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Einer stirbt. Einer wird vergessen. Einer wird umgebracht. Etwas kommt abhanden. Was tun? ›Muttersterben‹, das sind Momentaufnahmen alltäglicher Erfahrungen, die vom Abschiednehmen handeln. Sie erzählen vom Erinnern und davon, wie der Versuch, sich Situationen und Vorgänge zu vergegenwärtigen, tragisch werden kann, oder absurd oder komisch. Kleinigkeiten werden zu Monstrositäten, Existentielles wird zur Bagatelle. So melancholisch wie unsentimental schildern die Geschichten die zum Teil grotesken Versuche, mit einem Verlust umzugehen, der plötzlich ein Eigenleben entfaltet. Alles gerät zur Sensation und wird zugleich belanglos und nichtig. Eine Reise im Flugzeug lässt den Erzähler den Boden unter den Füßen verlieren, das Rauchen einer Zigarette transportiert die Leser unweigerlich in den Zoo, das Betrachten eines Fernsehkrimis bringt gehörig die Phantasie durcheinander. Hier lernt man das Tierreich kennen, besucht Berlin, Paris und Olevano Romano bei Rom und stellt vielleicht fest, dass Sprache sich auch immer selber spricht, nie aber die Dinge auf den Punkt bringen kann.
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Seitenzahl: 219
Michael Lentz
Muttersterben
Prosa
FISCHER digiBook
»Also essis immer alles, also essis nie also phantasiert, wenn etwas phantasiert ist, dann ist es immer zu ersehen.«
Hermes Phettberg
Eine beetfigur
Friederike berichtet von einem haus das langsam verschwindet; und jemand ist bei ihr und hört ihr zu. Und jemand ist bei ihr und veröffentlicht sein ohr.
Während Friederike berichtet und jemand ist bei ihr und hört ihr zu und jemand der bei ihr ist veröffentlicht sein ohr verausgabt sein ohr, verschwindet langsam ein haus.
Jemand schreitet oder geht durchs tor oder törchen oder schreitet und geht über den kiesweg hinter dem tor, und jemand öffnet viel zu verzögert das ohr des tores den förmigrunden kugellauf den blaugefassten metallkopf, des tores wachhund, verdreht einer wie gerufen den knauf, und langsam verschwindet ein haus.
Es ist ihr haus, es ist mein haus. Und der blick dieser vonstatten gehende blick dieser jetztblick dieses blicklings vor augen stellen: Friederike grünblatt weißblatt Friederike ich. Bist du mit mir über den kiesweg geschritten; apfelmoräne muräne schattenmorelle? Dort auf der tanne verhallten schritt und ruf einer person wie Mutter.
Und sollte das nun, dieser haufen selbstvermehrte überziehung, sollte das nun so etwas wie ein letztes auge sein, ein hingeworfenes zurückgefedertes augenpaar, sollte das nun so etwas wie ein letztes auge sein? So wie auf dem foto wo du stramm stehst und es gibt noch jene unbebauung sagen wir mal bestrafung unbereinigte flur natürlich kurze hose schultüte rosenbeet und jemand steht neben dir und achtundsechzig ist spurlos an ihm vorbeigegangen »geflutscht« steht aufrecht steht so dahin. Hat so einen abgewinkelten blick und trägt eine hose in blau ein hemd mit krawatte und der selbstauslöser wie ein verschwundenes verschwinden wie ein augenfotograf hält dich fest wie dahingestellt als einen, der im nachtrag einen solchen abgang aus dem gedächtnis fotografiert, der diese wohl letzte umrundung kirschgarten birnenbäume holunder und hölle, diese duftmittel klangdolden, diese jägerkrone haaresbreite, dieses sich einmal in aller ruhe gegönnte nüssebewispern wiese dreischritt oper und wirklich draußen an der frischen kultur verschlägt’s den atem notiert sich das abgelichtete söhnlein in die hirnwalze stempelt mal so salopp gesagt mal so mal gezeichnet also wiedersehen tanne und waldhaufen in dem wir ein feuer machten und wiedersehen auch oder auch so etwas wie eine kartoffelstraße gewissermaßen und wir saßen im grünen wagen und herr Tings aus Obermaubach mit kinderlähmungsarm ließ uns auf rädern rot mit schwarzem mantel den hügel hinab hinauf und links so etwas wie die deutsche Wackerstein so etwas wie die deutsche mauer die alles einfasst die alles auslässt über die zu klettern ein kinderspiel nämlich auf die schattenmorelle hinauf und vom sims hinunter in die gestrüppwelt wo vieles zu finden war dort stand das ziel entsichert hier ist es verstockung. Die wahrnehmung einer zu spät übersetzten vorhut lässt nichts als augen sein! Und für diesen sachverhalt haben wir nichts.
Auf dem hügel als dort wo die tanne stand und augenhoch reichten die schritte hinauf die schrift und dann öffneten sich einmal die flügel die immer zurückgekehrten wiederholten und es kehrte sich so etwas wie eine hausgemachte wiese eine weide eine blühung hinaus eine fruchthinaustreibung aus so etwas wie der mitte eine mittung als so hinaus eine markung festung kernung und über wiegender weisung des kreuzgestämmten baumes hörte sich so etwas wie geknister mutterfaltige stimme heraus aber das klingt nicht das schweigt wie extra aus der mitte heraus auch wenn es sagt ich versteh dich trotzdem und meine gedanken begleiten dich. Ich sage dies ich verhöre dies ich vergesse sogleich deinen namen.
Fremdeln, ist das ein hauch von kapitel oder kapitulieren?
Gärten der erinnerung oder und hängende gärten sogar?
Es ist, um nicht näher zu kommen und Mutter im blauen obstkittel kehrt den rücken und füllt die gläser ab. Aus dem gummischlauch des kessels fließt brodelndes apfelgelee. Die mit zellophan verschlossenen einweckgläser ziehen kälter ihre gummiberingten dächer ein. Keine stimme mehr, nur wanken und stillstand. Apfelschaum war immer das beste. Morgens apfelschaumbrote oder gelee vom zwiegespaltenen quittenbaum. Quittenbaum, der zur erde hängt. Trauerweide, kirsch- und apfelbaum. Quittenköpfe, die zu boden gehen. Flüchtig eingesammelte apfelernte. Stachelbeerstau im plastikeimer, johannisbeer und schattenmorelle.
Vorbei am annaäpfelbaum der gelbe reife äpfel hatte an grünstrahlender winterkost was ein apfel eine birne war die im keller reifte an diesem gesträuch diesen birnen- und apfelbäumen vorbei.
Und vorbei auch am liliengewächs so gelb etwa oder blau rechtsbeetig vom haus aus gesehen und nicht zu vergessen himbeer johannis- und stachelbeer die aus dem boden stakten mauerlinks und auch schon mal pfirsich und traubenfrucht aus denen nichts wurde regelrecht das ganze pack ist verschwunden die zäune pfähle neu gesteckt pfund- und kartoffelweiß. Reinweiß. Und keine sorge den ungelichteten den längst schon und zwar gedrängterfassten tieferhöhlten den stoßweise erfassten nämlich ringsum hirngefilmten stafetten ich könnte jetzt ein kindheitsfoto rausholen und ungemach das ganze beweisen mal fotomäßig was ich sagen wollte ist diese gepflegtheit diese blütenstürze und kirschbaum schattenmorellen morellen und zugang tatsächlich zu geheimniskrämerei, sagt mein volk meine Mutter – denen kein überblick war. Und nochmal mit dem fahrrad reiten bei dieser bein bei dieser bei dieser beinkälte so fuhr Mutter immer in die schule mit dem rad wie sie sagte und so fährt Mutter immer noch mit dem rad in die schule hier wo eine vorstellung nicht einmal sprache ist davon mehr so etwas unbelebtes abgewandtes oder verwandeltes wie ein daumenkino eine frei gewordene entdeckung.
Wege unwegsam allesamt es führt zu nichts es führt endgültig zu nichts es ist als führte es zu reihenhäusern namens nichts oder vollgepumpten hinterhöfen wie mit strahlenden laternen und ein staubtest mottet das revier ein. Ein balkonblick wenn vonstatten oder möglich ein um die springenden fassaden sausender ein aufräumender blick.
Es sehnt mich nach unverständlichem. Chausseen, sprachdecke, kalkfrei. Oder zum beispiel ins hirn mir sagen wenn da so ein auftauchen ist von fotowindmaschine starres raster falle verbindliches so etwas wie zuordnen von in etwa fünfundzwanzig jahre alten gerüchen wie da etwas vor der inneren linse steht. Und steht es da und riecht es da an und ist es so eine einheit eine insgesamt für sich erwärmte wahrnehmbarkeit ein verbindliches dafürhalten wenigstens ein deswegen kopfnicken wenigstens und wenigstens nichts weniger als ein soeben zu boden oder gehsteig bürgerhof straßen ein so gelbes braunes undsoweiter sich durch die luft hangelndes blatt oder noch so ein foto oder papier oder wenigstens frage ich mal oder in einer entfernung wo man sehen sagen kann dass wenn ich noch nicht ganz hinüber dass wenn ich wenigstens noch nicht so ganz da wo es hier war und doch auch schon nicht mehr ganz wo es ist wenigstens. Wenn ich also so dicht davor bin und es geht ein fenster auf und es stellt sich ein auge ein und es ist ein blick der ich bin und es ist ein auftauchen ein blatt ein braunes gelbes undsoweiter und ein bemerken sagen wir mal anblicken fallenlassen es ist dann aber auch nicht zu vergessen ein fragen ob wenigstens der ich sagt ein blick bin oder sozusagen ›bin ich im blatte‹? ›Bin ich schon zum fenster hinaus?‹ »Und kehre die Menge wie Schutt.« Ein papier bloß?
Dann oder danach ein weggeistern zurechtklempnern gewahrwerden. Die tanne hinauf und nochmal die aussicht genießen. Und nochmal die tanne hinauf und nochmal aus dem foto hinaus in die schächte und jahrgänge treten vielmehr ein- oder zurechttreten. Oder vielmehr geht es dir nicht manchmal so als dass du den jahrgang neunzig im rückspiegel behaltengekrümmt einfach schon schneckenmäßig besser fandest einfach besser fandest als vierundneunzig wo seitdem jemand zu besichtigen ist, Düren friedhof nord, da ganz hinten an den buchenahorn oder hochgeschossenen hochgeschossenen hochgeschossenen rotbuchen braunkastanien farben bäume relationen, und wenn ich mal einflechten darf: »Die lebendige, natürlich wachsende Sprache geht von Wahrnehmungen aus und fixiert sie. Darin liegt der Stoff zur Verschiedenheit der Gebrauchsweisen, weil in der Wahrnehmung immer mehrere Beziehungen sind.« Auslassung. »Aber wohl ist nichts Abstraktes ursprünglich in der Sprache, sondern das Konkrete.« Und da war so eine betende gewandgefaltete so eine in form gegossene gestaltschüttere endlich einmal so gesagt war da eine betfigur, eine beetfigur aus ich denk mal stein vom ortsansässigen steinmetz das ist ja das augenschlagende die augenschande. Ich will eine eiserne wucht eine wahre himmelsfigur für dich, ich will eine eiserne eine eiserne eine eiserne wache eine ausnahme für dich und nicht aber diese erbärmliche gottesmutterfunzel oder was es denn für eine aufgabe hat aber nicht so eine niederträchtige kunstgewerbeschnalle jetzt hammers mit soner plastikrosenrotenrose und jemand steht da wenn er da ist vor dir und jemand der vor dir steht und da sein könnte für dich und jemand so aufgepflanzt vor diesem tiefbausärglein hundehütte jemand kommt mit leerer hand und köpfen voller zurechtordnung deiner abbiegung verschwindenheit alles stauraum alles ersatzansicht alles ersatzspurensicherung alles ersatz sondern das konkrete kurz gesagt ich möchte auch so einen schönen katalog für die Büttner für dich wie Heimrad Prem einen hat der rattengift nahm vierundzwanzigster Juni neunzehnhunderteinundsiebzig »was immer ich tat, ich griff in den Dreck, also kaufte ich mir eine Tube Rattengift« so begraben so bist du so bei den kindergärten und nicht nur Venedig auch Düren »künstliche Rosen, / Photos von artig gekämmten Kindern; / vergilbtes Lächeln. Wem?« Kurzgewinktes abseits augenschwarz, wo du liegst im fünfundzwanzigsten.
Es ist ja noch vielmehr immer so dass wir ein wort finden oder erfinden oder zumindest erfinden wollen für diese gesamte hier anberaumte gartensituation und dann die hausverschwindesituation und dann die soeben abgewinkte friedhofssituation und das wörtchen so wir da noch etwas mitzureden haben soll es dann insgesamt gewesen sein man sagt es und jemand der zufällig daneben steht neben dem gesagten und neben dem wort sagt es sich oder laut oder lauter vor sich hin und sagt dann dazu noch wenn es ihm gefallen hat oder wenn es ihm mindestens einleuchtet aber vielleicht nicht so recht gefallen hat oder er weiß noch nicht so ganz dann sagt er mindestens ja das ist zum beispiel ein solches wort das man gut und gerne dafür sagen kann das passt womöglich auf die hausverschwindesituation und die friedhofssituation und die gartensituation und dabei wollen wir’s belassen und wollen uns den sogenannten dingen des lebens widmen und das macht dann ja insgeheim auch ziemlich sprachlos.
Nicht so hier in diesem doch ungefährlichen ambiente da will man doch einmal noch hinein ins erdreich und wenn man schon kein foto hat oder kein foto mehr hat von der erdabgewandten seite der fotos die vorhanden sind und die das möglicherweise mehr oder weniger gelungen besagte treffen was zu sehen ist oder genauer hinter dem zu sehenden war und folgerichtig jetzt weg ist verschwunden wie gestern wie morgen heute.
Verstanden?
Zum beispiel gehen wir sagen wir mal in den supermarkt und gehen dort hinein mit diesem foto im kopf mit diesem augenblicklich ganz klar vor augen stehenden foto dieser landschaftsablichtung mit eigener person darinnen und gehen wanken undsoweiter in diesen supermarkt mit diesem foto so irgendwo im kopf im haupt das foto muss da ja irgendwo stecken in den schaltzentralen hausen sagen wir mal man könnte das foto sagen wir also mal mit einem geschickten messer oder licht mit einem roten bündel licht doch dort hinausschneiden hinausbrennen und weg ist die erinnerung und guten tag fünf pfund kartoffeln meinetwegen.
So aber mit diesem wankenden foto und das schönste ist wir wissen nach weniger als augenblicken ja nicht einmal mehr was genau oder wenigstens so ähnlich dort sich abzeichnet als figur als grund als plastisches gewölbe warum soll ich das jetzt mal nicht sagen was war es noch, was auf diesem foto war, außer dahinstehen in sommerlicht und rosenbeet wildes hinauswachsen grünzeug bäumlings links ein baum und wiesengrün schultütenbegrinster haarschlag so nach rechts weggeseitelt und noch jemand rechts daneben wie erinnert »über das menschliche Gehirn sind tausend Einzelheiten bekannt, sonst nichts« wie gesagt und was war es noch was da denn insgeheim möglicherweise noch da ist und dahintertritt oder schleicht da schleicht doch was das kann es doch beim beten willen noch nicht so ganz gewesen sein da muss doch noch irgendwo die tür eines kommissariats aufgehn oder sich auftun und heraus schreitet ein mensch und auf dich zu und geht ans werk ans eingemachte an die zahnreparatur schuhewichsen seelenassistent arbeitslosenfürsorge allgemeine arbeitsvermittlungsjetztzeitverlängerung und kommt hinaus oder heraus das habe ich nie zu unterscheiden vermocht und versteht nicht und versteht nicht wie überall nicht versteht und scheint was zu sagen bricht aber in so etwas wie tränen aus und fummelt mit so aus der gartenverwahrlosung herausgeholten kartoffelargumenten herum und ist dahin sprich weg aber so ganz leise so spontan und muss mich wohl getäuscht haben.
Das schönste aber ist dass dieser garten dass ich mit diesem garten noch nicht ganz fertig bin und wir also noch etwas hören werden und zwar aufrichtig versprochen so derb aus der inneren versenkung geholt noch ein bisschen etwas das ich eigentlich aufheben wollte für die zeit dass wenn mal der zeitpunkt kommt dass jemand so vor dich hintritt und du denkst noch jessas jetzt aber mal geschmacklos oder nicht oder stinkend na du weißt schon oder zumindest parade bei fuß und zunge bekennen was de so alles erlebt hast wo de warst und so und wo de was erlebt hast und was und was der spruch des lebens ist und raus damit was momentan noch unterbrochen werden muss.
Ich also auf der schlackernden tanne obenauf und so etwas wie ein stimmenskalpell aus richtung muttermund aus jener vielbesagten aus jener vielbeerdigten losgestreuten aus jener richtung der aus jener sagen wir mal weggesteckten verspätung verheimatung verabsolutiermaschiene oder maschinenplural.
Und es gibt da eine innere einstellung die holen wir doch mal bitteschön ran ja die ziehen wir bitteschön als ein sogenanntes bewegliches objekt mal vor die ableselinse und dann wenn wir da mal den überblick haben fassen wir zusammen wie folgt:
Dieses objekt ist ein rufen oder ein maulvoll hinüberwinken mit lauter stimme auch wenn das alles hier jetzt ja stumm ist. Auch möchte ich versprechen schöne dinge fürs aufhorchen zu liefern als aufwandsentschädigung »dass aber niemals / er zögern werde / in den dreck zu fassen // um herauszuziehen / was vielleicht / einen stoff abgäbe // für poesie«. Vielleicht sicher vielleichtja.
Es ist nicht ganz so als sei Friederike verschwunden und mit ihr das haus und mit ihrem haus der garten das ganze. Es ist vielleicht vielmehr so, dass nur ein einziges türeoffenhalten für nicht ganz abkacken den rahmen gibt für die zwangsjacke einzugestehen nicht zeichenkunst nicht herbstzeitlose glatteis vielmehr so weitläufig dazwischengelegen so hineingetrümmert zugestöpselt wollen mal nicht tragisch sein …
Zum ursprung zurück verbunden mit diesen augen.
Dass ein haus verschwindet und dass Mutter verschwindet, und dass sie so gleichzeitig verschwunden sind, während du vor jahren im garten auf der schaukel sitzt oder mit dem neugeschenkten ball ein neues spiel versuchst. Während du nämlich auf der schaukel sitzt oder du wirfst den ball hoch hinauf in die äste blätter der pappel, wusstest du nicht, dass ein haus verschwindet und dass Mutter verschwindet. Mit dem verschwinden des gartens ist auch Mutter verschwunden und das haus. Mein garten mein hausrat mein sprachloch. Dass du davorstehst und jemand ist bei dir und hört dir zu. Und jemand ist bei dir und veröffentlicht sein ohr. Und ein haus, das langsam verschwindet. Während du berichtest und jemand ist bei dir und hört dir zu und jemand der bei dir ist veröffentlicht sein ohr verausgabt sein ohr, verschwindet langsam ein haus. Und das haus das verschwindet und Mutter die verschwindet und das zuhören verschwindet das pflücken und das wachsen das verschwindet. Und die tanne verschwindet der ball verschwindet der grund verschwindet. Und mit der sonne verschwindet heller und heller das foto das bild und mit dem bild verschwindet das haus das verschwindet der garten. Und mit dem garten dem bild dem haus verschwindest du auch.
Und einmal wird ein engel kommen, der deinen namen ruft. Und dieser engel ist eine wolke dann, ein sonnenlicht, ein apfelbaum. Und dieser engel ist eine gartenvoll lachen auf dem gesicht deiner Mutter. Und dieser engel ist das lachen deiner Mutter.
Ich habe fliegen noch nie ertragen. Ich verstehe das auch gar nicht. Wo führt das hin. Was denn, wenn fliegen verboten wird. Keiner hebt mehr ab. Das ende der welt. Sicherlich erlebt man an einem solch schönen tag wie heute ein schatten- und farbenspiel, davon man nicht mal träumt. Schäfchenwolken. Wie niedlich. Machen sich im meer als schatten groß. Die ganze fliegerei kann ich nur wegschreiben. Man schaut aus dem fenster und heftet den blick an den flügel. Sobald der aber wackelt, hat’s sich ausgeheftet. Das ganze fliegen ist ja mehr eine schieflage. Oder eine steininsel im meer. Oder ein sonnenbeschienenes mittagessen von Lufthansa. Wurst. Eiskalt. Muss man sich fast schämen vor den italienischen kollegen an bord. Das fliegen ist eben auch nur ein essen und trinken. Ich sage aber nochmal: wurst. Tomatensaft sehr gut. Dabeiliegende paprikawürfel buntgewürfelt und farbig. Da sagt der kapitän, wir überflögen gerade Innsbruck, München trübe und diesig bei vier grad und regen. Da gibt’s dann auch gleich noch ein plastikfläschchen tomatensaft. Unter uns braune landschaft mit straßennarben und häuserpickeln. Da wird man den eindruck nicht los, das flugzeug hänge still im himmel. Ein mobile, das nicht von der stelle kommt. Ein kinderalptraum. Die kollegen italiener haben aufgegessen. Wurst liegt noch da. Pittoreskes butterstück mit Lufthansaprägedruck. Zum glück ist der flug so langweilig, dass mir nichts mehr einfällt. Kaffeepause. Ich schaffe es sogar, ohne innere motorische störungen, zeitung zu lesen. Kohl ist, soweit man das erkennen kann, nun völlig übergeschnappt. Dann ein artikel über die rekonstruktion der celanschen gollaffäre. Celan sei erst durch die öffentliche diskussion über den plagiatsvorwurf krank gemacht worden. Zeitzeichen. Aus den schäfchen werden riesenpilze. Wurst liegt im magen. Mitteilung, dieser flug sei zu einer passagierbefragung auserwählt. Fragebögen, den service betreffend. Wurst. Weiche blumenkohlwolken, in die bizarr meinetwegen die Alpen hinten hineinragen. Das gefällt mir. Fließende steine. Jetzt links von uns die Alpen wie hüttenkäse. Da liegt streng der schnee drauf. Fragebogen ist an mir vorbei gegangen. Flug geht auch vorbei. Bei diesem anhaltenden gealpe ist dann aber doch noch ein wort fällig, meine herrschaften. Celan hat die Todesfuge mehrfach als einziges grabmal seiner mutter bezeichnet. Das müsste das schlusswort sein. Soeben aber in eine wolkenfront hineingeflogen, die angst und bange macht. Es ist nichts mehr wiederzuerkennen in der geschichte. Ein ferner schweif am horizont. Die Goll hat dem Celan die hucke voll gelogen. So sieht’s wohl aus. Und plötzlich, für augenblicke, als wäre das nicht schon viel zu viel, kreisrund die kaltgestellte sonne.