My One And Only - Helena Hunting - E-Book

My One And Only E-Book

Helena Hunting

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Beschreibung

Ihre Angst ist seine Angst, denn ihre Herzen schlagen im gleichen Takt ...

Lavender Waters’ ständige Begleiter sind die Angst-Monster in ihrem Kopf, die sie immer wieder überwältigen. Als sie ihr Studium an einem neuen College beginnt, soll sie deswegen bei ihren älteren Brüdern wohnen, damit diese auf sie aufpassen können. Doch dort trifft Lavender auf den Menschen, der ihre Gefühle durcheinanderbringt wie kein anderer: ihr ehemaliger Kindheitsfreund Kodiak Bowman! Aber von dem fürsorglichen und vertrauten Jungen von damals ist schon lange nichts mehr zu spüren - Kodiak verhält sich ihr gegenüber unnahbar und arrogant. An dem Tag, als er Lavender das erste Mal von sich stieß, zerbrach ihr Herz in tausend Scherben, und diesen Schmerz spürt sie bis heute. Deswegen hat sie auch kein Interesse, ihn wieder in ihr Leben zu lassen. Sie will ihn hassen - aber dafür liebt sie ihn noch viel zu sehr ...

"Diese Geschichte war anders als alles, was ich bisher von der Autorin gelesen habe, und ist eines meiner Lieblingsbücher! Es ist tiefgründig, alles verzehrend und absolut fantastisch!" MEL READER

Helena Hunting weiß, was die Leser:innen wollen: Herz, Humor und noch mehr Liebe!

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Seitenzahl: 523

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INHALT

Titel

Zu diesem Buch

Leser:innenhinweis

Prolog

1

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5

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Epilog

Die Autorin

Die Romane von Helena Hunting bei LYX

Impressum

HELENA HUNTING

My One & Only

Roman

Ins Deutsche übertragen von Beate Bauer

ZU DIESEM BUCH

Lavender Waters’ ständige Begleiter sind die Angst-Monster in ihrem Kopf, die sie immer wieder überwältigen. Als die 19-Jährige für das zweite Studienjahr an ein neues College wechselt, erlauben ihre überfürsorglichen Eltern ihr deshalb nicht, ins Studierendenwohnheim zu ziehen. Also muss sie bei ihren geliebten, aber nervigen Brüdern wohnen. Doch dort trifft Lavender auf den Menschen, der ihre Gefühle durcheinanderbringt wie kein anderer: ihr ehemaliger Kindheitsfreund Kodiak Bowman! Früher war er ihr Beschützer und größter Anker. Denn nur er schaffte es, ihre Angst nachzuempfinden und ihr die Luft zum Atmen wiederzugeben. Doch ihre Seelenverwandtschaft endete von einem Tag auf den anderen, als Kodiak Lavender das erste Mal von sich stieß, statt für sie da zu sein. Der fürsorgliche und vertraute Freund von damals scheint verschwunden zu sein – Kodiak ist nun unnahbar und arrogant. Lavender hat kein Interesse daran, ihn wieder in ihr Leben zu lassen, zu tief sitzt der Schmerz noch immer. Sie will ihn hassen – aber dafür liebt sie ihn doch viel zu sehr …

Liebe Leser:innen,

dieses Buch enthält Elemente, die potenziell triggern können. Diese sind:

Beschreibungen von traumatisierenden Ereignissen, Schilderung von Panikattacken, Erwähnung von Selbstverletzung, Darstellung von Beziehungen mit toxischen Zügen.

Wir wünschen uns für euch alle das bestmögliche Leseerlebnis.

Euer LYX-Verlag

PROLOG

Lass nicht zu, dass die Monster dich kriegen

Lavender

Sechs Jahre alt

»Es ist total lustig da drin, Lavender. Es wird dir gefallen!«, versichert mir mein großer Bruder Maverick mit einem Lächeln und einem Zwinkern.

Ich erwidere sein Lächeln. Er findet fast alles lustig, und meistens hat er recht damit.

»Die Spiegel sind das Beste!«, verkündet Kodiak. Er ist Mavericks bester Freund, doch er ist auch mein Freund. »Wir sorgen dafür, dass du Spaß hast.«

Ich nicke und schlinge die Arme um meinen Körper, um mir mein ängstliches Zittern nicht anmerken zu lassen, aber es funktioniert nicht.

»Lavender, Schatz, ist dir kalt?«, fragt Daddy. »Wo ist deine Jacke?«

Mommy sieht in ihrer Tasche nach. »Wir haben sie wohl im Auto vergessen. Ich laufe zurück und hole sie. Ich bin gleich wieder da.«

»Ach, menno«, murrt Maverick. Es ist zu leise, als dass unsere Eltern es hören könnten, aber ich schon. Seine Frustration ist eine dicke Decke, die schwer auf meinen Schultern lastet. Maverick wartet nicht gern, und sie haben bereits minutenlang versucht, mich zum Mitkommen zu überreden.

»Schon okay. Sie kann meinen Hoodie haben.« Kodiak löst ihn von seiner Taille und reicht ihn mir.

Ich nehme ihn mit einem kleinen Lächeln und lasse meine Arme in den weichen Stoff der Ärmel gleiten. Er ist warm und riecht nach Waschmittel. Der Hoodie trägt das Eishockey-Logo von dem Team, das mein Daddy trainiert und für das Kodiaks Daddy spielt. Ich lasse die Hände in die Taschen gleiten, und meine Finger berühren Bonbons und leeres Einwickelpapier. Kodiak hat immer Jolly Ranchers dabei. Die mag er am liebsten. Ich mag am liebsten die Marshmallows in den Lucky Charms, obwohl es eigentlich Frühstücksflocken sind und keine Süßigkeit.

»Willst du wirklich mitgehen?«, fragt Mommy leise, als sie mir hilft, die Ärmel aufzurollen.

Ich nicke, spreche es aber nicht aus. Ich traue meiner Stimme gerade nicht. Außerdem hat Mommy gesagt, dass wir nach dem Gruselkabinett Trichterkuchen haben können, und ich will nicht der Grund dafür sein, dass wir ihn nicht bekommen.

Mommy und Daddy schauen einander an. Sie reden die ganze Zeit ohne Worte miteinander. River und ich tun das auch. Es ist anders, denn River ist mein Zwillingsbruder und in vielerlei Hinsicht gleich. Wir brauchen nicht immer Worte, um zu wissen, wie sich der andere fühlt, was gut ist, denn manchmal kommen mir die Worte nicht über die Lippen.

»River, du hältst Lavenders Hand schön fest, ja? Das ist deine Aufgabe«, sagt Daddy mit strenger Stimme. »Du hältst ihre Hand die ganze Zeit.«

Das ist die Stimme, die er häufig bei River benutzt, aber nie bei mir.

»Ich halte Lavenders Hand. Ich lasse nicht los. Ich passe auf sie auf«, wiederholt River.

Daddy nickt ernst und wendet sich mir zu, wobei sich sein Ausdruck verändert. Sein Gesicht ist wie ein fluffiger Marshmallow, es wird weich und viel freundlicher. »Du sagst River, wenn es dir da drin nicht gefällt, ja? Robbie, Mav und Kody sind bei dir.«

Ich nicke und flüstere Okay. Daddy küsst mich auf die Stirn und packt Rivers Schulter. »Pass auf deine Schwester auf, und bleib bei deinen Brüdern.«

River nickt und hält meine Hand so fest, dass es sich beinahe anfühlt, als würden sich meine Knochen biegen. Ich will ihm sagen, dass es wehtut, aber alle laufen auf das Gruselkabinett zu, und ich will ihnen den Spaß nicht verderben, obwohl ich jetzt schon Angst habe.

Mir macht alles Angst.

Zu viel Lärm. Zu viele Menschen. Vor allem, wenn ich sie nicht kenne. Es gibt nur wenige Menschen und Dinge, die mir ein Gefühl von Sicherheit geben.

Meistens gehört River dazu, aber heute Abend fühle ich mich wie auf einem Karussell, von dem man nicht herunterkann. Ich will, dass River Spaß hat. Doch der Lärm und die Leute sind zu viel.

Ich bleibe dicht bei ihm und umklammere seine Hand. Meine Handfläche ist feucht und glitschig. Mir ist kalt und heiß.

Ich sollte ihm sagen, dass ich zurückgehen und bei Mommy und Daddy bleiben will, aber es ist zu laut, und ich kriege kein Wort heraus. Ich sage mir, dass es danach etwas Süßes gibt, und ich wieder dort sein werde, wo ich mich am sichersten fühle. Und ich mochte, wie stolz Daddy aussah, als ich sagte, dass ich ins Gruselkabinett gehen wollte.

Robbie, Maverick und Kodiak gehen voraus und bewegen sich durch ein Gewirr von Spiegeln.

Kodiak blickt mit zusammengezogenen Brauen über seine Schulter. Er packt Mav am Hemd, damit er langsamer macht, während River sich beeilt, um mit ihnen Schritt zu halten. Maverick lacht und verschwindet um die Ecke. Kodiak zögert, sieht sich noch einmal um, bevor er ebenfalls verschwindet, und River drängt mich, schneller zu gehen.

Ich stoße mit meinem eigenen Spiegelbild zusammen und umklammere Rivers Hand noch fester. Unsere Spiegelbilder sind überall. Rivers Augen glänzen vor Aufregung, und er lächelt breit. »Dir geht’s gut, ja?«, fragt er, den Blick noch immer nach vorn gerichtet auf das, was da um die Ecke sein mag.

Ich nicke, weil laute Musik spielt, und er mich nicht hören würde. Als wir uns von den Spiegeln entfernen, verschwindet ein Teil der Angst, aber dann müssen wir zwischen etwas hindurchlaufen, was aussieht wie Daddys Sandsäcke in unserem Gym zu Hause, nur dass sie Clownsgesichter haben. Ich mag sie nicht, weshalb ich die Augen schließe und mich von River hinterherziehen lasse. Ich stoße mit Gegenständen zusammen, und jemand läuft von hinten in mich hinein. Ich stolpere, Rivers Hand entgleitet mir, und ich falle auf die Knie. Jemand stolpert über mich, und ein Fuß trifft mich an der Seite, also krieche ich beiseite.

Es gibt Blitzlichter hier drin, und nach jedem Aufblitzen ist es schwer herauszufinden, in welche Richtung ich muss. Die hängenden Clowns schwingen über mir hin und her und werfen mich wieder um, wenn ich aufzustehen versuche.

River ruft nach mir, aber meine Angst macht die Welt trüb und verschwommen, und ich fühle mich wie unter Wasser. Ich kann nicht mehr atmen oder sehen oder sprechen.

Aus diesem Grund wollte Daddy, dass River die ganze Zeit meine Hand hält. Wenn ich Angst bekomme, kriege ich kein Wort heraus und fühle mich wie erstarrt. Das macht es schwer, mich zu finden, vor allem an einem Ort wie diesem. Das Panikungeheuer in meinem Kopf wird immer größer, und ich kann nur flach atmen. Ich versuche, mich an all die Handlungen zu erinnern, die mir meine Kunstlehrerin Queenie beigebracht hat, aber mein Verstand rast und rast, und ich will nur noch zu meiner Mommy und nicht mehr hier sein.

Ich krieche von den Füßen weg, und die größeren Kinder schieben sich mit stampfenden Schritten zwischen den herabhängenden Clowns hindurch. Ich stoße mir die Wange an etwas Hartem, und meine Augen füllen sich mit Tränen, aber als ich aufblicke, sehe ich eine Tür mit einem Schild, auf dem NUR FÜR PERSONAL steht. Ich weiß nicht, was das bedeutet, doch ich bekomme lieber Ärger, als hierzubleiben. Ich drehe den Knauf und spähe durch den Türspalt. Es ist ein Flur mit Treppen. Ich blicke über die Schulter zu den hängenden Clowns. Ich kann da nicht noch einmal durch.

Ich trete hinaus in den Flur. Ich fühle mich gleichzeitig besser und schlechter. Ich will einfach nur zu meiner Mommy. Ich will nach Hause und mich zu ihr und Daddy ins Bett kuscheln, wo es am sichersten ist.

Die Wände im Flur sind gelb und schmutzig. Leute haben mit Filzstiften darauf herumgekritzelt. Ich eile auf die Treppen zu und stolpere erneut, falle auf den Hintern und rutsche ein paar Stufen hinab. Sie sind schmutzig und nass, und meine Sachen jetzt auch. Ich habe auf einmal Tränen in den Augen, denn meine Mommy hat das Kleid genäht, und ich will nicht, dass es kaputtgeht.

Am Fuß der Treppe ist eine große Tür. Sie ist rot, aber die Farbe ist abgeblättert und darunter ist sie braun. Es sieht aus wie getrocknetes und frisches Blut. In der Ecke ist ein Streifenhörnchen und kratzt an der Tür, um durch einen schmalen Spalt zu kommen. Es gibt Streifenhörnchen bei der Hütte, wo wir im Sommer hinfahren. Wir füttern sie mit Erdnüssen, und sie sind zutraulich und klettern einem in den Schoß, um nach den Erdnüssen zu greifen. Aber unsere Mommy passt auf, dass wir nicht unser Gesicht berühren und uns die Hände waschen, nachdem wir sie gefüttert haben. Ich glaube, das hier ist zu ängstlich, um zutraulich zu sein. Es will raus, genau wie ich.

»Hi, mein Kleiner.« Meine Stimme ist kaum ein Flüstern. »Ich kann dir die Tür aufmachen.«

Ich drücke gegen die Stange, doch sie ist schwer, und meine Arme zittern. Das Streifenhörnchen kauert sich in die Ecke, und jetzt laufen die Tränen, weil ich Angst habe, nicht rauszukommen, und ich will nicht wieder in das Gruselkabinett, wo die hängenden Clowns sind.

Wenn wir nur die Tür aufbekommen, dann kann ich zurück zu meiner Mommy und meinem Daddy, und dann bin ich in Sicherheit. Die Tür klickt schließlich, aber eine dicke Kette verhindert, dass sie ganz aufgeht. Das Streifenhörnchen huscht hinaus, und ich quetschte mich durch den schmalen Spalt. Mein Kleid verheddert sich, und der Rock spannt. Oh nein. Ich will nicht, dass Mommy böse mit mir ist.

Es ist laut hier draußen, Lichter blitzen und Leute schreien und lachen. Ich hole tief Luft, die nach Zigarettenrauch schmeckt. Die Tür hinter mir fällt mit einem lauten Klicken zu.

Ich bin wie erstarrt und rühre mich nicht vom Fleck. Ich weiß nicht, wo ich bin oder wie ich zu den anderen zurückkomme. Mein Daddy sagt immer, wenn ich mich verlaufe, soll ich bleiben, wo ich bin, oder jemanden suchen, dem ich vertraue, wie einen Polizisten, nur dass hier niemand ist außer mir. Ich weiß nicht, in welche Richtung ich muss, um meine Eltern zu finden, und ich frage mich, ob River noch immer im Gruselkabinett ist, um mich zu suchen.

Ich versuche es mit ein paar von den Beruhigungsübungen, die Queenie mir gezeigt hat, aber in meinem Kopf herrscht Durcheinander, und ich habe Angst.

»Cali, bist du das?« Ein großer Mann taucht aus der Dunkelheit auf.

Ich taumle einen Schritt zurück, stolpere über einen Stein und lande auf dem Hintern. Der Mann geht in die Hocke. Seine Augen sind leere Brunnen, stumpf und dunkel. Er riecht komisch, wie das Zeug, das mir meine Mommy auf meine Schürfwunden streicht und das brennt.

»Hast du dich verlaufen, Kleine?« Seine Worte klingen verwaschen. »Du siehst aus wie meine Cali.« Er wirft eine leere Flasche weg, die mit einem dumpfen Geräusch auf dem Gras landet.

Er ist angsteinflößender als die hängenden Clowns. Und meine Eltern sagen mir immer, dass ich nicht mit Fremden reden soll. Ich taste nach meiner Brille, aber ich kann sie nicht finden.

Er streckt die Hand nach mir aus, und ich krabble rückwärts, doch da ist eine Mülltonne hinter mir, und ich schlage mir den Kopf so fest an, dass Sterne hinter meinen Augen explodieren. Ich will nach meiner Mommy rufen, nur meine Kehle ist wie zugeschnürt.

»Bist du allein? Wo ist deine Familie?« Er rückt mir auf die Pelle. »Du siehst aus wie sie. Du könntest sie sein.« Sein Atem brennt mir in den Augen. »Ich kann dich nach Hause bringen.«

In meinem Bauch rumort es.

»Komm schon, du bist bei mir sicher.« Sein Lächeln zeigt Zahnlücken, so wie bei mir.

Ich will nicht mit ihm gehen, doch ich habe Angst hier draußen im Dunkeln.

Er lässt seine Hände unter meine Arme gleiten und zieht mich hoch. Meine Knie zittern, und mir gefällt nicht, wie trocken mein Mund ist.

»Hab keine Angst. Ich tu dir nichts.« Er nimmt meine Hand. »Du bist genau wie meine Cali.« Er zerrt mich mit sich, und ich stolpere, als ich über die Schulter blicke. Ich glaube, meinen Namen zu hören, aber ich weiß nicht, ob das stimmt. Anstatt auf die Rufe und Fahrgeschäfte zuzulaufen, bewegen wir uns von ihnen weg. Ich schiebe vorsichtig die Hand in die Tasche von Kodiaks Hoodie, greife nach einem Bonbon und lasse es zu Boden fallen. Wie bei Hänsel und Gretel mit den Brotkrümeln.

Ich versuche, meine Fersen in den Boden zu stemmen, aber er reißt an meinem Arm und bewegt sich schneller. Ich stolpere über etwas und verliere den Halt. Er zieht mich wieder hoch. Er lächelt jetzt nicht mehr, und seine leeren Augen erinnern mich an Kodiaks Hund Brutus, wenn er ein Eichhörnchen im Garten entdeckt, das er jagen möchte.

»Keinen Laut. Nicht einen«, sagt er, als er die Tür zu einer Hütte öffnet.

Ich lasse ein weiteres Bonbon zu Boden fallen, und er stößt mich ins Dunkle. Ich stolpere und stürze nach vorn, wobei ich auf Händen und Knien lande. Der Boden ist hart und kalt.

»Du bleibst hier und hältst den Mund, Cali, oder du siehst deine Mommy nie wieder«, knurrt er.

Die Tür schließt sich und klickt.

Ich will dem Mann sagen, dass ich nicht Cali heiße, aber ich habe Angst, dass ich meine Mommy wirklich nie mehr sehe, wenn ich etwas sage. Es ist dunkel wie in einer bewölkten, sternenlosen Nacht in der Hütte, und es riecht nach dem Zeug, das mein Daddy ins Boot füllt, damit es fährt. Ich lasse meine Hand erneut in meine Tasche gleiten und taste nach den Bonbons. Es sind nur noch zwei übrig.

Ich wünschte, ich hätte nicht versucht, mutig zu sein.

Ich fange an zu weinen, und es ist schwer, die Geräusche zu unterdrücken. Ich kneife den Mund fest zu und bohre mir die Fingernägel in die Handflächen. Sie schneiden in die Haut, wie kleine, leise Schreie.

Ich vergrabe mein Gesicht in Kodiaks Hoodie und versuche, den Geruch von Waschmittel und Wassermelonenbonbons zu atmen.

Ich habe Angst, der Mann kommt zurück, wenn ich mich bewege und dabei Geräusche mache.

Ich taste auf dem Boden umher. Er ist hart und kalt, und meine Zähne beginnen zu klappern. Mein Hintern ist nass vom Hinfallen, und vom Geruch hier drin wird mir übel.

Ich strecke die Hände aus und gleite mit den Fingern über die Gegenstände um mich herum. Ich weiß nicht, was das alles ist.

Ich spüre etwas Weiches neben mir. Es fühlt sich an wie ein ausgestopftes Tier. Ich drücke es an meine Brust und stehe auf. Meine Beine sind wacklig, als wären sie aus Götterspeise. Ich bewege mich vorwärts und halte eine Hand ausgestreckt, bis meine Finger etwas Kaltes berühren. Ich kann die Geräusche des Rummelplatzes hören, aber nur ganz entfernt. Hier drin gibt es einen lauten Ventilator, der alles draußen weit weg erscheinen lässt.

Ich taste über die kalte Oberfläche, bis ich eine Schwelle berühre. Wahrscheinlich die Tür. Ich verstehe nicht, weshalb mich der Mann hier drin zurückgelassen hat. Ich drehe den Knauf und versuche zu drücken, aber sie rührt sich nicht.

Ich will nach Hause.

Ich will zu Mommy und Daddy.

Ich will, dass River weiß, ich bin okay.

Ich will Kodiak seinen Hoodie zurückgeben können.

Ich hoffe, ihm ist nicht so kalt wie mir.

Ich probiere noch mal die Tür, aber sie lässt sich noch immer nicht bewegen, und ich bin noch immer ganz allein hier.

Ich weiß nicht, wie lange ich in dieser Dunkelheit verharre, aber nach einer Weile meine ich zu hören, wie jemand meinen Namen ruft. Und wieder, diesmal mehr als einmal, und es klingt näher. Ich presse mein Ohr an das kalte Metall.

Ich glaube, ich höre Kodiak und meinen Daddy.

Jemand schlägt gegen die Tür, und ich falle zurück auf den Boden.

»Lavender?« Es wird weiter gegen die Tür geschlagen, wieder und wieder, und plötzlich schwingt die Tür auf, und Daddy und Kodiak sind bei mir.

Ich weiß nicht, wo Mommy ist, und meine Kehle ist wie zugeschnürt vor Angst.

»Oh mein Gott. Gott sei Dank. Was ist passiert, Schätzchen?« Daddy hebt mich hoch, und Kodiaks Augen sind riesig. Er hält die Bonbons, die ich habe fallen lassen, und meine Brille in der Hand. »Ich hab sie! Ich hab sie gefunden!« Daddy beginnt zu laufen, was mir beinahe den Magen umdreht. Kodiak läuft hinter uns her, und wir brechen aus der Dunkelheit hervor in den Lärm und die Lichter des Rummelplatzes.

»Oh, Gott sei Dank!« Mommy schlingt ihre Arme so fest um mich, dass ich mich wie ein Pfannkuchen fühle, der platt gedrückt wird. »Was ist passiert, Schätzchen? Wo warst du?«

Daddy erzählt ihr, wo er mich gefunden hat, und schließlich bringe ich zwei Worte heraus, »ein Mann«, bevor meine Kehle wieder wie zugeschnürt ist.

»Ein Mann hat dich mitgenommen?« Mommys Stimme klingt wie eine Sirene.

Ich nicke, und daraufhin folgen noch mehr Fragen, und mein Kopf ist voll. Ich habe noch immer Angst, dass er zurückkommt. Und ich kann nicht aufhören zu weinen.

Daddy findet jemanden vom Wachschutz, und sie rufen die Polizei.

Kodiaks Daddy kommt und nimmt ihn und meinen Bruder mit.

Eine Polizistin ist mit mir im Raum, und ihre Augen sind sanft und freundlich und traurig. Mommy muss ihr erklären, dass ich schüchtern bin und es mir schwerfällt, in Anwesenheit Fremder zu reden. Ich will nur nach Hause, aber sie stellen mir Fragen über den Mann, und ich versuche sie zu beantworten.

Sie geben mir eine Decke, doch sie kratzt mich an den Beinen.

Ich habe ein Trinkpäckchen mit Apfelsaft, einen gezuckerten Donut und einen Apfel. Ich mag keinen Apfelsaft, weil er nach Metall schmeckt, aber ich bin durstig, also trinke ich ihn.

Die Polizistin stellt mir Fragen, von denen ich Bauchschmerzen bekomme.

Ich erbreche den Donut wieder, weshalb ich noch mehr weinen muss.

Mommy sagt zu mir, das sei nicht schlimm, aber es fühlt sich nicht so an.

Schließlich hören sie auf, Fragen zu stellen. Ich bin froh, denn sie gefallen mir nicht. Dann macht jemand Fotos von meinen blauen Flecken. Ich weiß gar nicht, woher sie alle kommen. Daddy ist aufgebracht, und Mommy versucht zu verbergen, wie traurig sie ist.

Ich bin froh, als sie schließlich sagen, dass wir nach Hause gehen können.

Daddy bringt mich zum Wagen hinaus, und Mommy setzt sich zu mir auf den Rücksitz. Ich schmiege mich an ihr Haar, atme ihr Shampoo ein und versuche zu verhindern, dass die Erinnerungen und Gerüche zurückkommen. Ich möchte meinen Lieblingspyjama anziehen und meinen Plüschbiber umarmen und nie wieder das Haus verlassen.

Ich möchte mich sicher fühlen.

Daddy trägt mich nach oben, und Mommy lässt ein Bad für mich ein. Daddy setzt mich auf den Hocker neben der Badewanne und kniet sich vor mir hin. Ich habe nur einen Schuh an. Ich weiß nicht, was mit dem anderen passiert ist.

Mein Kleid ist voller Schmutzflecken. Kodiaks Hoodie hat einen Riss auf der Seite, und auf dem Ärmel klebt verkrustetes braunes Zeug. Ich fange wieder an zu weinen, weil mir alles zu viel ist. Ich bohre meine Fingernägel in die Handflächen, um keine Geräusche von mir zu geben.

»Hey, hey, hey.« Mommy biegt meine Finger auf. Die Handflächen sind blutverkrustet, und frisches Blut sickert aus den Wunden, die ich mir selbst zugefügt habe. »Lavender, Schätzchen, wer hat dir das angetan?«

»Er hat gesagt, wenn ich einen Mucks mache, würde ich dich nie wiedersehen, also habe ich in meine Haut geschrien.«

»Es tut mir so leid, Liebling. Wir lassen nicht zu, dass dir je wieder etwas Schlimmes passiert.«

»Was, wenn er zurückkommt?«, flüstere ich. »Was, wenn er mich wieder mitnimmt?«

»Das wird er nicht, Schätzchen. Ich verspreche dir, das wird nicht passieren.«

Ich möchte ihr gern glauben, doch die Erinnerungen sind noch immer da – wie ein böser Traum, der nicht weggehen will. Er existiert jetzt in meinem Kopf und ist das größte Monster dort drin.

Später, nachdem ich gebadet bin und einen frischen Schlafanzug anhabe, macht mir Mommy einen Snack. Aber ich habe keinen Hunger, und ich will nur ins Bett und mich vergewissern, dass es River gut geht. Ich möchte ihm sagen, dass es nicht sein Fehler war, dass er meine Hand nicht festhalten konnte.

Ich will, dass alles wieder so ist wie vorher.

Aber das ist es nicht.

Und wahrscheinlich wird es das nie wieder sein.

1

Ein Tag voller Pannen

Lavender

Gegenwart, neunzehn Jahre alt

»Hey, Lav!« Die Faust meines Bruders knallt gegen die Badezimmertür, und gleich darauf fliegt sie auf und kracht gegen die Wand, was mich zu Tode erschreckt.

Ich stoße mir das Mascarabürstchen ins Auge, und Kaffee schwappt auf mein weißes Tanktop. Ich habe mich bereits in Multitasking versucht. Ich sollte es besser wissen. »Au! Was soll das, Mav!« Ich bedecke mein brennendes Auge mit der Handfläche und lasse meinen Becher in das Waschbecken fallen. Der Henkel bricht ab. »Gottverdammt! Das war echt mein Lieblingsbecher. Und ich hätte nackt sein können!«

Maverick macht ein Würgegeräusch. »Ich hatte gerade Frühstück. Sag nicht solche Sachen, wenn ich nicht kotzen soll.«

»Verpiss dich, du Blödmann.« Ich versuche, ihm die Tür vor der Nase zuzuknallen, aber vergeblich, denn er ist ein Riese und steht genau im Türrahmen. »Und dich anzuschauen, verdirbt mir sowieso den Appetit.«

Zur großen Bestürzung meiner Eltern ist Maverick ein echter Fuckboy, ein monogamer zwar, doch trotzdem ein Fuckboy. Basierend auf dem, was ich von den Mädchen mitkriege, die bei uns vorbeikommen – und es sind viele –, verbringt er genau vier Wochen mit einem. Und mit »verbringen« meine ich, er schleppt sie so oft wie möglich in sein Bett.

Mein Bruder ist kein Oger – ganz und gar nicht. Maverick sieht echt aus wie ein Supermodel mit seinen gewellten dunklen Haaren und seinen gemeißelten Gesichtszügen. Sowohl Mädchen als auch Frauen schmeißen sich an ihn ran. Es ist widerlich.

»Wieso platzt du schon um halb acht in mein Bad rein? Ich versuche, mich für den Unterricht fertig zu machen.« Obwohl das mein zweites Studienjahr ist, ist es mein erster Tag an einem neuen College, und ich hätte gern einen guten Start. Mir das Mascarabürstchen ins Auge zu stoßen ist dabei nicht besonders positiv.

»Riv muss zum Footballtraining, und ich muss in zwanzig Minuten in der Arena sein. Hast du meine Autoschlüssel gesehen?«

»Woher soll ich wissen, wo deine Autoschlüssel sind?« Ich lasse meine Hand sinken und schaue in den Spiegel. Großartig. Mit dem ums Auge verschmierten Mascara sehe ich aus wie ein halber Waschbär.

»Mav, wir müssen los, oder wir kommen zu spät«, ruft mein Zwillingsbruder River von irgendwo im Haus.

Maverick fährt sich mit der Hand durchs Haar. Es fällt wieder an seinen Platz zurück, als bestünde es aus gehorsamen Soldaten. »Wo sind deine Schlüssel?«

»Du kannst meinen Wagen nicht haben.« Ich stemme die Faust in die Hüfte. »Nimm Rivers.«

»Irgendein Mädchen hat sich gestern Abend auf den Rücksitz übergeben, und er muss gereinigt werden.« Mav trommelt ungeduldig auf den Türrahmen.

»Ist das etwa meine Schuld?« Ich will nichts über das kotzende Mädchen wissen. River ist nicht ganz so schlimm wie Maverick, trotzdem hat er einen Haufen Mädchen, die fortwährend um ihn herumscharwenzeln – und das trotz seiner nicht gerade schillernden Persönlichkeit. Oder vielleicht genau deswegen.

Maverick wirft einen Blick nach rechts in mein Zimmer und zieht hinterhältig grinsend einen Mundwinkel hoch. Er greift nach den Schlüsseln auf meiner Kommode und lässt sie an seinem Finger baumeln. »Wir schulden dir was, Schwesterchen.«

Ich springe hoch und versuche, sie ihm zu entreißen, aber mein Bruder ist über eins achtzig groß, und ich bin eins sechsundfünfzig – dieser letzte Zentimeter ist mir sehr wichtig –, weshalb ich nicht die geringste Chance habe, an meine Schlüssel heranzukommen, wenn er sie über seinen Kopf hält. »Du kannst nicht einfach meinen Wagen nehmen!«

»Du bist in der Lage, geradeaus zu laufen, Lav. Du kommst schon klar.« Er schlendert den Flur entlang, und ich klettere an seinem Rücken hinauf, um meiner Schlüssel habhaft zu werden, doch meine Kontaktlinse brennt. Das lenkt mich ab und bedeutet, dass ich mich nur mit einer Hand an meinem Bruder festhalten kann, während ich die andere auf mein tränendes Auge presse. Den ersten Treppenabsatz nimmt er im Laufschritt, weshalb ich auf seinem Rücken durchgerüttelt werde.

Es gelingt mir irgendwie, meinen großen Zeh in eine Gürtelschlaufe zu schieben, wo er sich festklemmt.

Er schleppt mich mit sich wie ein lästiges Faultier, das er nicht abschütteln kann. »Mein Seminar ist auf der anderen Campusseite. Zu Fuß sind das dreißig Minuten, und es fängt um halb neun an!«

»Das ist nicht so weit. Das schaffst du schon.«

Es klingelt an der Tür, als wir das Wohnzimmer durchqueren.

River steht in der Küche und schiebt sich einen halben mit Frischkäse beschmierten Bagel in den Mund, während er eine Handynachricht tippt. Er runzelt die Stirn – sein üblicher Gesichtsausdruck – und blickt von der Tür zu Maverick und zu mir. Mit zwei ärgerlichen Schritten durchquert er den Raum und reißt die Tür auf. Er wirbelt herum, schenkt unserem älteren Bruder einen angewiderten Blick und zeigt über seine Schulter. »Das Arschloch soll auf der Rückbank sitzen, damit ich sein Gesicht nicht sehen muss.«

In der Tür steht Kodiak Bowman, der von allen außer mir Kody genannt wird. Wir sind gemeinsam aufgewachsen und kennen einander wohl besser, als wir sollten. Wie der Ort, an dem er gezeugt wurde, besitzt Kodiak eine seltene arktische Schönheit. Sein Haar ist fast schwarz, seine Augen von einem blassen Grün, das unnatürlich aussieht, und seine Gesichtszüge sind eine Mischung aus streng und exotisch. Aber wenn er lächelt, hat er ein Grübchen in der linken Wange, das ihm etwas Jungenhaftes verleiht und die Höschen sämtlicher Wesen mit Doppel-X-Chromosom zum Schmelzen bringt. Und vieler mit XY ebenfalls.

Er schenkt meinem Zwillingsbruder keine Beachtung, weil River damit beschäftigt ist, auf seinen Handyscreen zu starren. Wahrscheinlich, um für die Mittagspause einen Blowjob zu arrangieren.

Sowohl er als auch Maverick sind mit Hockey-Stipendien auf dem College. Kodiak ist nicht nur ein so unglaublich talentierter Spieler wie sein Dad, er ist ebenfalls ein Genie wie seine Mutter. Nur im Gegensatz zu seiner Mutter, die eine Heilige ist, ist Kodiak ein Arschloch.

Mein Zwillingsbruder empfindet eine tiefe Verachtung für ihn.

Wegen mir.

Vor zwei Jahren war Kodiak in etwas verwickelt, das so fürchterlich peinlich für mich war, dass ich wünschte, ich könnte es aus meinem Gedächtnis löschen. River kennt nur eine gekürzte Version davon, und er musste mir versprechen, es nie wieder zu erwähnen. Er hat nicht weiter gefragt, und ich habe nie irgendwelche Details erzählt. Jedenfalls kann River Kodiak nicht mehr leiden, wobei er sowieso noch nie sein größter Fan gewesen ist.

Kodiak ignoriert River. »Wir müssen los, Mav, oder wir kommen zu spät.«

Maverick löst meine Finger von seiner Schulter. »Kannst du vielleicht mal runter von mir?«

Mein Zeh klemmt noch immer in seiner Gürtelschlaufe, also falle ich nach hinten, und weil ich keine gute Körperkoordination habe – danke vielmals dafür, Mom –, knalle ich mit dem Kopf auf den Boden. Ich schreie auch auf, weil mein Zeh auf unangenehme Weise verdreht wird. Maverick stolpert ein paar Schritte rückwärts und versucht festzustellen, wieso ich noch immer an ihm festhänge.

»Mein Zeh hat sich verhakt! Oh mein Gott! Du brichst ihn noch!«, schreie ich aus vollem Hals.

Welche Ironie, denn als ich klein war, habe ich nicht viel geredet. River hat oft in meinem Namen gesprochen, weil ich schüchtern war und in Gegenwart Fremder keinen Ton herausbrachte. Er hat versucht, ein guter Bruder zu sein. Unglücklicherweise hat mich das über Jahre in vielerlei Hinsicht von ihm abhängig gemacht.

Von meiner Familie wurde ich außerdem überbehütet. Es ist, als würde man in einer Blase leben und die Welt wie auf einem Bildschirm sehen, ohne jemals richtig daran teilzuhaben. Für jemanden, der in einer völlig stabilen, einer unglaublich unterstützenden, liebevollen – wenn auch merkwürdigen – Familie groß geworden ist, bin ich ziemlich durch den Wind.

Maverick gelingt es, meinen Zeh aus seiner Gürtelschlaufe zu lösen, ohne ihn zu brechen. Ich springe auf – und weil das Gefühl von Peinlichkeit heute Morgen bislang noch kein dramatisches Level erreicht hat, verrutscht nun mein Tanktop.

»Herrje, Lav! Pack deine Brust ein!«, ruft Maverick.

»Es ist nicht meine Schuld, dass sie herausgerutscht ist.« Es ist was Genetisches.

Kodiak blickt von seinem Handy auf, als ich meine Brust zurück in mein Tanktop schiebe. Seine Miene ist ausdruckslos, als wäre er völlig unberührt von der Tatsache, dass er gerade meinen Nippel gesehen hat.

Denn das ist er. Völlig unberührt.

Im Gegensatz zu mir. Ich kann nicht einmal einen zusammenhängenden Satz in seiner Gegenwart formulieren.

Ich bin mir sicher, mein Gesicht ist rot gefleckt vor Schmach. Schon wieder.

Kodiak scheint in solchen schrecklichen Momenten stets in der ersten Reihe zu sitzen.

»Ich hoffe, ihr holt euch alle ’ne Leistenzerrung beim Training.« Ich wirble herum und marschiere zur Treppe.

»Wir sehen uns im Collegehof nach deinem ersten Seminar, okay, Lav?«, ruft mir River hinterher.

»Von mir aus.« Wütend kehre ich in mein Zimmer zurück.

Ich hätte mich mehr um eine Unterkunft auf dem Campus bemühen sollen. Selbst das Studierendenwohnheim für Mädchen wäre besser gewesen, als mit meinen bescheuerten Brüdern unter einem Dach zu leben. Aber meine Eltern hätten niemals zugelassen, dass ich in einem Studierendenwohnheim wohne – zu viele Unbekannte und unkontrollierbare Variablen. Und River als der überbehütende Zwillingsbruder, der er ist, ist schon ausgerastet, als ich über das Studierendenwohnheim nur laut nachgedacht habe.

Meine Eltern haben mir unter der Bedingung erlaubt, von zu Hause wegzuziehen, dass ich bei meinen Brüdern wohne, und ich bin auch nur eine Stunde mit dem Auto von ihnen entfernt. Sobald die Highschool abgeschlossen war, haben wir unsere Sachen gepackt und sind in das Ferienhaus am Lake Geneva in Wisconsin gezogen, das viel näher bei Chicago liegt als Seattle. Und man darf sich von dem »Ferienhaus« nicht auf eine falsche Fährte führen lassen – es ist wirklich ein riesiges Haus am See.

Und jetzt, nachdem ich Kodiak jahrelang aus dem Weg gegangen bin – abgesehen von diesem einen, furchtbar peinlichen Zwischenfall – habe ich wieder mit ihm zu tun. Wahrscheinlich sogar regelmäßig.

Also fühle ich mich, als würde ich eher rückwärts- als vorwärtsgehen. Denn anstatt für das zu kämpfen, was ich wollte, habe ich zugelassen, dass die Ängste der anderen meine Entscheidungen diktieren.

2

Noch mehr Pannen

Lavender

Gegenwart

Wegen meiner Brüder muss ich mich beeilen, um rechtzeitig in mein Seminar zu kommen. Schließlich setze ich meine Brille auf, anstatt Kontaktlinsen zu tragen, denn das Auge, in das ich mir mein Mascarabürstchen gestoßen habe, hört nicht auf zu tränen.

Ich ziehe eins meiner selbst genähten Kleider an – ich mache alle meine Kleidungsstücke selbst, seit ich eine Nähmaschine bedienen kann, und schlüpfe in ein Paar flacher Schuhe, schnappe mir meinen Rucksack und überquere im Eiltempo den Campus, um pünktlich zu sein.

Ich nehme kein Uber oder Taxi, weil ich nicht zu jemandem in ein Fahrzeug einsteige, den ich nicht kenne. Ich mag auch keine öffentlichen Verkehrsmittel, weil das zu viele Menschen, die ich nicht kenne, auf engem Raum sind. Meistens ist das kein Problem, weil ich ein Auto habe, oder ich fahre bei einem meiner Brüder mit. Außer meine Brüder spielen mir so übel mit, wie sie es diesen Morgen getan haben.

Das Gute ist, dass heute ein Seminar beginnt, auf das ich mich freue: Kostüm- und Bühnenbild. Leider findet es Montag und Mittwoch um acht Uhr dreißig statt. Normalerweise sind nur Schauspielstudierende im Hauptfach dafür zugelassen, aber wegen meiner Zeugnisse, meinem großen Engagement sowohl im College als auch beim Stadttheater und mithilfe eines Briefes von Queenie, die noch immer meine Therapeutin ist, darf ich teilnehmen. Ich habe außerdem eine Sondererlaubnis, um ein Seminar in bildender Kunst zu besuchen, wieder dank Queenie und der großzügigen Spende meines Daddys sowohl an das College-Hockeyteam als auch an den Fachbereich Kunst. Es schadet nicht, dass mein Dad eine Hockey-Legende ist.

Ist das Vetternwirtschaft? Sicher. Habe ich ein schlechtes Gewissen, dass ich jemand anderem womöglich den Platz wegnehme? Sicher. Aber ich habe hart dafür gearbeitet, und der einzige Grund, aus dem ich mein Hauptfach noch nicht gewählt habe, ist, weil meine Eltern glauben, dass es besser für mich sei, allgemeine Seminare bis zum Ende meines zweiten Jahres zu besuchen. Wären meine Eltern nicht so unnachgiebig gewesen, hätte ich bereits Theater als Hauptfach gewählt.

Ich habe nicht unbedingt was dagegen, von allem etwas mitzunehmen, wann man sich über den zukünftigen Weg nicht im Klaren ist. Maverick hat sein Hauptfach schon zweimal gewechselt. Er hat angefangen mit Physik, hat dann zu Chemie gewechselt und sich schließlich für Kinesiologie entschieden. Seine Seminare haben alle ziemlich lange Namen, und die Lehrbücher sind so dick, dass sie eine Kugel aufhalten könnten. Vielleicht habe ich vergessen, zu erwähnen, dass Mav, obwohl Fuckboy und Hockeyspieler, wahnsinnig schlau ist. Wahrscheinlich nicht so schlau wie Kodiak, aber fast.

Doch im Gegensatz zu meinen Brüdern weiß ich genau, was ich will. Dieses Jahr ist mein Ziel, meine Eltern zu beschwichtigen, die befürchten, dass es zu viel für mich ist, ein College weit weg von zu Hause zu besuchen. Sie wollen auch nicht, dass ich mich zu sehr in eine Sache stürze und die anderen Möglichkeiten verwerfe, bevor ich nicht bereit dafür bin.

Ich liebe sie, doch diese Überfürsorglichkeit ist manchmal einfach zu viel.

Ich springe die Stufen des Gebäudes der Künste hinauf und habe nur noch fünf Minuten. Natürlich stolpere ich auf halbem Weg, weil ich es eilig habe. Meine Brille, die ich eigentlich nur zu Hause trage, fällt herunter, direkt auf die Gläser. Es wäre nicht schlimm, wenn ich nicht gleich darauf mit den Knien auf ihr gelandet wäre. Das Splittern ist unheilvoll und vielsagend.

»Mist.«

Mühsam richte ich mich auf, als sich ein Paar Hände unter meine Achseln schiebt und mir jemand aufhilft.

»Alles in Ordnung?«

Es ist eine männliche Stimme. Na großartig. Heute läuft auch wirklich alles schief.

»Oh ja, wenn man viel nachdenkt, wird der Kopf so schwer«, murmle ich. Natürlich sind das die ersten Worte aus meinem Mund. Manchmal wünschte ich, ich wäre noch immer so wortkarg, wie ich es in jüngeren Jahren war.

»Wie bitte? Das habe ich nicht verstanden.«

»Mir geht’s gut, danke. Es ist mir nur peinlich.« Ich streiche meinen Rock glatt und lege den Kopf zurück. Ich bin klein. Ich muss immer hochschauen. Zu jedem. Außer zu kleinen Kindern und Haustieren.

Der Typ vor mir ist nur leicht verschwommen. Vielleicht ist er sogar hübsch. Er ist ziemlich groß, um die eins achtzig, obwohl mir jeder groß vorkommt. Sein dunkles Haar ist kurz geschnitten, und er trägt eine dick umrandete schwarze Brille. Und ein Hufflepuff-T-Shirt.

Er beugt sich mit einem Grinsen hinunter, um meine Brille aufzuheben. Sie ist in zwei Teile zerbrochen, und die Gläser sind völlig zerkratzt. »Das ist wohl das Unfallopfer.«

»Ich habe Ersatz zu Hause.« Weil ich ungeschickt bin und es nicht zum ersten Mal passiert, dass ich auf meiner Brille lande – nur dass mir der Ersatz in diesem Seminar nichts nützt. Wenigstens habe ich eine Pause zwischen diesem und dem nächsten, weshalb ich nach Hause fahren und das Ersatzpaar holen kann. Ich stecke die zerbrochene Brille in die Vordertasche meines Rucksacks. Ich weiß nicht, warum ich sie nicht in den Müll werfe. Schließlich besteht keine Aussicht auf irgendeine Reparatur.

»Willst du da rein?« Mein Retter nickt in Richtung Tür.

»Oh ja.« Ich lasse meine Hand in die Rocktasche gleiten – alle meine Kleider haben Taschen, weil es praktisch ist und mich davon abhält, mit den Händen zu reden – und zücke mein Telefon. Ich muss es mir direkt vors Gesicht halten, um die Zeit ablesen zu können. »Mist, nur noch vier Minuten, bis das Seminar beginnt.«

»Was besuchst du?«

»Kostüm- und Bühnenbild.«

»Wirklich? Ich auch. Wir können zusammen gehen.«

»Klar. Großartig, danke. Ich bin ohne meine Brille so blind, dass ich die Nummern an den Türen nur lesen kann, wenn ich die Nase beinahe an die Wand drücke.« Das ist nur leicht übertrieben.

Mein neuer Freund tippt auf seine Brille. »Ich werde die Augen für uns beide sein. Ich bin übrigens Josiah.«

»Ich bin Lavender.«

»Das ist ein cooler Name.« Er lächelt verschwommen. »Nett, dich kennenzulernen, Lavender.«

»Ebenfalls, Josiah.«

Wir eilen den Rest des Weges die Treppen hinauf. Zum Glück ist unser Seminarraum in der Nähe des Eingangs, und wir schlüpfen in letzter Minute hinein. Es riecht nach schweren Stoffen, nach dem Metall der Nähmaschinen, nach Holz und Farbe.

»Oh mein Gott«, stöhne ich leise. »Ich wünschte, ich könnte den Raum scharf sehen. Es riecht himmlisch.«

Ich folge Josiah zu dem verschwommenen Klecks aus Studierenden, die sich in einem Halbkreis auf der einen Seite des Raums gesetzt haben. Wir nehmen die beiden letzten freien Plätze am Rand ein, und Professor Martin ruft die Namen auf. Wie üblich bin ich die Letzte auf der Liste.

Sobald die Anwesenheit festgestellt worden ist, geht der Professor den Lehrplan durch. Zum Glück habe ich ein Tablet, und Josiah leiht mir kurz seine Brille, um die Schriftgröße so einzustellen, dass ich meine Notizen auch lesen kann. Im Grunde ist das ein Satz pro Seite, aber es ist besser als nichts. Wir verbringen die Hälfte der Zeit damit, Eisbrecherspiele zu spielen, und in den letzten zwanzig Minuten müssen wir ein paar Absätze über das schreiben, was wir uns von dem Seminar erhoffen.

Die meisten Studierenden in diesem Kurs sind extrem extrovertiert. Ich bin genau das Gegenteil, weil alles, was ich je tun möchte, backstage oder hinter den Kulissen stattfindet, doch ich überlebe es.

»Hast du Theater im Hauptfach?«, fragt Josiah auf dem Weg zur Tür.

Ich schüttle den Kopf. »Ich wähle erst im nächsten Jahr ein Hauptfach.«

»Wirklich? Wie hast du es dann in das Seminar geschafft? Es ist eigentlich nur für Hauptfach Schauspiel vorgesehen.«

»Äh, im Grunde schon. Ich habe eine Sondererlaubnis. Ich habe bereits in der Highschool und am Stadttheater eine Menge Kostüm- und Bühnenbild gemacht, also darf ich teilnehmen.« Es stimmt zum Teil.

»Oh, das ist … cool. Welche Seminare hast du noch?« Er klingt ehrlich interessiert.

»Ähm, warte … Ich zeig dir meinen Stundenplan, und du sagst mir, ob wir noch irgendwas zusammen haben, weil ich gerade nicht richtig sehen kann.« Ich stelle meinen Rucksack auf eine Bank, nehme meine Mappe heraus und reiche sie ihm. Es wäre nett, jemanden zu kennen, der in mehr als einem Seminar ist. Das ganze Leute-Kennenlernen ist stressig, und ich neige dazu, dumme, peinliche Sachen zu sagen, wenn ich nervös bin – was ziemlich häufig passiert.

»Sieht so aus, als wäre es das einzige gemeinsame Seminar. Aber ich treffe mich gleich mit ein paar Freunden auf einen Kaffee, falls du mitkommen willst.«

»Oh, das würde ich gerne, allerdings muss ich nach Hause und meine Ersatzbrille holen. Ansonsten habe ich am Ende des Tages Höllenkopfschmerzen.« Ich tippe mir an die Schläfe. »Vielleicht könnte ich nach dem Seminar am Mittwoch mitkommen.«

Josiah lächelt. »Ja, klar. Sollen wir Nummern tauschen?«

»Das wäre toll. Du musst allerdings deine für mich hinzufügen.« Ich reiche ihm mein Telefon, das in diesem Moment vibriert.

»Äh, Twinsie schreibt dir?«

»Das ist mein Zwillingsbruder.«

»Du hast einen Zwillingsbruder? Das ist bestimmt irgendwie cool.«

»Das ist es manchmal. Aber es kann auch ziemlich nervig sein.«

Ich benutze die Sprache-zu-Text-Funktion, um herauszufinden, wo sich River zwischen den Seminaren aufhält. Er ist noch immer am anderen Ende des Campus bei seinen Football-Kumpels, und Maverick hat meine Autoschlüssel.

Gott sei Dank gibt es Sprache-zu-Text. Mav ist in seinem Collegehof, was nicht weit ist, und der nette Josiah bietet mir an, mich hinzubegleiten, weil ich nicht gut genug sehen kann, um die Gebäudenamen oder Wegweiser zu entziffern, wenn ich nicht bis auf fünfzehn Zentimeter rangehe.

Als wir näher kommen, kann man Mavericks Lachen im gesamten Hof hören, gemeinsam mit dem Lärm kichernder Mädchen. Wenigstens ist River nicht in der Nähe, um sich wie ein wild gewordener Wachhund zu gebärden und nach Josiahs Fersen zu schnappen. Er ist versiert darin, Typen zu verscheuchen.

»Danke fürs Begleiten«, sage ich.

»Kein Problem. Ich wäre in derselben misslichen Lage, wenn ich meine Brille kaputt gemacht hätte.« Josiah schiebt sie nach oben.

»Heilige Scheiße, Lav!«, ruft Mav und ist plötzlich unangenehm nah. Er packt Josiahs Hand und bewegt sie wie einen Pumpenschwengel. Beinahe erwarte ich, dass Wasser aus seinem Mund sprüht, so energisch macht er das. »Wie schön! Du hast einen Freund gefunden!«

»Oh mein Gott, hältst du wohl die Klappe?« Wenn ich scharf sehen könnte, würde ich ihm in die Eier treten.

Schließlich lässt er Josiahs Hand los und legt mir den Arm um die Schulter. »Ich bin so stolz auf dich. Ich bin Lavenders völlig peinlicher, älterer Bruder Maverick.«

»Das mit dem völlig peinlich hat er bestimmt schon selbst herausgefunden. Könntest du bitte etwas leiser sprechen und deine Skala im Kleine-Schwester-Demütigen von zehn auf akzeptablere zwei bis drei runterfahren?« Auch wenn der Ausbruch genervt klingt, ist Maverick wahrscheinlich das am wenigsten überfürsorgliche Familienmitglied.

»Ich kann höchstens auf eine fünf runterfahren. Willst du mich nicht richtig vorstellen?«

»Maverick, das ist Josiah. Ich bin vorhin gestolpert und habe meine Brille kaputt gemacht, und Josiah hat mir netterweise seine Augen geliehen, damit ich dich finde, obwohl er das jetzt bestimmt bereut.«

»Stell dir einfach vor, wie sehr er es bereuen würde, würde er Riv kennenlernen.«

Damit hat er recht.

Ich wende mich an Josiah. »Jedenfalls danke für die Hilfe. Ich weiß, dass du verabredet bist, und will dich nicht länger aufhalten.« Ich biete ihm wirklich einen Ausweg an und hoffe, er nimmt ihn, bevor Mav noch etwas richtig Peinliches sagt.

»Echt kein Problem. Wir sehen uns am Mittwoch?«

»Klar.« Ich nicke.

»Nett, dich kennenzulernen, Maverick.«

»Ebenso.« Er wartet, bis Josiah weg ist. »Sieh einer an! Gleich am ersten Tag neue Freunde. Stell ihn bloß deinem brutalen Zwillingsbruder nicht vor, dann ist alles okay.«

»Ich weiß nicht, was schlimmer ist, das letzte Jahr zu Hause oder jetzt mit euch beiden zusammenzuwohnen.«

Während River in Chicago war und auf dem Campus gewohnt hat, wo buchstäblich jeder ist, den wir kennen, musste ich bei meinen Eltern in Lake Geneva bleiben und ein allgemeines Jahr am örtlichen College absolvieren. Rückblickend war es wohl der richtige Schritt für mich. Hat es genervt, all das nicht mitzubekommen, was geschieht, wenn man weg von zu Hause ist? Und war es schwer zu ertragen, dass beinahe mein gesamtes Netzwerk an Freunden und Cousins dort draußen war? Oh ja. Doch es war auch schön, nicht mehr mit meinen überbeschützenden Brüdern zusammen zu sein. Ich hatte sogar einen Freund, den niemand gedroht hat umzubringen. Es war eine Erfahrung, die ich gebraucht und gewollt habe. Die Beziehung hielt nur ein paar Monate, aber wir haben viel herumexperimentiert, weil er sein eigenes Zimmer auf dem Campus hatte.

»Wenigstens hast du jetzt ein wenig Freiheit.« Mav wirft mir die Autoschlüssel zu. Sie fallen zu Boden, weil ich sie nicht sehen kann, und meine Fangkünste sind auch an einem guten Tag mit Brille zweifelhaft.

»Ich kann ohne Brille nicht fahren, Mav.« Ich zeige auf mein Gesicht und steche mir beinahe ins Auge.

»Oh Mist, richtig.« Er beugt sich hinunter, um sie aufzuheben. »Hmm, ich habe in zehn Minuten Unterricht. Ich könnte dich danach fahren.«

»Weißt du was? Ist schon okay. Ich gehe zu Fuß.«

»Ich fahre sie.« Kodiaks tiefe Stimme sorgt dafür, dass sich die Härchen auf meinen Armen aufrichten.

»Sieh mal, perfekt. Danke, K.« Mav grinst unschuldig und klopft Kodiak auf den Rücken, hängt sich den Rucksack über die Schulter und geht davon.

»Du musst mich nicht nach Hause fahren. Ich habe wahrscheinlich eine Ersatzbrille im Handschuhfach«, murmle ich. Bestimmt bin ich rot wie eine Tomate. Die Demütigung vom letzten Mal, als ich allein mit ihm war, kommt zurück, so wie Blut aus einer frischen Wunde strömt.

»Du musst trotzdem wissen, wo der Wagen geparkt ist.« Er ist so nah, dass das Atmen schwerfällt.

Ich bin froh, dass ich ihn nicht richtig sehen kann. Ich will ihm sagen, dass er mich mal kann, aber die Worte bleiben mir im Hals stecken. So war das nicht immer. Lange Zeit war Kodiak mein Schutzraum. Wir haben uns alles erzählt. Ich dachte, er wäre mein Seelenverwandter – bis ich alles kaputtgemacht und ihn dazu gebracht habe, mich zu hassen, und dann hat er dafür gesorgt, dass ich ihn ebenfalls hasse.

»Gehen wir. Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.«

Ich muss praktisch rennen, um mit seinen langen Schritten mitzuhalten.

Ich möchte gern was Freches erwidern, aber als ich das letzte Mal mit Kodiak gesprochen habe, war das Ergebnis alles andere als wünschenswert, weshalb ich lieber meinen Mund halte. Abgesehen davon besteht eine gute Chance, dass ich genauso über meine Worte wie über meine Füße stolpere.

Vor Frust und Verlegenheit treten mir Tränen in die Augen. Ich fühle mich dumm. Ungeschickt. Unerwünscht. Wie eine Nervensäge. Mädchen flüstern seinen Namen, als wir an ihnen vorbeigehen, und eine beginnt neben ihm herzugehen und stellt ihm Fragen wegen einer Party am Freitag.

Er beachtet sie kaum, unnahbar wie immer.

»Wer ist deine Freundin?«, fragt sie.

Ich schaue sie weder an noch reagiere ich in irgendeiner Weise darauf, dass über mich gesprochen wird.

»Niemand, der dich was angeht. Wir sehen uns am Freitag auf der Party.« Er schnipst in meine Richtung mit den Fingern, als wäre ich ein Hund. »Komm schon, ein bisschen schneller.«

Ich folge ihm mit zusammengebissenen Zähnen über den Parkplatz und kämpfe gegen das Bedürfnis an, zu schreien oder zu weinen. Es ist so demütigend.

Mein Wagen piept, und ich gehe rasch zur Beifahrerseite, aber Kodiak hat nur die Fahrerseite geöffnet, weshalb ich zweimal an der Tür ziehe und dann warten muss, bis ihm der Sinn danach steht, erneut auf den Knopf zu drücken.

»Bitte mach, dass hier irgendwo eine Brille ist.« Ich lasse mich auf den Beifahrersitz gleiten und klappe das Handschuhfach auf, nehme Betriebsanleitung und Versicherungsschein heraus in der Hoffnung, irgendwas zu finden. Sogar ein altes Paar mit falschen Gläsern wäre willkommen. Oder vergessene Kontaktlinsen.

Kodiak öffnet die Fahrertür und beugt sich vor, um den Schlüssel ins Zündschloss zu stecken und die Fenster herunterzufahren, bevor er die Tür wieder schließt und sich dagegenlehnt, um mit noch einem Mädchen zu sprechen.

Plötzlich wird es laut in meinem Wagen. Es ist aber keine Musik. Es ist eins meiner Audiobücher. Dazu noch ein schmutziges. Und es ist auch noch mitten in einem besonders versauten Kapitel. Denn das habe ich gestern Abend gehört, als ich ins Bett gegangen bin, und mein Telefon synchronisiert sich automatisch mit der Musikanlage.

Manche Leute lesen Bücher oder hören Musik, bevor sie ins Bett gehen. Ich höre erotische Bücher. Es ist viel besser als Pornografie. Die Typen sind immer superaufmerksam, und die Frauen haben sieben Millionen Orgasmen. Und der Held ist sehr gut in Oralsex. Es ist die beste Fantasie. Nur habe ich gestern Abend ein neues Genre ausprobiert: umgekehrter Harem. Es hatte was von Frauenpower, was verlockend klingt, wenn man ich ist – also, nicht das mit dem umgekehrten Harem, sondern das mit der Frauenpower.

»Willst du unsere Schwänze reiten, Schätzchen?«, dröhnt eine sehr sexy, raue Stimme durch meine Musikanlage. »Beide Schwänze?«

»Oh mein Gott.« Ich suche panisch nach meinem Telefon, doch es fällt herunter und rutscht unter den Sitz. Natürlich. Ich schlage blind auf das Armaturenbrett, um den Lautstärkeregler zu finden, aber anstatt leiser stelle ich genau in dem Moment lauter, als eine plastisch geschilderte Penetration stattfindet.

Schließlich treffe ich den Lautstärkeregler und regle das verdammte Ding runter, doch es ist zu spät. Jeder im Umkreis von einer Meile hat die Pornoliteratur gehört. Ich würde am liebsten im Erdboden versinken. Ich rutsche tiefer in den Sitz und verstecke mich hinter meinem Haar, während sich das Gelächter draußen vor dem Wagen wie Nadeln auf meiner Haut anfühlt.

Es ist wie damals als Kind – mitten auf dem Spielplatz stehend, während sich irgendjemand über mich lustig macht und mich seltsam nennt. Wieso redet sie so leise? Alle schauen mich an. Und lachen. Bis River eingreift. Oder Kodiak, bevor er anfing, mich zu hassen.

Allerdings ist River nicht da. Und Kodiak kann mich nicht einmal anschauen. Warum er angeboten hat, mich nach Hause zu fahren, ist ebenfalls die Frage. Außer, er sucht nur eine Gelegenheit, um mich zu quälen.

Ich bin knallrot im Gesicht. Mein Körper bricht in kalten Schweiß aus. Ich kann nicht aus dem Wagen aussteigen, nicht mit den ganzen Leuten um uns herum. Es gibt mir das Gefühl, in der Falle zu sitzen, und ich hasse es.

Kodiak öffnet schließlich die Fahrertür. »Hast du deine Ersatzbrille gefunden?«

Ich schüttle den Kopf, ohne ihn anzusehen.

»Ist das ein Nein?«

Ich presse die Lippen aufeinander und sage nichts.

Kodiak seufzt. »Ich muss sie hier nach Hause bringen. Bis Freitag.«

Er steigt ein und knallt die Tür zu. Er justiert die Spiegel, und plötzlich wird mir bewusst, wie nah er ist. Ein paar Dinge haben sich in den letzten beiden Jahren nicht geändert: gleiches Deo, gleiches Duschgel, gleiches Eau de Cologne, gleiches Shampoo, gleiches Arschloch.

Meine Augen brennen von den aufsteigenden Tränen, doch ich weigere mich, ihnen freien Lauf zu lassen. Ich werde Kodiak nicht die Genugtuung geben, mich je wieder weinen zu sehen. Ich hasse ihn so sehr für so viele Dinge, aber diese unnötige Demütigung steht im Augenblick im Vordergrund, gleich gefolgt von dem, was er vor zwei Jahren zu mir gesagt hat.

»Mir war nicht klar, dass du auf Gruppensex stehst.« Seine Stimme klingt teilnahmslos.

Ich habe nicht vor, etwas zu sagen. Nur atmen.

»Ist es das, was du und die ganzen Theaterfuzzis backstage machen? Ihr findet ein hübsches Plätzchen hinter den Vorhängen und treibt es ordentlich miteinander?«

Ich will etwas Verletzendes sagen, so etwas in der Art, dass es mich schon überraschen würde, dass das nicht sein Ding sei, weil sein Dad doch Spaß an Dreiern hatte, als er in Kodiaks Alter war. Allerdings kenne ich Kodiaks Dad nur als netten Kerl, und er scheint nicht der Typ zu sein, der gleich zwei Mädchen in einer Badewanne vögelt. Obwohl es ein wirklich sehr altes Video im Internet gibt, das genau das zeigt.

Es gibt auch tausend Fotos von meinem Dad mit seiner Zunge im Mund verschiedener Frauen. Doch anscheinend hat er nicht mit den ganzen Puckbunnys geschlafen, sondern nur in aller Öffentlichkeit mit ihnen rumgeknutscht. Meiner Mom eingeschlossen. Einen berühmten Elternteil zu haben, kann echt nervig sein, und aufschlussreicher, als einem lieb ist.

Meine Kehle ist wie zugeschnürt, und ich würde höchstens ein schwaches Krächzen herausbringen, wenn überhaupt. Also balle ich stattdessen die Fäuste, um nicht herumzufuchteln, und versuche, mich nicht auf Kodiaks verletzende Worte oder die Erinnerungen, die seine Nähe weckt, zu fixieren.

»Du hast für jeden Worte, nur nicht für mich?«, bemerkt er spöttisch.

Ich starre geradeaus, nicht bereit, in dieses schreckliche, schöne Gesicht zu schauen. Ich wäge meine Worte ab, bevor ich spreche, und versuche, mich innerlich zu stählen, damit nicht nur ein schwaches Flüstern herauskommt. »Wieso sollte ich mit dir reden, wenn du meine Worte zu etwas Hässlichem verdrehst?«

»Lebst du noch immer in der Vergangenheit?« Tiefe Gefühle verbergen sich hinter seinem Zorn, ein Schwanken in seiner Stimme, das ich wiedererkenne: Angst.

Ich lasse die Worte, die ich auf der Zunge habe, dort wie bittere Pillen und frage schließlich: »Wieso tust du das?«

»Um dich daran zu erinnern, dass sich nichts geändert hat, Lavender«, bringt er mühsam heraus.

Der Junge, den ich einmal geliebt habe, hätte mich nie bloßgestellt oder so herablassend mit mir geredet. Und sein Verhalten beweist, dass das, was vor zwei Jahren passiert ist, kein Fehler war. Er wollte mir damals wehtun, und er will es auch jetzt.

Er fährt in die Auffahrt, und ich zerre am Türgriff, aber die Tür geht nicht auf, weil noch immer die Kindersicherung aktiviert ist. »Ich hasse dich.« Ich spucke die Worte aus wie Nägel.

Er beugt sich über die Mittelkonsole, bis er ganz nah ist, sein Gesicht erkennbar und schön und so scheußlich in seiner Perfektion. Seine hellgrünen Augen brennen vor Gefühlen, die ich nicht verstehe, und die Goldsprenkel sind wie gebrochenes Licht. »Ich glaube das nicht. Sonst wärst du nicht in diesen Wagen mit mir gestiegen.«

Ich kann seinen feuchten, nach Minze riechenden Atem auf meinen Lippen spüren.

Er legt den Arm auf meine Sitzlehne und streichelt mit den Fingerspitzen meinen Nacken. Ich zucke zurück und schlage seine Hand weg.

Kodiak runzelt die Stirn, packt mich am Handgelenk und biegt meine Finger auf.

Es gefällt mir nicht, wie mein Körper auf diese Berührung reagiert, als mir ein Schauer über den Rücken läuft, unangenehm und prickelnd zugleich.

»Was soll das?« Er dreht meine Hand um, sodass ich sehen kann, was er tut. »Du hast dich wirklich nicht verändert, oder?« Etwas in seiner Stimme ist merkwürdig, ohne es genau benennen zu können – vielleicht weil er mich berührt, und ich hasse es genauso, wie ich mich danach sehne.

Vier halbmondförmige Wunden sind in meiner Handfläche, und ich bin aufs Neue höchst beschämt, dass dünne Rinnsale Blut aus den frischen Schnitten sickern. Ich reiße meine Hand weg. »Lass mich raus.« Es ist kaum ein Flüstern.

»Lavender.« Seine Stimme klingt bestürzt.

Schließlich finde ich vor lauter Zorn meine Stimme wieder. »Lass mich raus. Sofort.«

»Ich hätte es wissen müssen«, knurrt er und drückt auf den Türknopf.

Ich reiße die Tür auf, klettere hinaus und hänge mir den Rucksack über die Schulter.

Kodiak stellt den Motor ab und steigt aus, wobei er meinen Namen ruft.

Ich zeige ihm den Mittelfinger, ohne mich umzuschauen. Er verdient meine Worte nicht.

3

Zu weit gegangen

Kodiak

Gegenwart, 21 Jahre alt

Lavender steigt die Stufen zur vorderen Veranda hinauf, tippt den Code ein und verschwindet im Haus. Die Tür fällt hinter ihr zu.

Sie hinterlässt eine Blutspur am Türknauf.

Ich blicke auf meinen Handrücken, der ebenfalls blutverschmiert ist. Es erinnert mich an unsere Kindheit, was mir Bauchschmerzen bereitet.

Anstatt mich normal zu verhalten, habe ich sie gedemütigt. Wieder einmal.

Diesmal sogar öffentlich.

Und sie hat ihre Wut an sich selbst ausgelassen.

Nichts ändert sich bei Lavender. Obwohl das nicht ganz stimmt. Sie ist jedenfalls kein linkischer Teenager mehr. Das ist nicht zu übersehen.

Ich reibe mir das Gesicht und wäge meine Optionen ab. Ich wusste, dass das kommen würde. Kurz vor der Highschool ist meine Familie auf die andere Seite des Landes gezogen. Seit einem halben Jahrzehnt vermeide ich es so gut wie möglich, Lavender zu treffen. Es war leichter, als wir nicht in derselben Straße gewohnt haben, nicht auf dasselbe College gegangen sind. Und ich bin gut damit klargekommen, bis sie vor zwei Jahren in den Ferien betrunken und wie eine verdammte Wonder Woman aufgetaucht ist.

Damals dachte ich, ich käme klar damit, sie nach Jahren wiederzusehen. Offensichtlich lag ich damit falsch. Das letzte Mal, als ich sie getroffen hatte – vor dem Wonder-Woman-Fiasko – war sie noch in der Mittelschule und ich kurz davor, mit der Highschool zu beginnen. Zwischen zwölf und siebzehn ändert sich eine Menge, und auf Lavender traf das ganz besonders zu.

Es war mein einziger echter Ausrutscher in all den Jahren. Aber ich habe mich nie komplett davon erholt – wenn man bedenkt, dass ich sie nach Hause gefahren und ihr ein mieses Gefühl gegeben habe, weil ich meinen Mund nicht halten konnte.

Jahrelang ist es mir gelungen, bei Treffen mit den Waters’ etwas Wichtiges vorzuschieben. Ich habe vor Angst geweint, habe nicht an Abendessen/Familientreffen/Feiern teilgenommen und meiner Mutter erzählt, ich müsse lernen oder ein Essay schreiben. Ich habe Möglichkeiten gefunden, Zeit mit Maverick zu verbringen, ohne Lavender sehen zu müssen. Es war besser so – für uns beide, doch vor allem für sie.

Meine Mom wusste, dass etwas anderes dahintersteckte. Sie weiß es immer. Und weil alle glauben, Lavender sei zerbrechlich wie Glas, lässt sie es mir durchgehen. Bis vor zwei Jahren. Die Folge davon war eine Abwärtsspirale, aus der herauszukommen Monate dauerte. Zum Glück war ich bereits im College, weg von zu Hause, wo ich mich die meiste Zeit unbeobachtet von den Eltern in Selbsthass ergehen konnte.

Lavender aus dem Weg zu gehen ist aber nicht mehr möglich. Nicht, seit sie im selben Haus wie mein bester Freund wohnt und nicht mehr bei ihren Eltern.

Ich bin mit der Zeit etwas zufriedener und sicherer geworden, was meine Selbstkontrolle betrifft. Allerdings ist der heutige Tag eine Erinnerung daran, womit ich es zu tun habe, und das macht mich wütend. Ich brauche diesen Schwachsinn nicht – ihre Schwäche, ihre Abhängigkeit von allen um sie herum.

Jedes Mal, wenn ich mich umdrehe, wird sie da sein, mit diesen blauen Augen und diesem Schmollmund. Eine fortwährende Erinnerung daran, wie gründlich ich es vermasselt habe. Es ist ein Albtraum.

Ich wette, River ist der Grund dafür, dass sie hier ist. Ich weiß, dass Zwillinge eine besondere Beziehung zueinander haben, aber so, wie er mit ihr umgeht, grenzt es an Borderlinesyndrom – mehr noch als zwischen ihr und mir. Und das war schon ziemlich verkorkst.

Ich habe nicht die Energie für noch mehr Lavender, also nehme ich meine Hockeyausrüstung aus dem Kofferraum ihres Wagens und stecke die Schlüssel durch den Briefschlitz. Dann gehe ich zu mir, was nur drei Häuser weiter ist, wo ich mit Quinn Romero, einem Mitglied meines Hockeyteams, und BJ Ballistic zusammenwohne. Unsere Väter sind schon unser ganzes Leben befreundet, und es war sinnvoll, zusammenzulegen und ein Haus für uns zu kaufen, während wir hier wohnen.

Sie haben eine Weile im selben NHL-Team gespielt, und nachdem sie ihre Laufbahn beendet hatten, haben sie eine Stiftung gegründet – ein Hockeytrainingsprogramm, das teilweise die Kosten für Kids übernimmt, die ansonsten nicht bei Wettkämpfen mitspielen könnten. Hockey ist teuer und zeitintensiv.

Als ich hineingehe, lümmelt Liam, einer der Butterson-Zwillinge und Mavericks älterer Cousin, in einem Gaming-Stuhl, einen Ohrstöpsel lose herunterhängend, und klimpert mit einem Satz Metallringe herum – entweder ein Knobelspiel oder Sexspielzeug, wer weiß. Er wohnt ein paar Blocks weiter mit seinem Zwillingsbruder Lane, aber er verbringt viel Zeit mit Quinn, was erklärt, weshalb er hier ist. BJ, auch bekannt als Randy Ballistic Jr., döst im Liegesessel, eine Hand im Schritt.

Quinn sitzt auf dem Sofa und zockt ein Videospiel mit einem blonden Mädchen, das ich noch nie bei ihm gesehen habe. Er versucht, sich gerade über eine besonders schmerzhafte Trennung hinwegzutrösten, zumindest nach dem, was ich gesehen habe. Das Mädchen hat ein Paar knappe Shorts und ein bauchfreies Oberteil an. So wie ihre Nippel jeden begrüßen, trägt sie keinen BH. Eine Reihe von Knutschflecken schmückt ihren Hals wie eine kaputte Kette. Sie blickt von ihrem Handy auf, und die Kinnlade klappt ihr herunter. »Oh mein Gott! Kody Bowman! Du bist ja echt heiß!«

Quinn hält das Spiel an und schenkt ihr einen Blick, bei dem die meisten Leute tot umfallen würden. »Könntest du vielleicht nicht ganz so demoralisierend sein?«

»Herrje. Ist nur ’ne Feststellung.« Sie zieht ein Gesicht, als könnte sie nicht glauben, dass ihn die Bemerkung nervt.

»Du hast es erst vor ’ner halben Stunde mit mir gemacht. Warte also bitte ein paar Stunden, bevor du dich an meinen Mitbewohner ranwirfst.« Es klingt teils scherzhaft und teils ernst.

Liam gibt ein Geräusch von sich, als wartete er darauf, dass es eskaliert.