Mrs Potts' Mordclub und der tote Bürgermeister - Robert Thorogood - E-Book

Mrs Potts' Mordclub und der tote Bürgermeister E-Book

Robert Thorogood

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Beschreibung

Wer hat den allseits beliebten Bürgermeister getötet? Das herauszufinden ist Aufgabe von Mrs Potts' Mordclub. Geoffrey Lushington, Bürgermeister von Marlow, stirbt plötzlich während einer Stadtratssitzung. Als in seiner Kaffeetasse Spuren von Eisenhut, auch bekannt als die Königin der Gifte,  gefunden werden, weiß die Polizei, dass er ermordet wurde. Aber wer hat es getan? Und warum? Die Polizei ernennt Judith Potts und ihre Freundinnen Suzie und Becks von Anfang an zu zivilen Beraterinnen, sodass sie nach Herzenslust Verdächtige befragen und den Beweisen nachgehen können - perfekt, denn Judith hat keinen Kopf für Regeln oder Konventionen. Aber dieser Fall stellt den Marlow Murder Club vor ein Rätsel. Wer würde den leutseligen Bürgermeister umbringen wollen? Wie konnte das Gift überhaupt in seinen Kaffee gelangen? Und ist noch jemand in Gefahr? Mrs Potts' Mordclub steht vor seinem bisher schwierigsten Fall ...

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Ähnliche


Robert Thorogood

Mrs Potts’ Mordclubund der tote Bürgermeister

Kriminalroman

Aus dem Englischen von Katharina Herzberger

Kurzübersicht

Buch lesen

Titelseite

Über Robert Thorogood

Über dieses Buch

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Hinweise zur Darstellung dieses E-Books

zur Kurzübersicht

Über Robert Thorogood

Robert Thorogood ist ein englischer Drehbuchautor und Romancier. Er ist vor allem als Schöpfer der international gefeierten BBC-Krimiserie »Death in Paradise« bekannt und hat eine Reihe von Spin-off-Romanen mit dem Detektiv DI Richard Poole geschrieben.

Die Übersetzerin

Katharina Herzberger studierte Anglistik und Literarisches Übersetzen in Leipzig und München. Sie arbeitet als Lektorin und Übersetzerin aus dem Englischen in München. Zuletzt übersetzte sie Sonora Jha, Kay Kerr, Rebecca Lim und Kate Gordon.

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Über dieses Buch

Wer hat den allseits beliebten Bürgermeister getötet? Das herauszufinden ist Aufgabe von Mrs Potts’ Mordclub.

Geoffrey Lushington, Bürgermeister von Marlow, stirbt plötzlich während einer Stadtratssitzung. Als in seiner Kaffeetasse Spuren von Eisenhut, auch bekannt als die Königin der Gifte, gefunden werden, weiß die Polizei, dass er ermordet wurde. Aber wer hat es getan? Und warum?

Die Polizei ernennt Judith Potts und ihre Freundinnen Suzie und Becks von Anfang an zu zivilen Beraterinnen, sodass sie nach Herzenslust Verdächtige befragen und den Beweisen nachgehen können – perfekt, denn Judith hat keinen Kopf für Regeln oder Konventionen. Aber dieser Fall stellt den Marlow Murder Club vor ein Rätsel. Wer würde den leutseligen Bürgermeister umbringen wollen? Wie konnte das Gift überhaupt in seinen Kaffee gelangen? Und ist noch jemand in Gefahr? Mrs Potts’ Mordclub steht vor seinem bisher schwierigsten Fall …

Inhaltsverzeichnis

Widmung

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Danksagungen

Für Penny Thomas

Kapitel 1

Suzie Harris hatte einen Plan.

Sie war unsicher, ob sie ihn wirklich durchziehen konnte. Eigentlich standen die Chancen ziemlich schlecht, aber sie würde ihr Bestes geben. Sie würde versuchen, eine Sitzung des Bauausschusses von Marlow zu überstehen.

Suzie fand Sitzungen schrecklich, und die Vorstellung einer Bauausschusssitzung erschien ihr noch viel schrecklicher. Aber wenn sie reich werden wollte, bräuchte sie Verbündete. Deshalb hatte sie beschlossen, an einer der Sitzungen teilzunehmen, um die Entscheider kennenzulernen und – das war am wichtigsten – herauszufinden, wen sie wohl dazu bekommen würde, ihre künftigen Anträge wohlwollend zu bescheiden.

Die Sitzung wurde im Rathaus abgehalten, einem hübschen georgianischen Haus an der Themse mit Blick auf den Higginson Park. Hinein führte eine polierte schwarze Tür, die genauso gut in die Downing Street gepasst hätte, und obwohl ein Großteil des zweistöckigen Gebäudes aus Büroräumen bestand, gab es noch einen altmodischen Plenarsaal für offizielle Sitzungen. Wenn man eintrat, landete man auf einer schmalen Zuschauergalerie, von der einige Stufen in einen großen Raum hinabführten, in dem es einen großen Konferenztisch, Aktenschränke und eine Durchreiche zur Teeküche gab. Das Stadtwappen, ein geschnitzter Schwan in Ketten, beobachtete die Geschehnisse von der Rückwand aus. Wie das Städtchen Marlow selbst wirkte der Plenarsaal gleichermaßen herrschaftlich groß und winzig klein.

Für die heutige Sitzung waren eine Leinwand und ein Projektor unter dem Wappen aufgestellt worden, damit der Ausschuss die Bauanträge besser begutachten konnte. Suzie hatte vor allen anderen auf der Galerie Platz genommen, um mit Stift und Notizbuch kurze Steckbriefe der Ausschussmitglieder zu verfassen und deren Stärken sowie – viel wichtiger – potenziell nützliche Schwächen detailliert aufzuschreiben.

Zuerst erschien ein Mann Mitte fünfzig, der einen Nadelstreifenanzug, ein blaues Hemd und eine himmelblaue Seidenkrawatte mit rosa Pünktchen trug. Er hatte breite Schultern, strahlte ein ausgewachsenes Selbstbewusstsein aus, und sein natürliches und müheloses Lächeln ließ Suzies Herz kurz höherschlagen.

»Sie sind für die Bauausschusssitzung hier?«, fragte er.

»Genau«, sagte Suzie und vergaß kurz, dass sie kein Schulmädchen mehr war, das Männer mit markantem Kinn attraktiv fand. Als er an ihr vorbei die Treppe hinablief, spannte er seine durchtrainierten Oberarme und ging dann zu seinem Platz, wo bereits ein großer Stapel Ausdrucke auf ihn wartete.

»Sind Sie wegen eines bestimmten Antrags hier?«, fragte er.

Erst in diesem Augenblick wurde Suzie klar, dass sie sich noch keine Ausrede für ihre Anwesenheit zurechtgelegt hatte.

»Japp«, sagte sie, um sich etwas mehr Zeit zu verschaffen.

»Um welchen geht’s?«

»Wie bitte?«

»Wenn Sie an einem bestimmten Fall interessiert sind, sollten wir das in der Tagesordnung berücksichtigen. Um welchen Antrag geht es?«

»Wissen Sie«, sagte Suzie, verzweifelt improvisierend, »der … der eine auf … der Hauptstraße. Das große Haus – ich meine, aktuell ist es noch nicht allzu groß, aber die Besitzer wollen, dass es … größer wird, wissen Sie.«

Trotz ihres unerschütterlichen Optimismus musste selbst Suzie zugeben, dass ihre ungeschickte Erklärung den Mann verwirrt hatte, aber ehe er nachfragen konnte, öffnete sich die Tür und eine Frau trat ein. Sie war etwa sechzig, und im Gegensatz zu dem netten Mann wirkte diese Frau, als könne sie mit Blicken töten. Sie erinnerte Suzie an all die staubtrockenen Lehrer und Lehrerinnen, die enttäuscht von ihr gewesen waren.

»›Doch still‹«, rief der Mann, »›was schimmert durch das Fenster dort?‹«

»Hör auf mit den Witzen«, blaffte die Frau, bevor sie sich schlecht gelaunt an Suzie vorbeischob. »Entschuldigung, dürfte ich mal …?«

»Natürlich«, sagte Suzie und wusste schon jetzt, dass sie diese Frau nicht mochte. Sie wirkte wie jemand, der nur die Kosten, aber nicht den Wert sah – und die Kosten waren immer »zu hoch«.

»Guten Abend, Marcus«, sagte die Frau und setzte sich. »Gibt es wieder irgendwelche Interessenkonflikte, über die du uns aufklären musst?«

»Das kann nur der Vorsitzende wissen«, sagte Marcus mit einem Zwinkern und ging zur Durchreiche auf der anderen Seite des Raums.

In der Teeküche räumte ein Mann Tassen und Unterteller in die Durchreiche. Er trug blaue Plastikhandschuhe und stellte jetzt eine Holzkiste mit Teebeuteln bereit. Suzie fand, dass die Gesundheits- und Sicherheitsämter übergeschnappt sein mussten, wenn Servierkräfte schon Handschuhe trugen, um Tee bereitzustellen.

»Auch ein Tässchen Tee, Debbie?«, fragte Marcus und trug seine Tasse zu einem Samowar aus Edelstahl, der neben einer Nespresso-Kaffeemaschine mit entsprechendem Kapselspender auf der Theke stand.

»Nein, danke«, antwortete Debbie.

»Wie du willst.«

Marcus kehrte mit seiner Tasse Tee an den Tisch zurück.

Wieder öffnete sich die Tür, und ein Mann trat ein, blieb dann stehen, weil Suzie ihm im Weg stand.

»Hallo!«, sagte er mit einer nasalen Stimme, die gleichermaßen spöttisch, bevormundend und überheblich klang. Suzie sah auf sein lichtes, über die Glatze gekämmtes Haar und sein langes, fahles Gesicht, das sie an den letzten Rest eines Seifenstücks an einer Kordel erinnerte. Außerdem hatte er ungefähr so viel Charisma wie so ein Stück Seife, dachte sie.

»Möchten Sie durch?«, fragte sie.

»Aber sehr gerne doch«, sagte er und hielt sich für besonders witzig, dann drückte er sich an Suzie vorbei und nahm die Stufen hinab in den Hauptsaal.

»Seid gegrüßt, werter Herr«, sagte er zu Marcus und ergänzte: »Ah, Debbie.« Wieder bemerkte Suzie seinen überheblichen Ton.

»Tee, Jeremy?«, fragte Marcus.

»Nicht für mich, danke«, sagte Jeremy und setzte sich an den Tisch. »Nicht, bis der Stadtrat uns endlich mit Keksen versorgt wie in der letzten Hauptsitzung versprochen. Ich akzeptiere keinen koffeinhaltigen Ersatz«, fügte er hinzu und nahm sich dann eine Kopie der Tagesordnung.

»Na, wenn das nicht Suzie Harris ist!«, verkündete die höchst angenehme Stimme von Geoffrey Lushington, dem Bürgermeister von Marlow, der gerade den Raum betrat. Er war etwa siebzig, recht klein und kräftig und hatte einen weißen Schopf ungekämmter Haare, in deren Mitte eine perfekt kreisförmige Glatze glänzte. Suzie musste bei ihm immer an einen Zwerg denken. Einen fröhlichen Zwerg mit einem schelmischen Sinn für Humor. Er war in Marlow äußerst beliebt.

Nachdem Suzie und ihre Freundinnen Judith und Becks der Polizei zum ersten Mal geholfen hatten, eine Mordserie aufzudecken, hatte Geoffrey einen Empfang ihnen zu Ehren gegeben. Damals hatte er gesagt, alle lokalen Erfolge müssten gefeiert werden, und erst recht Suzie, Judith und Becks. Suzie hatte ihn sofort sympathisch gefunden.

»Und weshalb interessieren Sie sich für die heutige Bauausschusssitzung?«, fragte er, als er an Suzie vorbei und die Treppen hinabging.

»Oh, kein besonderer Grund, Geoffrey«, sagte Suzie, die nicht den gleichen Fehler machen wollte wie bei Marcus.

»Ach, wirklich?«, sagte Geoffrey und ging weiter zur Durchreiche. Er nahm eine Kaffeekapsel aus dem Spender und steckte sie in die Nespresso-Maschine. Der Mann in der Küche öffnete indessen eine kleine Brandschutztür am anderen Ende der Küche und verschwand. Die Tür fiel mit einem Klacken zu.

»Ich mache nur von meinem demokratischen Recht Gebrauch, den Ausschuss in Aktion zu erleben«, sagte Suzie zu Geoffrey und hoffte, so einen Trumpf auszuspielen.

»Aber ja doch«, gab ihr Geoffrey recht und sah zu, wie der Kaffee aus der Maschine in die Tasse floss. »Auch wenn Sie bisher noch keiner Sitzung beigewohnt haben.«

»Wollte ich bisher nicht.«

»Verständlich«, sagte er und trug seinen Kaffee zum Tisch.

»Also«, sagte Debbie und erhob sich, »ich glaube, ich mache mir doch einen Kaffee.«

Sie ging zur Nespresso-Maschine. Marcus reichte Geoffrey ein Glas mit Würfelzucker.

»Zucker?«, fragte er.

»Gerne«, sagte Geoffrey und nahm sich einen Würfel. Er ließ ihn in den Kaffee plumpsen, rührte um und sagte zu Suzie: »Ich bin letztens an Ihrem Haus vorbeigefahren und habe bemerkt, dass die Bauarbeiten abgeschlossen wurden.«

Das stimmte. Nachdem sie vor einigen Jahren von einem cowboyhaften Bauunternehmer im Stich gelassen worden war, war der Anbau jetzt endlich fertig. Suzie hatte sich bei einer Produktionsfirma für Reality-TV-Formate gemeldet, die dann tatsächlich die unfertigen Bauarbeiten beendeten. Sie machten aber auch den geflohenen Bauunternehmer ausfindig und fanden heraus, dass er seine Firma aufgelöst hatte und nun als Rentner in Spanien lebte. Als die Episode endlich ausgestrahlt wurde, war Suzie enttäuscht von der geringen Resonanz, aber vielleicht hatte sie überschätzt, wie sehr sich die Allgemeinheit für nachmittägliche Renovierungsshows interessierte.

Trotzdem hatte diese Erfahrung ein Nachspiel, denn wegen ihrer Gespräche mit dem TV-Architekten saß Suzie nun hier. Auch wenn sie dieses Detail lieber für sich behielt.

»Da haben Sie nicht unrecht«, sagte Suzie zu Geoffrey. »Die Bauarbeiten sind abgeschlossen.«

»Gab es da nicht eine Fernsehsendung oder so etwas?«

Suzie versuchte, fehlende Begeisterung für ihre Fernsehkarriere nicht persönlich zu nehmen.

»Wie auch immer«, fuhr Geoffrey fort und wandte sich den anderen Ausschussmitgliedern zu, »weiß jemand, wo Sophia ist?«

»Sie hat nicht gesagt, dass sie zu spät kommen würde«, sagte Debbie.

Geoffrey sah zur Wanduhr. Es war kurz nach halb acht.

»Na ja, sie wird sicher bald auftauchen. Sollen wir loslegen?«

»Einspruch«, sagte Jeremy mit erhobener Hand.

»Nicht schon wieder«, sagte Debbie.

»Die Sitzung kann nicht ohne Sophia starten. Wir sind nicht beschlussfähig.«

»Dann kannst du keinen Einspruch einlegen«, sagte Marcus und rührte in seinem Tee.

»Wie bitte?«

»Wenn wir nicht beschlussfähig sind, hat die Sitzung noch nicht begonnen, also kann es noch keine Einsprüche geben.«

»Stimmt, da ist was dran«, sagte Jeremy und versuchte, sein Gesicht zu wahren. »Gutes Argument.«

»Wie wäre es, wenn wir die Sitzung offiziell beginnen und die Anträge so schnell wie möglich durchgehen? Dann geht die erste Runde im George and Dragon auf mich«, schlug Geoffrey vor.

»Erst, wenn Sophia da ist«, sagte Jeremy.

»Ich bin mir sicher, dass wir mit mehr als fünfzig Prozent der Teilnehmer und Teilnehmerinnen beschlussfähig sind«, sagte Marcus.

»So steht es nicht in der Satzung. Debbie, du bist die Schriftführerin, nimmst du das ins Protokoll auf?«

Debbie schien aus einem Tagtraum zu erwachen.

»Wie bitte?«

»Ich habe dich gefragt, ob du das ins Protokoll aufnimmst.«

»Natürlich nicht«, sagte sie. »Die Sitzung hat noch nicht angefangen.«

»Dann eröffne ich hiermit die Sitzung«, sagte Geoffrey. »Tagesordnungspunkt eins, die vorgeschlagene Ergänzung von Dachfenstern in der Henley Road 13.«

Debbie öffnete ihr Notizbuch und nahm den Stift.

»Diese Sitzung ist nicht zulässig«, meckerte Jeremy.

»Natürlich ist sie das«, sagte Marcus.

»Jeremy, kannst du dich bitte an das letzte Mal erinnern?«, sagte Geoffrey.

»Schon wieder!«, sagte Jeremy. »Immer musst du mich belehren!«

»Das tue ich nicht«, sagte Geoffrey.

»Das tut er wirklich nicht«, fügte Debbie hinzu.

»Und jetzt stellst du dich auch noch auf seine Seite!«

»Tue ich nicht«, sagte Debbie gereizt. »Könnte der Sitzungsleiter bitte mit Jeremy sprechen?«

»Er ist nicht der Sitzungsleiter!«, sagte Jeremy.

»Ich fürchte, damit wirst du dich abfinden müssen«, sagte Marcus, der das Hickhack ungemein genoss.

»Ist er nicht.«

»Doch, das ist er, wirklich.«

»Ist er nicht«, sagte Jeremy und schlug mit der Faust auf die Tischplatte. »Der Sitzungsleiter erhält seine Befugnis erst, wenn die Sitzung eröffnet wurde, und wir sind nicht beschlussfähig!«, fügte er so zornig hinzu, dass alle Anwesenden zusammenzuckten, auch er selbst.

Keiner sprach.

»Tut mir leid«, sagte Jeremy schließlich. »In letzter Zeit stehe ich etwas unter Druck. Keine Ahnung, wo das herkam«, fügte er entschuldigend hinzu.

»Tut mir so leid, dass ich zu spät bin«, erklang eine raue Stimme von der Tür.

Suzie sah hinüber und erblickte eine große Frau. Sie war etwa Mitte fünfzig, hatte rosige Wangen, glattes blondes, schulterlanges Haar, und ihre Augen wurden durch einen dunklen Lidstrich dramatisch betont. Sie strahlte einerseits Gesundheit und Wohlbefinden aus, aber vor allem Reichtum. Beim Anblick der großen silbernen Ohrringe, des exquisit geschnittenen Sommerkleids und der polierten braunen Budapester zupfte Suzie an ihrem blauen Thermo-T-Shirt, das sie unter dem Mantel trug, mit dem sie normalerweise Hunde ausführte.

»Guten Tag«, sagte die Frau zu Suzie und musterte sie, als sei sie ein exotisches Tier im Zoo.

Suzie wusste nicht, was sie zu einer Person mit dieser Ausstrahlung sagen sollte. Die Frau stolzierte an ihr vorbei und ließ den Duft eines vermutlich sehr teuren Parfüms zurück.

»Entschuldigt die Verspätung«, sagte die Frau zu den anderen.

»Jetzt sind wir beschlussfähig«, sagte Jeremy zufrieden.

»Oh«, sagte Sophia, »gab es in meiner Abwesenheit ein Problem mit dem Prozedere?«

»Nichts, womit wir nicht umgehen konnten«, sagte Marcus. »Können wir jetzt mit der Sitzung starten?«

»Wie geht es dir, Sophia?«, fragte Geoffrey.

Suzie war sich nicht sicher, aber wirkte Sophias Lächeln gequält?

»Mir geht es gut, danke dir, Geoffrey«, sagte sie und setzte sich an den Tisch.

»Eine Tasse Tee?«

»Nein, danke.«

»Oder Kaffee?«

»Ich denke, wir sollten diese Sitzung jetzt einfach hinter uns bringen, meinst du nicht?«, sagte Sophia mit einem Lächeln, aber auch hier nahm Suzie einen seltsamen Schatten wahr. In ihr Notizbuch schrieb sie: »Spannungen zwischen Sophia und Geoffrey?«

Suzie machte es sich auf ihrem Platz bequem. Das war ihre Chance zu entdecken, auf wen sie wegen ihres eigenen Bauantrags zugehen sollte.

Sophia war sicherlich viel zu vornehm und selbstverliebt, um sich jemals von Suzie beeinflussen zu lassen. Suzies Erfahrung nach schenkten Menschen wie Sophia Menschen wie ihr nicht sonderlich viel Aufmerksamkeit.

Vielleicht war Marcus der bessere Kandidat. Ihn würde sie gerne kennenlernen, allerdings hatte er etwas Adeliges an sich, was sie zur Vorsicht gemahnte. Womöglich war er zu gut gekleidet, zu selbstzufrieden – und hatte etwas von einem Pfau. Und sie war sich ziemlich sicher, dass er Männer ernster nahm. Oder jüngere und hübschere Frauen.

Und Debbie wirkte auf sie so negativ, dass sie sie sicher nie von ihrem Bauantrag würde überzeugen können.

Es blieben also nur Jeremy und Geoffrey. Wegen Jeremys Wutanfall nahm Suzie an, er sei unbestechlich, doch wie verhielt es sich mit Geoffrey? Je länger sie über ihn nachdachte, desto mehr schien er der perfekte Kandidat zu sein. Schließlich hatte er einen Empfang für sie gegeben, also mochte er sie ohnehin. Und er war offensichtlich ein sehr positiv denkender Mensch. Außerdem half es, dass er dem Ausschuss vorsaß. Wenn sie ihn auf ihrer Seite hätte, könnte er sicherlich die anderen überzeugen, bei Suzies Plänen mitzuziehen. Ja, dachte sie, es sah gut aus für sie, ziemlich gut sogar.

Während sich Suzie eine Zukunft voll unermesslicher Reichtümer ausmalte, nahm Geoffrey einen Schluck Kaffee, hustete einmal, verschluckte sich – hustete dann noch viel heftiger – und fiel von seinem Stuhl auf den Boden, wo er bewegungslos liegen blieb.

Sophia reagierte als Erste, rief laut »Geoffrey!« und kniete sich neben ihn. Entsetzt sprangen Marcus, Debbie und Jeremy auf.

Sophie rief: »Jemand muss den Notarzt rufen!«

Debbie reagierte als Erste, sie holte ihr Handy hervor und drückte panisch auf dem Display herum. Suzie wollte die Treppen hinab zur Hilfe eilen, doch Jeremy stellte sich ihr in den Weg.

»Sie dürfen hier nicht rein, dieser Bereich ist nur für Beamte des Stadtrats.«

Für einen kurzen Augenblick wollte Suzie ihn beiseiteschieben, doch da Debbie bereits mit dem Notdienst sprach, konnte sie ihre Zeit anderweitig nutzen. Sie ging die Treppen wieder hinauf, zog ihr Handy hervor und drückte die Schnellwahltaste. Es klingelte bereits, als sie die Tür aufstieß, um in den kleinen Korridor vor dem Plenarsaal zu gelangen.

»Judith«, sagte sie, als ihr Anruf entgegengenommen wurde, »ich bin’s, Suzie.«

»Hallo«, sagte Judith am anderen Ende. »Wie geht’s dir?«

»Oh, gut, danke. Sehr viel besser als dem Bürgermeister von Marlow.«

»Wie kommst du darauf?«

»Na ja, wie soll ich es ausdrücken – er ist gerade gestorben. Ich denke, es war Mord.«

Kapitel 2

Tanika Malik las ihrer Tochter Shanti eine Gutenachtgeschichte vor, als irgendwo ihr Handy klingelte.

»Shamil«, rief sie, »gehst du ran?«

Dann wandte sie sich wieder Shanti zu, die auf ihrem Schoß saß und nach Keksen, Seife und frisch gewaschener Wäsche roch. Abende wie dieser gehörten zu den glücklichsten Augenblicken in Tanikas Leben, auch wenn sie zum hundertsten Mal die Geschichte von einem vergesslichen Feuerwehrmann namens Sam vorlas. Wenigstens kannte Tanika sie schon in- und auswendig und konnte sich auf Shanti konzentrieren, anstatt ins Buch zu schauen.

Shamil erschien mit ihrem Handy in der Tür und wirkte, als ginge es eindeutig um Arbeit. Tanikas Magen verkrampfte sich. Seit Kurzem hatte sie eine neue Stelle und musste vierundzwanzig Stunden lang erreichbar sein, auch nach Feierabend.

Sie versuchte, ihr Lächeln nicht abreißen zu lassen.

»Daddy will dir zu Ende vorlesen«, sagte sie zu ihrer Tochter.

»Daddy!«, rief Shanti, die Shamil erst jetzt bemerkte.

»Was lesen wir denn?«, fragte er und gab das Handy seiner Frau. Vor der Tür hielt Tanika kurz inne. Ihr Mann war in so ziemlich jeder Hinsicht unbrauchbar. Er hatte keinen anständigen Job, sondern wollte Star-DJ werden, und als Vater war er weder pünktlich noch zuverlässig. Er würde nie die Wäsche waschen oder sich um den Termin beim TÜV kümmern, aber dafür liebte er ihre gemeinsame Tochter mehr als Tanika. Auch wenn es ihr das Herz brach, schon wieder einen Abend mit Shanti zu verpassen, wusste Tanika, es würde ihrer Tochter nichts ausmachen – und das war am wichtigsten. Nur das. Und Mörder zur Rechenschaft zu ziehen – das war auch wichtig.

Tanika schlich ans Ende des Flurs und nahm den Anruf entgegen.

Keine zwanzig Minuten später kam sie am Rathaus von Marlow an und parkte neben einem Krankenwagen und zwei Polizeiautos. Auch Suzie Harris’ Hundetransporter stand schon dort.

Tanikas Blick verfinsterte sich, als eine junge Detective Constable namens Antonia auf sie zukam.

»Danke, dass Sie so schnell hergekommen sind, Boss«, sagte sie.

»Sagen Sie mir nicht, dass Suzie Harris hier ist«, sagte Tanika.

»Suzie Harris?«

»Sieht aus wie ein kleiner Berg und zieht sich an, als würde sie gleich loswandern.«

»Oh, Suzie Harris! Sie meinen, eine unserer Hauptzeuginnen.«

»Sie war dabei?«

»Das war sie. Die anderen Zeugen haben ausgesagt, dass unser Opfer vergiftet wurde. Deshalb habe ich angerufen. Es könnte sich um einen Mord handeln.«

»Ist sie allein?«

»Wer?«

»Suzie Harris?«

»Natürlich. Oder war es, als Mr Lushington starb. Jetzt sind zwei Freundinnen bei ihr. Zur Unterstützung.«

»›Zur Unterstützung‹«, murrte Tanika leise und ging zum Haupteingang.

Hinter dem Krankenwagen erhaschte Tanika einen Blick auf Suzie, die wie ein Wasserfall auf Judith Potts und Becks Starling einredete.

»Mit Ihnen werde ich nicht sprechen«, rief Tanika den Frauen zu und eilte weiter.

»Ich bin Zeugin!«, sagte Suzie, aber Tanika verschwand schon im Rathaus.

»Wir freuen uns auch, Sie zu sehen«, sagte Judith mit verschränkten Armen.

Judith Potts war Ende siebzig und hatte einen strahlenden, intelligenten Blick – an diesem Abend strahlten ihre Augen aber möglicherweise wegen des Schlückchens Whisky, das sie sich zuvor gegönnt hatte.

»Ich kann sie verstehen«, versuchte es Becks.

Becks Starling war mit dem Pastor der All Saints Church von Marlow verheiratet und, mit großem Abstand, die Schüchternste der drei.

»Ach ja?«, fragte Judith.

»Wir sind wie ein Bumerang«, erklärte Becks. »Wir tauchen immer wieder auf. Vor allem bei Morden.«

»Wenn du ein Bumerang sein willst, meinetwegen«, sagte Suzie. »Aber ich nicht. Und ich bin nicht einfach ›aufgetaucht‹, ich habe seinen Tod miterlebt. Niemandem geht es heute Abend schlechter als mir.«

»Ich glaube«, sagte Judith so diplomatisch wie möglich, »Geoffrey würde etwas anderes behaupten.«

»Aber wie soll ich jetzt meinen Bauantrag durchbekommen? Ich wette, der Ausschuss wird sich monatelang nicht treffen. Ganz ohne Sitzungsleiter.«

»Gehen wir«, sagte Judith.

»Wohin denn?«, fragte Becks.

»Wenn Tanika uns nichts sagen will, suchen wir uns eben eine andere Möglichkeit«, sagte sie und lugte durch das Fenster des Plenarsaals.

»Da wird sie nicht glücklich sein«, sagte Becks.

»Sie ist nie glücklich«, bemerkte Suzie und stellte sich zu Judith ans Fenster. »Jedenfalls nicht mit uns.«

»Wir sollten sie nicht ausspionieren«, sagte Becks vorsichtig und blieb hinter ihren Freundinnen stehen.

»Wie du meinst«, sagte Suzie und tat es Judith nach.

Im Plenarsaal sprach Tanika mit einem Polizeifotografen, während zwei Rettungssanitäter den toten Bürgermeister in einen schwarzen Leichensack packten.

»Und du bist dir sicher, dass Geoffrey vergiftet wurde?«, fragte Judith.

»Er hat einen Schluck Kaffee getrunken und ist mausetot umgefallen.«

»Das Gift war im Kaffee? Wer hat den zubereitet?«

»Ich glaube, er selbst«, sagte Suzie nachdenklich. »Siehst du die Durchreiche da drüben?« Sie zeigte auf das kleine Fenster auf der anderen Seite des Zimmers. »Er hat eine dieser Kaffeekapseln in die Nespresso-Maschine getan. Aber ich habe nicht genau hingeschaut. Ich habe nicht damit gerechnet, dass er stirbt.«

»Hat noch jemand die Maschine benutzt?«, fragte Judith.

»Ich glaube nicht. Marcus kam zuerst und hat sich einen Tee mit diesem Wasserkessel gemacht. Dann hat er sich hingesetzt. Und Jeremy war nicht mal in der Nähe der Kaffeemaschine – aber Debbie schon!«, sagte Suzie aufgeregt. »Zuerst wollte sie nichts, aber nachdem Geoffrey sich seinen Kaffee gemacht hatte, ging sie zur Nespresso-Maschine und machte sich auch einen. Oje, sie hat uns entdeckt«, ergänzte Suzie und trat zurück.

Judith sah zu, wie Tanika den Plenarsaal verließ. Wenige Sekunden später öffnete sich die Eingangstür des Rathauses und Tanika kam in großen Schritten auf sie zu.

»Was machen Sie denn da?«, fragte sie scharf.

»Wir?«, fragte Judith mit gespielter Unschuld.

»Ja, Sie.«

»Wir machen gar nichts.«

»Sie haben durchs Fenster geschaut.«

Becks hob die Hand.

»Ich nicht«, sagte sie.

»Wir müssen den Tatort begutachten«, sagte Judith herrisch.

»Ach, das glauben Sie tatsächlich?«, fragte Tanika.

»Falls Sie etwas übersehen, was leider der Fall ist.«

»Wie bitte?«

»Sie haben etwas übersehen.«

»Na, das höre ich ja gern. Sie stehen vor dem Rathaus und glauben, ich hätte etwas übersehen?«

»Zum Beispiel die Zuckerdose.«

»Welche Zuckerdose?«

»Ganz genau!«, sagte Judith selbstzufrieden. »Wo ist sie?«

»Wovon in aller Welt reden Sie?«

»Sie vermuten auch, dass Geoffrey vergiftet wurde?«

»So stellt sich der Tatort bisher dar.«

»Na, das ist ja schon mal was – wenigstens diesmal tippen Sie auf Mord. Aber nur, weil das Opfer aus seiner Kaffeetasse trank und dann starb, muss das Gift nicht im Kaffee gewesen sein. Es hätte in der Milch sein können. Aber das scheint eher unwahrscheinlich, da Marcus sich einen Tee mit derselben Milch gemacht hat. Wenn das Gift also nicht in der Milch war, wo dann? Und da ist mir der Würfelzucker auf Geoffreys Untertasse aufgefallen. Höchst merkwürdig. Denn soweit ich es beurteilen kann, steht keine Dose mit Würfelzucker auf dem Tisch. Vielleicht ist sie auf den Boden gefallen, aber dort sehe ich sie auch nicht.«

Kurz erinnerte sich Tanika, dass Judith sie zwar zur Weißglut bringen konnte, aber selten – eigentlich nie – falschlag. Sie seufzte und sagte dann mit einem müden Lächeln: »Sie finden sich allein zurecht?«

»Falls ich Sie richtig verstehe, dann vielen Dank.«

»Wir stehen also wieder am gleichen Punkt, meine Damen. Sie wollen ermitteln. Zu dritt. Zum dritten Mal.«

»Oh nein«, sagte Becks. »Das letzte Mal war reiner Zufall. Und das Mal davor auch. Diese Morde gingen uns wirklich nichts an.«

»Gingen uns nichts an?«, fragte Suzie wütend.

»Na ja, du weißt schon, was ich meine«, sagte Becks, die keinen Streit vom Zaun brechen wollte. »Wir wurden doch alle unfreiwillig in diese ersten Morde verwickelt.«

»Und trotzdem sind Sie wieder hier«, sagte Tanika.

»Ich hatte keine Ahnung, dass Geoffrey sterben würde«, sagte Suzie. »Ich wollte ihn nur bestechen, damit er meinen Bauantrag absegnet.« Zu spät fiel Suzie ein, dass sie mit einer Polizeibeamtin sprach. »So meine ich das natürlich nicht – Bestechung wäre ja illegal. Ich wollte mich nur mit den Prozessen vertraut machen. Um zu verstehen, wie Geoffrey tickt.«

»Ich weiß schon, wie das ablaufen wird«, sagte Tanika. »Weil Sie schon einmal hier sind, werden Sie ermitteln wollen. Ganz egal, was ich sage. Lassen Sie uns also Folgendes tun. Morgen kommen Sie aufs Polizeirevier in Maidenhead, dann beauftrage ich Sie in diesem Fall offiziell als zivile Beraterinnen.«

Die drei Freundinnen waren geschockt.

»Sie wollen uns nicht aufhalten?«, fragte Judith.

»Ich habe Sie schon einmal dazugeholt, das kann ich wieder tun.«

»Aber das war gegen den Willen des Detective Inspector.«

»Darüber würde ich mir an Ihrer Stelle keine Sorgen machen. Der Detective Inspector wird dieses Mal zustimmen.«

»Hat er uns verziehen?«, fragte Becks hoffnungsvoll.

»Wohl kaum. DI Hoskins ist nur noch schlechter auf Sie zu sprechen. Aber seine Meinung ist egal«, sagte Tanika mit einem vielsagenden Grinsen.

»Warum?«, fragte Suzie. »Wurde er versetzt? Oder hat er bei einem Undercover-Einsatz lange Finger gemacht?«

»Oh nein, er arbeitet immer noch auf dem Revier. Aber er ist nicht mehr mein Vorgesetzter.«

»Wie kann das sein?«, fragte Becks.

»Ich bin im Schnellverfahren befördert worden, habe meine Prüfungen bestanden – und jetzt bin ich Detective Inspector.«

Kurz waren Judith und ihre Freundinnen sprachlos, dann drückte Becks Tanika fest, während Judith und Suzie sie beglückwünschten.

»Das ist ja wunderbar!«, sagte Judith und fasste so die Gefühlslage der drei Freundinnen zusammen.

»Allerdings«, stimmte Tanika zu und lächelte gleichermaßen verlegen wie erfreut.

»Ihr Vater muss so stolz auf Sie sein.«

»Er wüsste zwar gerne, wann ich Superintendent werde, aber ja, da haben Sie recht.«

»Natürlich ist er stolz.«

»Diesen Tag streiche ich mir im Kalender an«, sagte Suzie mit einem Glucksen. »Die alte Truppe arbeitet wieder zusammen.«

»Ganz genau«, stimmte Tanika zu. »Aber versprechen Sie mir, auf mich zu hören? Es ist immer noch recht unorthodox, zivile Berater und Beraterinnen bei Ermittlungen hinzuzuziehen. Auch wenn ich mir sicher bin, dass ich das Richtige tue.«

»Keine Sorge, uns können Sie vertrauen«, sagte Judith und wühlte in ihrer Handtasche nach einer kleinen Bonbondose. Sie bot sie ihren Freundinnen an. »Das ist doch ein Anlass zum Feiern. Bonbon?«

Die Frauen suchten sich Bonbons aus. Judith musste an die vier Musketiere denken, die vor ihren Einsätzen die Schwerter kreuzten.

»Eine für alle?«, fragte sie.

»Und alle für eine!«, sagten ihre Freundinnen.

Sie steckten sich die Süßigkeiten in den Mund, und Judith biss mit einem befriedigenden Knirschen auf ihr Bonbon.

Kapitel 3

Der nächste Morgen brachte kühle Frühlingsluft, und in der ganzen Stadt wurde über Geoffreys Ermordung gesprochen. In sämtlichen Cafés und von der Methodistenkirche bis zum Ruderclub gab es kein anderes Thema. Viele verspürten neben dem Schock ein scharfes Verlustgefühl. Geoffrey war einfach ein Teil von Marlow gewesen, und seine jahrelange Arbeit und nie abreißende gute Laune hatten Tausende Menschen berührt. Innerhalb weniger Stunden wurden haufenweise frische Blumen und Karten vor dem Rathaus abgelegt, und ein steter Menschenstrom floss in die All Saints Church, um Gedenkkerzen anzuzünden.

Judith, Becks und Suzie trafen um 9 Uhr bei der Anmeldung des Polizeireviers Maidenhead ein. Der Polizeibeamte schien tief in Gedanken versunken, fand dann aber tatsächlich ihre Ausweise. Es war schwer zu sagen, ob er oder die drei Freundinnen überraschter waren. Dann übergab er ihnen die Polizeiausweise und drückte einen Knopf, um die Tür hinter der Anmeldung zu öffnen.

Dahinter führte eine Treppe in den ersten Stock. Die drei Frauen kannten das Polizeirevier bereits – einmal hatten sie Tanika sogar halboffiziell helfen dürfen –, aber wegen ihres Außenseiterstatus hatte man sie immer erst im Notfall hinzugezogen. Sie wussten nicht, wie ihre Anwesenheit im Anfangsstadium eines Falles aufgenommen werden würde. Oder besser gesagt, weil sie einige von Tanikas Kollegen und Kolleginnen kannten, wussten sie es sehr wohl, und ihre Vorfreude hielt sich stark in Grenzen.

Jetzt standen sie im ersten Stock vor einer Doppeltür. Judith strich sich die Haare glatt und bemerkte, dass Suzie noch etwas Grünes zwischen den Zähnen hatte.

»Danke«, sagte Suzie und kratzte sich mit einem dreckigen Fingernagel an den Zähnen.

»Meine Güte«, sagte Becks, brachte ihren Gedanken aber nicht zu Ende. Das musste sie nicht. Ihren Freundinnen dachten das Gleiche.

»Wisst ihr, was ich tue, wenn ich ins Schwimmen gerate?«, sagte Judith ins Nichts. »Ich schwimme einfach weiter. Auf geht’s. Kinn hoch, Schultern zurück.«

Judith öffnete die Tür und führte ihre Freundinnen in die Einsatzzentrale. An einem halben Dutzend Schreibtischen arbeiteten Beamte in Zivil, hinter ihnen ein großes Whiteboard. Am anderen Ende des Raums gab es weitere verglaste Büros, unter anderem das von Tanika, die auf sie zukam.

»Okay, alle zusammen«, rief sie, »hört mal her. Das hier sind unsere zivilen Beraterinnen. Vielleicht kennt ihr sie vom Fall Dunwoody vor ein paar Jahren; denkt dran, dass sie uns damals essenzielle Informationen geliefert haben. Letztes Jahr haben wir beim Mord an Sir Peter Bailey wieder informell zusammengearbeitet. Auch dabei war ihre Hilfe unerlässlich, deshalb will ich sie dieses Mal von Anfang an dabeihaben. Ich stelle sie euch kurz vor. Das hier ist Suzie Harris. Sie war vor Ort, als Mr Lushington starb. Sie führt Hunde aus, also kennt sie jede und jeden in Marlow.«

»Und ich bin Radiomoderatorin«, ergänzte Suzie.

»Wie bitte?«

»Ich habe eine Radiosendung auf Marlow FM, am Sonntagabend. Sie heißt Haustierzeit.«

»Okay …«

»Und einige von Ihnen kennen mich vielleicht aus Paul Merchant gegen die Cowboys.«

Tanikas Team sah Suzie ausdruckslos an.

»Das lief vor ein paar Monaten auf ITV2 – direkt vor Catchphrase’s Catchiest Moments.«

»Genau wie Suzie«, sagte Tanika und versuchte, die Kontrolle wiederzuerlangen, »kennt auch Becks Starling ganz Marlow.«

»Ach, ich weiß nicht«, sagte Becks und zuckte zusammen, als Judith ihr den Ellbogen in die Rippen stieß.

»Sie ist mit dem Pastor der All Saints Church verheiratet und weiß ganz genau, wie hier der Hase läuft.«

»Das würde ich so nicht sagen«, ergänzte Becks. »Eigentlich weiß ich gar nichts.«

»Womit wir bei Judith Potts wären«, kämpfte sich Tanika weiter und versuchte, nicht allzu angestrengt zu klingen. »Sie erstellt Kreuzworträtsel für Tageszeitungen und gibt sich nie mit einem ›Nein‹ zufrieden – oft nicht mal mit einem ›Ja‹. Sie ist eine der scharfsinnigsten Personen, die ich kenne.«

Das Kompliment ließ Judith strahlen.

Dann stellte Tanika ihr Team vor, und den drei Freundinnen schlug eine ganze Bandbreite an Emotionen entgegen. Manche waren skeptisch, andere amüsiert – was die Frauen nicht störte, schließlich hatten die meisten Polizeibeamten sie bisher so behandelt –, aber es gab einen Mann, der besonders griesgrämig dreinschaute. Detective Sergeant Brendan Perry war Mitte fünfzig und offensichtlich nicht einverstanden.

»Die arbeiten offiziell an diesem Fall mit?«, fragte er Tanika.

»Als Beraterinnen.«

»Aber sie erhalten einen Vollzugriff auf die Akten?«

»Den hatten sie schon einmal.«

»Dürfen sie Zeugen befragen?«

»Das werden wir sehen«, sagte Tanika, die nicht nachgeben wollte, aber das ebenfalls für ein heikles Thema hielt.

Indessen besah Judith sich das Whiteboard mitsamt Tatortfotos.

»Hat irgendjemand die Zuckerschale gefunden?«, fragte sie.

»Was meinen Sie?«, fragte DS Perry.

»Am Tatort. Eine Zuckerschale?«

Tanika spürte, wie der zögerliche Zusammenhalt ihres Teams ins Wanken geriet.

»Das heißt wohl nein«, sagte Judith. »Und die Obduktion? Wurde sie bereits durchgeführt?«

»Ja«, sagte Tanika, dankbar für den Themenwechsel. »Laut Obduktionsbericht starb Mr Lushington durch die Einnahme von Akonit. Im Labor fand man Akonit in den Kaffeeresten seiner Tasse.«

»Und was bitte schön ist Akonit?«, fragte Suzie.

»Eine Pflanze«, sagte Judith, »die manchmal als Königin der Gifte bezeichnet wird. Sie wird auch Eisenhut, Mönchskappe oder Wolfswurz genannt. Laut der griechischen Mythologie wuchs sie dort, wo Herkules den dreiköpfigen Kerberos aus dem Hades zerrte. Bei Shakespeare nimmt Julia Eisenhut, als sie am Ende von Romeo und Julia Selbstmord begeht. Und die Hexen in Macbeth brauen ihren Trank damit – dort wird es ›Wolfeszahn‹ genannt –, Shakespeare hatte wohl eine Schwäche für Akonit.«

»Woher wissen Sie das?«, fragte DS Perry.

»Wenn man schon so lange Kreuzworträtsel erstellt, gabelt man alle möglichen obskuren Fakten auf. Wie zum Beispiel, dass ›Liebesnest‹ ein Anagramm von ›Besenstiel‹ ist. Das fand ich schon immer ganz charmant.«

»Aber warum ist Akonit die Königin der Gifte?«, fragte Suzie.

»Weil es keine giftigere Pflanze gibt«, antwortete Judith.

»Okay«, sagte Tanika, der das Gespräch dank Judith völlig entglitten war. »Wir haben ein Vernehmungszimmer für Sie vorbereitet, ich zeige es Ihnen.«

»Aber was ist mit dem Zucker?«, fragte Judith, ohne sich vom Fleck zu bewegen. »Laut Obduktionsbericht hat Geoffrey Akonit zu sich genommen. Wurde auch Zucker in seinem Körper gefunden?«

»Ja«, sagte Tanika. »Und auch in seinem Kaffee, bevor Sie fragen.«

»Was doch ein großes Rätsel darstellt«, sagte Judith triumphierend. »Woher stammte der Zucker in seinem Kaffee, wenn am Tatort keine Zuckerdose gefunden wurde?«

»Antonia«, sagte Tanika und wandte sich zur jungen Polizeibeamtin vom Vorabend. »Könntest du dich noch mal am Tatort umschauen? Suche nach einer Zuckerdose oder Zuckerpäckchen – irgendwelche Spuren von Zucker, ganz egal, wo.«

»Ja, Boss«, sagte Antonia und begann sofort, ihre Sachen zusammenzupacken.

»Sind Sie jetzt zufrieden?«, fragte Tanika Judith als Friedensangebot.

»Oh nein«, sagte Judith lächelnd. »Ich bin erst zufrieden, wenn wir Geoffreys Mörder hinter Schloss und Riegel gebracht haben. Kommt schon«, sagte sie zu Suzie und Becks und machte sich auf den Weg hinaus.

»Wohin gehen Sie?«, fragte Tanika.

»Ja, wohin gehen wir?«, fragte Becks, während sie und Suzie zu ihrer Freundin aufschlossen.

»Zu mir«, sagte Judith. »Wir arbeiten dort.«

»Aber ich habe hier doch ein leeres Büro für Sie«, sagte Tanika.

»Aber das möchten wir nicht annehmen. Wir leben in Marlow, wir werden nicht jeden Tag hierherfahren, wenn wir auch bei mir zu Hause wunderbar arbeiten können. Nur keine Sorge, wir melden uns, wenn wir Sie brauchen«, sagte sie, bevor sie ging – Suzie und Becks folgten ihr im Schnellschritt.

Tanika sah die Skepsis im Blick ihrer Polizeibeamten.

»Zurück an die Arbeit«, sagte sie und ging in ihr Büro.

An ihrem Schreibtisch ließ sie den Kopf in die Hände sinken. Sie hatte so hart gearbeitet, um Detective Inspector zu werden. Diese Beförderung hatte ihr riesige Opfer abverlangt. Setzte sie mit Judith, Suzie und Becks ihre Karriere aufs Spiel?

Kapitel 4

Judith lebte in einem wunderschönen Herrenhaus am Rande von Marlow, gleich an der Themse. Sie teilte ihr Zuhause mit einem zahmen Bengalkater namens Daniel, deckenhohen Bücherregalen voller Nachschlagewerke und einem alten Blüthner-Flügel, den sie nur spätabends spielte, wenn sie ein Schlückchen Whisky zu viel getrunken hatte. Eine Schicht Staub bedeckte die Möbel, der Kamin wurde so gut wie nie gekehrt, Kleidung und Geschirr stapelten sich überall.

Das Leben alleine war für Judith pures Glück. Zumindest im Großen und Ganzen. Auf den ersten Blick schien alles perfekt: Sie erstellte Kreuzworträtsel für überregionale Zeitungen, schwamm fast täglich in der Themse, konnte meist tun und lassen, was sie wollte, und musste auf niemanden Rücksicht nehmen, erst recht nicht auf einen Mann. Aber wenn man genauer hinsah, stieß man auf ihre tragische Vergangenheit. Ihr gewalttätiger Mann war vor vielen Jahrzehnten gestorben, und kurz darauf hatte sie begonnen, sämtliche regionalen und überregionalen Zeitungen zu horten. Wenig später beschloss sie, dass alle Veröffentlichungen eine Rettung verdienten, von Kirchenzeitungen bis zu Rundschreiben des Stadtrats. Und als die Papierstapel sie zu überwältigen drohten, verwandelte sie einfach zwei Seitenzimmer in ein Archiv und hielt das Ganze unter Verschluss. Während der Ermittlung zum Tod ihres Nachbarn war sie gezwungen worden, ihr Geheimarchiv mit Becks und Suzie zu teilen, und seitdem hatte sie eine Zimmerhälfte geräumt, um Platz für eine polizeiliche Ermittlungswand zu schaffen. Allerdings stand völlig außer Frage, den Rest ihres Archivs aufzulösen. Es bedeutete ihr zu viel, auch wenn sie es nicht in Worte fassen konnte. Genauso wenig hätte Judith sich von einem ihrer Gliedmaßen trennen wollen. Das Archiv war ein Teil von ihr.

Als Judith ihre Freundinnen an diesem Morgen zur verschlossenen Tür im Wohnzimmer führte, schien die Sonne hell durch die Koppelfenster, und die Narzissen steckten ihre Köpfe durch das dichte Gras.

»Wenn Tanika das so möchte, sollten wir auf dem Polizeirevier arbeiten«, sagte Becks zum hundertsten Mal.

Zum hundertsten Mal ignorierten sie ihre Freundinnen, und Judith öffnete das Vorhängeschloss mit dem Schlüssel an ihrer Halskette.

»Du hast in der Zwischenzeit sicher nichts aussortiert?«, fragte Suzie, als sie den ersten der beiden Archivräume betraten.

In der hinteren Hälfte des Zimmers türmten sich weiterhin uralte Zeitungen bis an die Decke, andere Papiertürme waren schon vor langer Zeit eingestürzt.

»Die Antwort lautet offensichtlich nein«, sagte Becks, gefolgt von einem gewaltigen Nieser. »Entschuldigt«, sagte sie und hielt sich ein Taschentuch vor die Nase.

Im vorderen Teil des Raums standen drei aufklappbare Gartenstühle, an der Wand hing eine große Karte von Marlow.

»Wie gehen wir dieses Mal vor?«, fragte Suzie.

»Zuerst schreibe ich die Namen aller Sitzungsteilnehmer auf die Kärtchen, dann hefte ich sie an die Wand«, sagte Judith. »So können wir über jeden einzelnen sprechen.«

»Hast du denn genug Papier?«, fragte Suzie und deutete auf die Tausenden Zeitungen.

»Sehr witzig«, sagte Judith und nahm sich einen Stapel Karteikarten. »Geoffrey Lushington, das Opfer. Suzie, hilf uns doch zur Abwechslung mal. Wie war er gestern Abend drauf?«

Judith schrieb »Geoffrey Lushington – Opfer« auf eine Karteikarte und pinnte sie an die Wand. Dann markierte sie das Rathaus auf dem Stadtplan und spannte rotes Wollgarn zwischen den beiden Reißzwecken.

»Klar«, sagte Suzie. »Eigentlich so wie immer, gut gelaunt. Ich habe früher seinen Hund ausgeführt. Er hatte einen wunderschönen Spaniel namens Monthy. Tat nie, was er sollte, völlig unerziehbar, dafür habe ich ihn geliebt. Und Geoffrey war immer nett, nichts war ihm zu viel. Es machte ihm nicht einmal etwas aus, dass ich Monthy vergessen habe, was ein paarmal passiert ist. Manchmal führte er sogar die Hunde für mich aus.«

Das überraschte weder Judith noch Becks. Suzie hatte schon immer ein gewisses Maß an Chaos verursacht, also konnten sie sich problemlos vorstellen, dass einige ihrer Kunden und Kundinnen schlussendlich die Arbeit übernahmen und Suzie trotzdem dafür bezahlten.

»Das kann ich nur unterschreiben«, sagte Becks. »Ich muss Colin zu all diesen fürchterlichen Veranstaltungen begleiten, und Geoffrey hat sich immer Mühe gegeben und mit mir geredet. Aber natürlich sind diese Abende gar nicht so fürchterlich!«, ergänzte Becks, um niemanden zu enttäuschen. »Aber sie ähneln sich sehr, und die meisten Würdenträger wollen sowieso nur mit Colin reden, weil er der Pastor ist. Ich bin nur das Plus eins.«

»Du bist niemals ›nur das Plus eins‹«, sagte Judith.

»Danke. Geoffrey hat mich auch nie so behandelt. Er erkundigte sich immer nach mir. Und seit diesem Empfang fand er mich sogar interessanter als Colin.«

»So ist er mir auch im Gedächtnis geblieben«, sagte Judith. »Man begegnet selten Männern, die uns wie wertvolle Mitglieder der Gesellschaft behandeln. Er hatte überhaupt keine Angst vor Frauen.«

»Das macht diesen Mord umso seltsamer«, sagte Becks. »Wer würde denn einen so netten Mann umbringen?«

»Gute Frage. Wir sollten uns unbedingt auf das Warum konzentrieren«, sagte Judith und schrieb »WARUM?« auf eine Karteikarte. »Warum musste ein so guter Mensch sterben? Was war er von Beruf?«

»Eine Art Verleger«, sagte Suzie. »Zumindest war sein Haus vollgestopft mit Büchern. Sie standen überall.«

»Hatte er Familie?«

»Keine Kinder«, sagte Suzie. »Aber er war früher mal verheiratet.«

»Was ist mit seiner Frau passiert?«

»Sie ist gestorben, glaube ich. Schon vor einiger Zeit.«

»Nur der Vollständigkeit halber«, sagte Judith, »sein Tod könnte kein Selbstmord gewesen sein?«

»Ich denke nicht«, sagte Becks. »So etwas Schreckliches hätte er nicht in der Öffentlichkeit gemacht, dafür war er viel zu nett. Er hätte Rücksicht auf die Anwesenden genommen. Was hattest du eigentlich bei der Sitzung zu suchen, Suzie?«

»Ich? Ach, nicht viel«, sagte Suzie, als sei es keiner Erwähnung wert.

»Aber du hast Tanika erklärt, dass du Geoffrey bestechen wolltest«, sagte Judith. »Worum ging es dabei?«

»Ja, das stimmt«, sagte Suzie und sah ein, dass sie klaren Wein einschenken musste. »Wenn ihr es unbedingt wissen müsst: Ich wollte mir ansehen, wie die Bauanträge geprüft werden. Und vielleicht wollte ich sichergehen, dass irgendwann auch mein Antrag abgenickt wird.«

»Was für ein Bauantrag?«, fragte Judith überrascht.

»Ach, nur eine Kleinigkeit.«

»Aber dein Haus ist doch gerade fertig geworden«, sagte Becks. »Deine Fassade sieht toll aus.«

»Danke. Aber ich bin mit dem TV-Architekten ins Gespräch gekommen, während einer Drehpause. Er hat mir von diesem neuen Trend in Japan erzählt, jemand solle das hier nachmachen.«

»Welcher Trend?«

»Ihr müsst versprechen, nichts davon zu erzählen. Ich will nicht, dass jemand anderes vor mir zum Zug kommt.«

»Natürlich«, sagte Judith.

»Okay. Bereit? Es geht um ein … Kapselhotel.«

»Ein Kapsel-was?«, fragte Judith.

»Ihr wisst schon, diese japanischen Kapselhotels. Da schläft man quasi in einem Zigarrenetui.«

»So eins willst du nicht ernsthaft in Marlow bauen.«

»Marlow ist perfekt!«

»Und wo? Du hast kein passendes Grundstück.«

»Ich habe einen Garten«, sagte Suzie etwas zu defensiv. »Und am Anfang wäre es nicht besonders groß. Man kann die Einheiten einzeln kaufen, also wollte ich mit sechzehn Kapseln anfangen. Allerdings ist das Ganze eine legale Grauzone. Mein Architektenfreund meinte, man brauche keine Baugenehmigung, wenn man unter der standardisierten Zaunhöhe bleibt.«

»Entschuldige, ich komme nicht mehr mit«, sagte Judith. »Du willst ein Hotel bauen, das niedriger als dein Gartenzaun sein soll?«

»Genau. Acht Kapseln nebeneinander, aber nur zwei aufeinander – am Anfang zumindest.«

Darauf wussten Judith und Becks keine Antwort.

»Aber das lassen wir jetzt erst mal unter den Tisch fallen«, sagte Suzie.

»Es klingt, als könntest du das ganze Hotel unter den Tisch fallen lassen«, sagte Judith.

»Sehr witzig. Marlow ist doch ein Touristenmagnet. Und der Garten hat einen separaten Eingang. Der Stadtrat müsste nur den Bordstein absenken, dann sollte sich das Geld wie von selbst verdienen.«

»Falls der Bauausschuss das überhaupt genehmigt«, sagte Becks.

»Genau. Deshalb passt es mir gar nicht in den Zeitplan, dass Geoffrey sich einfach so hat umbringen lassen.«