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Fesselnd, erotisch, magisch – das neue Romantasy-Highlight aus den USA
Sie sind die Ikati, wunderschöne Gestaltwandler, die im Verborgenen leben, um der Verfolgung durch die Menschen zu entgehen. Loyalität bedeutet den Ikati alles, Verrat wird schwer bestraft. Weil sie genau das getan hat, muss Morgan eine gefährliche Mission antreten: Sie soll den Feind ausspionieren. Begleitet wird sie von Xander, der dafür zu sorgen hat, dass Morgan ihre Aufgabe auch erfüllt – notfalls mit Gewalt. Doch die beiden haben nicht mit der alles verzehrenden Leidenschaft gerechnet, die sie ineinander entfachen ...
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Seitenzahl: 617
Veröffentlichungsjahr: 2014
J.T. Geissinger
NACHTJÄGER
DIE VERRÄTERIN
Roman
Deutsche Erstausgabe
WILHELM HEYNE VERLAG
MÜNCHEN
Titel der amerikanischen Originalausgabe
EDGEOFOBLIVION
Deutsche Übersetzung von Franziska Heel
Deutsche Erstausgabe 03/2014
Redaktion: Elly Bösl
Copyright © 2012 by J.T. Geissinger, Inc.
Copyright © 2014 der deutschsprachigen Ausgabe und der
Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München
Umsetzung eBook: Greiner & Reichel, Köln
ISBN: 978-3-641-11316-2
Für Jay, meinen Mann, Freund,
Geschäftspartner und Vertrauten.
Der schönste Moment des Tages ist am Morgen,
wenn ich die Augen öffne und
dich neben mir sehe.
Welches Urteil sprecht ihr über jenen, der, so auch
rechtschaffen im Fleische, dennoch ein Dieb ist im Geiste?
Welche Strafe verhängt ihr über jenen, der im Fleische
erschlägt und doch selber im Geiste erschlagen ist?
Und wie verfolgt ihr jenen, der ein Betrüger und
Unterdrücker ist in der Tat,
und doch selber gröblich beleidigt und gekränkt ist?
Und wie straft ihr jene, deren Reue allein schon größer ist
als ihre Missetaten?
Khalil Gibran
Prolog
Früher einmal waren wir Götter.
Vor vielen Jahrhunderten, als es auf der Erde noch idyllisch war und bevor der Mensch und seine furchtbaren, alles verzehrenden Zivilisationen Fuß fassten, herrschten wir über die anderen Wesen im tiefen, jungfräulichen Herzen Äquatorialafrikas. Göttlich und strahlend, die Fülle und Herrlichkeit unserer vielen Gaben in vollen Zügen genießend, nannten wir uns Ikati, weil es unsere kraftvolle Vollkommenheit, unsere katzenhafte, geschmeidige Anmut sowie unsere kluge und tödliche Macht am besten beschrieb.
Wir lebten, liebten und zogen unsere Kinder groß, neben dem klaren, schimmernden Wasser des Kongo, unter der nährenden Sonne, dem endlos blauen Himmel und dem üppigen, kühlen Schatten der Baobab-Bäume. Wir trugen Kronen aus Gold, Granat und Tansanit, wir liefen nackt durch die unzerstörte Natur und kannten kein Schamgefühl. Wir verehrten unsere Toten, wir jagten unser Essen und schliefen in den dicken, gebogenen Ästen der Akazien und der Elefantenbäume. Von einer Generation zur nächsten reichten wir die Geschichten unserer glorreichen Vergangenheit weiter. Wir feierten unsere Mutter Erde und ihre große Macht. Und alles war vollkommen.
Doch die Zeit ist ein gnadenloser Räuber, selbst für Wesen, die so gesegnet sind wie wir. Langsam begannen sich die Dinge zu ändern.
Eindringlinge kamen. Ungeschickte, hässliche, zweibeinige Monster kamen mit Speeren, um unsere Herzen zu durchbohren. Sie kamen mit Pfeilen, um in unsere Körper einzudringen. Sie brachten Feuer, um unsere Behausungen niederzubrennen. Sie schlichen sich durch unsere Wälder und wilderten in unseren Jagdgebieten. Sie vergifteten unsere Flüsse und fingen unsere Kinder, unsere Alten, unsere Schwachen. Wir kämpften gegen unsere Feinde. Es blieb uns nichts anderes übrig. Jahr um Jahr kämpften wir, es waren Jahrzehnte des Krieges, des Blutes, des Todes. Manche Schlacht wurde gewonnen, doch schon in der nächsten Generation brach eine neue aus. Es gab so viele von unseren Feinden und so wenige von uns. Mit der Zeit wurde unsere Zahl immer geringer, und unsere Feinde gewannen die Oberhand.
Wir mussten das tun, was alle anderen Wesen auch tun müssen: Wir passten uns an, um zu überleben.
Wir lernten, wie sich die Menschen verhielten. Wir benutzten ihre Sprache. Wir trugen ihre Kleidung, säten ihre Samen an, bauten ihre Häuser aus Lehm und Gras, später aus Holz und Ziegel – so wie sie. Wir lernten, unser wahres Wesen zu verstecken. Nur so gelang es uns, allmählich wieder stärker zu werden.
Im Verborgenen. Lautlos und heimlich. Mit einem brennenden Hass in unserem Herzen.
Eines Tages tauchte eine andere Art von Mensch auf – ein Mann ohne Speer oder Schwert, ein Mann mit offenen Armen und einer sanften Stimme, der behauptete, unser Freund zu sein. Er bot uns einen Waffenstillstand an und wollte, dass wir zu den Flüssen, den Bergen und den grünen, unberührten Wäldern zurückkehrten, die immer schon uns gehört hatten. Vertraut mir, sagte der Mann. Wir waren den Krieg und das Blutvergießen so leid, dass wir es taten.
Für lange Zeit war diese Vereinbarung gut, und unsere Spezies florierte von Neuem. Unsere Kinder und die der Menschen wuchsen gemeinsam auf. Unsere Sippen lebten miteinander. Da wir schön und begabt und im Gegensatz zu den Menschen nicht allein auf eine Körpergestalt beschränkt waren, sondern wandelbar und anpassungsfähig sein konnten, begannen uns die zweibeinigen Eindringlinge als die Götter zu verehren, die wir waren. Man brachte uns Opfer dar, man errichtete Statuen aus Gold, aus Ebenholz und Stein, man erbaute Tempel – am berühmtesten sind noch immer jene Tempel mit den Sphinxen. Man verehrte uns auf viele Weisen. Wir vereinten uns sogar mit unseren früheren Feinden und brachten Halbblütler zur Welt – Nachfahren, die eines Tages vielleicht ebenso begabt und gesegnet sein würden wie die Reinblütler. Oder vielleicht auch nicht.
Eine Königin entstand aus einer solchen Vereinigung. Sie hieß Kleopatra, was übersetzt »Ruhm ihres Vaters« bedeutet. Ihr Vater war ein Ikati, einer der Unseren. Schöner, klüger und sinnlicher als wir alle zusammen herrschte sie über Imperien, verführte, brach Herzen und brachte einen Mann dazu, sich gegen seinen eigenen König zu stellen. Damit besiegelte sie unser Schicksal.
Der Plan schlug fehl. Die Königin und ihr Geliebter starben. Wieder wurden die Ikati gejagt. Wieder wurden wir gehasst. Wir wurden aus unserer Heimat vertrieben und beinahe ausgelöscht.
Die wenigen, die übrig blieben, erinnerten sich daran, wie sie gelebt hatten, ehe die menschliche Pest uns heimgesucht hatte, ehe wir durch geschickte Täuschungsmanöver geblendet und unseres Glanzes beraubt worden waren. Sie vereinbarten, wieder mitzuspielen, vorzugeben zu lügen, um zu überleben. Sie flohen aus ihrem geliebten Afrika und fanden andere Orte in der Welt, wo sie in kleinen Wäldern in der Stille und im Geheimen, fern von bösen Augen, existieren konnten.
Äonen sind seither vergangen. Noch immer leben wir im Geheimen – durch Ehre, Verrat und gnadenlose Gesetze aneinander gebunden, die uns vor der größten Bedrohung retten sollen, die es für uns gibt: dem Vergessen.
Ihr habt uns unser Königreich des Friedens und der Vollkommenheit gestohlen, ihr begehrlichen, ehrgeizigen, verräterischen Menschen. Obwohl wir lernten, neben euch zu existieren, obwohl wir wissen, wie wir überleben, obwohl wir vielleicht lächeln und nicken, wenn ihr an uns auf der Straße vorübergeht, sind wir stets – stets – bereit, euch das Herz aus dem Leib zu reißen.
Nehmt euch also in Acht.
Bescheinigung der Ratsresolution Nr. 218.4.9
Datum: 12. Juli 20…
Betreff: Gesetzliche Verfügung über Morgan Marlena Montgomery, ordentliches Ratsmitglied der Kolonie von Sommerley, Hampshire/Großbritannien – beschuldigt des Hochverrats, der Mittäterschaft und weiterer Vergehen
BESCHLUSSDERHINRICHTUNG
In Erwägung nachstehender Gründe wurde das oben genannte Ratsmitglied folgender Verbrechen angeklagt und für schuldig befunden:
HochverratMittäterschaftVorsätzliche KörperverletzungHassdelikteSchwere KörperverletzungTerrorismusIn Einbeziehung aller Gründe sind die aufgeführten Verbrechen einzeln oder in ihrer Gesamtheit nach dem Gesetz und seiner Anwendung mit dem Tode zu bestrafen.
Dementsprechend halten wir, die unterzeichnenden Ratsmitglieder, die Angeklagte einstimmig für schuldig im Sinne der Anklage.
Es ergeht folgendes Urteil: Die Beschuldigte wird mit dem Tode bestraft, der unverzüglich nach der Aufzeichnung und Unterzeichnung dieses Dokuments erfolgen soll.
In Anwesenheit von Zeugen unterzeichne ich mit meinem Namen und dem Siegel des Rats am 12. Juli 20…
Edward Viscount Weymouth
Hüter der Geschlechter
1
Hastig eilte Nathaniel die schmale, hölzerne Wendeltreppe zu den Zellen in den Keller hinab. In einer Hand hielt er eine große Taschenlampe, in der anderen einen elektrischen Viehtreiber.
Es war kalt, feucht und so dunkel, dass der gelbe Strahl der Taschenlampe kaum die Schwärze zu durchdringen vermochte. Die Treppe war vor langer Zeit errichtet worden – annähernd zwei Dutzend Generationen von Alphas und ihre Familien hatten seitdem das Herrenhaus bewohnt. Die Stufen knarzten laut unter seinen Füßen. Seine Schritte wirbelten Staubwolken auf und störten kleine, unsichtbare Tiere, die hastig in den Spalten der mit Moos und Feuchtigkeit überzogenen Steinmauern verschwanden. Spinnweben strichen wie bleiche Gespenster über seine Wangen. Irgendwo in der Ferne – vielleicht tief unten – hörte er das gedämpfte Murmeln von plätscherndem Wasser.
Beinahe verlor er auf einer unebenen Stufe das Gleichgewicht. Nervös strich er sich eine braune Locke aus dem Gesicht und hielt einen Moment lang inne. Er hatte diese Aufgabe nicht übernehmen wollen. Tatsächlich hasste er es, so etwas tun zu müssen. Doch da er erst an diesem Tag ausgewählt worden war, den leeren Sitz im Rat einzunehmen, war er nicht in der Position gewesen abzulehnen. Er musste das Ganze einfach so schnell wie möglich hinter sich bringen und dann die schreckliche Geschichte vergessen. Etwas anderes blieb ihm gar nicht übrig.
Er hasste Hinrichtungen. Das Blut. Die Schreie. Die kalten, ausdruckslosen Gesichter derjenigen, die sich zusammenfanden, um dem Ganzen beizuwohnen. Es war ein notwendiges Übel, aber er wünschte sich, dass man für sie eine Ausnahme gemacht hätte.
Nicht dass er das Ganze infrage gestellt hätte. Das hätte er niemals gewagt.
Am Fußende der Treppe blieb er erneut stehen und schnitt eine angewiderte Grimasse. Hier unten roch es nach Rost, Fäulnis und etwas Saurem, zutiefst Unangenehmem – etwas, das er lieber nicht genauer analysieren wollte. Seine Taschenlampe erhellte einen langen, primitiven Raum mit einem festgetretenen Erdboden, einer rauen Steindecke und einer Reihe fensterloser Holztüren auf beiden Seiten des Gangs, die mit schweren Schlössern versehen waren.
Sein Herz schlug schneller. Die Verbrecher, Geächteten und Deserteure des Clans waren stets hier eingesperrt gewesen, tief in den Katakomben des Herrenhauses, weit unten im Keller, wo niemand ihre Schreie hören konnte. Zitternd stellte sich Nathaniel vor, wie das leiser werdende Echo dieser Schreie von den Wänden widerhallte.
Er ging zur dritten Tür auf der rechten Seite und blieb davor stehen. Angestrengt lauschte er, ob etwas in dem Raum dahinter zu hören war. Doch dort herrschte völlige Stille. Er warf einen Blick auf die Treppe und nahm dann den Griff der Taschenlampe in den Mund, um ihn mit seinen Zähnen festzuhalten, während er nach dem Bund verrosteter alter Schlüssel griff, der an seinem Gürtel hing. Es dauerte eine Weile, bis er den richtigen gefunden hatte. Langsam schob er ihn ins Schloss und sperrte auf. Er zuckte zusammen, als er das Knirschen des Metalls vernahm.
Einen Moment lang überlegte er, ob es klug gewesen war, allein hier herunterzukommen. Er wusste, dass es sich um eine Prüfung handelte, und er wollte den anderen beweisen, dass er es wert war, zum Ratsmitglied ernannt worden zu sein. Doch dieser Ort jagte ihm immer wieder kalte Schauder über den Rücken, und er hatte keine Ahnung, was auf der anderen Seite der Tür auf ihn wartete. Vielleicht war sie bereits tot?
Oder schlimmer: wütend.
Er stieß die Tür auf, und sie schwang mit einem langen, unheimlichen Ächzen ihrer rostigen Angeln zur Seite. Nathaniel spannte die Muskeln an. Er wartete auf eine Bewegung oder ein Geräusch, doch da war nichts. Hastig nahm er die Taschenlampe wieder in die Hand und hielt den elektrischen Viehtreiber wie ein Kruzifix, mit dem man böse Geister vertreibt, vor sich, ehe er vorsichtig die Zelle betrat.
Eine tote Ratte lag mit aufgerissenem Bauch neben einem Haufen stinkenden Strohs vor einer Steinmauer. Das Tier hatte das Maul auf, sein Fell war starr vor getrocknetem Blut. Neben der Tür stand ein Eimer mit abgestandenem Wasser und ein Teller mit Essen, das nicht angerührt worden war. Auf dem Heuhaufen lag eine schmutzige Wolldecke. Es herrschte völlige Stille, und Nathaniel konnte seinen Atem als weiße Wolke vor sich sehen. War das die richtige Zelle?
Er stieß mit dem Viehtreiber gegen die Tür, sodass diese noch weiter aufschwang. Dann vernahm er ein so grauenerregendes Geräusch, dass sich ihm die Haare aufstellten.
Es war ein leises, durchdringendes Knurren aus der hinteren Ecke der Zelle. Dort war es so dunkel, dass er nichts erkennen konnte. Das Knurren klang aggressiv und warnend – ein Geräusch, das er überall wiedererkannt hätte. Auf einmal sah er zwei grüne, mandelförmige Augen, die ihn aus der Dunkelheit heraus anstarrten.
Es waren wunderschöne Raubtieraugen – gefährlich und gnadenlos.
Er hatte also doch die richtige Zelle erwischt.
»Morgan«, flüsterte Nathaniel und zwang sich dazu, nicht von der Stelle zu weichen, auch wenn er sich am liebsten umgedreht hätte und geflohen wäre. Er räusperte sich und richtete sich etwas auf. »Morgan«, wiederholte er, diesmal ein wenig entschlossener, auch wenn noch das Zögern in seiner Stimme zu hören war. »Es ist so weit.«
Das Knurren wurde tiefer und klang wie der Warnlaut eines Raubtiers der Urzeit. Die Augen blinzelten kein einziges Mal.
Nathaniel spürte, wie das Raubtier in ihm aufhorchte, die Krallen ausfuhr und das Fell sträubte. Er holte tief Luft, um sich zu beruhigen. Das wäre keine Lösung, und wahrscheinlich müsste er eine solche Auseinandersetzung mit dem Tod bezahlen. Sie war die Stärkere, die Erfahrenere und die wesentlich Gefährlichere.
Er klammerte sich regelrecht an den elektrischen Viehtreiber, während er mit dem Daumen einen kleinen Schalter umlegte. Den Strahl der Taschenlampe richtete er auf den Boden. Das Licht tauchte die Wände und die Decke in goldbraune Schatten.
»Es tut mir leid«, fügte er hinzu, wobei er versuchte, so gelassen wie möglich zu klingen, was ihm sehr schwerfiel. »Du weißt, dass es nicht meine Entscheidung war. Du weißt doch auch, dass unser Gesetz nichts anderes zulässt.«
In das tiefe Knurren und Fauchen mischte sich ein hellerer Ton, der so klang, als ob sie ihm zustimmte. Er vermochte ein wenig leichter zu atmen und fühlte sich nicht mehr ganz so verängstigt. Vorsichtig wich er über den unebenen Boden zurück, wobei er die Tür offen ließ und sich bemühte, keine plötzlichen Bewegungen zu machen, sondern ihr so viel Raum wie möglich zu lassen. Den elektrischen Viehtreiber hielt er noch immer ausgestreckt vor sich. Er musste den Blick nicht erst von diesen glühenden smaragdgrünen Augen abwenden, um zu wissen, wie heftig seine Hand zitterte.
»Ich werde jetzt hier stehen bleiben und warten, Morgan – gleich hier, wo du mich gut sehen kannst. Und wenn du so weit bist, dann komm raus. Aber lass dir ruhig Zeit.« Bitte, bitte, ich will nicht hereinkommen und dich holen müssen. Ich habe mich letzten Monat verlobt und bin erst einundzwanzig … »Wenn du so weit bist, lass es mich wissen. Ich warte währenddessen.«
Vorsichtshalber redete er nicht weiter, um nicht noch törichter zu klingen. Er wich noch ein paar Schritte zurück, bis er sich in sicherer Entfernung in der Nähe der Treppe befand. Nach einem Moment wurde das Knurren zu einem schlecht gelaunten Murren und dann zu einem verächtlichen Schnauben, ehe nichts mehr zu hören war.
Nathaniel wartete bewegungslos. Es kam ihm so vor, als würde es eine halbe Ewigkeit dauern, während er die Ohren spitzte und auf das leiseste Geräusch einer Bewegung wartete. Seine Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Er hoffte inbrünstig, dass Leander und die restlichen Ratsmitglieder inzwischen eingesehen hatten, wie dumm ihre Entscheidung gewesen war, und Hilfe zu ihm herunterschickten. Plötzlich wurde der kalte, dunkle Gang des Gefängnisses von einem angenehmen elektrischen Surren erfüllt, das sich wie eine warme Honigwelle über ihm ausbreitete. Die Luft roch jetzt nach Parfüm und fühlte sich wunderbar wohlig an.
Mein Gott, sie war mächtig. Zu spüren, wie sie sich verwandelte, gab ihm das Gefühl, in der Nähe eines Blitzeinschlags zu stehen – genauso elektrisierend, genauso gefährlich. Sie roch nach etwas Warmem, Sinnlichem – wie Ahornsirup oder brauner Zucker, nur noch dunkler und edler. So ganz anders als seine Verlobte, die nach Flieder und Rosenwasser duftete und stets etwas mädchenhaft Süßes ausstrahlte …
»Nathaniel«, schnurrte eine Stimme, die weiblich und sanft klang, so dunkel und verführerisch wie ihr Duft. Sie jagte ihm eine Gänsehaut über den Rücken. In der Zelle war eine Bewegung zu spüren. Geräuschlos glitt eine Gestalt durch den dunklen Raum. Sie bewegte sich mit einer angeborenen Anmut und geschmeidigen Eleganz. Am Türrahmen erschien eine Hand und dann ein Gesicht, das wie aus dem Nichts auftauchte: hochgezogene Augenbrauen, riesige Mandelaugen und schöne, volle Lippen, die ein kleines Lächeln andeuteten, von dem er nicht sagen konnte, ob es traurig oder verächtlich wirkte. Sie trat aus der Zelle in den gelben Lichtstrahl seiner Taschenlampe. Nathaniel vermochte nicht, einen Laut der Verblüffung zu unterdrücken, als er sie sah.
Sie war nackt. Unglaublich, vollkommen, nackt.
Er vermochte nicht mehr klar zu denken. Der Viehtreiber in seiner Hand sank nach unten. Er wollte ein paar verwirrte Worte von sich geben, doch Erstaunen und Lust verschlugen ihm die Sprache: wunderschön, üppig, kurvenreich, seidenweich, schlank, süß, sanft, Begierde, ja, Begierde …
»Nathaniel«, sagte sie erneut und schien sich über seine unverhohlene Bewunderung zu amüsieren. »Der Williams-Junge. Ich erinnere mich an dich.« Ihr Blick wanderte über seine Gestalt und strahlte ein Interesse aus, das ihm peinlich war. Dann lächelte sie. »Du bist erwachsen geworden.«
Er konnte immer noch nichts sagen. Auch zusammenhängend zu denken schien ihm auf einmal unmöglich zu sein.
»Ich habe leider keine Kleider«, fuhr Morgan fort und wies mit einer gemächlichen, eleganten Bewegung auf ihre spektakuläre Nacktheit. Er versuchte stammelnd zu antworten, doch sie achtete nicht darauf, was er sagen wollte. »Wärst du ein Schatz und würdest mir etwas Hübsches für meine Hinrichtung heraussuchen lassen?«
Der große Saal von Sommerley war voller Leute. Es war laut und heiß. Die hohen, mit Blei eingefassten Fenster an der westlichen Wand standen weit offen und ließen die nach Heide duftende Luft eines englischen Sommers auf dem Land herein. Eine schwache Brise spielte mit den elfenbeinfarbenen Seidenvorhängen, half aber nicht, die vielen Körper zu kühlen, die sich Schulter an Schulter in dem großen, vergoldeten Raum aneinanderdrängten.
Obwohl alle Bewohner der Kolonie dem Geschehen beiwohnen wollten, war das nicht möglich gewesen. Es gab einfach nicht genügend Platz. Der Rat hatte also beschlossen, die Plätze auszulosen. Die Gruppe aus fünfzehn Männern war ausgesprochen zufrieden mit der positiven Reaktion der Menge auf die Demonstration künstlicher Demokratie. Die Mitglieder saßen selbstzufrieden und herausgeputzt auf einem erhöhten Podium im vorderen Teil des Saals hinter einem langen Eichentisch, der von einem dunkelgrauen Leinenstoff bedeckt war. Immer wieder nickten sie der Menge zu und murmelten einander selbstgefällig Glückwünsche zu.
In der Mitte des großen Raumes stand ein hoher, unheimlich aussehender Apparat auf einem Gerüst. Die Maschine bestand aus blutrotem Holz, schimmerndem Metall und scharfen, schräg verlaufenden Klingen. Sie war aus einem Schuppen hinter dem Herrenhaus herausgeholt worden, wo früher einmal der Jagdaufseher seine Gerätschaften aufbewahrt hatte. Jetzt befand sich dort eine Sammlung makabrer Gegenstände, Folterbänke, Brecheisen, Sägen und Garrotten, die nicht selten gebraucht wurden. Neben dem Apparat befand sich jetzt ein Scharfrichter, der eine große Kapuze trug und schweigend darauf wartete, seines Amtes walten zu können.
Obwohl die Ikati in vielerlei Hinsicht durchaus im einundzwanzigsten Jahrhundert lebten, hatten sich ihre Seelen und ihre Traditionen seit Jahrtausenden nicht verändert. Ebenso wenig war das Gesetz den modernen Zeiten angepasst worden, und auch die Bestrafungen für diejenigen, die es brachen, waren noch immer die gleichen.
Konspiration mit dem Feind war für die Ikati noch immer ein Verbrechen, das die härteste Strafe von allen nach sich zog.
Neben dem Podest der Ratsmitglieder stand ein weiteres, auf dem sich zwei üppig verzierte Mahagonistühle mit großen Kissen befanden. Dort saß ein Mann, der höchst attraktiv war und etwas Löwenartiges besaß. Mit Raubtieraugen und ebenso schwarzen Haaren wie der Rest seiner Spezies beobachtete er schweigend die Menge. Seine Haltung wirkte entspannt. Nur der Zeigefinger seiner gebräunten rechten Hand klopfte unruhig auf die schimmernde Armlehne seines Throns und verriet seine innere Zerrissenheit. Der Thron neben ihm, auf den er immer wieder einen raschen Blick warf, war leer.
Seine Frau hatte sich geweigert, an dem Ereignis teilzunehmen.
Alle wussten, dass die neue Königin und die Verräterin, auf die die aufgeregte Menge wartete, einander nahegestanden hatten. Für die Königin war der Verrat besonders schwer zu ertragen gewesen.
Ebenso bekannt war die Tatsache, dass es die Königin bisher abgelehnt hatte, sich einzumischen oder auch nur mitzuteilen, was ihrer Meinung nach im Namen der Gerechtigkeit zu geschehen hatte. Dieses Schweigen galt allgemein als eindeutiges Zeichen ihrer Zustimmung, obwohl sie das Recht und die Autorität besessen hätte, genau das zu tun, was sie wollte – selbst wenn es sich um eine vollständige Begnadigung handelte.
Sie allein befand sich außerhalb des Gesetzes, das den Rest ihrer Spezies so gnadenlos beherrschte. Sie allein war souverän und stand in der Hierarchie sogar über ihrem Mann, dem Alpha, dem Mächtigsten der Kolonie. Im Gegensatz zu den anderen konnte sie bleiben oder gehen, ganz wie sie wollte. Wenn es ihr in den Sinn gekommen wäre, hätte sie nackt auf dem beleuchteten Ball tanzen können, der immer zu Silvester auf dem Times Square in New York das neue Jahr einläutete. Sie kam aus der Welt außerhalb von Sommerley und besaß die Freiheit, wieder dorthin zurückzukehren. Stattdessen hatte sie sich jedoch entschlossen, im Geheimen zu leben, mit ihrem Clan und ihrem schönen Mann, der jetzt der Hinrichtung zusehen musste, die er zwar abgesegnet hatte, an der er aber nicht teilnehmen wollte.
Da die Königin den Entschluss gefasst hatte zu bleiben, wurde sie von ihrem Volk zutiefst verehrt, und weil sie sich nicht in die Geschäfte des Rats einzumischen schien, hatte auch dieser – obgleich unwillig – begonnen, ihr seinen Respekt zu zollen.
Mit einer langsamen, majestätischen Bewegung, die sogleich die Menge zum Verstummen brachte, öffnete sich die Doppeltür aus Elfenbein und Goldblatt am anderen Ende des großen Saals. Alle wandten den Blick in diese Richtung und hielten den Atem an.
Bis Morgan schließlich sah, was sie erwartete, hatte sie gehofft, auf diesen Moment vorbereitet zu sein. Törichterweise hatte sie geglaubt, dass alles rasch und relativ schmerzlos über die Bühne ginge: die Guillotine oder das Enthaupten durch ein Schwert oder vielleicht auch ein Exekutionskommando. Etwas, das sie mit Würde ertragen konnte, wobei diese Würde ihrer Psyche mehr abverlangen würde als ihrem Körper. Etwas Poetisches, Tragisches oder morbide Elegantes.
Wie falsch sie doch gelegen hatte. Wie naiv sie gewesen war.
Das Ganze würde nicht rasch vorbei sein. Diese Leute gierten nach viel mehr als nach ihrem Blut: Sie wollten sie demütigen, sie wollten an ihr ein Exempel statuieren. Sie wollten ein Spektakel. Sie wollten ein Drama.
Der schreckliche Apparat, die aufgebrachte, fauchende Menge. Ihr Herz verkrampfte sich in der Brust. In der Luft lag so viel Hass und Blutdurst, dass sie kaum zu atmen vermochte, ohne das Gefühl zu haben zu ersticken. Aus dem hinteren Teil des Saals hörte sie, wie jemand »Verräterin!« rief. Die Menge begann zu johlen und ebenfalls im Chor zu brüllen, während sie mit den Füßen aufstampfte.
Sie betete, dass sie nicht zu früh zusammenbrechen und der Menge die Befriedigung geben würde, erleben zu dürfen, wie sie um Gnade flehte. In all den Wochen der Einzelhaft, der Entbehrungen und der Brutalität, denen sie in der Zelle ausgesetzt war, hatte sie es geschafft, nicht klein beizugeben.
Aber das hier …
Sie schluckte. Ihre Hände zitterten, und sie kämpfte gegen das Tier in sich an, das vor Angst zu fauchen begann. Ein Schrei stieg in ihrem Hals auf, während sie innerlich immer wieder die Worte wiederholte, die alles beinhalteten, woran sie glaubte – alles, nach dem sie sich so verzweifelt gesehnt hatte. Ihr lebenslanger Traum, der sich jetzt in eine Prophezeiung und in einen Fluch verwandelt hatte.
In Freiheit leben oder sterben.
Entweder das eine oder das andere. Sie hatte sich vor langer Zeit entschieden.
Sie war nicht dazu geboren worden, sich zu verstecken. Sie war nicht dazu geboren worden, zahm und gefügig wie ein domestiziertes Tier zu leben, angekettet wie ein Hofhund. Sie hatte nie ganz dazu gepasst, selbst als Kind hatte sie sich immer danach gesehnt, mehr zu haben, obwohl sie nie ganz genau wusste, was sie damit meinte.
In Freiheit leben oder sterben.
Nun waren die Würfel gefallen.
Nathaniel folgte zögernd einige Schritte hinter ihr, den elektrischen Viehtreiber noch immer in der Hand. Sie schritt mit erhobenem Kopf durch die Menge, wobei sie ihre zitternden Hände in den Falten ihres Kleids verbarg. Den Blick hielt sie auf das Podest und die Gruppe aufmerksamer, wartender Männer gerichtet.
»Unglaublich«, hörte Leander eines der Ratsmitglieder leise vor sich hinmurmeln. Er drehte nicht den Kopf, um zu sehen, wer es war. Sein Blick war zu aufmerksam auf Morgan gerichtet.
Sie war dünner geworden – eindeutig dünner und blasser, was jedoch weder ihrer Schönheit noch ihrer sinnlichen, magnetischen Anziehungskraft Abbruch getan hatte. Er beobachtete, wie ihr die Männer, Frauen und Kinder gleichermaßen mit offenen Mündern und gierigen Blicken folgten. Obwohl ihre ganze Spezies so schön war, dass Schönheit an sich nicht mehr zählte, war sie doch strahlender als alle anderen.
Irgendwie war es ihr wie immer gelungen, etwas Glamouröses und Dramatisches zu tragen, obwohl sie seit beinahe vier Wochen mit nichts anderem als blutigen Fetzen am Leib in der Zelle gesessen hatte. Jetzt trug sie ein schlichtes, ernstes schwarzes Kleid, das jedoch wie ein Stück Haute Couture aussah: ein langes, ärmelloses Seidenkleid, das nur eine Schulter bedeckte und ihre geschmeidigen Kurven wie verzauberte Spinnweben umgab. An den Füßen hatte sie hochhackige Silbersandalen, und ihre schweren ebenholzschwarzen Haare waren lässig und damit umso stilvoller hochgesteckt. Selbst so schmucklos und ohne Make-up, selbst als Ausgestoßene, die verachtet von allen auf ihren schrecklichen, einsamen Tod zuschritt, war Morgan noch immer zutiefst eindrucksvoll.
Leander konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Sie erinnerte ihn zu sehr an seine Frau.
Stolz. Königlich. Eine geborene Kämpferin.
Er hatte sie im Grunde bisher noch nie richtig angesehen. Jedenfalls nicht so – wie eine Fremde, die man zum ersten Mal in seinem Leben erblickte. Schließlich waren sie gemeinsam aufgewachsen. Er hatte sie stets für ihre Leidenschaft, ihre Intelligenz und für ihren Ehrgeiz, dort Erfolg zu haben, wo andere Frauen vor ihr gescheitert waren, bewundert. Sie war die erste Frau gewesen, die in den Rat einer Kolonie gewählt worden war, die erste, die sich in einen Kampf stürzte, die erste, die sich ernsthaft gegen ihre vorgesehene Rolle als Ehefrau und Mutter aufgelehnt hatte. Sie hätte ihn sicherlich eingeschüchtert, wenn er nicht der Alpha und damit immun gegen solche Gefühle gewesen wäre.
Aber du bist der Alpha, zischte das Tier in ihm wütend, das sich sogleich erhob. Und sie hat beinahe deine Schwester umgebracht. Sie hat beinahe deine Frau getötet. Sie hat euch alle betrogen.
Sein Lächeln verschwand. Er lehnte sich auf dem weichen Kissen seines riesigen Throns aus Holz zurück, holte tief Luft und wartete darauf, dass die Hinrichtung begann.
»Morgan Marlena Montgomery«, sprach Viscount Weymouth über die erhobenen Stimmen hinweg und starrte durch die Brille, die auf seiner Adlernase saß. Er genoss es, der Zeremonienmeister dieser Hinrichtung sein zu dürfen, denn schließlich war er es gewesen, den sie hatte umbringen wollen. Die Tatsache, dass es ihr nicht gelungen war, machte für ihn in diesem Moment keinen Unterschied. »Tochter von Malcolm und Elizabeth, ehemaliges Mitglied dieses Rats – verstehst du, wessen du angeklagt worden bist?«
Morgan stand mit gesenktem Kopf vor dem Podest, die Hände vor dem Bauch gefaltet. Sie war ausgesprochen ernst. Die johlende Menge wurde schlagartig still, und selbst die Brise, die durch die offenen Fenster hereinkam, schien einen Moment lang innezuhalten. Langsam hob Morgan den Kopf und sah den Viscount mit einem ruhigen und direkten Blick an. Die Sonnenstrahlen, die den Raum erhellten, spielten mit ihren Haaren und ließen ihren Kopf rostrot und bronzefarben schimmern. Fast wirkte es so, als würde sie eine Feenkrone aus Licht tragen, und einen Augenblick lang sah sie wie eine Madonna von Michelangelo aus – rein und unschuldig. Sie erinnerte nicht mehr im Geringsten an die verräterische Schlange, die sie in Wirklichkeit war, wie der Viscount wusste.
»Das tue ich«, antwortete sie leise, aber mit klarer, deutlicher Stimme. »Und ich nehme den Entschluss des Rats an.«
Der Viscount schnaubte unzufrieden. Sie wirkte so gar nicht verängstigt. Nun, egal. Sie würde schon sehr bald von der furchterregenden Maschine in angemessene Angst versetzt werden. Sehr bald. Da war er sich sicher. Er wollte sie ihrer Kleidung berauben, ihr die Haare scheren lassen und wie einen gerupften Truthahn auf die Todesmaschine schicken. Er wollte sie der Menge überlassen, damit sie ihren Stolz verlor, bevor er befahl, sie auf den Furiant zu binden, seinem Favoriten unter den Folterinstrumenten – genannt nach dem böhmischen Volkstanz, der sich durch ein wildes Wirbeln und schnelle Taktwechsel auszeichnete.
Bald, versprach er sich erneut, wobei ihm vor Vorfreude beinahe der Speichel im Mund zusammenlief. Schon bald werde ich dich nackt und flehend sehen, du hinterhältige Hexe. Er klappte die dicke Akte, die vor ihm lag, auf, befeuchtete die Lippen mit der Zunge und senkte den Blick.
»Dann verurteilen wir dich nach einstimmiger Entscheidung dieses Rats«, las er, wobei seine sonore Stimme bis in die hinterste Ecke des Saals reichte, in dem nun völlige Stille herrschte, »zu …«
»Wartet.«
Die Stimme hinter ihm ließ ihn aufhorchen. Sie klang klar und selbstbewusst, und der amerikanische Akzent war auch aus diesem einen Wort deutlich herauszuhören. Der Viscount drehte sich überrascht um und starrte ebenso wie alle anderen Anwesenden auf die Frau, die so unerwartet und plötzlich neben dem leeren Thron aufgetaucht war. Sie war in ihrer Blässe wunderschön, das hellste Wesen im Raum, mit goldenen Haaren und in einem elfenbeinfarbenen Satinkleid, das beinahe den gleichen Ton wie ihre Haut besaß. Sie stand wie ein schimmernder Opal inmitten eines Meeres aus schwarzen Perlen.
Er betrachtete ihr ernstes Gesicht und bemerkte den entschlossenen Zug um ihren Mund. Sein Herz setzte einen Schlag aus.
»Königliche Hoheit«, murmelte er und erhob sich, um sich vor ihr zu verbeugen. Die Männer zu beiden Seiten standen ebenfalls auf und verbeugten sich. Die Menge tat es ihnen in völliger Stille nach. Als ob die Luft von Elektrizität erfüllt wäre, stieg die Spannung im Saal noch mehr an.
Leander erhob sich ebenfalls und nahm die Hand seiner Frau. Mit fragend hochgezogenen Augenbrauen beugte er sich herab und presste seine Lippen auf ihre Finger. Als er sich wieder aufrichtete, sah sie ihn durchdringend an und ließ dann ihre Hand in der seinen, um sich dem Saal zuzuwenden.
»Ich habe eine Idee«, erklärte die Königin.
Viscount Weymouth begann, unter dem gestärkten weißen Kragen seines Hemds zu schwitzen.
2
Morgan hatte Schwierigkeiten, sich daran zu erinnern, wie man atmete.
»Und auf diese Weise«, schloss die Königin gelassen, während sie die verblüfften Ratsmitglieder musterte, »können wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Um es einmal so auszudrücken.«
Dieser Äußerung folgte – völlige Stille.
Sie hatten sich in die Ostbibliothek zurückgezogen, einem kleineren, wenn auch nicht weniger imposanten Raum als der Saal, den sie gerade verlassen hatten. Überall standen wertvolle Antiquitäten und tickende Uhren. Auf dem Boden lagen weiche orientalische Teppiche, und an der Decke hing ein riesiger Kristallleuchter, an dem sich das Licht brach und über den schimmernden Mahagonitisch und die schweigende Gruppe aus neunzehn Leuten tanzte, die um ihn Platz genommen hatten.
Sechzehn Ratsmitglieder, ein Alpha, eine Königin und sie. Die Verräterin.
Die Verräterin, der die Königin gerade eine Rettungsleine zugeworfen hatte, so dünn diese auch sein mochte.
Morgan versuchte ruhig zu bleiben, auch wenn sie kaum an sich halten konnte. Sie richtete den Blick auf die Hügel, die hinter den offen stehenden Fenstern lagen. Dort sah sie braunen Erdboden, durchzogen von smaragdgrünen Feldern, im Wind nickende Wildblumen und viele Meilen Wald, der so dicht war, dass nur wenige Sonnenstrahlen den stillen Boden durch das Dach aus Ästen zu erreichen vermochten. Ein hellgrünes Licht erfüllte den Wald, konnte aber nie ganz die kühle Dunkelheit durchbrechen.
Der Fluss Avon durchschnitt das schwarze Zentrum und mäanderte über viele Kilometer hinweg durch die Landschaft. Türkisfarbene Libellen schossen über seine Oberfläche, duftende Piniennadeln und zarte Goldruten schwammen auf seinen kristallklaren Wellen, während unten über das Kiesbett Regenbogenforellen glitten. An einem klaren Tag wie diesem wusste Morgan, dass man problemlos bis auf den Grund sehen konnte, wo die schwankenden Moosranken zwischen glatten, dunklen Steinen herausragten und kleine Fische und Kaulquappen vorbeischossen. Als Kind hatte sie viele Stunden damit zugebracht, den New Forest zu erkunden. Tage, ja Monate ihres Lebens war sie dort gewesen. Die Erinnerung daran schmeckte bitter in ihrem Mund. Höchstwahrscheinlich würde sie den Wald nie wiedersehen können.
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