Nemesis - Jurek Martinsson - E-Book
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Nemesis E-Book

Jurek Martinsson

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Beschreibung

Ein Jahr nach dem desaströsen Zwischenfall auf dem Mars leidet die Erde noch immer unter dem Joch des ERA-Terrors. Als letzte Hoffnung der Konvergenz wird eine heikle Mission anberaunt, um den Erdwiderstand und dessen außerirdischen Kollaborateur auszuschalten. Kaum von ihren schweren Verletzungen erholt, wird Aida in das Ausbildungsprogramm des Konvergenz-Geheimdienstes aufgenommen. Bald steht sie der Aufgabe gegenüber, die Erde vor weiterem Terror zu bewahren und zusammen mit ihren Freunden für eine hoffnungsvolle Zukunft der Menschheit zu kämpfen. Das Doppelspiel zur Infiltration der ERA treibt Aida weit über ihre eigenen Grenzen hinaus, ihre Loyalität wird dabei auf eine harte Probe gestellt. Die Fortsetzung der Reihe REBEARTH führt spannungsgeladen weiter durch Aidas Geschichte und lässt nur wenig Spielraum zum durchatmen.

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Jurek Martinsson, Jahrgang 1975, IT-Mensch mit Hang zum Bergsport, Musik, Fotografie und Fachwerkgebastel, hatte als großer Sci-Fi-Fan schon in den 90er Jahren die Idee, eine Geschichte selbst zu schreiben, aber erst im Frühjahr 2017 entstanden die ersten Zeilen der Reihe RebEarth.

Der Auftakt der fünfbändigen Reihe mit dem Titel „RebEarth1 - Quarantäne« erschien im August 2023 im Selfpublishing.

Jurek ist als erfahrener IT-ler im Bereich des Forschungsdatenmanagements an einer großen deutschen Universität beschäftigt. Darüber hinaus setzt er sich für Nachhaltigkeit in der Digitalisierung ein.

INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort

Prolog

Q7 - im siebten Jahr der Quarantäne 224nZ - 2080AD

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

NRSA-News vom 20.9.2080 AD

NORAMBC-Bericht vom 19.12.2080 AD

Kapitel 11

SURACOM-News, 1.1.2081

ASIACOM , 4.3.2081

NORAM-News, 5.3.2081

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

KONNET-Artikel: »Der Mythos von Zedora«

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

SURAM-News

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Epilog

Nachwort

Glossar

Dramatis Personae

Orte

Titel und Ränge

Verfassung und politische Oraganisation der konvergenz

Zeiten

VORWORT

Danke, dass ich euch vom ersten Teil QUARANTÄNE soweit begeistern konnte und ihr euch entschlossen habt, den zweiten Teil NEMESIS zu lesen!

Nach der Veröffentlichung des ersten Bandes und der durchweg positiven Resonanz, habe ich mich für euch ins Zeug gelegt, baldmöglichst den zweiten Teil hinterher zu liefern und die geneigte Leserschaft nicht in der Luft hängen zu lassen. Die gute Nachricht ist, dass die Überarbeitungen des zweiten und auch des dritten Bandes REFUGIO teilweise parallel stattgefunden haben und meine große Hoffnung darin besteht, REFUGIO vielleicht ebenfalls noch im Jahr 2024 zu veröffentlichen. Wir werden sehen, die Hoffnung stirbt zuletzt ;-)

Apropos Hoffnung. Wir haben bei unserer Protagonistin schon jetzt eine gewisse Entwicklung feststellen können, nichtsdestotrotz ist Aida noch längst nicht am Ende ihrer Reise angekommen.

Der Mars, die Ares-Mission, war eine heftige Zäsur im Leben Aidas, aber auch innerhalb der Konvergenz blieben die Ereignisse nicht folgenlos. Die fieberhafte Suche nach den Drahtziehern des Erdwiderstandes, den Köpfen der ERA geht nun in die nächste Runde.

Ein wiederkehrendes Feedback bzw. Kritik erreichte mich zu den Hintergrundinformationen, zu den vielen Personen und Bezeichnungen. Daher habe ich hinten im Buch noch ein Glossar/Dramatis Personae angefügt und erweitert.

Zu den Danksagungen aus dem vorgehenden Teil muss ich noch zusätzlich die Person erwähnen, die mir im Sommer 2016 maßgeblich den Anstoß dazu gegeben hat, meine kreative Seite zu nutzen und endlich anzufangen zu schreiben, statt nur darüber nachzudenken. Vielen Dank Surangama ‚Rintu‘ Lala Dasgupta :-)

Hinzu kommen ein paar äußerst fleißige Testleser, der mir durch ihr Feedback unheimlich weitergeholfen haben. Ein besonderes Dankeschön an Dani,Leander, Mirko, JB3 und mein Schwesterlein.

JUREK MARTINSSON, JULI 2024

PROLOG

Q7 - im siebten Jahr der Quarantäne 224nZ - 2080AD

Fari stand am Fenster und blickte abwesend hinaus in die Dunkelheit des Alls. Seine Kabine war in Dämmerlicht gehüllt, die Atmosphäre im Raum war derer von Ga-Yee nachempfunden, so dass er die Gelegenheit genoss, ohne Anzug und Helm reisen zu können.

Trotzdem machte er einen beunruhigten Eindruck. Eine kurze, aber nichtsdestotrotz aufwühlende Meldung über den Geheimdienstkanal, hatte ihn für einen Moment aus der Fassung gebracht. Nun wartete er auf den ausführlicheren Bericht aus seiner Abteilung.

Endlich, ein sanftes Tonsignal kündigte die Nachricht mit dem von ihm erwarteten Bericht an. Er drehte sich zu seiner Tischkonsole herum um und sprach hinein.

»Nachricht öffnen.«

Fari trat näher an seinen Tisch heran, beugte sich zu dem transparenten Screen herunter und setzte sich langsam. Er las die Nachricht aufmerksam, wobei die Farben in seinen großen Pupillen nervös zu schimmern begannen.

Er las die Nachricht noch einmal und überprüfte die vertrauliche Signatur des Absenders. Dann suchte er das passende Dossier aus der Datenbank heraus und verglich die Daten dort mit denen aus der Nachricht. Fari atmete tief durch und ließ sich zurück in seinen Sessel sinken.

»Computer, einen Kanal zur hohen Rätin Gonalika öffnen. Ich benötige die höchste Dringlichkeit und maximale Verschlüsselungsstufe.«

Es dauerte einen Moment und Fari trommelte derweil nervös mit den Fingern auf seinen Desk. Dann wurde er durch ein erneutes Tonsignal davon unterrichtet, dass der geöffnete Kanal nun für ihn bereit stand.

Die Stimme aus der Konsole meldete sich zu Wort.

»Der gewünschte Kanal wurde geöffnet... Hinweis: Aufgrund der derzeitigen Entfernung zum nächsten Subraum-Relais beträgt die Verzögerung leider bis zu…«

»Nein, dann nur Aufzeichnung und Übertragung. Asynchron!«, unterbrach er die Meldung ungeduldig.

Das System signalisierte ihm die Aufnahmebereitschaft. Er atmete kurz durch und begann zu sprechen.

»Hören Sie bitte, Hohe Rätin, wir haben einen unglaublichen Fang gemacht. Unsere Leute bringen das Objekt gerade unter Verschluss zur Basis nach Theti-7. Es handelt sich um das gesuchte Zielobjekt mit dem Tarnnamen Nemesis, sie finden alles weitere in der Datenbank. Ich lasse einen neuen Kurs setzen und komme so schnell wie möglich nach. Nemesis hat eindeutige Verbindungen zum inneren Kreis, so nah dran waren wir am Zielobjekt Kallor noch nie zuvor.«

Er zögerte einen Moment und dachte kurz nach, bevor er fortfuhr.

»Und noch etwas. Wir brauchen Aida Tammimi und Mohini Patel. Das ist eine einmalige Gelegenheit, diese Verbindung endlich zu nutzen.«

Er hielt wieder kurz inne.

Nemesis.

Hatte er jetzt endlich den Schlüssel in der Hand? Endlich einen entscheidenden Trumpf?

Fari versuchte sich wieder zu fassen.

»Ende der Nachricht! Sofortige Zustellung.«

Er drückte auf eine andere Schaltfläche und stand wieder auf. Nach ein paar Sekunden meldete sich eine Stimme aus dem Desk.

»Com-Offizier SubCo Kiranev, diensthabender Brückenoffizier, wie kann ich ihnen helfen, Herr?«

»SubCo, ich ordne eine Kursänderung nach Theti-7 an, wir haben einen Prioritätsflug. Unterbinden Sie bitte nach Geheimhaltungsprotokoll die Durchflugaufzeichnungen der Sprungtore. Sagen Sie bitte unsere anderen Termine ab. Und wecken Sie den Lord Commander, ich brauche ihn auf einer sicheren Leitung.«

»Jawohl Commander, meine Ehre!«

»Meinen Dank.«, antwortete Fari abwesend und blickte sich suchend um. Dann griff er nach Anzug und Helm.

KAPITEL 1

»Zum wiederholten Male haben sich Ereignisse auf dem Mars für die Erde als fatal herausgestellt. Schon im Sommer 2059, als die konkurrierenden Fraktionen in ihrem Wettlauf um die Ressourcen dieser roten Kugel beinahe einen Weltkrieg auslösten, stellte sich die Frage, ob dieser Planet überhaupt eine Bedeutung für die Menschen haben sollte. Das gottlose Streben nach Expansion und Kolonisation wird uns nun seit etlichen Jahren als Spiegel vorgehalten. Hunderte getötete Menschen, dutzende von toten Aliens... Soll der Mensch sich um seine Angelegenheiten auf seiner eigenen Welt kümmern, so wie wir es von unseren Eroberern auch verlangen. Nur dann wird uns auch Gott helfen, auf der Welt die er für uns geschaffen hat.«

Artikel im »UNDER HIS EYES«-Magazin, NORAM, 2080

Ares, der Mars und die schrecklichen Ereignisse dort, lagen nun fast ein Jahr zurück und ich spürte immer noch die Narben der Verletzungen.

Sowohl die äußerlichen, als auch die in meinem Inneren.

Ich blickte zurück auf die Aida, die ich noch vor wenigen Jahren gewesen war. Jung, ungestüm, rebellisch, zornig und unbeherrscht. Herausgerissen aus meinem bisherigen Leben, aus meiner Kultur, aus meiner traditionellen Umgebung in den Bergen Marokkos.

Einiges davon habe ich auch nach dieser Zeit noch gespürt, obwohl ich so viel über das Universum, die Erde und vor allem über mich selbst lernen musste. Oder besser gesagt, lernen durfte. All die harten Prüfungen, die ich in dieser Zeit durchmachen musste, schienen den Sinn zu haben, mich stärker und reifer zu machen. Auf der Erde herrschte noch die Quarantäne, das Besatzungsregime der Konvergenz.

Und ich befand dies nun für richtig. Ich kannte meine Wurzeln, derer war ich mir immer bewusst, aber ich war noch lange nicht am Ende damit, aus mir heraus zu wachsen. Das konnte ich spüren.

Sieben Jahre nach der Verhinderung des dritten Weltkrieges, der drohenden Zäsur für die ganze Menschheit, war es immer noch nötig, den Planeten und seine Bewohner vor sich selbst zu schützen. Die meisten Fraktionen kooperierten nun mehr oder weniger mit der Besatzungsmacht.

Und offensichtlich ging es den Menschen und der Umwelt auf dem Explorationsobjekt Arda immer besser. Man näherte sich einem wirksamen Impfstoff gegen die große Seuche an, die Luft wurde langsam atembarer, die Meere zeigten erste Anzeichen einer Erholung. Nach den Jahrzehnten des umfassenden Leidens wurden fast alle satt und konnten auch medizinisch halbwegs versorgt werden.

Aber all dies überwog immer noch nicht die Skepsis oder gar den Hass gegenüber den Fremden. Den außerirdischen Teufeln. Den Besatzern.

Die Konflikte zwischen den Fraktionen waren zunächst in den Hintergrund gerückt, aber die einzig reale Einheit der Menschen fand sich leider in der Ausbreitung der ERA wieder. Der Zulauf und die Unterstützung für diese Gruppe war immens und die Anschläge der ›Earth Resistance Army‹ wurden immer dreister und heftiger.

Hunderttausende von Opfern wurden in Kauf genommen, nur für diese Idee eines Widerstandes, der den Menschen mehr schaden als nützen würde.

Wir, also wir wenigen ›Eingeweihten‹ und unsere Mentoren, agierten in der Hoffnung, dass dies alles nur möglich war, weil die ERA diese Unterstützung von außen erhielt, wie wir durch die Erkenntnisse aus der Ares-Mission, unter großen Opfern erfahren mussten.

Der Codename für das gesuchte Zielobjekt war Kallor, angelehnt an eine Figur aus einem Fantasy-Zyklus, den ich während meiner Zeit im Krankenhaus begonnen hatte zu lesen. Der schreckliche Hochkönig Kallor, der Verräter im ›Spiel der Götter‹.

Etliche Vermutungen kursierten, ob es sich gar um einen Überläufer aus unseren eigenen Reihen handeln könnte. Ebenso wäre ein Spion aus der Zenketi-Allianz möglich, die der Konvergenz offen feindschaftlich gegenüberstand. Aber auch kamen Saboteure aus der Conosca-Handelsföderation in Frage, Piratenbanden, die jahrzehntelang das Outer-Rim unsicher gemacht hatten und nun gierig auf das erweiterte Konvergenz- Territorium herüber schielten.

Oder stammte Kallor etwa aus dem ominösen Reich der Vreeja, über das wir so gut wie nichts wussten? Es waren so viele Fragen offen, die wenigen Spuren die es gab, waren einfach nicht eindeutig genug.

So war klar, wir mussten versuchen, in den Erdwiderstand einzudringen, um mehr zu erfahren. Und um endlich dem Terror auf der Erde Einhalt zu gebieten. Groß angelegte Militäroperationen lieferten keine brauchbaren Ergebnisse und im Rat wurde hitzig diskutiert, wie man mit der verfahrenen Situation umgehen sollte. Die Stimmen für eine massive Invasion oder einen kompletten Rückzug aus der Exploration der Erde hielten sich die Waage. Noch.

Mein Entschluss, mich für das Ausbildungsprogramm des Protektoren-Nachrichtendienstes einzuschreiben, reifte in der Phase meiner Genesung. Jeka war hin- und hergerissen, ob sie mich davon abhalten sollte. Aber ich wollte es so, ich sah darin einen Teil meiner Bestimmung, der ERA und dem vermuteten Alien-Verräter das Handwerk zu legen.

Mohini und ich schafften es ins Programm und so verbrachten wir die Monate mit intensivem Training für einen möglichen Einsatz auf der Erde. Ich lernte eine Menge über gängige Infiltrationstechniken, psychologische Kampfführung, Überlebenstraining und alles was dazugehörte.

Es war ein verdammt harte Zeit, denn nicht nur das Lernen an sich war eine wirklich heftige Angelegenheit, sondern auch die ständig abgehaltenen Übungen und Manöversituationen.

Das Überlebenstraining fand im ewigen Eis statt, in der Wüste, im Dschungel, in Schwerelosigkeit, unter Wasser und in beängstigenden Höhlenlabyrinthen, was ich mit Abstand am meisten hasste. Auch gehörten verwüstete Monde oder Planeten mit dreifacher Erdanziehungskraft zu unseren Trainingsfeldern.

Diese Zeit war extrem anstrengend aber auch sehr lehrreich für mich. Auf dem Weg zum Frieden lernte ich die Techniken des Krieges, war das nicht perfide? Aber ich tat dies freiwillig, ich spürte die innere Bestimmung, genau dies, zu genau dieser Zeit zu tun. Andere Frauen in meinem Alter hätten vielleicht besseres mit ihrer Zeit anzufangen gewusst. Vielleicht auch mal einen netten Typen kennengelernt, wer weiß? Meine Eltern hätten sich so etwas sicherlich gewünscht. Eine brave Ehefrau, die sich rührend um eine wachsende Familie kümmert, anstatt als Rebellin in die Fußstapfen ihrer Brüder und Cousins zu treten.

Ich gebe zu, dass sich ein Teil von mir manchmal nach einem anderen Leben sehnte. Aber ich war damals noch jung und wollte mich einfach nicht dem Rollenverständnis unserer irdischen Kulturen beugen.

Es widerstrebte mir, mich in irgendwelche angeblichen vorgezeichneten Schicksale einzufügen. Schicksale, die die Tradition meiner Fraktion oder das allgemein herrschende Patriarchat auf der Erde verlangte.

Mich trieb etwas anderes an. Der Mars hatte mir gezeigt, dass ich nicht tatenlos zusehen durfte, wie wir Menschen uns und unseren Planeten weiter zugrunde richteten.

Meine Freunde, meine neue Familie, sie alle hatten neue Aufgaben gefunden. Im Ausbildungsprogramm, in der medizinischen Forschung, Robert sogar im archäologischen Corps der Edukatoren.

Nur ich selbst konnte den Drang zu kämpfen nicht ablegen, diese Besessenheit davon, der Ungerechtigkeit etwas entgegensetzen zu müssen.

Wenn ich auf mein jüngeres Ich zurückblicke, kann ich es manchmal nicht fassen. In mir brodelte eine unsägliche Wut, und stur wie ich war, war ich nicht bereit, die bestehenden Verhältnisse so hinzunehmen, wie sie waren.

Wir mussten die Welt verändern. Und dabei würde uns die Konvergenz helfen.

Ich bewunderte meine Freunde dafür, welche Wege sie gefunden hatten, um sich für die Rettung der Erde einzubringen, aber ich selbst fand nur diesen Drang zu kämpfen und erkannte darin mein tragisches Talent.

Ich wäre sicherlich nicht so überzeugt davon gewesen, wenn ich nicht gewisse Fähigkeiten an mir entdeckt hätte, die mir diesen Weg bereiteten.

Kurz vor meinem zwanzigsten Geburtstag steckte ich mitten in einem Manöver zusammen mit den Bridgeburners, den legendären Spezialtruppen der Protektoren.

Unser Team dockte an einen schweren Kreuzer der Koroneta an und wir kämpften uns mühevoll über zwölf Stunden ohne Pause durch das gesamte Schiff. Von der Antriebssektion hinten, bis ganz nach vorne zur Brücke. Dort angekommen, brachen wir vor Erschöpfung zusammen. Ein Trupp aus SpecOps und unsere Ausbilder von den Bridgeburners wurden auf der Brücke eingeschlossen, als plötzlich der Selbstzerstörungsmechanismus des Kreuzers ausgelöst wurde.

Wir saßen in der Falle und das riesige Schlachtschiff stürzte brennend, ohne Energie, Lebenserhaltung und künstliche Schwerkraft auf einen unwirtlichen Planeten hinunter. Es war absolut faszinierend, dass man nicht erkennen konnte, welcher Teil des Manövers nun Simulation und welcher einfach nur geschickte Inszenierung war. Es kam der Moment, wo der Crash auf den Planeten stattfand. Hierzu wurde, wie ich später erfuhr, eine Explosion simuliert, die in diesem Augenblick einen Ort-zu-Ort-Teleport kaschieren sollte.

Das war zu dieser Zeit ein heikles Manöver für die dutzenden von lebenden Wesen, denn die Teleporter-Technologie der Konvergenz etablierte sich gerade erst zaghaft. Selbst im militärischen Bereich wurde diese Technik noch als höchst experimentell angesehen und durfte nur unter erheblichen Sicherheitsbestimmungen verwendet werden. Nicht so schön einfach, wie man es vom ›beamen‹ auf dem Raumschiff Enterprise kannte. Nein, solch ein Teleport war ein gefährlicher Höllenritt.

Wir fanden uns im zertrümmerten Wrack auf der Oberfläche des Planeten wieder, die Simulation lief sofort am Boden unter stetigem Beschuss weiter und gönnte uns keine Sekunde Pause. Raus aus dem Wrack, Deckung suchen, überleben. Die Oberflächensituation selbst hatten wir in der Gruppe schon einige Male durchgespielt, dies gehörte zur obligatorischen Taktikausbildung. Ein nahe liegendes Bunkergebäude hatten wir schon unzählige Male eingenommen, wir kannten die Räume, Winkel und Gänge wie unsere eigenen Hosentaschen.

Das Team war bestens eingespielt und so ging es trotz heftiger Erschöpfung ganz gut vorwärts. Die Tür zu einem Wachraum erwartete uns, wie immer. Die Gruppe postierte sich dort herum, einer musste sprengen, zwei gaben Deckung. Ein großer Knall und dann ging es hinein in das dunkle Loch. Diesmal war ich vorne. Die Tür flog durch die Explosion auf, ich stürmte direkt durch den Qualm hinein.

Aus purer Gewohnheit rief ich:

»Gesichert!«, als ich eine wohlbekannte Stimme hinter mir vernahm.

»Nein, nicht gesichert.«

Ich drehte mich schnell herum, aber schon schleuderte mich ein Feuerstoß gegen die Wand. Im Mündungsfeuer blitzte Commander Dotep Tolanus grinsende Fratze auf.

Bevor ich wieder auf dem Boden aufschlug, beendete sich die Simulation um uns herum und ich landete hart auf dem mit Holokacheln ausgestatteten Untergrund.

Erschreckt und verwirrt lag ich schwer keuchend da, trotz Schutzpanzer und HoloSim fühlte sich so ein Schuss immer noch an wie ein heftiger Faustschlag.

Meine Kameraden stürmten ebenso verwirrt in den Raum hinein und nahmen angesichts des anwesenden Offiziers erst einmal Haltung an. Dieser schritt langsam zu mir herüber. Ich spuckte den Staub und Dreck aus, den ich trotz der HoloSim geschluckt hatte und grinste den alten Senekai-Krieger frech an.

»Commander, es ist immer wieder eine Freude euch zu sehen. Ich hoffe ihr seid mit der Leistung der Truppe soweit zufrieden.«, frotzelte ich in Richtung meines alten Führungsoffiziers.

Er lachte kurz und reichte mir seine Hand.

»Komm steh auf, Kadett, heute stehen für dich noch ein paar andere Aufgaben auf dem Programm.«

Ich ließ mich von ihm hochziehen, als eine Stimme über uns ertönte:

»Kadett Tammimi fällt bis auf weiteres aus. Die ganze Truppe noch mal raus in den Gang, Fortsetzung der Simulation in 5 Minuten.«

Meine Teammitglieder stöhnten auf und wir klatschten uns schlapp ab, als ich mit Dotep den Gebäude-Komplex durch den Gang verließ.

»Hab ich irgendwas falsch gemacht? Oder ist irgendwas passiert?«, fragte ich Dotep verunsichert, da er nichts weiter sagte.

»Ach was sollst du denn falsch machen, kleine Streberin.«, entgegnete er mir schmunzelnd und knuffte mich leicht an die Schulter. Dann wurde seine Miene wieder ernsthafter.

»Es haben sich dort draußen ein paar Dinge im Spiel der Mächte ereignet. Das Schicksal möchte wohl, dass du darin eine neue Rolle spielst.«

»Du warst wieder zu lange bei den Tarù-Mönchen, oder woher kommt dieses geschwollene Geschwafel?«

»Haha, Kleines, ein bisschen mehr Respekt bitteschön! Vielleicht wirst du demnächst auch mehr Zeit bei denen verbringen, das hängt ganz von dir ab.«

»Na dann bin ich mal gespannt.«

»Komm, unser Schiff wartet, wir haben heute noch einige Lys vor uns.«

*

Doteps neuer Jäger schaffte es dank einer günstigen Route durch die Tore, die Strecke bis nach Tarù an einem Tag zurückzulegen. Es gab nur wenige Schiffe dieser Größenordnung, die die Distanzen zwischen den Sprungtoren so schnell überwinden konnten. Diese neue Schiffsklasse, mit ihren wesentlich effizienteren Antrieben wurde seinerzeit in den Dienst der Flotte gestellt.

Ich wachte erst eine Stunde vor der Ankunft beim Sprungtor wieder auf. Die Erschöpfung der letzten Wochen hatte mich in einen langen, tiefen Schlaf geschickt. Die Zeit reichte gerade noch für ein kurzes Frühstück an Bord und eine erholsame Dusche, dann traten wir schon ins Tarù-System ein.

Tarù, die Zentralwelt der Konvergenz, der Sitz der Regierungsorgane und der Räte. Eine wunderschöne und beeindruckende Welt, die ich bis dahin nur zweimal besucht hatte. Hier befand sich das Zentrum der Macht der Konvergenz, dort wo alle Fäden zusammenliefen und die Welten ihre Einigkeit zeigten.

Der weitläufige Ratskomplex mit seinen imposanten Gebäuden und kleinen Gartenanlagen dazwischen, war eingebettet zwischen dem Ozean und dem großen Vorplatz, der den Komplex von der Hauptstadt selbst trennte.

Das Büro der Ratsherrin Gonalika war groß, hell und äußerst geschmackvoll eingerichtet. Durch die riesige Glasfront eröffnete sich ein herrlicher Ausblick über die anderen Regierungsgebäude, inmitten der weitläufigen, parkähnlichen Anlage.

Der Raum wurde dominiert von dem großen Tisch, der in Form eines platt gedrückten Fisches gebaut war. Die ›Schwanzflosse‹ diente dabei als Gonalikas persönlicher Arbeitsbereich, der Körper des Fisches hingegen bildete einen Konferenztisch, um den sich knapp ein dutzend Sitzgelegenheiten drapierten.

Auf dem Arbeitsbereich des großen Tisches standen nur eine Konsole und ein paar kleine Foto-Tabs, auf denen Bilder von anderen Wesen in einer Art Dauerschleife durchliefen. Ich vermutete, es waren Bilder ihrer Familienmitglieder, die in traditionelle Porokanii-Gewänder gekleidet waren.

Dotep und ich saßen etwas verloren an dem großen Teil des Konferenztisches, vor uns stand jeweils eine Tasse mit einem dampfenden Gebräu. Nach etlichen Minuten summte es endlich an der Tür und deren Verriegelung sprang auf. Ein ganzer Tross von Leuten betrat den Raum, an der Spitze einige Ratsassistenten mit Getränken und Häppchen auf Tabletts.

Denen folgten dann hochrangige Offiziere der Protektoren nach, die von Dotep abwechselnd etwas herzlicher, dann wieder unterkühlt-distanziert begrüßt wurden. Einigen von ihnen stellte er mich kurz vor, aber es war klar, hier war etwas dringliches angesagt, was keinen Spielraum für Small Talk bot.

Als endlich alle saßen, rauschte die Hohe Rätin Gonalika höchstselbst in den Raum. In ihrem Schlepptau eilten ihre persönliche Assistentin und meine Freundin Mohini mit hinein. Alle Anwesenden erhoben sich und zollten der Hohen Rätin mit einer kurzen Verbeugung den gebührenden Respekt.

Gonalika blieb vorne an ihrer Konsole stehen und wartete ab, bis sich alle wieder gesetzt hatten. Mohini kam gleich zu mir und umarmte mich kurz, bevor sie sich auf den freien Platz neben mir setzte.

Die Hohe Rätin wartete noch kurz ab, bis alle Assistenten den Raum verlassen hatten und drückte dann auf eine Schaltfläche an ihrer Konsole.

Ich bemerkte dass mein Com-Gerät sofort offline ging und auch die Geräuschkulisse im Raum wirkte von einem Moment auf den anderen seltsam gedämpft, wie in einem schalltoten Raum. Eine durchaus übliche Sicherheitsmaßnahme, wie ich wusste.

»Gut, sehr geehrte Wesen, ich bin erfreut über die schnelle Ermöglichung unseres heutigen Zusammentreffens. Ich begrüße hier die relevanten Entscheidungsträger der Dezernate Justiz und Protektion für unser gemeinsames Missionskommando. Die Voraussetzungen wurden zuvor in angemessener Runde besprochen, aufgrund des Geheimhaltungsstatus werden wir uns jetzt nur in diesem Kreis über die weiteren Rahmenbedingungen unterhalten.«

Ein paar der Anwesenden blickten zu mir und Mohini herüber und ihre Skepsis uns gegenüber war eindeutig spürbar. Zwischen all den hochrangigen Militärs und Geheimdienstlern wurden wir zwei Ardai spürbar als störende Fremdkörper wahrgenommen.

Gonalika tippte wieder auf eine Schaltfläche und hinter ihr erschien ein Bild der Erde. Der Zoom brachte den Südamerikanischen Kontinent in den Fokus, das SURAM-Territorium. Über einem großen Stadtgebiet an der Süd-Ostküste waren etliche Rauchsäulen zu erkennen, ebenso waren noch aktive Brandherde zu erkennen.

»Vor etwa vier Tagen Arda-Zeit haben unsere Protektor-SpecOps einen Anschlag in der SURAM-Zone vereiteln können. Auch wenn die Bilder einen anderen Eindruck vermitteln, noch Schlimmeres konnte verhindert werden.«

Sie hielt einen Moment inne und das Bild wurde durch etliche Statistiken und Markierungen erweitert.

»Bei dieser Operation in Sao Paolo wurden durch Feindkräfte der ERA leider größere Zerstörungen an den zentralen Energieanlagen angerichtet. Ein großflächiger Austritt gefährlicher Substanzen hat Bergungs- und Rettungsarbeiten erheblich behindert und die Opferzahlen unter der Zivilbevölkerung in die Höhe getrieben. In dem ausgebrochenen Chaos konnten wir einige ERA-Leute auf der Flucht töten oder festnehmen. Bei den meisten von ihnen handelt es sich vermutlich nur um Hilfstruppen aus niederen Rängen. Aber dabei ist uns ein ganz besonderer Fang ins Netz gegangen, wie Sie sehen.«

Ein neues Bild erschien auf dem großen Screen.

Oh Gott, das war ich!

Nein. Oder doch? Verdammt, wer war das?

Nun schauten tatsächlich alle zu mir herüber, manche mit einem Ausdruck des Vorwurfes im Gesicht, manche mit purer Neugier und einige veränderten keine Miene ihres professionellen Pokerfaces.

Hilfesuchend blickte ich Mohini an, die mich mit großen Augen anstarrte.

Dann blickte sie kurz nach vorne, dann wieder zu mir.

»Das, ich...«, stammelte ich und kniff die Augen zusammen um das Bild dort vorne vermeintlich besser erkennen zu können.

Nein, die Nase der Person war etwas dicker und die Augen dunkler als meine... nein das war ich nicht.

»Sie hat ein Alibi, hohe Rätin«, warf Dotep ein und deutete dabei auf mich.

›Danke Dotep‹ dachte ich zuerst erleichtert, bevor ich den spöttischen Unterton seines Kommentares realisierte.

Gonalika winkte ab und sprach weiter.

»Natürlich hat sie das, sonst wären wir ja nicht hier, oder?«

Sie richtete den Blick auf Mohini und fragte sie direkt:

»Mohini Patel, würden Sie uns bitte freundlicherweise kurz erklären, wen wir hier vor uns haben?«

Mohini erschrak ein wenig bei der Erwähnung ihres Namens und wandte sich wieder nach vorne.

»Ähm, Madam Hohe Rätin, ähm, ich denke wir sehen hier Nesrin Mereyem Sistani.«

Sie schluckte kurz, bevor sie fortfuhr.

»Sie wurde am 3. November 2052 in Mumbai geboren, indischer Subkontinent, ASIATIC-Fraktion.«

Sie schaute kurz zu mir herüber, dann lehnte sie sich zurück und sprach weiter.

»Nesrins Eltern waren Flüchtlinge, Feinde des Kalifats, wie sie immer sagte. Ihre Mutter war eine Jahud aus dem früheren Israel und ihr Vater stammte aus dem Iran.«

Ich konnte mich nicht mehr zurückhalten.

»Woher weißt du das alles?«, platzte es aus mir heraus.

Mohini schwieg und starrte vor sich hin.

Auf dem Hauptscreen erschien eine Karte von Mumbais riesigem Flüchtlingsslum und zoomte einen rot umrandeten Bezirk heran. Gonalika fuhr mit ihrem Vortrag fort.

»Miss Patel und Miss Sistani wuchsen zusammen auf. Ihre Kindheit und Jugend verbrachten sie im Slum und traten später der gleichen Gang bei. Nesrin Mereyem Sistani brachte es bis zur Anführerin einer der einflussreichsten Organisationen dort. Sie war maßgeblich an harten Übergriffen gegen Kalifatsangehörige beteiligt und konnte sich unter dem Kampfnamen Nemesis einen exzellenten Ruf in der Terroristenszene Ardas erarbeiten. Sie ist bekannt für ihre präzisen Anschlagspläne, ihre nahezu perfekte Tarnung und die Ausarbeitung von Fluchtrouten. Sie steht im Verdacht, in direktem Auftrag der inneren Kreise der ERA zu handeln.«

»Und wo ist diese Nemesis jetzt?«, fragte ich.

Gonalika schaute mich ernst an, bevor sie fortfuhr.

»Sie befindet sich zur Zeit an einem sehr sicheren Ort, das muss ihnen allen hier zum jetzigen Zeitpunkt als Information genügen. Die Frage die wir heute und hier vorab klären müssen ist, ob Miss Tammimi und Miss Patel dazu bereit sind, die Reise zu diesem verborgenen Ort anzutreten, um der Terroristin Nemesis weitere Informationen über die ERA zu entlocken.«

Mohini lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, atmete tief durch und schaute die Hohe Rätin fest an.

»Das heißt, Sie wollen, dass ich meine ehemals beste Freundin verrate? Meine Schwester, die Frau, die mit mir zusammen durch die tiefste Scheiße gegangen ist? Sie können gar nicht wissen, wie oft mir diese Frau meinen Arsch und meine Pussy gerettet hat. Ist das tatsächlich ihr Ernst?«

Dotep setzte an etwas zu sagen, aber Gonalika hob ihre Hand und fiel ihm ins Wort, während sie um den großen Tisch auf uns zu schritt.

»Miss Patel, hier geht es gar nicht darum, ihre Freundin Nesrin zu verraten. Sie wird so oder so für lange, lange Zeit in einem Hochsicherheitsgefängnis vor sich hinrotten, isoliert von jeglicher Außenwelt, solange die ERA den Planeten Arda oder gar den Rest des Halio-Systems terrorisiert.

Ob Sie sie nun verraten oder nicht, meine liebe Mohini, das ist für diese Person irrelevant.

Nesrins Weg ist vorgezeichnet. Vielleicht können wir dieses Schicksal für sie verbessern, wenn wir Nemesis zur einer Kooperation mit uns bewegen. Dann hätte sie vielleicht die Chance auf ein neues Leben, ohne Terror, ohne ein Leben im Untergrund.

Denn eines steht so felsenfest wie kaum etwas anderes, Nesrin Mereyem Sistani wird niemals wieder die Gelegenheit bekommen, irgendetwas mit Waffengewalt oder ähnlichem anzurichten. Der Weg der Terroristin Nemesis ist nun für immer beendet, meine liebe Mohini Patel. Schenken Sie ihrer Schwester Nesrin die Chance für ein neues Leben?«

Gonalika stand jetzt direkt vor uns und blickte Mohini fest an. Noch eindrücklicher als zuvor, mit einem Funkeln in den Augen, fuhr sie fort:

»Junge Frau, hier geht es einzig und allein um zwei Fragen die Sie sich stellen müssen: Erstens, wollen Sie dem Terror auf Arda zu einem baldigen Ende verhelfen, so wie Sie sich vor ihrer Geheimdienstausbildung bei uns verpflichtet haben?«

Mohini starrte sie ausdruckslos an. Gonalika streckte dann plötzlich ihre Hand in meine Richtung aus bevor sie weitersprach.

»Und die zweite Frage die Sie sich stellen sollten, meine liebe Mohini Patel: Was können wir alle hier gemeinsam tun, um Aida Tammimis Leben möglichst umfassend zu schützen, wenn wir Sie in der Rolle von Nemesis zur Infiltration der ERA hinunter nach Arda schicken?«

KAPITEL 2

»Wer einmal die Gastfreundschaft der Geruni genie ßen durfte, möchte nie wieder etwas anderes erleben.«

Spott aus den Annalen der Novari-Republik, ca. 1500 vZ

Ich starrte auf die regenbogenfarbenen Linien, die draußen vor dem Sichtfenster unserer Kabine vorbeizogen.

Mohini und ich lagen beide auf der großen Couch inmitten des Quartiers und eine Zeit lang hatte keine von uns etwas gesagt.

Uns beiden steckte noch die Besprechung vor Stunden in den Knochen. Gonalika hatte uns kurz und knapp erklärt, worin unser Auftrag bestehen würde und dann folgte ein hastiger Aufbruch zur Orbitalstation, wo schon Doteps Schiff auf uns wartete.

Es fühlte sich an wie eine Flucht, ein Flug ins Ungewisse, zu einem unbekannten Ort am anderen Ende der Konvergenz.

Mohini hatte irgendwann gar nichts mehr gesagt, aber mehr oder weniger schweigend ihre Zustimmung zu der Operation gezeigt.

Einem Gedanken folgend, fragte ich sie in die unangenehme Stille hinein.

»Scheiße, als du gesagt hast ich sehe einer guten Freundin sehr ähnlich, hast du Nesrin gemeint, oder?«

Mohini starrte mich ungläubig an, den Kopf auf ihre Hände aufgestützt.

»Aida, sei nicht so naiv. Denkst du es gibt es noch mehr von eurer Sorte? Pah.«

Ich legte meine Hand auf ihren Arm.

»Es tut mir leid, ich wusste doch auch nichts davon. Und dass ich dieser Nesrin so ähnlich sehe ist ja wohl nicht meine Schuld, oder?«

Mohini schnaubte verächtlich.

»Ich glaube, die wussten es die ganze Zeit. Mach dir nix vor Aida, es hat bestimmt seinen Grund warum die uns zusammengebracht haben. Ich glaube da jetzt nicht mehr an einen Zufall. »

Ja, den Anschein hatte es tatsächlich. Es war einer dieser Momente, in dem ich mich nicht wie ein Teil der Sache fühlte, sondern nur wie ein Instrument der Mächtigen.

Aber vielleicht war das der Lauf der Dinge, wir waren Instrumente des ganzen, wir ließen uns zu Soldatinnen ausbilden und die Entscheidung dazu fiel aus freiem Willen. Sendungsbewusstsein und Leichtsinnigkeit gingen Hand in Hand, eng umschlungen.

Ich dachte, ich wüsste genau auf was ich mich eingelassen hätte, aber nun war wieder so eine Ungewissheit mit im Spiel.

Ich wollte es genauer wissen.

»Was hat euch so tief verbunden? Du hast noch nie etwas über deine Zeit in Mumbai erzählt.«

»Warum auch? Ich dachte, was zählt schon die Vergangenheit? Seit Sildron gibt es nur noch eine neue Zukunft für mich. Weißt du, ich bin froh das alles hinter mir gelassen zu haben.«, seufzte sie.

»Das war wohl falsch gedacht. Die Vergangenheit holt einen dann doch immer wieder ein.«, meinte ich dazu.

»Hmm, ich hab geglaubt, mir kann das nicht mehr passieren, da lebt keiner mehr der mich noch kennen könnte, soweit ich weiß. Zumindest dachte ich das bisher. Dass mal jemand meine Nes wieder ausgräbt hätte ich nicht für möglich gehalten.«

Mohini setzte sich aufrecht hin und begann zu erzählen:

»Weißt du, ich hätte damals nie gedacht, das Nesrin so weit kommen würde. Ich wusste immer, dass sie die Power hatte wirklich was zu erreichen. Sie war schon immer stark, sie war in der Lage mindestens drei Schritte weiter zu denken als ihre Gegner. Schau, als sie so alt war wie du jetzt, war sie schon der Boss einer Gang, die unser ganzes Viertel fest in der Hand hatte. Und ich war immer an ihrer Seite. Sie vertraute mir völlig, bis... na ja, bis wir uns aus den Augen verloren. Als Kinder in diesem Scheiß-Moloch war es die Hölle, wenn du nicht nur klein und verloren sein möchtest. Mich hat mein großer Bruder aufgezogen, an unsere Eltern kann ich mich gar nicht mehr erinnern. Mirza und seine Jungs haben auf uns aufgepasst, dann irgendwann auch auf die Neue, das kleine wütende Mädchen aus dem Kalifat. Nesrin war mehr als nur ein Mitglied der Gang, sie war für mich wie eine Schwester, für Mirza vielleicht auch ein bisschen mehr.«

Mohini musste ein wenig schmunzeln, bevor sie fortfuhr.

»Ich glaub die beiden dachten, ich würde ihnen nicht auf die Schliche kommen, aber ich wusste, hey da läuft doch was! Wir waren doch eine Familie, absolut OK für mich.«

Dann blickte sie wieder ernster drein.

»Dann kam irgendwann der Tag, als die Wichser aus dem Randviertel kamen. Sie wollten Mirzas Revier haben, um jeden Preis. Sie haben uns gnadenlos niedergeballert, es war widerlich. Ich wurde dabei verletzt und hatte keine Chance irgendwas zu tun. Ich musste mit ansehen wie mein eigener Bruder und meine besten Freunde neben mir verbluteten. Und dann kam Nesrin...«

»Was hat sie getan?«, konnte ich meine Neugier nicht mehr zügeln.

Mohini bekam einen sonderbaren Ausdruck in den Augen, als sie sich an die Geschehnisse von damals erinnerte. Sie schluckte kurz bevor sie weitersprach.

»Nes hat alle Verantwortlichen der anderen Gang in der nächsten Nacht persönlich besucht. Sie machte keine Gefangenen, sie kannte keine Gnade, nur kaltblütige, gezielte Rache. Zwölf gegnerische Gangmitglieder sind dabei draufgegangen, so viele wie am Tage zuvor auf unserer Seite sterben mussten.

Am nächsten Morgen hat sie uns dann verkündet, dass sie Mirzas Platz übernehmen würde. Sie sagte, wenn einer der Jungs etwas dagegen haben sollte, dann wäre jetzt der Zeitpunkt gekommen zu verschwinden. Zwei der drei Jungs, die nicht zu ihr stehen wollten, überlebten die folgende Woche nicht.«

Ich war wirklich beeindruckt, gar eingeschüchtert, von dem was Mohini da erzählte.

»Das ist Wahnsinn, diese Nes muss wirklich eine ganz schön harte Nuss sein. Eine Killerin. Aber wie kam sie dann zum Widerstand? Von einer knallharten Gangsterlady zur ERA-Heldin? Das passiert doch nicht einfach so, oder?«

»Na ja, sie war immer getrieben von der Idee, Rache für die Vertreibung ihrer Familie zu üben. Sie hasste das Kalifat, sie wollte der Fraktion und deren Kräften immer einen möglichst großen Schaden zufügen, irgendwann, wenn sie die Gelegenheit dazu bekommen würde.

Dafür hatte sie sogar irgendwann Kontakte zur Geheimpolizei der ASIATIC-Behörden geknüpft. Die waren extrem aktiv bei der Vermittlung von perspektivlosen Slumdogs für die Armee oder Undercover-Sabotagetrupps. Die freuten sich über jedes freiwillige Kanonenfutter, dass sie verheizen durften. Aber Nes hatte keinen Bock auf einen Posten als einfache Fußsoldatin, dazu war sie zu clever und ließ sich nicht für irgendwelche Opferaktionen vereinnahmen. Im Laufe der Zeit bekam sie immer bessere Angebote und dann war sie immer öfter für Tage oder gar Wochen verschwunden. Anfangs erzählte sie mir und einigen wenigen im inneren Kreis unserer Community noch, wie sehr sie diese Kommandoeinsätze mochte, wie aufregend das alles war. Und wie erfolgreich sie dabei war. Die hatten sie tatsächlich zur Scharfschützin ausgebildet und Nesrin agierte fortan als Killerin. Und damit verdiente sie auch richtig gutes Geld. Man merkte, dass ihr immer weniger daran lag, das daily Business im Ghetto mitzumachen. Sie wollte raus aus allem, sie wollte Größeres erreichen.

Eines Tages ließ sie uns dann einfach sitzen. Sie packte ein paar Sachen zusammen, gab mir einen Datenchip mit Kontaktdaten für den Notfall und dann war sie einfach verschwunden.

Erst ein paar Jahre später, kurz nach dem Tag Q, tauchte sie plötzlich auf und warb ein paar von uns für eine Widerstandsgruppe gegen die Aliens an. Dann verschwand sie wieder spurlos. Sie war nur noch ein Geist.«

»Eigentlich schon irgendwie beeindruckend.«, murmelte ich anerkennend.

»Ja, sie war, oder... sie ist eine wirklich beeindruckende Person. Aber ich hatte immer mehr Angst vor ihr. Wir teilten nicht mehr dasselbe. Und ich hatte auch auf das alles keinen Bock mehr.«

»Das kann ich mir vorstellen. Was hast du in der ganzen Zeit gemacht?«

»Na ja, ich hab versucht den Familienbetrieb soweit aufrecht zu erhalten, aber die Strukturen brachen durch die Besatzung immer mehr zusammen. Irgendwann kam einfach ein Typ aus Bangkok zu mir und erzählte Nesrin hätte ihn geschickt. Er fragte mich ob ich mit ihm mitkommen wollte, unseren Planeten zu verteidigen. Es klang für mich sinnvoller als mich mit anderen Gangs und Slumdogs um Straßenblöcke zu streiten. Gerade zu dieser Zeit. Auf einmal wurde die Welt tatsächlich größer als unser verkacktes Ghetto, das wurde mir da erst so richtig klar und ich konnte Nesrin besser verstehen. Ich ging mit ihm mit. Ich wollte es wissen. Und ich fühlte mich irgendwie stolz, jetzt auch Teil einer größeren Sache zu sein. Das Gefühl ich würde nun für etwas gutes kämpfen, das war Wahnsinn.«

»Kommt einem irgendwie komisch vor nach dieser Zeit, oder?«, fragte ich sie und schüttelte den Kopf.

»Ja. Man kanns vielen dort unten nicht verdenken, dass sie immer noch dem alten System und dem alten Weltbild hinterherrennen. Aber klar, die meisten haben den Blick von außen nie gehabt, so wie wir beide.«

Sie zögerte einen Moment bevor sie mich fragte:

»Aber sag mir, kommen dir nicht auch von Zeit zu Zeit Zweifel? Gerade jetzt, wenn man sich so fremdbestimmt fühlt? Wir sind doch noch nicht wirklich frei, oder?«

Ich schüttelte den Kopf und antwortete:

»Nein, wirklich frei sind wir nicht. Zumindest solange nicht, bis die Erde wieder frei sein sollte. Egal, ob mit oder ohne Konvergenz. Außerdem haben gerade wir beide uns dazu entschieden unseren Beitrag zu leisten, der darin besteht als Agentinnen oder Soldaten für eine Sache zu kämpfen. So wie wir es schon einmal getan haben. Ob wir das diesmal für die richtige Seite tun wird vermutlich nur die Zeit zeigen. Ich kanns nur hoffen, denn gerade das jetzt hier fühlt sich irgendwie richtig an. Und wir kämpfen, weil es in unserer Natur liegt, Mohini. Gerade du und ich, könnten wir denn anders? Könntest du dir etwa vorstellen, auf irgendeinem abgelegenen, beschaulichen Planeten weitab von allem anderen seelenruhig darauf zu warten, bis sich auf der Erde die Probleme von alleine lösen?«

Mohini musste prusten.

»Nein, irgendwie gar nicht...«, lachte sie.

Ich begann sie weiter aufzuziehen:

»Ach klar kannst du das Mohini-Schatz! Stell dir das mal richtig vor wie du dann im wunderschönsten Sari, umringt von einhundert Bollywood-Tänzern einen dicken, nackten, leuchtend-grünen Psevor heiratest! Das ist doch genau dein Ding oder?«

Bumms, hatte ich ein Kissen im Gesicht und hörte sie lauthals lachen.

Als wir uns wieder etwas beruhigt hatten, musste ich ihr die Frage stellen, die so offensichtlich im Raum stand.

»Bin ich ihr wirklich so ähnlich?«

Mohini blickte mir tief in die Augen und seufzte.

»Nein und Ja. Du hast auch so ein Kämpferherz, das wissen wir beide. Aber in dir steckt noch so viel anderes. Nesrin war auch mal so wie du, aber sie wurde härter, kälter, berechnender je älter und erfahrener sie wurde.

Ich glaube das unterscheidet euch fundamental. Wie weit würdest du gehen, Aida? Wie weit könntest du in ihrer Rolle selbst aufgehen und unsere Feinde überzeugen?«

»Keine Ahnung. Vielleicht ist das ja alles eine ziemlich beschissene Idee von Gonalika und dem Rest der Hohen Wesen.«

»Ich bin mir da auch nicht sicher. Ich hab Angst um dich, Aida. Du bist meine Freundin und meine Schwester. Ich will dich nicht verlieren.«

»Eintritt ins Sprungtor in 60 Sekunden.«, ertönte eine sanfte Stimme aus dem Off.

Wir blickten beide durch die Fenster hinaus.

Die Sterne verlangsamten sich draußen und das Schiff bremste auf die notwendige Unter-Licht-Geschwindigkeit herunter, um das Sprungtor sicher passieren zu können.

»Hast du eine Ahnung wo ́s hingehen könnte?«, fragte Mohini.

»Nein, keinen Schimmer Schatz. Ich dachte zuerst an Ga-Yee, zu Fari. Aber dann wären wir schon längst da, Tarù und Ga-Yee sind direkt miteinander durch die Tore verbunden.«

Nun spürten wir den Übergang und die Lichter draußen verschwammen zu verrückten Mustern, die auf mich immer noch beängstigend wirkten.

Ich schaute Mohini an und schlug ihr auf die Schulter.

»Komm prügeln wir uns eine Runde, im Hinterdeck gibt es einen Übungsraum, wo Dotep ein paar nette Spielzeuge herumliegen hat. Das lenkt ab und macht unsere Ärsche knackiger.«

*

»Ich grüße euch, Ratsherr Efaeton, wie kann ich euch dienlich sein?«

Gonalikas leicht gelangweilter Ton missfiel dem Angesprochenen sichtlich, ebenso auch die Tatsache, dass sie keinen Moment lang ihren Blick von der Konsole abwandte.

Sie war sehr bedacht, möglichst beschäftigt zu wirken und dem angesprochenen bloß nicht zu viel Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.

Auf der anderen Seite des Tisches saß ein stämmiger Loveki, der sichtlich um Fassung bemüht war, als er ansetzte, sein Anliegen vorzubringen.

»Hohe Rätin, als Dezernatsleiter für Exploration steht es mir zu, alle Informationen zur Kenntnis zu bekommen, die die aktuellen Explorationsobjekte betreffen. Und dazu gehören auch Operationen der Protektoren außerhalb der Routine, die auf ebenjenen Objekten durchgeführt werden.«

Gonalika ließ sich nicht von ihrer Aufgabe abbringen und zögerte ihre Entgegnung einen unangemessen langen Moment heraus.

»Da muss ein Missverständnis vorliegen, lieber Efaeton, die letzten Operationen spielten sich alle im Rahmen der üblichen Maßnahmen ab, alles reine Routine.«

Efaeton legte seine vierfingrige Hand etwas zu schwungvoll auf die Tischplatte, als er protestieren wollte. Gonalika hob nun doch ihren Blick und funkelte ihn vorwurfsvoll über den Rand ihrer Konsole hinweg an.

»Das kann nicht ihr Ernst sein Hohe Rätin! In Sao Paolo haben hunderte von Wesen ihr Leben gelassen, davon unzählige Konvergenz-Bürger. Sie werden mir doch nicht erzählen wollen, dass die nachfolgende Ermittlungsaktion mit unzähligen SpecOps-Kräften als reine Routine zu verbuchen ist, oder?«

Er beugte sich über den Tisch und fuhr entschlossener fort.

»Außerdem haben mir meine Quellen zugetragen, dass mehrere Feindsubjekte unter höherer Geheimhaltungsstufe ohne die übliche Internierung auf Ares oder Sildron herausgeschafft worden sind. Das ist lediglich für Beta- oder gar Alpha-Targets erlaubt! Erzählen sie mir nicht, da wären nur ein paar niederrangige ERA-Terroristen weggeschafft worden, da steckt doch eindeutig mehr dahinter, oder?«

Gonalika wandte sich nun endgültig von ihrer Konsole ab und lehnte sich seufzend in ihrem Sessel zurück.

»Nun hören Sie mir mal gut zu mein lieber Ratsherr. Ihr Dezernat wurde nicht umsonst mit der Schließung der eigenen Aufklärungsabteilung bedroht. Mit dem Ares-Desaster hat sich ihr Ressort wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert. Selbst wenn... also gesetzt den Fall, dass irgendetwas außer der Reihe mit höherer Freigabeebene vorliegen würde, dürfte ich ihnen darüber nichts, aber auch rein gar nichts preisgeben. Das wissen Sie doch selber gut genug.«

Er lehnte sich in seinen Stuhl ebenfalls wieder zurück und schaute mürrisch drein, seine violett gemusterten Schuppen begannen dabei zu verblassen.

»Ich ging fest davon aus, dass ihr mir etwas entgegenkommen würdet. Gerade, weil ich euch ohne Widerstand einige meiner besten Leute aus der Abteilung überlassen habe. Gerade diese Ardai Semjonova an der ihnen so sehr gelegen war. So schlecht kann diese Abteilung nicht gearbeitet haben.«

»Wir sind euch auch weiterhin dankbar dafür. Es wäre ja schade darum gewesen, die talentiertesten Mitarbeiter für etwas zu bestrafen, was die vorgesetzte Ebene aufgrund unzureichender Planung...«

Efaeton schnaubte wütend und stand auf.

»Hohe Rätin, ich bin äußert unzufrieden mit dieser Situation und verlange eine größere Transparenz und Kooperation! Ich werde das mit einer höheren Stelle besprechen müssen.«

»Ja, geehrter Ratsherr, dazu kann ich ihnen nur raten. Wir sind hier keine Entscheidungsträger, wir sind nur Diener der höheren Interessen der Konvergenz, zum Wohle aller.«

Er schnaubte wieder, drehte sich um und stampfte aufgebracht zur Tür. Als diese sich öffnete blickte er noch mal wütend zu ihr zurück.

»Wenn nun die Geschicke der Exploration in den Händen der Protektoren liegen, was unterscheidet uns dann noch von gemeinen Eroberern und Besatzern? Habt ihr euch das auch schon mal gefragt?«

Mit diesen Worten verließ er den Raum.

Die Tür schloss sich zischend hinter ihm.

Gonalika lehnte sich wieder zurück und blickte auf den Screen vor sich. Eine Stimme aus der Konsole meldete sich zu Wort.

»Er scheint wirklich sauer zu sein und fühlt sich absolut übergangen.«

»Na ja, kein Wunder mein lieber Fari. Efaeton hat eine komplette Abteilung verloren und er wurde hart in seinen Kompetenzen beschnitten. Das würde uns beiden auch nicht passen.«

»Du hast Recht. Solange das Loch in dieser Abteilung noch nicht gefunden wurde, stehen wir alle sowieso in fragwürdigem Licht da. Die Stimmung in der Ratsversammlung ist verdammt schlecht, der Hohe Lord Edukator wird diese Sache nicht mehr lange deckeln können. Wenn sein eigener Dezernatsleiter jetzt krakeelend zu ihm kommt, wird er handeln müssen. Unsere beiden Ardai sind übrigens unterwegs, ich breche in einem Zyklus auf, hier gibt es noch ein paar Dinge zu regeln. Hast du dir schon einen Vernehmungstaktiker ausgesucht?«

»Ja, den besten. Dich.«

Ein kurzes Schweigen.

»Du weißt, dass ich für die Ardai zu stark bin. Ich möchte nicht... dass jemand zu Schaden kommt.«

Sie drehte sich zur Seite und blickte aus dem Fenster.

»Fari, für diesen Fall brauchen wir das Stärkste und Beste, was wir aufzubieten vermögen. Es geht darum, alles aus dieser Nesrin herauszubekommen, was wir können. Alle Zeichen deuten darauf hin, dass sie der Schlüssel sein wird. Glaubst du immer noch an einen Zufall? Das einfach so diese beiden Ardai-Mädchen auftauchen und dann auch noch in dieser Konstellation?«

»Ja... aber erinnere dich... wir hätten Aida damals beinahe in der Wüste auf Sildron verbrennen lassen. Nur weil wir sie für Nemesis hielten, wurden alle gerettet. Denk daran. Wir dürfen nie vergessen, warum wir das alles tun. Im Krieg gilt es Opfer zu bringen. Aber wir stehen auch dort wo wir sind, weil wir Dinge überwinden müssen. Wenn wir schon Opfer bringen, dann muss es einen Sinn ergeben.«

»Wo liegt der Sinn in dem was wir hier tun? Was meinst du? Einen heruntergekommenen Planeten, irgendeine bedeutungslose Randwelt zu retten?«

Sie seufzte und fuhr fort:

»Die Ardai müssen es irgendwie selbst schaffen. Das ist der Punkt. Wir können ihnen nur helfen, aber solange die Befreiung von uns auferlegt wird, werden sie es immer als Zwang betrachten. Ich frage mich manchmal selbst, ob wir besser nicht eingegriffen hätten.«

»Erinnere dich daran, wie wir dich einst vorgefunden hatten, auf deinem völlig zerstörten Mond. Hätten wir euch auch dort einfach zurücklassen sollen?«, entgegnete ihr Fari.

»Hör auf, ich erinnere mich nur zu gut daran. Die Geschichte wiederholt sich und diese jungen Mädchen erinnern mich ständig an meine Vergangenheit, das weißt du genau.«

»Ja, ich verstehe dich. Du siehst dich als schützende Mutter für die beiden Mädchen, stimmt‘s?«

Sie schaute streng hinüber zur Konsole.

»Sei nicht so respektlos deiner Hohen Rätin gegenüber! Das kann erhebliche Folgen haben, ich lasse dich direkt zu Nesrin in die Zelle sperren.«

Sie stimmte für einen Moment in Faris Lachen ein, wurde dann aber wieder ernst.