Sie sieht nicht so aus, als könnte sie jemandes Schwester sein.«

Ich setzte Melinda mit einem Zehner in der Hand ab, fuhr nach Hause, schob ein TV-­Dinner ins Backrohr und holte mir ein Bier aus dem Kühlschrank. Dann saß ich am Küchentisch und trank das Bier und beobachtete den Herd, als wartete ich auf die Wiederauferstehung.

Als das Dinner fertig war, stellte ich es auf den kleinen Couchtisch, machte den Fernseher an, holte mir noch ein Bier und eine Gabel, kam zurück und ließ mich auf die Couch fallen.

Nancy hatte mich ziemlich richtig eingeschätzt. Bier und ein TV-­Dinner, aber kein Hund.

Ich aß das Dinner, sah ein bisschen fern – hauptsächlich Cowboys, die Leute von Pferden schossen –, dann stellte ich den Fernseher ab und las ein bisschen. Bei mir hatten sich die ungelesenen Zeitungen von drei Tagen angesammelt.

Als ich mit ihnen fertig war, wurde mir klar, dass ich sie ebenso gut nicht hätte lesen können. Sie enthielten nichts, was mich beeindruckte. Vielleicht gab es im Augenblick nichts, was mich beeindrucken konnte.

Ich musste immer wieder an Nancy, ihre langen Beine, diese enge Bluse und diesen Nabel denken, und ich dachte immer wieder, dass sie für eine so junge Frau exzessiv lebensüberdrüssig wirkte. Aber auch ich war jung und fühlte mich ähnlich. Daran war der Koreakrieg schuld. Ich fragte mich, wie Nancys Mann sein mochte. Ich hatte nicht den Eindruck, dass sein Verschwinden ihr naheging. Und ich fragte mich, ob er vielleicht gar nicht fort war. Wer weiß, vielleicht war er im Zimmer nebenan gewesen und hatte sie mit mir reden lassen, um mich einzuseifen.

Ich holte mir den Vertrag und las ihn nochmals durch. Sie war mehr in meinem Alter, als ich vermutet hatte. Ihr Mädchenname war Woodward und sie stammte aus der Kleinstadt Gladewater. Sie hatte einen Hauptschulabschluss und war als Baptistin aufgewachsen, wie sie bei der Frage nach ihrer Religion geschrieben hatte. Auf mich hatte sie nicht wie eine eifrige Kirchgängerin gewirkt.

Ihr Ehemann hieß Frank. Er war 36. Als Religion hatte er ›keine‹ angegeben. Nun, das hatten er und ich gemeinsam. Als Beruf hatte er Verkäufer eingetragen. Eine weitere Gemeinsamkeit.

Vielleicht hatte Nancy nicht gelogen. Vielleicht war er tatsächlich unterwegs und würde bei seiner Rückkehr eine fette Zahlung leisten und die ausgefallenen Raten nachholen.

Vielleicht auch nicht.

Ich nahm mein Sportsakko mit dem Totschläger in der Tasche vom Haken, zog es an und fuhr wieder zum Haus der Craigs. Diesmal parkte ich nicht vor dem Tor, sondern im Schutz der Baumreihe an der kleinen Straße hinter dem Tierfriedhof. Irgendwie gefiel mir diese Vorstellung. Ich hatte mal einen Hund gehabt, der auf einem unbebauten Grundstück verscharrt worden war und an den ich noch immer gelegentlich dachte. Ich dachte über alle möglichen Dinge nach, von denen keines besonders wichtig war.

Von der Stelle aus, an der ich stand, konnte ich die Lichter des Autokinos und einen Teil der Leinwand sehen. Heute lief ein Monsterfilm. Ich liebte gute Monsterfilme, aber heute Abend würde ich keinen zu sehen bekommen.

Ich ging zum Friedhof hinüber, stieg über den vor allem dekorativen Plankenzaun, der ihn umgab, und ging zu den Gebäuden hinter dem Haus weiter. Nancy hatte gesagt, sie habe dort eine Klapperkiste stehen, aber ich wollte mich vergewissern, dass sie keinen luxuriösen Gefährten namens Cadillac hatte.

Die Nacht war an sich dunkel, aber der Widerschein des Autokinos erhellte sie, sodass ich zu sehen sein würde, falls jemand aus dem Fenster sah. Ich sah zum Haus hinüber, aber dort brannte nur hinter einem Fenster Licht. In einem Zimmer nach hinten hinaus.

Ich zog meine kleine Stablampe aus der Tasche und leuchtete damit auf dem Friedhof herum. Es gab ein paar Grabsteine, aber im Allgemeinen steckten kleine Metalltafeln in der Erde. Sie zeigten oben den Umriss eines Tieres, Hund oder Katze, aber ich sah auch eine, die zu einem Sittich oder Papagei gehörte.

Ich blieb bei einer Tafel stehen, auf der BENNY, ER WAR EIN GUTES PFERD stand. Darunter hatte jemand eingeritzt: Aber er hätte auf Autos achten sollen.

Ich schlüpfte durch den Zaun auf der anderen Seite und ging zu dem größeren Gebäude, einer Art Scheune aus Wellblech, die gut als Garage dienen konnte, und kontrollierte, ob das zweiteilige Tor in der Giebelseite abgesperrt war. Das war es nicht.

Ich schob eine Torhälfte auf, trat ein und zog sie hinter mir wieder zu. Hier stand tatsächlich eine Klapperkiste, aber auch ein netter kleiner Cadillac, der zuvor bei uns gestanden hatte. Vor den Autos standen ein kleines Motorboot auf einem Hänger und ein Aufsitzrasenmäher. An einer Wand hing alles mögliche Werkzeug.

Als ich die Fahrertür des Caddys öffnete, ging die Innenbeleuchtung an. Als Erstes sah ich nach, ob der Zündschlüssel steckte. Das war nicht der Fall. Ich sah hinter der Sonnenblende nach. Nö.

Ich würde die Zündung kurzschließen müssen. Darin war ich ziemlich gut. Wenn ich unter dem Arma­turenbrett arbeitete, konnte ich vielleicht auch den Meilenzähler zurückstellen, um das für den nächsten Eigentümer erledigt zu haben, der in diesem Fall tatsächlich einen guten Deal bekommen würde. Mir gefiel der Caddy selbst. Ich stellte mir vor, wie gut ich aussehen würde, wenn ich damit herumfuhr. Sobald ich ihn zurückgebracht hatte, würde ich anrufen, Melinda wecken und mich von ihr abholen und hierherfahren lassen, damit ich mein Auto holen konnte.

Ich wollte eben unters Lenkrad kriechen und mich mit meinem Taschenmesser an die Arbeit machen, als ich hörte, wie das Scheunentor aufgeschoben wurde. Ich zog den Kopf aus dem Wagen und sah Nancys Umrisse in der Öffnung stehen.

Zu High Heels trug sie ein kurzes schwarzes Kleid und hielt etwas in den Händen, das wie eine Kanone aussah.

4

Es war keine richtige Kanone, aber eine Schrotflinte Kaliber 12. Ich erkannte sie, weil ich von meinem Vater genau so eine geerbt hatte. Nur stand meine natürlich zu Hause im Garderobenschrank. Ich hatte nicht angenommen, dass ich sie brauchen würde. Mein Totschläger war im Augenblick ungefähr so nützlich wie ein zusätzlicher Daumen. Ich hob unaufgefordert die Hände.

»Sie sind hier, um den Reifendruck zu prüfen?«

»Weil Sie den Wagen schon so lange haben, dachte ich, die Reifen könnten etwas Luft brauchen, und wir bei Smiling Dave sind für unsere Kunden da.«

»Immer mehr bessere Deals und Service mit einem Lächeln.«

»Sie sagen es.«

»Ich habe Sie offenbar belogen.«

»Offenbar. Ich sehe den Caddy und frage mich, wie Ihr Mann Lexika verkauft. Reitet er ein Steckenpferd und trägt all die Bücher auf dem Rücken?«

»Er arbeitet mit einem Freund zusammen. Dem Freund gehört der Wagen, mit dem sie diesmal unterwegs sind. Und er hat nur Muster dabei, kein vollständiges Exemplar des Lexikons, Klugscheißer.«

»Wollen Sie mich nicht aus Höflichkeit einmal um den Block fahren lassen, wenn ich schon mal hier bin?«

»Sie versuchen mit Gewalt, witzig zu sein.«

»Die Flinte macht mich nervös. Wenn ich Angst habe, werde ich albern.«

»Sie haben wohl oft Angst?«

»Ich werde nicht oft mit einer Waffe bedroht, aber das tue ich vermutlich immer. Angst haben, meine ich. Darf ich die Hände runternehmen?«

»Nur zu, aber greifen Sie in keine Tasche. Für den Fall, dass Sie eine Waffe haben.«

»Ich habe nicht damit gerechnet, auf den Wagen schießen zu müssen. Ich dachte, die Sache würde friedlich ablaufen. Machen Sie sich immer fein, bevor Sie Jagd auf Autoverkäufer machen?«

Sie ließ die Schrotflinte sinken. »Ich wollte zum Scheiß-­Piggly-­Wiggly fahren.«

»Nein, das wollten Sie nicht.«

»Stimmt. Ich wollte ausgehen, zu einer Kneipe fahren. Aber ich bin flexibel. Willst du auf einen Absacker ins Haus mitkommen? Vielleicht könnten wir uns dann auf dem Bett wälzen und vögeln.«

»Können wir den Absacker weglassen?«

5

Wir ließen den Absacker weg. Wir gingen ins Haus ­hi­nüber, und sie stellte die Schrotflinte weg und zog ihr Kleid aus, ließ aber – vermutlich weil sie glaubte, das würde mich antörnen – die High Heels an.

Ich brauchte den Totschläger letztlich doch nicht, obwohl ich ein-­, zweimal daran dachte, nur um sie ein bisschen zu ermüden. Was sie nicht wusste, war: Ich würde den Cadillac mitnehmen, ob wir nun fickten oder nicht.

Danach lagen wir im Bett, mein Arm war um ihre Schultern gelegt, ihre Hand umfasste unter der Decke meine Eier. Der Ventilator im Schlafzimmerfenster arbeitete, sodass es zur Abwechslung angenehm kühl war.

»War das wirklich deine Schwester im Auto? Keine Freundin?«

»Jep.«

»Bist du Puerto Ricaner?«

»Nein. Wie kommst du darauf?«

»Du und auf den ersten Blick auch sie sehen ein bisschen danach aus. Aber das ist in Ordnung, ich frage nur.«

»Nein. Kein Puerto Ricaner. Bist du Irin?«

»Vielleicht. Ein bisschen, glaub ich.«

»Scheiße, ich ficke keine Iren.«

»Ich hab dich bei den Eiern, Freundchen. Benimm dich lieber.« Sie drückte meine Eier fest genug, um mich zusam­menzucken zu lassen.

»Ich nehme alles zurück. Persönlich singe ich jeden Morgen vor der Arbeit ›Danny Boy‹ und habe in mehreren Büchern gepresste Kleeblätter liegen.«

»Was für Bücher? Comics?«

»Alle möglichen Bücher. Noch mal zu deinem Mann. Hat er auch eine Schrotflinte?«

»Das glaub ich nicht, aber irgendwas wird er haben.«

»Er platzt nicht hier rein und macht Fotos davon, wie du meine Eier in der Hand hast, um mich zu erpressen, damit er den Cadillac behalten kann, stimmt’s?«

»Das Licht ist aus, Dummchen. Und meine Hand ist unter der Decke. Er kommt später aus dem Kleiderschrank, wenn ich wieder Licht mache und dir einen Blowjob verpasse.«

»Ich muss dich warnen: Mir ist’s egal, ob Fotos davon verbreitet werden. Sehen Frauen, sogar Männer, auch nur flüchtig, was ich habe, kann sie nie mehr jemand befriedigen.«

»Echt jetzt?«

»Jede Wette.«

»So gut bist du auch wieder nicht, Mister.«

»Oh, ich bekomme kein A plus?«

»Ich gebe dir ein A minus. Du weißt wenigstens, dass ich eine Klitoris habe, und kannst sie allein finden.«

»Sie ist nicht besonders gut versteckt.«

»Ich hab dir ein Minus gegeben, weil du den Doggy Style ausgelassen hast.«

»Teufel, Lady. Die Nacht ist jung.«

»Nenn mich nicht Lady.«

6

Nach diesem spießigen Anfang ging es ernsthaft zur Sache, und zuletzt saßen wir in der Unterwäsche am Tisch und tranken den Absacker, diesmal ohne Erdbeersirup und Wasser.

Durchs Fenster konnte ich das Autokino und seine große senkrechte Leuchtreklame sehen. Mit goldenen Lichtern besetzt sah sie wie ein Riesenfinger aus, der gen Himmel wies. Er hatte etwas Warmes, Einladendes an sich.

Tagsüber bestand er nur aus leblos kalten Glühbirnen in bestimmter Anordnung, aber nachts bildeten sie leuchtend die Wörter HIGH-­TONE DRIVE-­IN. Beim Anblick dieser Lichter lief mir eine Art Wonneschauder über den Rücken. In ihnen lag etwas Magisches, und ich wollte Teil dieser Magie sein.

Sie kippte zwei Drinks, bevor ich mit meinem fertig war, und als sie mir nachschenken wollte, bedeckte ich mein Glas mit einer Hand.

»Ich weiß nicht, wo du deinen Whiskey kaufst, aber der hat’s in sich, und ich hab genug, denke ich.«

»Frank und ich trinken abends manchmal eine ganze Flasche.«

»Aber er ist nicht hier, um mitzutrinken.«

»Er ist selten hier.«

»Läuft das Autokino ohne dich?«

»Ich hab einen Geschäftsführer. Ich glaube, dass er in die Kasse greift, aber so habe ich wenigstens ab und zu einen Abend frei. Es gibt Tage, da habe ich genug von Popcorn, von High-­School-­Jungen mit Pickeln und Ständern, genug von Monsterfilmen. Ich brauche Zeit für mich selbst, daher rechne ich den gelegentlichen Griff in die Kasse als Lohn für Überstunden.«

»So kann man kein Geschäft führen.«

»Glaubst du, dass du’s besser führen könntest?«

»Unbedingt.«

»Hätte ich jemand um mich, den ich um mich haben mag, wäre mir vielleicht auch besser.«

»Wie läuft’s mit dem Tierfriedhof?«

»Den hasse ich. Ich und Frank haben dieses Grundstück von einer alten Lady gekauft, die den Friedhof angelegt hatte. Sie war so verrückt, dass sie geglaubt hat, Vögel in einem Brunnen singen zu hören. Aber wir haben das Land gekauft, und die meisten Leute, die dort draußen Tiere liegen haben, zahlen für die Erhaltung des Friedhofs, was darauf rausläuft, dass man etwas Unkraut jätet und das Gras zwischen den Gräbern mäht.

Ich hab gesehen, dass dort Rowdys unterwegs waren. Ben das Pony hat ein kleines Epigramm auf seinem Grabstein stehen. Das kleine Mädchen, dem es gehört hat, hat es mit einer Nagelfeile eingeritzt. Ihr Daddy ist um eine Ecke hinter Bäumen gefahren, und – Überraschung! – das Lieblingspony war ausgebrochen und Sekunden später auf der Motorhaube drapiert. Die Kleine ist ungefähr sechs, schätze ich.«

»Und hat eine Nagelfeile?«

»Wahrscheinlich auch High Heels und eine Schachtel Kondome. Heutzutage versuchen sie früh, Frauen zu sein.«

»Balsamiert ihr die Tiere ein?«

»Dafür ist das andere Gebäude da. Die Lady, von der wir das Land gekauft haben, war dafür allmählich zu alt. Sie hat uns gezeigt, wie man Tiere auf ihre letzte Ruhe vorbereitet, aber das ist ein langwieriger Prozess. Ehrlich gesagt haben wir bald gemerkt, dass Löcher ausheben Arbeit ist, Ed. Deshalb kratzen wir hier und da etwas Erde zusammen, häufen sie etwas auf, damit ein kleiner Grabhügel entsteht, fahren den verstorbenen Liebling dann in den Wald und entsorgen ihn in einem Graben. Es gibt eine Zeremonie, wenn die Leute das wollen. Manchmal verzichten sie darauf. Im Allgemeinen kommen Kinder raus, um das Grab ihres Lieblings zu besuchen – das heißt, bis sie ein neues Tier kriegen oder in die Pubertät kommen und das Interesse an einem toten Hund verlieren. Wie’s jetzt läuft, sind die Tierbesitzer glücklich, und wir werden bezahlt, ohne dafür schuften zu müssen.

Das Pony war eine Ausnahme. Bei dem haben wir Geld verloren, glaub ich. Es war viel zu groß, als dass wir’s hätten im Wald entsorgen können. Wir mussten einen gottverdammten Abschleppwagen organisieren, der es aufgeladen und hergefahren hat, und dann haben wir eine Kiste bauen lassen, weil der Besitzer ziemlich viel Geld hatte und das wollte und rausgekommen ist, um sie sich anzusehen. Wir mussten das Pony tatsächlich einbalsamieren, einen Bagger mieten, der das Grab ausgehoben hat, und ein Dutzend Kerle zusammentrommeln, damit sie uns helfen, die Kiste runterzulassen. Dann gab’s einen großen Gottesdienst. Alle Freundinnen des reichen kleinen Mädchens sind in ihrem Sonntagsstaat gekommen, und sie haben einen Geistlichen predigen und ein Gebet sprechen lassen. Dafür haben sie eine Menge Geld ausgegeben, aber wegen dem Radlader, dem Bagger und allem haben wir trotzdem Geld verloren. Also hab ich gleich eine Regel aufgestellt: keine toten Ponys mehr.«

»Das ist entmutigend. Ich habe einen Elefanten als Haustier, der in letzter Zeit gar nicht mehr gut aussieht.«

»Ich mag dich. Ich mag einen Mann, der witzig zu sein versucht, auch wenn er’s nicht ist. Ich mag es, wenn er Sinn für Humor hat, selbst wenn’s kein guter ist.«

»Ich will dir noch was erzählen, das witzig ist. Ich muss die Schlüssel des Cadillacs haben.«

»Scheißkerl! Du kreuzt hier auf und versuchst mein Auto zu stehlen, dann stiehlst du meine Muschi und jetzt willst du die Autoschlüssel, bloß um abhauen zu können.«

»Im Prinzip stehle ich nichts. Weder Auto noch Muschi. Der Wagen gehört nicht dir, und die Muschi war Teil eines Absackers.«

»Sei nicht vulgär.«

»Ich rede nur, wie du redest. Hör zu, ich will dich bei dem Cadillac nicht reinlegen, aber wenn ich ihn nicht zurückbringe, kriegt ein Inkassodienst den Auftrag, der ihn dir dann wegnimmt. Tatsächlich versuche ich sogar, dir bei dieser Sache zu helfen.«

»Komisch, ich dachte genau das Gegenteil.«

»Hier ist mein Plan. Du gibst mir die Schlüssel, und ich kaufe den Wagen selbst und stottere ihn in Raten ab. Dann brauchen wir keine juristische Sache daraus zu machen. Ich übernehme den Wagen einfach. Du hättest zahlen können, wenn Frank dich gelassen hätte, denke ich, also trifft dich keine Schuld.« Das dachte ich nicht wirklich, aber es klang gut. Ich hatte das Gefühl, dass Nancy einen Nickel klauen würde, wenn jemand ihr Gelegenheit dazu gab.

»Frank geht sparsam mit Geld um. Er kauft gern Sachen, bezahlt sie aber nur teilweise ab und hört dann auf. Ich hab erlebt, wie Haushaltsgeräte angekommen und wieder verschwunden sind, als wären sie nur auf Besuch da. Ich war froh, als der Swamp Cooler abbezahlt war. Im Sommer wird’s hier echt heiß.«

»Das ist ein Deal, den ich dir anbieten kann«, sagte ich. »Er ist gut, denke ich. Ich kann vorbeikommen und dich zum Ausgehen abholen, und du hast deine alte Karre, mit der du in der Stadt rumfahren kannst. Bring sie bei uns vorbei, vielleicht kann ich sie gegen was Besseres eintauschen, obwohl ich bei deiner Ausgangslage nur eine kleine Verbesserung garantieren kann. Ich wette, dass ich dir einen umsonst besorgen kann.«

»Ja?«

»Klar, aber er ist natürlich nicht erstklassig. Stell dir vor, du hättest einen Beinstumpf und bekämst ein Holzbein dafür.«

»Das klingt nicht nach einem so tollen Deal.«

»Es ist der Deal, den ich anbieten kann.«

»Du bist der beste Schwindler, dem ich jemals begegnet bin, und ich bin stolz auf meine eigenen Fähigkeiten, oder der dümmste Hurensohn, der jemals über einem Paar Schuhe gehockt hat, um zu scheißen.«

»Ich akzeptiere beide Spitznamen.«

Sie saß in ihrer Unterwäsche da, ich in meiner. Sie genehmigte sich einen weiteren Drink. Ich schenkte mir einen Kurzen ein. Die Hintertür stand offen, und weil in der Küche Licht brannte, sammelten sich an der Fliegengittertür Insekten, und die hereinkommende Luft war auch ohne Schlafzimmerventilator oder Swamp Cooler angenehm kühl. Keiner von uns beiden hatte es eilig.

»Okay«, sagte sie.

7

Ich hatte den Cadillac, kaufte ihn wie geplant und machte einen Deal mit Smiling Dave, um mein bisheriges Auto in Zahlung zu geben. Ich erzählte ihm nicht alles, was Nancy mir über ihr Geschäft erzählt hatte, aber ich schlug ihm vor, ich würde mit den Raten dort weitermachen, wo Frank und sie aufgehört hatten, und er war einverstanden.

Aus gutem Grund. Nachdem ich in dieser Woche schon drei Autos verkauft hatte, kam ich am Samstag, meinem freien Tag, rein und verkaufte noch eins. Ich hatte auch nicht wirklich vor, den Wagen letztlich Nancy zu überlassen. Traue niemals einem Gebrauchtwagenverkäufer. Ich hatte auch nicht vor, sie wiederzusehen, aber ich gestehe, dass ich oft an sie dachte. An ihre langen Beine, ihr blondes Haar und ihren Nabel. Ich dachte an das Autokino und den Friedhof, auf dem nur ein totes Pony bestattet war, während unter den zusammengekratzten Grabhügeln mit Metallschildern nichts lag, weil die jeweiligen Tiere irgendwo im Wald verwesten. Das erschien mir als nette Kombination von Geschäften.

»Na, was hältst du von dieser Craig? Sieht klasse aus, was?«

»Sie war in Ordnung.«

»In Ordnung? Scheiße, Boy, es gibt Männer, die mei­lenweit nackt über Glasscherben kriechen und gegen eine Horde wilder Liliputaner kämpfen würden, um sie zu kriegen.«

»Wilde Liliputaner?«

»Die sind mir gerade eingefallen.«

»Ja. Nun, ich habe einen lieben Cousin, der ein Liliputaner ist, nur ein klitzekleiner Kerl, und finde solches Gerede kränkend.«

»Hey, Ed, tut mir leid.«

Ich lachte. »War bloß ein Scherz. Er ist nicht mal mein Cousin.«