0,00 €
Diplomarbeit aus dem Jahr 2003 im Fachbereich Politik - Politische Theorie und Ideengeschichte, Note: 1, Universität Salzburg, Sprache: Deutsch, Abstract: Die zentrale Fragestellung der Diplomarbeit lautet: Welche Ergebnisse bringt die Anwendung der Theorie des Zivilgesellschaftlichen Republikanismus auf die neokonservativen Gesellschaftsentwürfe?. Zur Beantwortung dieser Frage soll konkret nach Maßgabe
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Page 1
Page 1
VORWORT
Notwendige Bedingung jedweder Wissenschaft ist die physische Integrität im Sinne des gewährleisteten Funktionierens des Organismus. Die Existenz geht dem Wissen voraus und ihre Erhaltung schafft die Möglichkeit für Erkenntnis für alle Menschen der Gegenwart und Zukunft. Die globale Befriedigung existentieller materieller Bedürfnisse wie die Sicherung der natürlichen materiellen Existenzbedingungen ist Gegenstand verschiedener Einrichtungen der Vereinten Nationen, beispielsweise Weltklimagipfel, Welternährungskonferenz, Artenschutzkonferenzen, deren Ergebnisse häufig wenig befriedigend ausfallen, u.a. weil ökonomische Interessen eine höhere Bargaining Capacity und bessere Lobbies haben als Menschenrechts- oder Umweltschutzorganisationen aus der Zivilgesellschaft. Eine höhere Lebenserwartung, eine egalitäre Vermögensverteilung und eine intakte Umwelt wären zweifellos ein hoher sozialer Gewinn für die große Mehrheit der etwa 6 Milliarden Menschen, jedoch kein privatisierbarer Gewinn für eine kleine Minderheit der globalen Machteliten. Beabsichtigte Verbesserungen benötigen einen auf einschlägiges Bewußtsein gestützten Willen, was unter den Bedingungen einer kulturindustriellen Aufmerksamkeitslenkung und Formierung mit dem Korrelat einer postmodernen aufklärungsfeindlichen Indifferenz zynischer Egoisten und Konsumisten erstweltlicher Provenienz schlechte Verwirklichungschancen hat. Unter diesen Bedingungen werden Bürgergesellschaftsentwürfe publiziert, die ein ideologisches Bewußtsein schaffen wollen, indem sie nicht nur die falschen Probleme benennen, sondern auch falsche Lösungen vorschlagen. Sie geben die Wirklichkeit unter Auslassungen und Verfälschungen wieder und stellen auf dieser Basis an Gesellschaft und BürgerInnen Forderungen, deren Einlösung ökonomische und gesellschaftliche Spannungen verstärken würde. Der Zivilgesellschaftliche Republikanismus ist dagegen als linksliberaler republik- und demokratietheoretischer Ansatz nicht bevormundend angelegt, sondern überläßt die Bewußtseinsbildung und Aufklärung den BürgerInnen selbst und sieht dabei nationalstaatliche Grenzen nicht als verbindlich vor.
Page 2
Nachdem im Vorwort die persönliche Motivation für die Wahl der Themenstellung angedeutet wurde folgt nun die Erklärung der allgemeinen Relevanz der Bürgergesellschaftsentwürfe und des Zivilgesellschaftlichen Republikanismus.
Die Debatten über die Grenzen des Sozialstaates werden im speziellen von politisch konservativer Seite seit etwa zwei Jahrzehnten geführt. Genährt wurden sie mit verschiedenen Argumenten, wie zB. daß das gebremste Wirtschaftswachstum zu mehr Arbeitslosen und diese wiederum zu höheren Kosten für den Sozialstaat führen würden, daß die staatliche Sozialbürokratie primär eigennutzorientiert und expansiv sei oder daß der Sozialstaat die BürgerInnen zu „Sozialmißbrauch“ und Passivität anrege und er daher überdacht und in der bestehenden Weise nicht mehr weitergeführt werden sollte. Mit dem Zusammenbruch des „real existierenden Sozialismus“ und damit der bipolaren Systemkonkurrenz fiel Ende der 1980er Jahre eine externe ideologische Legitimation für staatlich organisierte materielle Grundsicherung und Ausgleich weg und schwächte die argumentative Basis der Apologeten des Sozialstaats weiter. Dessen Sicherung über höhere Steuern stehen die Auswirkungen von internationalen wirtschaftspolitischen Abkommen und Verträgen gegenüber, die unter der Bezeichnung „ökonomische Globalisierung“ zu Kapitalabwanderungen und in Folge Schwächung der Volkswirtschaft führen würden. Das politische Instrumentarium mit dem eine stagnierende Volkswirtschaft konjunkturell belebt werden kann ist obgrund der Verpflichtungen im Rahmen von EU oder WTO zweifellos begrenzt und wird gegenwärtig v.a. dahingehend aufgelöst, als kurzfristige Budgetsanierung durch Privatisierungen öffentlich verantworteter Sektoren im Bereich der Versorgung mit Grundgütern zu erreichen versucht wird, also Einschränkung der Leistungen des Sozialstaates betrieben wird. Die dermaßen liberalisierten Wirtschaftssektoren sollen internationales Kapital anlocken, welches neben den politischen Rahmenbedingungen auch günstige gesellschaftliche Bedingungen als Standortvorteil einer Volkswirtschaft innerhalb der von manchen Neoliberalen proklamierten „Konkurrenz der Gesellschaften“ vorfinden will, in der postmaterialistische Werthaltungen und hedonistisch-individuelle Lebensentwürfe verpönt sind. In dieser grob vereinfacht ge-
Page 3
schilderten Konstellation lancieren hochrangige Politiker von ÖVP, CSU und CDU, deren gesellschaftliche Durchdringungskraft gerade in ländlichen Siedlungsräumen groß ist, mit Büchern zur „Bürgergesellschaft“ bzw. „Aktiven Bürgergesellschaft“ präskriptive Gesellschaftsentwürfe mit im Vergleich zu parteipolitisch indifferenten wissenschaftlichen Arbeiten hohen Verwirklichungschancen, zumindest was die Steuerungsmöglichkeiten über implementierte Politik betrifft, weswegen die drei Bürgergesellschaftsentwürfe Untersuchungsobjekt der vorliegenden Arbeit sein sollen.
Die allgemeine Relevanz der Theorie des „Zivilgesellschaftlichen Republikanismus“ liegt v.a. in realhistorischen, demokratie- und verfassungstheoretischen Faktoren. Eine in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erdachte politische Theorie sollte die ihrem Grunde und Ausmaß nach singulären Tatsachen systemkonformer Inhumanität und verursachtem erfahrenem Leid nicht unberücksichtigt lassen. Dieser Prämisse wird der Zivilgesellschaftliche Republikanismus als dezidiert antitotalitäre Theorie gerecht, unbeschadet der umstrittenen Geltung des Totalitarismus-Begriffs. Die Entwicklungsgeschichte der Demokratietheorien im vergangenen Jahrhundert bewegt sich zwischen elitären und partizipationsorientierten Ansätzen, zwischen Weber, Schumpeter, Sartori oder Zolo auf der einen und Bachrach, Pateman, Barber oder Habermas auf der anderen Seite. Während in den ersten Jahrzehnten nach dem zweiten Weltkrieg elitistische Demokratietheorien vorherrschend waren, erlebten in den 1970er Jahren partizipatorische Ansätze einen Aufschwung. Gegenwärtig läßt sich innerhalb derer einerseits eine „republikanische Demokratietheorie mit starken zivilgesellschaftlichen Anleihen ... finden ... Andererseits zeichnen sich die Konturen der deliberativen Demokratie-theorie zunehmend deutlicher ab“ (Schaal 2002, S. 529), d.h. der Zivilgesellschaftliche Republikanismus kann als aktuelle und zeitgenössische Demokratietheorie bezeichnet werden, dies auch unter dem Gesichtspunkt seiner Rezeption im deutschsprachigen Raum und zunehmender konkurrenzdemokratischer Elemente in der politischen Kultur Österreichs und teilweise auch Deutschlands. Von den vier unumstrittenen Grundbausteinen der österreichischen Verfassung scheinen aufgrund der spezifischen Bedingungen der Herstellung einer stabilen gesellschaftlichen Ordnung in der Nachkriegszeit v.a. der republikanische aber auch der demokratische gerade im internationalen Vergleich schwach konturiert zu bleiben. Der Zivilgesellschaftliche Republikanismus offeriert diesbezüglich Einsichten in Bedingungen und Ausprägungen einer autonomen Gesellschaft, ausgehend von einem republikanischen Urzu-stand im postrevolutionären Frankreich bzw. den nordamerikanischen Kolonien, und kann als Entwurf gegen obrigkeitsstaatliche Bevormundung, Minderheitenfeindlichkeit und elitäre Politikentwürfe gelten.
Page 4
Anschließend wird vorerst auf den Titel eingegangen, danach eine Verortung von Untersuchungsobjekt und Analyseinstrument vorgenommen, die zentrale Fragestellung erörtert sowie der Zweck der Kapitel dargestellt.
Der Titel „Neokonservative Bürgergesellschaft und Zivilgesellschaftlicher Republikanismus“ wurde gewählt, weil er es in wenigen Worten schafft Untersuchungsobjekt und Analyseinstrument zu benennen sowie das Erkenntnisinteresse anzudeuten, welches in der zentralen Fragestellung präzisiert wird. Zuvor soll jedoch eine Verortung der Thematik im Feld der Politikwissenschaft vorgenommen werden.
Bei der Verortung des Arbeitsthemas im Feld der Politikwissenschaft muß zwischen Untersuchungsobjekt und Analyseinstrument unterschieden werden, nachdem beide „Politischer Theorie“ zugeordnet wurden.
Das Untersuchungsobjekt, nämlich neokonservative Gesellschaftsentwürfe, wäre nach Müller innerhalb der Kategorie „normative politische Theorien“ im Bereich „Ideengeschichte“ als Ausprägung von „Konservatismus/Neokonservatismus“ anzusiedeln. Der Nachweis des neokonservativen Gehalts der drei Entwürfe erfolgt zwar erst im Hauptteil, muß aber an dieser Stelle aus Gründen einer präzisen Verortung vorweggenommen werden. Das Analyseinstrument, die Theorie des Zivilgesellschaftlichen Republikanismus, wäre ebenfalls innerhalb der Kategorie „normative politische Theorien“ dem Bereich „politische Philosophie“ zuordenbar (vgl. Müller 1994, S. 216ff). Derlei Einteilungen finden in der „politischen Theorie“ in einem Spannungsfeld zwischen empirisch und normativ statt, was begünstigt, daß sie von PolitikwissenschafterInnen uneinheitlich gehandhabt werden. Anders als Müller bezeichnen Brodocz/Schaal die in der Diplomarbeit auf neokonservative Gesellschaftskonzepte anzuwendende Theorie als „empirisch“, weil sie mit der Frage nach der empirischen Verfaßtheit von Politik beginnt und nicht mit der Frage nach deren Begründbarkeit. Die beiden Autoren sehen in „der Frage nach der Begründbarkeit und der Frage nach der empirischen Verfaßtheit von Politik ... eine konstitutive Spannung, die zunächst zugunsten der einen oder der anderen Seite aufgelöst werden muß - ansonsten kommt eine politische Theorie nicht auf den Weg, sie verharrt in der Unentschiedenheit“ (Brodocz/Schaal 2001, S. 11). Ergänzend muß festgehalten werden, daß der Zivilgesellschaftliche Republikanismus bei Brodocz/Schaal als „Politische Theorie“ bezeichnet wird. Die betreffende Theorie tritt jedoch für die Demokratie als Herrschaftsform ein und genügt in ihren Diagnosen bzw. An-
Page 5
sprüchen v.a. bezüglich gesellschaftszentrierter und republikanischer Elemente vielen Anforderungen „partizipatorischer Demokratietheorien“ wie sie Manfred Schmidt zusammenfaßt, weswegen sie als „Demokratietheorie“ bezeichnet werden kann (vgl. Schmidt 2000, S. 251ff). Eine präzisere Verortung der Theorie des Zivilgesellschaftlichen Republikanismus erweist sich als schwierig, denn sie „steht in gewissem Maße ortlos im Feld der gegenwärtigen politischen Theorie“ (Marchart 2001, S. 162). Dies hat u.a. damit zu tun, daß sie als De-mokratietheorie phänomenologische Elemente enthält und ihr Politikbegriff (= „das Politische“) Prinzipien bezeichnet, die verschiedene Gesellschaftsformen generieren und sich somit von den allermeisten Demokratietheorien unterscheidet sowie damit, daß die Theorie nicht aus dem Zentrum des politikwissenschaftlichen Feldes stammt, sondern aus Randzonen im Übergang zur Philosophie und Soziologie. Die meisten inhaltlichen Parallelen gibt es zu Hannah Arendts Theorie des „Freiheitlichen Republikanismus“. Als größter gemeinsamer Nenner mit einer Reihe neuerer Theorien kann die Zuordenbarkeit des „Zivilgesellschaftlichen Republikanismus“ zum „post-fundationalistischen Paradigma“ gelten, die für Leforts Theorie zulässig ist, weil in ihr eine negative bzw. paradoxe Grundlegung des Dispositivs der Demokratie erfolgt. Dies gilt ebenso für Dekonstruktivismus, poststrukturalistische Hegemonietheorie, Pragmatismus nach Rorty oder Feminismus nach Butler (Marchart 2001, S. 181f). Leforts politische Philosophie folgt nicht postmodernem Denken, weil sich Gesellschaft bei ihm nicht als beliebiges „Patchwork“ auflöst, sondern vom symbolischen Pol außerhalb der Gesellschaft erkannt und somit bestimmt wird. Anders als zB. in der Hegemo-nietheorie von Laclau/Mouffe, in der Bestimmung und Geltung jedes Signifikanten, auch jenem der Demokratie, einer hegemonialen Auseinandersetzung unterliegt, wird bei Lefort Demokratie vorweg favorisiert als einzige Gesellschaftsform, die den Ort der Macht leer läßt (Brodocz/Schaal 2001, S. 16). Der „Civic Republicanism“ ist unter den PolitikwissenschafterInnen im deutschsprachigen Raum noch nicht Gegenstand eines breiten Diskurses geworden, geschweige denn hat er jemals paradigmatischen Status erlangt. „Der Zivilgesellschaftliche Republikanismus ... ist genau so eine randständige und lange Zeit zurückgedrängte Denktradition, die erst wieder in den letzten Jahren an Sichtbarkeit gewonnen hat“ (Marchart 2000, S. 15f).
Weitere Zuordnungen von Untersuchungsobjekt und Analyseinstrument im Zivilgesellschaftsdiskurs, der Gemeinschaft-Gesellschaft-Dichotomie und der Liberalismus-Kommunitarismus-Kontroverse werden in einem Exkurs am Ende des fünften Kapitels vorgenommen (siehe S. 120ff).
Die zentrale Fragestellung lautet: „Welche Ergebnisse bringt die Anwendung der „Theorie des Zivilgesellschaftlichen Republikanismus“ auf die neokonservativen Gesellschaftsent-
Page 6
würfe ?“ Bevor im sechsten Kapitel eine abschließende Klärung dieser Frage versucht werden soll, werden mit den vorhergehenden Kapiteln folgende Zwecke verfolgt: Nach der Einleitung im ersten Kapitel erfolgt im zweiten eine Darstellung des (Neo)Konservatismus, in der der Begriff und seine Elemente geklärt und die Entwicklung des (Neo)Konservatismus nachgezeichnet werden soll. Der Zusammenhang mit der zentralen Fragestellung besteht darin, daß der Nachweis, daß es sich bei den Bürgergesellschaftsentwürfen tatsächlich um neokonservative Entwürfe handelt erst erbracht werden muß und nicht apriori feststeht, wozu in diesem Kapitel die ideengeschichtliche Grundströmung Konservatismus mit Schwerpunkt auf seiner aktuellen Ausprägung vorgestellt werden soll. Ohne den Inhalten des Hauptteils vorgreifen zu wollen bedeutet dies jedoch nicht, daß ältere Elemente des Konservatismus für den Neokonservatismus keine Rolle mehr spielen würden. Im Gegenteil gibt es gerade unter ihnen solche, die zum Standardrepertoire an konservativen Prämissen und Argumenten zählen, wie Religion, Tradition oder Familie, aber auch andere, deren Bedeutung relativiert wurde, wie zB. Institution zugunsten von Werten. Dieser Um-stand erschwert bei der Darstellung konservativer Elemente auch die Einhaltung einer nach wissenschaftlichen Maßstäben gebotenen Trennschärfe zwischen ihnen. Das dritte Kapitel dient der Kurzdarstellung der Untersuchungsobjekte, nämlich der drei Bürgergesellschaftsentwürfe. Es soll dabei versucht werden, die relevanten Aussagen zu deren Merkmalen zu verdichten und einzeln aufzubereiten. Zwecks möglichst hoher Authentizität wird dabei weiters versucht, den Sprachstil der Autoren (typische Begriffe und Formulierungen) in die Darstellung zu übernehmen, so daß das Ergebnis der Wiedergabe der dominanten, d.h. der von den Autoren so intendierten, Lesart nahe kommen soll. Trotzdem dieses Kapitel wie das vorhergehende deskriptiv angelegt ist, ist keine narrative Stringenz zwischen beiden möglich, weil nach Maßgabe des Aufbaus des Hauptteils Kapitel zwei, das den (Neo)Konservatismus theoretisch behandelt, von Kapitel drei, das die Bürgergesellschaftsentwürfe induktiv aufarbeitet, getrennt zu betrachten ist.
Im vierten Kapitel erfolgt die Zusammenführung der Theorie des zweiten mit den induktiv erhobenen Daten des dritten. Im analytisch angelegten vierten Kapitel sollen Identitäten und Analogien zwischen (neo)konservativen Elementen und Elementen der Bürgergesellschaftsentwürfe gefunden werden, um begründet und auf direktem Weg den Nachweis erbringen zu können, daß es sich beim Untersuchungsobjekt tatsächlich um neokonservative Entwürfe handelt. Dem Problem ab welcher Dichte der „Beweislage“ ein solcher Nachweis als erbracht gelten kann soll begegnet werden, indem für jedes neokonservative Element Entsprechungen im jeweiligen Bürgergesellschaftsentwurf gesucht werden. Es werden alle Elemente ab-
Page 7
gehandelt, um den neokonservativen Gehalt der Entwürfe vollständig und nicht nur indizienweise nachzuweisen und so aufgrund offensichtlicher Unverträglichkeiten das mögliche Argument zu entkräften, in die Bürgergesellschaftentwürfe fänden auch liberale oder sozialistische Einflüsse Eingang. Ein weiterer Zweck des Kapitels besteht darin, daß in ihm detailliertere und tiefergreifendere Einsichten in die Bürgergesellschaftsentwürfe als im vorhergehenden Kapitel vermittelt werden, wodurch Facetten der Entwürfe zum Vorschein kommen, die in den Einbandtexten der drei Bücher zweifellos keine Berücksichtigung finden. Redundanzen werden nach Möglichkeit zu vermeiden versucht, können und sollen aber nicht ausgeschlossen werden, wo gleiche Belege zur Stützung verschiedener Argumente herangezogen werden. Weil es im Kapitel um den einzelnen Nachweis je Entwurf geht bleiben vergleichende Aspekte ausgespart.
Zweck des fünften Kapitels ist die Darstellung der „Theorie des Zivilgesellschaftlichen Republikanismus“ anhand des zentralen Vertreters ihres französischen Stranges und, anknüpfend an dessen Werk sowie erweiternd, von bundesdeutschen Vertretern der Theorie. Letztere wurden berücksichtigt, weil ihre Auseinandersetzung mit der Theorie einen gewissen Umfang erreicht hat und in einer politischen Kultur stattgefunden hat bzw. auf sie bezogen ist, die der österreichischen aufgrund ihrer schwachen republikanischen Tradition stark ähnelt. Aufgrund des mit den Bürgergesellschaftsentwürfen, auf die der Zivilgesellschaftliche Republikanismus im sechsten Kapitel angewendet wird, geteilten politisch-kulturellen Hintergrundes wurde den bundesdeutschen Vertretern der Theorie der Vorzug gegeben vor anderen Rezeptionslinien. Die Theorie selbst erweist sich zur Anwendung auf die Bürgergesellschaftsentwürfe deshalb als besonders praktikabel, weil sie unter republik- bzw. demokra-tietheoretischen Gesichtspunkten gesellschaftszentriert ist. Vom angloamerikanischen Strang des Zivilgesellschaftlichen Republikanismus unterscheidet sie, daß sie als Gegen-horizont und ständige Gefahr der demokratischen Republik den Totalitarismus thematisiert. Das sechste Kapitel soll Antwort auf die zentrale Fragestellung geben. In diesem Kapitel wird versucht, die Theorie des Zivilgesellschaftlichen Republikanismus von Claude Lefort und deren Rezeption und Weiterentwicklungen durch Helmut Dubiel, Günter Frankenberg und Ulrich Rödel auf die neokonservativen Bürgergesellschaftsentwürfe von Andreas Khol, Alois Glück und Lothar Späth anzuwenden. Konkreter soll nach Maßgabe zentraler zivilgesellschaftlich-republikanischer Kategorien und Inhalte versucht werden, bürgergesellschaftliche Problemfelder zu identifizieren, anschließend kritisch zu diskutieren und abschließend einem interpretativen Urteil zu unterziehen. Technischer gesprochen werden wesentliche zivilgesellschaftlich-republikanische Kategorien in den Bürgergesellschaftsentwürfen gesucht und deren Ausprägungen festgestellt, bevor die zivilgesellschaftlich-republikanischen Ausprä-
Page 8
gungen dieser Kategorien instrumentell auf die bürgergesellschaftlichen angewandt werden und diese Operation in dem Sinne beurteilt wird, als republik- bzw. demokratietheoretische Defizite in den Bürgergesellschaftsentwürfen benannt werden. Was zur Redundanzenproblematik für das vierte Kapitel gesagt wurde gilt auch für diese Analyse. Komparative Aspekte zwischen den drei Bürgergesellschaftsentwürfen finden insofern Berücksichtigung, als sie mit analyserelevanten Sachverhalten zu tun haben, d.h. Gegenstand zivilgesellschaftlich-republikanischer Kritik sind.
In einer die Arbeit abschließenden Zusammenfassung sollen auf wenigen Seiten die wichtigsten Erkenntnisse textiert werden.
Im folgenden werden methodische Fragen der Zuordnung und Vorgehensweise erläutert. Von einer allgemeineren Beschäftigung u.a. mit theoretischen Grundströmungen ausgehend sollen anschließend operationale Methoden der Datenerhebung und -analyse behandelt werden.
Es wird in der vorliegenden Arbeit theoretische Forschung betrieben, weil das Untersuchungsobjekt nicht Teil der empirischen Wirklichkeit ist, sondern diese in Buchform bebzw. vorschreibt. Als normative Vorgaben für die empirische Wirklichkeit sind die Bürgergesellschaftsentwürfe vom „Netz“ (Popper), dem Analyseinstrument welches über sie geworfen wird verschieden und als Untersuchungsobjekt auch nicht Gegenstand methodischer Betrachtung. Die Auseinandersetzung mit den Bürgergesellschaftsentwürfen soll also transzendent unter Anwendung des Zivilgesellschaftlichen Republikanismus als Maßstab erfolgen, wobei jedoch auch immanente Kritik vorkommen kann, soweit sie Inkonsistenzen und Widersprüche in den Bürgergesellschaftsentwürfen aufdeckt, die dann Gegenstand transzendenter Kritik sein können. Der Verwendung einer einzelnen politischen Theorie als transzendierendem Analyseinstrument wurde gegenüber einer rein pragmatischen Auseinandersetzung mit den Bürgergesellschaftsentwürfen der Vorzug gegeben, weil letzterenfalls zwar womöglich mehrere Problemfelder erfaßt worden wären, aber die Ergebnisse fragmenthaft geblieben wären und nicht unter einer Theorie integriert hätten werden können. Das Analyseinstrument
Page 9
selbst beinhaltet aufgrund seiner heterogenen Wurzeln Bestandteile aus zwei „Theoriefamilien“. Normativ-ontologisch ist der Verweis auf notwendige überzeitliche Elemente der demokratischen Republik, die diese vom Abdriften in den Totalitarismus bewahren. Eine Typologie von diesbezüglich notwendigen Kategorien umfaßt Gesellschaft, öffentlich-politische Sphäre, Konflikt und Macht, Recht, Wissen und deren Grundlagen als Konfliktgegenstände, ergänzt durch die Menschenrechte. Konstruktivistisch ist die Wahrnehmung des „Ortes der Macht“ und seiner Verfaßtheit sowie die Wirkungsmächtigkeit von Einheitsgelüsten und Verschmelzungsphantasien aus der kollektiven Imagination der BürgerInnen. Empirisch-analytische Elemente spielen keine Rolle, historisch-dialektische Vorgaben werden zugunsten historischer Kontingenz negiert.
Hinsichtlich der Anwendung operationaler Methoden müssen die Methoden der Datenerhebung von jenen der Datenanalyse unterschieden werden. Die Datenerhebung aus den Literaturquellen findet systematisch auf zwei Ebenen statt, wobei zum einen eine deskriptive zusammenfassende Aufbereitung in den Kapiteln zwei, drei und fünf erfolgt, jedoch auch die Kapitel vier und sechs weiter extrahiertes und konkretisiertes Datenmaterial beinhalten. Zum anderen soll nicht nur auf explizit im Text auffindbare Elemente eingegangen werden, sondern auch implizite und absente Elemente Berücksichtigung finden. Relevante implizite Textinhalte wie Annahmen oder Prämissen (zB. zu Menschenbild, Frauenbild) sollen hermeneutisch erschlossen werden, um den Weg der Feststellung von Sinneinheiten und Bedeutungen intersubjektiv nachvollziehbar gestalten zu können. Dies gilt ebenso für absente Elemente, welche weder explizit im Text stehen noch implizit aus ihm hervorgehen, sondern bewußt/unbewußt in den Bürgergesellschaftsentwürfen unterschlagen werden, trotzdem sie als Voraussetzungen der Funktionsfähigkeit dieser Entwürfe deren Wirkungsweise, gemäß dem Fall die Entwürfe wären realisiert, wesentlich beeinflussen würden (zB. Machtverhältnisse, überlokale Integrationsformen, prozedurale Fragen). Neben diesem „empirisierenden“ Identifikationsmodus absenter Elemente wird unter heuristischen Gesichtspunkten auch der Zivilgesellschaftliche Republikanismus zur Feststellung impliziter und absenter Elemente in den Bürgergesellschaftsentwürfen herangezogen. Die Datenanalyse erfolgt in den Kapiteln vier und sechs, wobei Kapitel vier nicht die zentrale Fragestellung im engeren Sinn beant-wortet, sondern Übereinstimmungen und Entsprechungen zwischen in Kategorienform gebündelten (neo)konservativen Inhalten und Inhalten der Bürgergesellschaftsentwürfe feststellt. In Kapitel sechs werden nach Maßgabe des Analyseinstruments und seiner Kategorien in einer Gegenüberstellung Abweichungen relevanter Inhalte des Untersuchungsobjekts festgestellt und diese Abweichungen anschließend wiederum mit dem Zivilgesellschaftlichen Republikanismus als normativer Vorgabe republik- bzw. demokratietheoretisch interpretiert. Das grundlegende rationale Argumentationsschema im sechsten Kapitel entspricht am
Page 10
ehesten dem „Modus tollens“, weil in der ersten Proposition die notwendigen Bedingungen einer demokratischen Republik bezeichnet werden, in der zweiten Proposition deren defizitärer Status bzw. Absenz in den Bürgergesellschaftsentwürfen belegt wird und in der Konklusion der republik- bzw. demokratietheoretische Gehalt des Untersuchungsobjekts behauptet wird.
Die eigene Grundhaltung in der vorliegenden Arbeit ist kritisch, versucht im konkreten Text aber immer begründet und nachvollziehbar zu sein. Eine neutrale Haltung des erkennenden Subjekts zum Erkenntnisobjekt wird gerade in dieser sozialwissenschaftlichen Arbeit nicht behauptet.
Anschließend wird die Literaturwahl zu (Neo)Konservatismus, Bürgergesellschaft und Zivilgesellschaftlichem Republikanismus begründet und der Stand der Literatur zum jeweiligen Thema erläutert.
Für eine übersichtliche Erfassung des (Neo)Konservatismus in seiner Heterogenität eignen sich einzelne Stücke Primärliteratur nicht. Eine „Theorie“ des (Neo)Konservatismus induktiv über die Analyse von Werken beispielsweise von Hermann Lübbe oder Günther Rohrmoser zu konstruieren würde zudem den Umfang der vorliegenden Arbeit zweifellos sprengen und ist nicht ihr Zweck. An konservativer Sekundärliteratur ist zu kritisieren, daß die aktuellere vorwiegend historisch-deskriptiv angelegt ist, kaum Kategorien für eine Analyse konservativer Elemente liefert und so aus ihr keine analytische Systematik hervorgeht. Dies wohl auch wegen des gestörten Verhältnisses des Konservatismus zum Rationalismus und seinen wissenschaftlichen Prämissen. Werke wie „Konservatismus in Österreich“ herausgegeben von Robert Rill oder „Stand und Probleme der Erforschung des Konservatismus“ editiert von Caspar von Schrenck-Notzing arbeiten Konservatismus über die Beschreibung von Phänomenen wie der Paneuropa-Bewegung oder der Jungen europäischen Studenteninitiative auf und ordnen diese dabei dem Konservatismus zu ohne eine Erklärung für diese Zuordnung abzugeben, was vor allem für das erstgenannte Werk zutrifft. Hinter beiden Büchern steht
Page 11
dasselbe Initiatorenkollektiv, dem als wohl prominentester Österreicher Lothar Höbelt angehört.
Als Literaturquelle zur Erarbeitung des (Neo)Konservatismus wurde aus oben angeführten Gründen kritische Sekundärliteratur herangezogen. Es kann aufgrund der Quellenlage ein österreichischer Konservatismus nicht systematisch erarbeitet werden, weswegen sich das zweite Kapitel auf den (Neo)Konservatismus in Deutschland beziehen wird. Die Anzahl umfassender, überblickender Werke zum Konservatismus hält sich im deutschen Sprachraum seit Beginn des 20. Jahrhunderts in Grenzen. Die Zeit davor bildet nicht den Schwerpunkt des Interesses, weil die Aussöhnung des Konservatismus mit der technisch-industriellen Zivilisationsentwicklung und die Strategieänderung von einer defensiven Bewahrung hin zu einer konstruktiven Verteidigung erst im 20. Jahrhundert stattfand. Dies ist auch der Grund, warum Karl Mannheims Standardwerk „Das konservative Denken“ aus 1927 das sich mit dem Altkonservatismus in Deutschland beschäftigt, für die vorliegende Arbeit keine Berücksichtigung fand. Als neueren Deutungsansatz des Konservatismus nennt Kurt Lenk, der 1989 die letzte und damit aktuellste umfassende ideengeschichtlich-analytische Monografie zum „Deutschen Konservatismus“ verfaßt hat, v.a. jenen von Martin Greiffenhagen (Lenk 1989, S. 22ff). Greiffenhagen und Lenk nennt auch Axel Schildt als zwei der „wenigen Überblickswerke über den Konservatismus“ (Schildt 1998, S. 17). Warum seit 1989 keine umfassenden analytisch-kritischen Werke zum Konservatismus im deutschsprachigen Raum mehr erschienen sind mag verschiedene Ursachen haben. Zum einen fällt in diese Zeit das Ende der Amtszeiten der konservativen Regierungen Reagan und Thatcher. Zum anderen traten mit der Vereinigung Deutschlands rechtsextreme Gewalttäter verstärkt in Erscheinung, denen ein Naheverhältnis zur „Neuen Rechten“ sowie zu neokonservativen Gruppierungen nachgewiesen wurde, was die einschlägige Forschung vermutlich vom Neokonservatismus teilweise zum Rechtsextremismus umgeleitet hat. Andererseits wurde während der 1990er Jahre von neokonservativen Autoren weiter publiziert. Als neokonservative Autoren treten vorwiegend Historiker und Philosophen (vgl. Habermas 1985, S. 39) wie beispielsweise Hermann Lübbe, Günther Rohrmoser, Odo Marquard oder Gerd-Klaus Kaltenbrunner (vgl. Dubiel 1985, S. 10; Kellershohn 1998b, S. 56) in Erscheinung. Organisationen wie die Deutschland-Stiftung, das Studienzentrum Weikersheim oder die Civitas-Gesellschaft (vgl. Schildt 1998, S. 249ff) gelten als neokonservative Think-tanks. Publikationen umfassen zB. die Reihe Initiative der Herderbücherei oder die deutschlandpolitische Schriftenreihe des Sinus-Verlags (vgl. Lenk 1989, S. 285; Klönne 2000, S. 90). Die für das zweite Kapitel zu verwendenden umfassend-analytischen Monografien sollen jene von Martin Greiffenhagen (1986, Original 1971) - „Martin Greiffenhagens ... Studie gilt, neben der Arbeit Karl Mannheims über den Konservatismus, inzwischen als die bedeutsamste Arbeit zu diesem Thema“ (Greiffenhagen 1986, Einbandtext) - und Kurt Lenk (1989)
Page 12
sein. Für die Situation des Neokonservatismus der 1980er Jahre werden schwerpunktmäßig kritische Theoretiker der zweiten und dritten Generation der Frankfurter Schule, nämlich Jürgen Habermas und Helmut Dubiel, herangezogen. „Für die jüngste Zeitgeschichte gibt es zum Konservatismus nur wenige seriöse Untersuchungen, dafür aber umso mehr interessierte Selbstdarstellungen oder plumpe Stigmatisierungen“ (Schildt 1998, S. 21). Mit dem Sammelband „Ruck-wärts in die Zukunft. Zur Ideologie des Neokonservatismus“ des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung wird eine dieser wenigen seriösen Untersuchungen verwendet, um den Neokonservatismus der 1990er Jahre beschreiben und analysieren zu können.
Für die Auswahl der drei Bürgergesellschaftsentwürfe waren der parteiinterne Status der Autoren, ihrer Entwürfe sowie ihre politischen Ämter maßgebend. Unter diesen Gesichtspunkten wäre nur noch das Buch „Aktive Bürgergesellschaft. Mitgestalten, mitverantworten“ unter der Herausgeberschaft des CDU-Ministerpräsidenten von Hessen Roland Koch von ähnlicher Bedeutung gewesen, wobei Koch dazu jedoch nur einen kurzen Einleitungsbeitrag liefert. Andreas Khol ist zum Zeitpunkt des Erscheinens seines Buches „Durchbruch zur Bürgergesellschaft“ (1999) Klubobmann der ÖVP im österreichischen Nationalrat und Verfassungssprecher der ÖVP, aktuell erster Präsident des Nationalrates. Sein Bürgergesellschaftsentwurf wurde als Leitantrag in Form eines Manifests vom 31. Bundesparteitag der ÖVP am 23. April 1999 mit großer Zustimmung beschlossen (vgl. Khol 1999, Einbandtext, S. 91; www.oevp.at; Stuiber 1999a; Stuiber 1999b).
Alois Glück ist Vorsitzender der CSU-Landtagsfraktion im bayerischen Landtag, Mitglied im Parteivorstand und Vorsitzender der Grundsatzkommission der Partei. Das im Buch „Verantwortung übernehmen. Mit der aktiven Bürgergesellschaft wird Deutschland leistungsfähiger und menschlicher“ von Alois Glück umfassender ausgearbeitete Positionspapier der Grundsatzkommission der CSU „Aktive Bürgergesellschaft“ wurde 2001 von der Parteispitze beschlossen und programmatisch in Positionen und Ziele der CSU übernommen und wird u.a. durch die CSU-Arbeitsgruppe „Aktive Bürgergesellschaft“ im bayerischen Landtag umgesetzt (vgl. Glück 2001, Einbandtext; www.csu-landtag.de). Lothar Späth war 1978-1991 CDU-Ministerpräsident von Baden-Württemberg und danach bei Jenoptik Vorsitzender der Geschäftsführung bzw. ist er dort seit 1996 Vorstandsvorsitzender. Seit 1991 ist Lothar Späth Ehrenvorsitzender der CDU Baden-Württemberg und engagierte sich im Beraterteam von Helmut Kohl im Bundestagswahlkampf 1998 mit Schwerpunkt Gesellschaftspolitik. Für die Bundestagswahl 2002 war er im als „Kompetenzteam“ bezeichneten Wahlkampfteam von Unionsspitzenkandidat Stoiber und hätte im Falle eines Wahlsieges kolportierterweise das Amt des deutschen Bundeswirtschaftsministers übernommen. Inhalte von Späths Buch „Die Stunde der Politik. Vom Versorgungsstaat zur
Page 13
Bürgergesellschaft“ finden sich ähnlich aufbereitet im Zukunftsprogramm der CDU und in den Themenschwerpunkten der CDU-Bundestagsfraktion (vgl. Späth 1999, Einbandtext, S. 41f; www.cdu.de; www.cducsu.de; Bentele 2002).
Betreffend der Literaturauswahl zum französischen Strang des Zivilgesellschaftlichen Republikanismus liegen an deutsch- bzw. englischsprachiger übersetzter Primärliteratur des Refe-renztheoretikers Claude Lefort drei Reader und einige Zeitschriftenbeiträge vor. Die Reader sind unter der Herausgeberschaft von Ulrich Rödel „Autonome Gesellschaft und libertäre Demokratie“, sowie „The Political Forms of Modern Society. Bureaucracy, Democracy, Totalitarianism“ (Hg. J. B. Thompson) und „Democracy and Political Theory“ (Hg. David Macey) erschienen. Ein Aufsatz aus letztgenanntem Reader wurde unter dem Titel „Fortdauer des Theologisch-Politischen?“ vom Passagen-Verlag publiziert. Gleichsprachige Sekundärliteratur in Buchform oder als Zeitschriftenbeitrag hält sich ebenfalls in Grenzen, was im besonderen für den deutschsprachigen Raum gilt, wo Vertreter der dritten Generation der Frankfurter Schule bzw. in Wien der Philosoph Oliver Marchart versucht haben, den Zivilgesellschaftlichen Republikanismus weiterentwickelnd für ihre Überlegungen nutzbar zu machen und gegen Staatszentriertheit und -räson, Parteienstaatlichkeit und Neokorporatismus in die diskursiven Felder einzuführen. Eine gebührende Berücksichtigung in Nachschlagewerken zur politischen Theorie hat der Zivilgesellschaftliche Republikanismus bislang ausschließlich im neuen Werk „Politische Theorien der Gegenwart“, herausgegeben von André Brodocz und Gary Schaal, erfahren. Im Internet lassen sich ein paar Hundert deutsch- oder englischsprachige Beiträge mit Lefort-Bezug nachweisen, wobei sich hier an Primärliteratur auch aktuellere Stellungnahmen zum Zeitgeschehen finden.
Die Literaturauswahl zum Zivilgesellschaftlichen Republikanismus wurde im Bewußtsein des Spannungsfeldes zwischen einzelnem Autor und dem Modell einer Theorie vorgenommen. Während die Bearbeitung ausschließlich eines einzelnen Autors die Theorie auf ein Subjekt ohne intellektuelles Umfeld reduziert hätte, wäre die bloße modellhafte Bezugnahme auf eine Theorie zu unsensibel mit internen Theorieentwicklungen umgegangen und hätte die Theorie zu stark simplifiziert. Es wurde daher versucht, den Zivilgesellschaftlichen Republikanismus anhand eines zentralen Vertreters samt dessen Einflußquellen aufzuarbeiten und anschließend die Sichtweise und Weiterführung der Theorie durch drei weitere Autoren darzustellen. Neben den für die Darstellung aufgearbeiteten bundesdeutschen, britischen und österreichischen Rezeptionslinien sind für Leforts politische Theorie noch die französische und die USamerikanische von Bedeutung. Erstere konnte aufgrund der Sprachbarriere nicht berücksichtigt werden, letztere entwickelte sich größtenteils in den 1970er Jahren und wurde im wesentlichen getragen von Dick Howard und der Zeitschrift Telos. Sie ist die älteste Rezeptionslinie, wodurch wesentliche demokratietheoretische Texte von Lefort aufgrund deren spät-
Page 14
eren Entstehungsdatums nicht Eingang finden konnten, weshalb sie in die vorliegende Arbeit nicht aufgenommen wurde.
Ergänzend zu Primärliteratur von Claude Lefort wurde Sekundärliteratur verwendet, weil das Interesse auch dem Umstand galt wie Lefort verstanden und interpretiert wurde und die ausschließlich eigene Lesart der Primärliteratur aufgrund differenter Schwerpunktsetzungen oder von Verständnisproblemen Ergebnisse hätte bringen können, die nicht der Rezeption von Lefort innerhalb der etablierten Scientific Community entsprochen hätten und so der Anspruch der kanonisierten Darstellung der Theorie nicht eingelöst hätte werden können. Es wurde statt dessen versucht, die britische, bundesdeutsche und österreichische Rezeptionslinie integral zu lesen und so zu einer Darstellung des Lefortschen Zivilgesellschaftlichen Republikanismus zu kommen, die der nachweislichen interpretativen Breite bei der Rezeption seines Werks gerecht wird.
Auf der französischen Strömung des Zivilgesellschaftlichen Republikanismus aufbauend haben in Deutschland Wissenschafter, die der dritten Generation der Frankfurter Schule zugerechnet werden, ihre eigenen Überlegungen angestellt und in Form von drei Büchern aufgearbeitet. Es handelt sich dabei um „Die demokratische Frage“ von Ulrich Rödel, Günter Frankenberg und Helmut Dubiel, die Aufsatzsammlung „Ungewißheit und Politik“ von Helmut Dubiel und „Die Verfassung der Republik“ von Günter Frankenberg, wobei von letzterem zur Thematik für 2003 ein weiteres Buch erwartet wird.