Namibia - Zilli Quest - E-Book

Namibia E-Book

Zilli Quest

4,9

Beschreibung

Namibia ist ein Land voller Kontraste. Menschen in Namibia engagieren sich für eine bessere Zukunft. Auch im internationalen Engagement tut sich viel zwischen den Völkern. Mutter und Tochter erkunden das auf einer Reise. Sie gestalten dabei auch ihr Verhältnis zwischen Alt und Jung neu. Wie glücklich und aufregend das sein kann, davon will dieser Reisebericht einen kleinen Eindruck geben.

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Gewidmet meiner Tochter Nora,

die zu dieser Reise den entscheidenden Anstoß

gegeben hat

Inhaltsverzeichnis

Nach Namibia? Zuerst „lieber nicht“, dann aber...

...erreicht unser Flieger frühmorgens Windhoek

Umsorgt im Frauenprojekt Penduka in Katatura

Treffen mit der Weltfrau Patricia

Kolonialisten mit afrikanischen Augen betrachtet

Swakopmund lockt mit Meer und Wüste

Township Mondesa – ein Blick hinter die Kulissen

Swakopmund lässt uns nicht los

Vom Wüstenelefanten, dem intelligenten Wesen

Die Wüste wartet mit ihren Geheimnissen auf

Unsere Fahrt in die Wildnis beginnt

Jahrtausende alte Tiermalereien in Twyfelfontain

Damara wehren sich gegen den Verlust ihrer Kultur

Hunger bestimmt das Leben im „Steinernen Wald“

Der Vet-Zaun riegelt nach wie vor den Norden ab

Ein Riesenelefant versetzt uns in Angst und Schrecken

Ein Unglück kommt selten allein

Unverzagt geht es weiter zu den Epupa-Falls

Subtropische Umgebung am Kunene-Fluß tut gut

Wir besuchen ein Dorf der Himba - ein Hirtenvolk

Fröhliches Treiben am Fluss

Abenteuerliche Rafting-Tour bei den Krokodilen

Unsere Rückfahrt durchs sonntägliche Kaokoveld

Durch das vibrierende Ovamboland

Wilde Tierherden versperren uns den Weg

Auf Pirsch im Ethosha-Park

Zurück unter Freunden

Im Eiltempo durch Windhoek

Letzte wichtige Eindrücke in Katatura

Erneut in fürsorglicher Obhut nach Südwestler-Art

Spannende Fragen bleiben – wie wird die Zukunft sie beantworten

Quellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser, dieser Reisebericht ist von etwas anderer Art.

Meine 25jährige Tochter Nora äußerte den Wunsch, mit ihrer Mama, 65 Jahre alt, nach Namibia zu fahren um Land und Leute kennenzulernen. Diese Initiative hat mich tief berührt, wird doch heute zwischen Jung und Alt vor allem der Gegensatz betont. Mutter und Tochter erleben also gemeinsam Namibia.

Sie erfahren, was alles so passiert, wenn zwei Frauen zwei Wochen lang mit einem gemieteten Kombi 3.500 km durch Namibia fahren. Route, Übernachtung, Essen und Führungen – alles war von Anfang bis Ende selbst organisiert. Das war nicht nur aufregend und manchmal auch abenteuerlich, sondern brachte uns ständig in Kontakt mit den Menschen.

Diese Kontakte waren uns besonders wichtig. Wir wollten von den Menschen, die wir auf unserer Reise trafen, über ihr Leben, ihre Ansichten, ihren Kampf ums tägliche Brot erfahren. Einen Schwerpunkt unserer Gespräche bildete die Lage der Frauen in Beruf und Familie. Alle Gespräche gelangen in englischer Sprache.

Dieser Reisebericht beruht also auf persönlichem Erleben und Gesprächen und lenkt die dabei erhaltenen Informationen auf die Lage im Land.

Liebe Leserin, lieber Leser, diese Privatreise nach Namibia geht auf mein Interesse zurück, über das Leben der Frauen in Namibia mehr zu erfahren und mich für die Rechte der Frauen einzusetzen. Ich unterstütze auf das Wärmste die Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen, die zuletzt 2016 in Nepal stattfand. Wir trafen die beiden Weltfrauen, die Namibia auf dieser Konferenz vertraten. Ich bin auch im Frauenverband Courage auf örtlicher Ebene in Bochum aktiv. Im Quellenverzeichnis finden Sie mehr Informationen dazu.

Natürlich verarbeitet dieser Bericht auch unsere Erfahrungen mit Natur und Tieren in Namibia. Eine frei lebende Tierwelt zu erleben ist ein riesiges Erlebnis. Manchmal bekamen wir es auch richtig mit der Angst zu tun.

Zusammen mit Namibias Menschen hoffe ich auf eine positive Zukunft für die Bevölkerung, die Natur und die Tierwelt.

Mein besonderer Dank gilt meiner Tochter Nora, die diese Erfahrungen durch ihre Begleitung, ihre unerschrockene, positive Haltung und durch ihre Neugier verbunden mit dem Vertrauen in die internationale Solidarität erst ermöglicht hat.

Unseren Männern, Thomas und Sascha, gilt mein Dank für ihr unverwüstliches Vertrauen in uns.

Monika Gärtner-Engel als Koordinatorin der Weltfrauenkonferenz und den Courage-Frauen gilt mein Dank, mich durch die Adressen der Weltfrauen unterstützt zu haben, damit die Begegnungen mit diesen bemerkenswerten Frauen Patricia und Katarina zustande kommen konnten.

Vor allem gilt meine tiefe Verbundenheit den unterschiedlichsten Menschen, denen wir begegnet sind und denen ich mit diesem Buch meine Anerkennung ausdrücken möchte.

Bochum, im März 2017

Zilli Quest

Nach Namibia? Zuerst „lieber nicht“, dann aber...

Im Herbst 2015 fassten meine Tochter Nora und ich den Entschluss zu einer Reise nach Afrika. Wir wollten den schwarzen Kontinent besser kennen und verstehen lernen. Unsere Männer Thomas und Sascha ließen sich von unserer Neugier nicht anstecken, also war klar, wir machen das allein.

Jetzt galt es, das geeignete Land südlich des Äquators auszuwählen – und das geschah quasi unter dem deutschen Weihnachtsbaum.

Nora schenkte mir aus der DuMont Bildatlas Reihe einen Bildband über Namibia. Als mir der Name Namibia zwischen dem Geschenkpapier entgegensprang, schüttelte es mich innerlich. Ich war von Entsetzen gepackt, war ich doch zuvor gerade erst im Spiegel online auf einen Artikel über die deutschtümlerischen Städte und die rückwärtsgewandte bis faschistische Denkweise der weißen Farmer gestoßen, die ihre schwarzen Arbeiter wie unmündige Kinder halten. Ich hatte von deutschen Ecken in Windhoek und vor allem in Swakopmund gelesen, wo sich die heutigen deutschen Nazis die Türklinke in die Hand geben, um sich faschistische Erinnerungsstücke wie Uniformen, Orden und Schriften zu beschaffen.

Bis zu besagtem Zeitpunkt war mir das Thema deutscher Kolonialismus noch nicht bewusst begegnet. Der Völkermord an den Herero und Nama durch die deutschen Kolonialisten war daraufhin für mich mit meinen nahezu 65 Jahren ein ganz neues Kapitel der Geschichte gewesen, mit dem ich mich beschäftigt hatte. Daher war Namibia nun gerade nicht das Land, in das ich reisen wollte.

Nora wiederum war enttäuscht über meine Reaktion. Zwei ihrer Schauspielkollegen in Weimar, Lutz und Bernd, hatten das Land bereits bereist und schwärmten geradezu davon. Nora argumentierte, dass ja auch bei uns Nazis und Reaktionäre lebten. Ich musste mich auch mit meiner in der deutschen Flüchtlingsfrage als richtig erachteten Forderung auseinandersetzen, dass sich jeder Mensch dort niederlassen können soll, wo er will, unabhängig von seiner Nationalität.

Dies zusammen veranlasste mich, den Bildband genauer zu betrachten – und ich hatte verloren. Professionellen Bildern von der Schönheit des Landes, den Natur- und Kulturschönheiten, den Menschen, den wilden Tieren gegenüber kann kaum einer bei der Auswahl als Reiseland widerstehen.

Ich stürzte mich also in ein genaueres Studium der Geschichte, der Reiseliteratur und im Februar war klar, unser Reiseziel würde Namibia sein.

...erreicht unser Flieger frühmorgens Windhoek

Am Abend meines 65. Geburtstags war es also soweit: unser Flugzeug hob um 20:10 Uhr in Frankfurt ab. Am Morgen des 7. Juli kamen wir um 5:30 Uhr in Windhoek im namibischen Winter an.

Wir mussten über das Rollfeld laufen, um die Abfertigungshalle zu erreichen. Die Visum-Beantragung geschah an Ort und Stelle ohne weitere Probleme. Auch der Geldumtausch und eine namibische Sim-Karte erforderten nur Geduld in langen Warteschlangen.

Unsere Abholung durch unseren Autovermieter Norbert von Pegasus-Car funktionierte ebenfalls reibungslos. Er holte gleichzeitig mit uns seine Tante mit deutschen Wurzeln, seit drei Generationen in Namibia lebend, ab, die bei ihrer Tochter in einem Dorf nahe Dortmund Urlaub gemacht hatte, aber heute in einem Altenheim in Swakopmund wohnt.

Zuvor hatte sie mit ihrem Mann eine Farm in Otjiwarongo, nördlich von Windhoek, betrieben. Als die Arbeit ihrem Mann zu anstrengend wurde, hatten sie die Farm verkauft und sich im kühleren Swakopmund zur Ruhe gesetzt. Jetzt ist ihr Mann bereits seit einigen Jahren tot, und sie lebt in Swakopmund in einem Altenheim, wo es „naua“ (schön, gut) ist.

Die etwa 40 minütige Fahrt vom Flughafen zum Grundstück von Norbert vergeht wie im Fluge. Wir bestaunen die afrikanische Farm-Landschaft mit den braunen Tafelbergen, die Buschlandschaft und geraten regelrecht in Verzückung, wenn wir einen Springbock sehen. Norbert warnt uns vor ihnen, denn sie können etwa zwei Meter über das Auto springen und hässliche Unfälle verursachen.

Die Fahrt ist auch wegen Norberts Redefluss so kurzweilig. Ihm geht der Gesprächsstoff nicht aus. In Windhoek führt er uns zunächst noch an den herausragenden Wahrzeichen der Stadt vorbei. Wir passieren die von Norbert und der Tante ehrfürchtig so bezeichnete Christuskirche, ein scheußliches Gemäuer in der Tradition schlechten deutschen Geschmacks.

Dann geht es vorbei am Office of the Prime Minister, einem riesigen Hügelkomplex mit dem State Office und dem dahinter angelegten riesigen Palace, dem neuen State House auf einem 26 ha großen Gelände, eingefasst in einen zwei Kilometer langen Stahlzaun. Es dient als Privatresidenz für den Präsidenten und seine Familie.

Norbert lässt seinem Widerwillen freien Lauf. In den 1960er Jahren wurde dieser riesige Komplex ausschließlich von den Nordkoreanern angelegt, ohne dass einheimische Namibier daran beteiligt wurden, berichtet er uns. Der Teil des State House dagegen wurde 2002 begonnen und erst 2010 eingeweiht. Es soll nach inoffiziellen Schätzungen zwischen 400 bis 600 Millionen N$ (ca. 28-42 Millionen Euro) gekostet haben. Für das neue State House waren wiederum nur die Chinesen zuständig und sie sollen auch die Kosten dafür getragen haben.

Es geht weiter vorbei am National Theater of Namibia sowie an der National Art Gallery.

Viel Wärme und Sympathie zeigt Norbert nun beim nächsten Objekt, der Turnhalle. Denn hier fanden ab 1973 nach dem Umbau des aus 1913 stammenden Gebäudes die sogenannten Turnhallenkonferenzen statt. Zweck dieser Vereinigungen von Kräften reaktionärer bis konservativer Gesinnung war die Verhinderung einer schwarzen Regierung unter der Swapo, was allerdings nicht gelungen ist, wie Norbert bedauernd darlegt. Es geht zum Tintenpalast, einem Gebäude, von dem aus vor der Unabhängigkeit die südafrikanische Apartheit-Administration das Zepter führte und in dem heute die Regierungsbürokratie ihren Platz gefunden hat. Wir sehen noch das Nationalmuseum, die im Volksmund nach ihrer Form benannte „Kaffeemaschine“.

Zur Situation der Bevölkerung und insbesondere der schwarzen Bevölkerung befragt, betont Norbert sehr bestimmt, „niemand muss in Namibia hungern“.

Nora ist inzwischen schon bedient und schläft. Es wird mir nicht deutlich, ob es der Müdigkeit der Flugnacht geschuldet ist oder dem Mix aus, wie Nora es nennt, Altherrenwitzen von Norbert und seiner hervorlugenden, kolonial geprägten Sichtweise.

Norbert besorgt nun Brötchen an einer Straßenbude. Bei ihm angekommen im vornehmen Stadtteil Olympia, mit Blick auf den gegenüberliegenden Präsidentenhügel, gibt es erst mal ein Frühstück. Brötchen, verschiedenen Wurstsorten, Honig und Kaffee wird zur unverdrossen weiter geführten Unterhaltung serviert. Zwischenzeitlich ist auch Uschi, seine freundliche Angestellte, eingetroffen, die beim Frühstück mit von der Partie ist.

Norbert erklärt, er wolle uns erst einmal von unserer Hektik herunterholen und auf das afrikanische Zeitgefühl einstimmen. Denn in Afrika habe man alle Zeit der Welt. Was man heute nicht schaffe, das mache man eben morgen. Inzwischen hat auch er Noras Widerwillen gespürt und versucht sie zu neutralisieren. Das gelingt ihm allerdings nicht. Nora zieht sich einfach in ihr Schneckenhaus zurück und schläft bei der ersten Gelegenheit einfach weiter vor sich hin.

Ich verfolge aufmerksam die Argumente und bin neugierig auf alles, was gesprochen wird. So verblüfft mich die Urteilsweise der Tante, die sich darüber empört, als ich bedauernd erzähle, wir wollten bei unserer Flugzeuglandung die Flugzeugdecken mitgehen lassen, um uns damit in unseren Schlafsäcken gegen die vorausgesagte nächtliche Kälte zu wappnen, nur gelang es uns leider nicht. Der Stuart achtete peinlichst darauf, dass alle Decken abgegeben wurden.

Norbert erzählt, er habe viele dieser Decken im Schuppen liegen. Er sieht es als ebenso selbstverständlich wie wir an, solche Decken mitzunehmen. Aber die Tante insistiert, das mache man nicht, das gehöre einem ja nicht.

Die erwartete Übergabe des Autos findet immer noch nicht statt. Norbert muss nun einen anderen Gast abholen und übergibt uns an Uschi. Sie soll mit uns zunächst das Vertragliche regeln.

Uschi klärt auf, dass trotz Vollkaskoversicherung beschädigte Reifen oder die Windschutzscheibe nicht abgedeckt sind. Sie geht mit mir unsere beabsichtigte Reiseroute durch, gibt uns eine Straßenkarte und zwei Reisebücher mit und empfiehlt immer wieder Unterkünfte und Verhaltensmaßnahmen. Vor allem warnt sie uns vor den vielfältigen Situationen, in die wir gegenüber der schwarzen Bevölkerung kommen können, die uns vielleicht ausrauben könnte. Wir sollen immer sogleich beim Einstieg alle Türen verriegeln.

Als Norbert bei seiner Rückkehr den anderen Kunden, einen deutschen Lehrer und seine heranwachsende Tochter, abgefertigt hat, der Lehrer hatte einige Jahre in Windhoek unterrichtet und wollte nun mit seiner Tochter durchs Land reisen, wendet er sich endlich uns zu.

Mein Kopf ist nun leider nicht mehr aufnahmebereit. Nach einer Nacht im Flugzeug und den stundenlagen Gesprächen mit für uns vielleicht wichtiger Informationsaufnahme passen die technischen Anweisungen kaum noch in meinen Kopf.

Da ist neben der technischen Funktionsweise und der Übergabe des Navi-Systems auch die Handhabung des Wagenhebers zu erklären, mir eh ein Ding mit sieben Siegeln, die Reservereifen, wo der Griff für den Benzintank oder die Motorhaube ist, was man machen muss, wenn die Fernbedienung an dieser und jener Tür versagt, das alles ist so schnell einfach nicht mehr in meiner begrenzten Hirnkapazität abrufbereit.

Noras jedoch kann alles schnell aufnehmen und bietet sich auch an, die erste Fahrt zu unserem Übernachtungsort Penduka zu übernehmen.

Ganz bedenkliche Gesichter machen nun Norbert und Uschi als sie hören, dass wir uns ausgerechnet Penduka in Katatura als erste Übernachtung ausgewählt haben, halten sich dann aber professionell zurück.

Uschi bemerkt lediglich, dass bereits andere Kunden dort übernachtet hätten, während Norbert feststellt: ihr wollt also gleich voll einsteigen?!

Penduka1 im Township Katatura am Goreangab Dam gelegen, ist ein bereits seit 25 Jahren bestehendes Frauenprojekt. Es enstand seinerzeit auf Initiative einer Namibierin und einer Niederländerin. Der Name Penduka heißt so viel wie „Wach auf“.

Zwar ist die Gleichberechtigung von Mann und Frau in der Verfassung festgeschrieben. Aber Papier ist geduldig und außerdem gibt es daneben gleichwertig das Gewohnheitsrecht für die verschiedenen Ethnien und das zementiert meist die Benachteiligung der Frau. So läuft zum Beispiel eine Frau, deren Mann stirbt, Gefahr, dass die Familie des Mannes die Frau und deren Kinder aus ihrer Hütte und von dem durch sie bis dahin bewirtschafteten Land vertreibt, weil das Erbe nach dem Tod an die Familie des Verstorbenen fällt.

Frauen haben es dann schwer, eine lebensauskömmliche Arbeit für sich und ihre Kinder zu finden. Die Initiative Penduka unterstützt insbesondere alleinerziehende oder auch behinderte Frauen aus dem Township Katatura.

Die Frauen werden ausgebildet, durch das Herstellen von besonderen landestypischen Erzeugnissen sich eine Lebensexistenz aufzubauen und in der Nähe ihrer Kinder zu bleiben.

Mehr als 500 Frauen konnte bisher bereits eine Ausbildung ermöglicht werden. Sie sollen in einer Art Dominoeffekt ihr Wissen weitergeben und unabhängige, selbstbewusste Frauen werden, die sich untereinander inspirieren, voneinander lernen sollen und ihre Bildung vervielfachen können.

Durch die hergestellten Produkte, die auch zum breiten Einsatz als Geschenkideen gedacht sind, soll sich das Haus weitgehend selbst tragen.

Neben den Häusern für die Werkstätten, in denen die Frauen arbeiten, das heißt töpfern, malen, sticken, nähen und färben, gibt es einige runde Hütten, in denen Touristen in malerischer Umgebung am See übernachten können oder sich sogar auch in den Projekten einbringen können. So man es denn wünscht, wird man von der Köchin Elisabeth auch hervorragend und mit viel Liebe verköstigt.

In der Vorbereitung der Reise wurde ich im Internet auf das Projekt aufmerksam. Es gefiel mir gleich so gut, dass es das einzige vorab gebuchte Etappenziel für Nora und mich wurde.

Allen Unkenrufen zum Trotz setzt Nora nun entschlossen das Auto in Bewegung und los geht es.

Umsorgt im Frauenprojekt Penduka in Katatura

Wir lassen uns vom angemieteten Navi durch Windhoek nach Penduka im Stadtteil Katatura führen.

Katatura, die Township von Windhoek, liegt etwa 10 Kilometer von Windhoek entfernt. Es ist der Stadtteil für die schwarze Bevölkerung der Hauptstadt. Hierher wurden in den 1950er Jahren im Zuge der Apartheidspolitik der Südafrikanischen Mandatsverwaltung die Schwarzen zwangsumgesiedelt trotz ihrer heftigen Gegenwehr, die einige Kämpfer sogar mit dem Tod bezahlen mussten.

Katatura heißt so viel wie „der Ort, wo wir nicht leben möchten“. Aber gefragt wurde die schwarze Bevölkerung ja nicht und die weißen Namibier Windhoeks fühlten sich so wohl sicherer.

Namibia ist ein Vielvölkerstaat. Die etwa 2,4 Millionen Bewohner Namibias setzen sich aus zwölf verschiedenen Ethnien zusammen, wovon vor allem die San (deren Gebiet wir nicht besucht haben) und die Himba noch archaischen Lebensformen verhaftet sind.

Namibias Staatshaushalt speist sich aus der Agrarwirtschaft (steht an erster Stelle), dann vom schnell wachsenden Tourismus, erst danach kommt der Bergbau mit 12% (die „global Player“ räumen die Reichtümer des Landes ab) mit Uran, Diamanten, Kupfer, Blei, Zinn u.a.

Die Arbeitslosigkeit ist hoch, sie lag 2014 bei 28,1 %2, hatte sich aber seit 2010 (51,2%) halbiert. 2010 lagen 28,7 %3 der Bevölkerung unter der Armutsgrenze.

Wir fahren kilometerweit die Independence Road entlang, die es sowohl in Windhoek wie auch nach einigen Zwischenstücken in Katatura gibt. Wesentlicher Unterschied ist, dass man in Katatura auf der Independence Road auch mit ein paar scharfkantigen Schlaglöchern konfrontiert wird.

Die Fahrt fordert Nora all ihr Können ab. Linksverkehr, Steuer, Blinker, Spiegel – alles seitenverkehrt und dazu noch Schlaglöcher in den Straßen und die lebhafte, fremde Umgebung mit schwarzen Menschenmassen, vor denen wir stets direkt oder indirekt als kriminelle Elemente gewarnt wurden.

Als wir endlich das Hinweis-Schild nach Penduka finden, geht es durch Niemandsland auf einem sandigen Pfad vorbei an ein paar Müllhaufen, bis wir vor einem verschlossenen Tor stehen, vor dem uns ein Pförtner nach unserem Anliegen befragt. Er findet unsere Namen nicht auf der Liste, nennt einen ähnlich klingenden wie Wrest. Das müssen wir sein. Als wir ihm erklären, dass wir zwar telefonisch gebucht haben, aber keine schriftliche Bestätigung erhalten haben, öffnet er das stabile Metall-Schiebe-Gitter.

Bei der Anmeldung in der „Reception“ ist Rica gleich im Bilde. Wir erhalten eine nette Rundhütte und sind von Lage und Aussicht begeistert. Das Areal mit verschiedenen Gebäuden von Penduka liegt am Goreangab Dam. Hinter dem See ragen die Berge hoch, es gibt eine nette Bootsanlegestelle, auf der sich eine Gruppe junger Erwachsener tummelt und wir sind begeistert von den exotischen Pflanzen und Vögeln. Leider ist das Wasser so verseucht, dass man nicht im See baden kann.

Unsere Hütte ist aber doch recht feucht-klamm und vor allem hat sie einen unangenehmen Geruch, etwa so wie Mottenkugeln riechen. Elisabeth kommt mit der Liste für Lunch und Dinner und fragt, ob wir bestellen wollen. Wir haben Hunger und wollen zwar, aber wir sind auch müde und brauchen dringend einen Mittagsschlaf. Elisabeth bietet an, uns zu wecken. Das geschieht auch kurz nach dem Einschlafen, denn die Regeln für die Mahlzeiten sind sehr fix.

Wir treffen auf der schönen Veranda über dem See beim Essen eine Gruppe von etwa zwölf jungen Belgiern sowie seitlich an einem Einzeltisch eine Frau mittleren Alters. Einer aus der Gruppe spricht uns an, ob wir bereits Würmer probiert hätten und bietet uns aus seiner Schüssel an. Ich wusste bereits aus meinen Reisevorbereitungen, dass die Mopane-Würmer sich großer Beliebtheit bei der schwarzen Bevölkerung erfreuen und wir waren natürlich neugierig, als sie uns nun angeboten wurden. Als wir dann aber dicke, fette Raupen mit gelben Flecken sahen, war unser Entdeckungsmut nach all den Anstrengungen des Tages nicht so weit ausgebildet, diese zu probieren. Es reichte gerade mal für ein Foto.

Ich fragte dann die Frau am Einzeltisch nach ihren Plänen. Es stellte sich heraus, dass es sich um eine in den Vierzigern befindliche Lehrerin aus Deutschland handelte, die für acht Monate ein Sabbatjahr genutzt hatte, im Norden Namibias in einem kleinen Ort die Kinder zu unterrichten. Der Unterricht sollte in englischer Sprache erfolgen, aber wie sich herausstellte, klappte das nicht. Denn die Kinder sprachen nur ihre Eingeborenensprache, Oshivambo, der deutschen Lehrerin wiederum stand diese Sprache nicht zur Verfügung.

Also hatte sie sich während ihres Aufenthalts auf den „nachhaltigeren“ Weg konzentriert, Lehrpläne und Unterrichtseinheiten für nachfolgende, jüngere Kollegen zu erstellen und fühlte, dass sie eine nützliche Arbeit geleistet hatte. Sie wollte ihre letzten beiden Tage vor ihrem Rückflug nach Deutschland hier in Penduka verbringen, und bedauerte schwermütig, dass ihre Zeit nun schon abgelaufen sei und das, obwohl sie kaum im Land herumgekommen war. Denn es gab nur einen Kollegen, der ein Auto hatte und auf den man angewiesen war, um von dem Ort wegzukommen.

Im Verlauf unserer Reise sollten wir noch häufiger auf sogenannte Volunteers stoßen, die sogar die Kosten selbst tragen, um in unterschiedlichsten Projekten dem Land ihre Hilfe anzubieten; ein wie wir finden, ermutigendes Beispiel internationaler Solidarität.

Nach dem Lunch kommen wir nun endlich zu der notwendigen Ruhepause und sortieren unsere Sachen neu.

Das Abendessen ist bereits für 17 Uhr angesetzt, weil dann die beschäftigten Frauen in Penduka zum Feierabend nach Hause fahren. Wir essen allein, denn außer uns scheinen alle ausgeflogen zu sein.

Wir bekommen ein halbes Hähnchen, an dem außer Sehnen und Haut kaum Fleisch zu finden ist, aber zubereitet in einer leckeren Soße mit Paprika-Stückchen und Zwiebeln gewürzt, eine Art würzig gekochter Spinat, nur ziemlich sandig und einen Hirsebrei aus feinem Mehl, dem sogenannten mealie-pap, der lediglich mit Wasser gekocht wird ohne jedes weitere Gewürz. Diesen Hirsebrei isst man zusammen mit den gewürzten und schmackhaft zubereiteten übrigen Speisen, so man sie sich denn leisten kann. Ansonsten essen die Eingeborenen den geschmacklosen Hirsebrei auch pur.

Treffen mit der Weltfrau Patricia

Nun gilt es, das erste Treffen mit einer uns emotional nahestehenden Person vorzubereiten, Patricia, einer Vertreterin der Namibian Rural Women’s Assembly (NRWA).4Wir selber kennen Patricia noch nicht persönlich, sondern wissen von ihr über die Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen in Nepal, die im März 2016 stattfand.

Diese 2. Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen5 hat sich zur Aufgabe gemacht, den Kampf um die Emanzipation der Frau weltweit zu koordinieren, voneinander zu lernen und sich gegenseitig zu unterstützen.

Aus Namibia haben zwei Delegierte an dieser Konferenz teilgenommen, Patricia, und Katarina (zu Katarina später in der Township Modesa bei Swakopmund mehr).

Dem Herangehen fühlen wir uns über die Kontinente verbunden, und so hatte ich mich im Vorfeld der Reise an beide gewandt und ein persönliches Treffen vorgeschlagen.

Ihre Adressen konnte ich mir bereits im Frühjahr von meinen Freundinnen aus unserem Frauenverband Courage6 beschaffen. Ein paar meiner Bochumer Freundinnen hatten an der Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen in Nepal im März 2016 teilgenommen und sie unterstützt.

Mit Patricia entwickelte sich sogleich ein reger Email-Austausch. Wir hatten uns für ein Treffen bei Penduka verabredet. Von Katarina hatte ich jedoch keine Antwort erhalten.

Wir unterrichten alle Personen in Penduka, die etwas zu sagen haben könnten und denen wir begegnen, davon, dass wir Besuch von Patricia, einer Vertreterin der „Namibian Rural Women’s Assembly“ (NRWA), erhalten sollen, auch und vor allem den Pförtner.