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An einem strahlenden Augustmorgen wird Jungbauer Joseph Brachtendorf erschlagen auf dem Maifeld gefunden. Wurde er das Opfer einer Räuberbande oder marodierender französischer Soldaten? Oder wurde ihm vielmehr seine Begegnungen mit dem Fuhrmann aus dem benachbarten protestantischen Winningen zum Verhängnis, weil ein guter Katholik die "Blauköpp" meidet wie der Teufel das Weihwasser? Bei seinen Ermittlungen in den Eifeldörfern stößt Friedensrichter Spitzlay auf eine Wand des Schweigens - und gerät in tödliche Gefahr.
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Seitenzahl: 535
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Petra Reategui, geboren 1948 in Karlsruhe, war nach einem Dolmetscher- und Soziologiestudium Redakteurin bei der Deutschen Welle. Sie arbeitet heute als freie Journalistin und Autorin in Köln.
Dieses Buch ist ein Roman. Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind nicht gewollt und rein zufällig.
© 2013 Hermann-Josef Emons Verlag Alle Rechte vorbehalten Umschlagmotiv: Landschaft bei Cochem an der Moselvon Gottfried Pulian, 1858 Umschlaggestaltung: Tobias Doetsch eBook-Erstellung: CPI – Clausen & Bosse, LeckISBN 978-3-86358-297-5 Historischer Kriminalroman Originalausgabe
Für Johann Joseph Brachtendorfund die Menschen auf dem Maifeld
EINS
Dienstag, den 16ten August 1814, Vormittag
Der Hahn schrie. Einmal. Zweimal. Maria öffnete die Augen. Im Raum war es dunkel und stickig. Die Nacht hatte keine Abkühlung gebracht. Schemenhaft zeichneten sich die Umrisse des Stuhls und der Kommode ab. Seit einem halben Jahr klemmte die unterste Schublade. Aber ihr Mann tat nichts.
Sie streckte und dehnte sich ein wenig und zog das verschwitzte Laken noch einmal über die Schultern. Nur für ein paar Minuten. Bis zum nächsten Hahnenschrei.
Sie musste wieder eingeschlafen sein. Als sie erneut aufwachte, fühlte sie sich dumpf und schwer, Beine und Knie schmerzten. Das passierte ihr in der letzten Zeit häufiger. Auch die Mutter hatte darunter gelitten, wahrscheinlich lag es am Alter.
Ächzend kroch sie unter dem Plumeau hervor. Mit den Händen im Schoß blieb sie einen Augenblick auf der Bettkante sitzen, murmelte ein Gebet und bekreuzigte sich. Dann erhob sie sich schwerfällig, stieg in ihre Röcke, schlich leise, um den Mann nicht zu wecken, ans Fenster und schob den dicken Vorhang einen Spalt weit auf. Von einem wolkenlosen Himmel flirrte gleißende Morgensonne. Auf den Walnussbaum fiel noch der Schatten des Hauses, die weiten Felder dahinter aber lagen im strahlenden Licht. In der Ferne blinkte das Dach des Betzemer Hofs. Es würde abermals ein heißer Tag werden.
Die Schlafzimmertür quietschte, als Maria sie öffnete. Hinter ihr knurrte der Mann, drehte sich geräuschvoll um, raunzte irgendetwas. Sie achtete nicht darauf, stieg, sich seitlich festhaltend wegen des bösen Knies, langsam die Treppe hinunter in die Küche. Von gestern war noch Erbsensuppe im Topf, sie reichte fürs Frühstück. Maria begann das Feuer anzufachen. Schon als Kind, noch im elterlichen Haus, war sie fürs Feuer in der Küche zuständig gewesen.
Oben hörte sie die Dielen knarzen, eine Tür wurde geöffnet und wieder zugeschlagen, eine zweite, dann polterte ihr Mann die Treppe herunter und stieß die Küchentür auf.
»Wo ist der Joseph?«
Wo soll er schon sein, wollte sie sagen, aber als sie sein Gesicht sah, zog sie es vor zu schweigen.
Brachtendorfs Stimme durchschnitt die Luft. »Er ist nicht in seinem Bett. Er war die ganze Nacht nicht in seinem Bett.«
Ruhig, Maria, ganz ruhig! Immer wenn es um Joseph ging, gab es Streit. Sie nahm den Kessel vom Feuer, stellte Schüsseln auf den Tisch und suchte nach dem Schöpflöffel.
»Wo treibt dein Sohn sich rum?« Brachtendorf brüllte jetzt. Er schaute Maria an, als ob sie wüsste, wo der Junge war, es ihm aber verheimlichte.
»Setz dich«, sagte sie, »er wird schon kommen.«
»Er wird schon kommen«, äffte der Mann sie nach. »Er hat nicht irgendwann zu kommen, ich brauch ihn jetzt. Jetzt, hab ich gesagt«, und schlug mit der Faust auf den Tisch.
»Nimm den Johann mit!« Maria wartete die Antwort nicht ab, griff sich Korb und Kitzel, der an einem Nagel neben der Tür hing, und verließ die Küche. Sie hasste es, wenn ihr Mann laut wurde. Am Anfang, als sie geheiratet hatten, hatte er nicht geschrien, oder es war ihr nicht aufgefallen.
Mechthild muss kehren heute, dachte sie, während sie aus dem Haus trat und einen prüfenden Blick über den Hof tat. Und Jab die Sensen dengeln.
Eine der Katzen, die schwarze mit der weißen linken Vorderpfote, huschte an Maria vorbei, stoppte unvermittelt, die Ohren gespitzt, den Blick starr auf die Steine am Brunnen gerichtet, eine Maus? Ein Vogel? Sie duckte sich, jede Muskelfaser gespannt, dann, so plötzlich, wie ihr Interesse erwacht war, erlosch es wieder. Gemächlich setzte das Tier seinen Weg fort und kroch, den Rücken tief geduckt, unterm geschlossenen Hoftor hindurch ins Freie. Weg war es.
Maria band sich ihr Kopftuch um, ordnete die Falten ihrer Röcke, die Schürze. Drinnen im Haus schepperte es. Eine der Suppenschüsseln? Sie zuckte die Schultern, das Leben ist, wie es ist. Und Joseph war nicht nach Hause gekommen.
Beim Klacken einer Tür fuhr sie zusammen. Aber es war nur der Jab, der aus dem Gesindehaus kam, unausgeschlafen, den Kittel hastig übergeworfen, die Ärmel hochgekrempelt. Er grüßte herüber und schlurfte zum Brunnen, um sich etwas Wasser ins Gesicht zu schütten. Sie müssen lang getrunken haben gestern, dachte sie, er schläft noch im Gehen.
»Hast du den Joseph gesehen?«
Der Knecht schüttelte den Kopf. »Nur einmal«, brummte er kaum verständlich. Nur einmal habe er ihn kurz bei den Sürschern sitzen sehen, dann nicht mehr.
Die Sonne stand kaum eine Handbreit über dem Dach der Scheune, als Maria das große Hoftor aufschob. Aus dem dichten Weinlaub, das, vom Boden emporkletternd, fast den ganzen mit Schiefer gedeckten Querbalken der Port überwucherte, flatterte verstört eine Kolonie Spatzen auf. Sie kehrten erst wieder zurück, nachdem sie darunter durchgegangen war.
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