Inhaltsverzeichnis
Widmung
Liebe Nestbäuerinnen und -bauern!
Inschrift
Nestbau
Wohnort
Immobilie
Hausbau
Umzug
Einrichtung
Auslieferung
Haushalt
Garten
Auto
Familienplanung
Kinderkriegen
Schwangerschaft
Geburt
Gefühlsleben
Babysitter
Erziehung
Freunde
Ernährung
Kirche
Eltern
Glücksmomente
Beruf
50:50
Job
Karriere
Berufsverkehr
Zukunftsplanung
Fazit
Über den Autor
Veröffentlichungen
Danksagung
Copyright
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
FÜR MIRIAM!
(Zufrieden? Darf ich jetzt wieder im Ehebett schlafen?)
UND CHARLOTTE UND MORITZ
(Ihr seid die wundervollsten Nestbeschmutzer aller Zeiten.)
Liebe Nestbäuerinnen und -bauern!
Mal ganz ehrlich: Waren Sie auch so naiv? So unbedarft? So treudoof? Haben Sie auch 25 Jahre lang gebetsmühlenartig halluziniert: „Wenn ich erst einmal einen Menschen finde, der mich freiwillig erträgt, dann beginnt das Leben. Endlich. “Beziehungsweise: „Wenn ich erst einmal diese abstruse Ausbildung oder dieses paranoide Studium abschließe …, wenn ich dereinst fette Knete verdiene …, wenn ich zwei total süß-undknuddelige Kinder bekomme …, dann … ja, dann werde ich so richtig glücklich sein!“
Und niemand, wirklich niemand, war so gnädig, Ihnen die Wahrheit zu sagen. Die ganze Wahrheit: dass nämlich genau dann Schluss ist. Schluss mit lustig. Schluss mit dem Genuss. Schluss mit dem Lotterleben. Schluss mit der Leichtigkeit. Schluss mit der rosa Brille. Endstation Sehnsucht. Matthäi am Letzten. Aus und vorbei.
Ich wette, es hat Ihnen auch keiner das freche Teufelchen gezeigt, das plötzlich grinsend auf Ihrer Schulter saß – mit dem Schild in der Hand: „Willkommen in der Vorhölle!“Und daneben Ihr Name. In Großbuchstaben. Ja, Ihrer. Das Teufelchen hat erst leicht die Mundwinkel verzogen und dann höhnisch geflüstert: „Arme Sau. Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass du das Leben kennst. Oh nein. Das Fegefeuer fängt für dich gerade an. Und nicht mal ich würde in dieser Phase mit dir tauschen. So viel ist mir deine Seele nicht wert.“
Ich weiß, dass klingt hart und gemein. Aber wenn es doch nun mal stimmt. Gegen die Horrorjahre des Nestbaus ist die Jugendzeit das reine Zuckerschlecken, ein zärtliches Vorspiel der Realität, ein verhätscheltes Genießen der Verantwortungslosigkeit. Und dann plötzlich knallt Ihnen jemand das Leben auf den Tisch und sagt: „Mach mal!“
„Äh, Moment. Ich? Ich, ganz alleine? Das Leben? Ja, wie geht das denn?“
Tja, wie geht das … mit dem Nestbau, dem Hauskauf, dem Richtfest, dem Umzug, dem Möbelaussuchen, dem Leasen des Familienwagens, dem Kindergeschrei, der Jobsuche und dem dezenten Überriechen all der Socken, die Ihr Partner seuchenartig im gesamten Haus verteilt? Nun, das müssen Sie ganz allein herausfinden. Niemand hilft Ihnen beim Flüggewerden. Niemand verrät Ihnen, was denn nun der Sinn des Lebens ist. Oder sagen wir mal so: Auf die dämlichen Ratschläge derer, die Ihnen ihre Hilfe partout aufdrängen wollen, legen Sie meist keinen großen Wert. Ich sage nur (völlig wertfrei): Schwiegermutter.
Auf einmal tragen Sie die Verantwortung für eine ganze Welt – und spüren auch instinktiv die Sehnsucht, aus Ihrer Existenz etwas machen zu wollen. Sprich: Sie müssen sich anständig im Leben einrichten, aber es gibt keine Prospekte. („Baust du noch – oder lebst du schon?“) Sie müssen also selbst herausfinden, was Sie wollen. Und warum. Und dabei fällen Sie lauter Entscheidungen, die unwiederbringliche Weichenstellungen sind: Was Sie jetzt tun, hat Konsequenzen, die noch Ihre Trauerfeier prägen werden. Dass einem bei dieser Last bisweilen ziemlich schummrig wird, verstehe ich.
Gott sei Dank lesen Sie nun dieses Buch. Glückwunsch! Jawohl. Es handelt sich dabei nämlich um einen fröhlich-schamlosen Ratgeber, der Ihnen vor allem dadurch hilft, dass er nicht um den heißen Brei herumredet, sondern Ihnen das ganze Ausmaß der Katastrophe so überspitzt vor Augen führt, dass Ihre eigenen Erlebnisse Sie nicht mehr schrecken. Außerdem: Ein befreiendes Lachen hilft eigentlich immer, entspannter mit dem Alltag umzugehen.
„Moment mal“, sagen Sie jetzt. „Warum haben uns unsere Eltern denn nicht gewarnt? Oder unsere Großeltern? Die müssen das doch auch durchgemacht haben.“Oh ja, das haben die. Aber sie haben es verdrängt. Das Trauma der Nestbauzeit. Diese Dämmerung in der Seele. Dieses Jahrzehnt des Wachkomas. Glauben Sie mir: Im Lauf der Jahre legt sich ein gnädiger Schleier des Vergessens darüber. Und das, was noch an Erinnerungen da ist, wird bei Nachfragen kaschiert – mit einer Spontandemenz.
Verdrängt ist der Augenblick, in dem Tante Helga sich theatralisch die Pulsadern aufschnitt, weil die Trendfarbe der neue Sitzgarnitur, „Sahara-Besch“, zuhause wie Hundekacke aussah. Ein riesiger Haufen mitten im Wohnzimmer. Oder die Überraschung, als sich der elegante grüne Reliefputz als daumendicke Schimmelschicht entpuppte. Verdrängt der Schock, als klar wurde, dass der Makler das Haus in der Einflugschneise während eines Fluglotsenstreiks angepriesen hatte. Oder als der Gutachter lächelnd zeigte, wo der polnische Bautrupp statt Zement Puderzucker genommen hatte. Was nicht nur das Taumeln der Wände, sondern auch die gigantische Ameisenkolonie erklärte. Das passierte, kurz nachdem die Ehe wegen der Frage nach der Position der Steckdosen in der Einbauküche ohnehin fast zerbrochen wäre. Oder der Moment, in dem selbst Kölnisch Wasser den penetranten Geruch nach Babykotze nicht mehr übertünchen konnte. Oder der, in dem der junge Vater nach acht Stunden nächtlichem Säuglingsschuckeln („Is gut! Is gut! Is gut! Schlaf endlich, du Geißel Gottes!“) vor Übermüdung mit dem Gesicht in die Müslischüssel knallte – und beinahe ertrunken wäre. Was er wahrscheinlich als Erlösung empfunden hätte.
Oder der Blick, als der neue Chef perfide fragte: „Möchten Sie Ihre Abfindung in bar oder als Aldi-Gutschein?“Oder die Überraschung, als ein Bote der Nachbarn in der Tür stand, ein Italiener mit Armani-Anzug und Beule in der Weste. Der hatte mit rauer Stimme gesagt: „Der Patrone mag nicht, dass du hier wohnst. Lass uns spazieren gehen.“
Und diese Splatter-Erlebnisse sind nur die Spitze des Eisbergs. Sagen wir, wie es ist: Der Nestbau ist die herausforderndste Zeit des Lebens. So schwer hat man es nie wieder. Vorher nicht und nachher nicht. Das Dasein stürzt wie eine gigantische Brandungswelle über einen herein – und zwar lange, bevor man schwimmen gelernt hat.
Tragisch ist das, weil man dabei auch die dunklen Seiten seines Partners kennenlernt. Also: kennenlernen muss. Das Alien im anderen. Die Abgründe. Das eben noch so geliebte Wesen entpuppt sich als geschmackloser, triebhafter Trottel mit zwei linken Händen und braunem Daumen. Einer, der seit vier Tagen versucht, ein IVAR-Regal mit einem Imbus-Schlüssel aufzubauen. Kein Wunder, dass ein spanisches Sprichwort sagt: „Man liebt sich in der Dämmerung und heiratet bei Kerzenschein – aber zusammenleben muss man bei Tageslicht.“Nestbau ist die wahre Bewährungsprobe. Spiel ohne Grenzen – und ohne Hola. Gilbert Keith Chesterton fand sogar: „Die Ehe ist ein Abenteuer wie in den Krieg ziehen.“Und Sie, Sie stecken wahrscheinlich gerade mitten im Schützengraben. Gratuliere! Gut gemacht.
Ich könnte Ihnen stundenlang von den schockierenden Erfahrungen der Nestbauzeit erzählen. Und das tue ich auch. In diesem Buch. Weil Sie die Wahrheit verdient haben. Und weil Sie ja nicht daran vorbeikommen. Klar, im Alter kann man sich mit Tabletten so benebeln, dass die Erinnerungen verwischen. Aber wenn nach der Ausbildungsphase der Nestbautrieb ausbricht, dann sind wir alle Opfer unserer Gene. Dann fangen wir an, uns einzurichten – ob wir wollen oder nicht. Wirklich! Selbst der oberfreakige Altachtundsechziger erlebt auf einmal die Zertrümmerung seines Weltbildes. Dann nämlich, wenn der hinterhältigste aller terroristischen Schläfer, das Spießer-Gen, unerwartet mit seinen Attentaten beginnt: Anstatt bis zum Morgengrauen in der Disco abzutanzen, ertappt man sich dabei, dass man durch Möbelhäuser irrt (zufällig natürlich), dass man beseelt vor Schaufenstern mit rosafarbenen Babyutensilien stehen bleibt und andauernd (nur mal so aus Spaß) ausrechnet, wie viele Quadratmeter man sich eigentlich leisten könnte.
Ich sage Ihnen was: Dann ist es schon zu spät. Dann hat er einen erwischt: der Terror-Trieb. Und gegen diesen bald mächtig aufbrausenden Drang ist kein Kraut gewachsen. Wie heißt es im Volksmund: „Gegen das Einrichten kann man nichts ausrichten.“Vor allem bei Frauen nicht. Darum sagt ja auch ein polnisches Sprichwort: „Die Frau weint vor der Hochzeit, der Mann nachher.“Hey, die kennen sich aus, die Polen. Wir Deutschen dagegen tun ja gern so, als hätten wir gar keine Probleme. Zumindest reden wir nicht offen drüber. Wirklich. Bei uns ist die Aussage „Ich kann nicht klagen!“ein echter Jubelruf. Und wer stellt sich als Mann schon in der Kantine neben seinen Kollegen und schluchzt: „Wir hatten seit vier Wochen keinen Sex mehr. Weil ich die Lampen noch nicht angebracht habe.“Oder: „Irgendwie setzen mir die Lösungsmittel zu. Gestern habe ich unser gesamtes Erspartes bei Lehman-Brothers angelegt.“Oder: „Seit unser Baby da ist, bin ich Luft für sie. Abgas. Und unser Kommunikationsniveau ist auf das der Tele-Tubbies gesunken. Ai bäh: Gutschi-gut-schi. “
Na gut, andere dagegen sind ja der festen Überzeugung, dass ein Junge ohnehin erst dann zum Mann wird, wenn er eine Hilti hat. (Erklärung für Frauen:) „Hilti“ist nicht die Tochter von Paris Hilton, sondern eine professionelle Schlagbohrmaschine. Und irgendwie kompensieren wir Kerle damit irgendwas. Ich meine: Der Name sagt doch alles, „Schlag-Bohr-Maschine“. Oder noch krasser „Bohrhammer“: „Ey, willst du mal meinen Bohrhammer sehen, Baby?“
Woher weiß ich das alles? Nun, ich bin durch die Nestbauphase gerade durch. Ich hab jetzt eine Hilti, oh ja. Aber die Narben sind trotzdem groß und tief. Und schmerzvoll. Viele meiner schönsten Ideale wurden vernichtet, und die Nachwirkungen hören einfach nicht auf. Grässlich. Außerdem bin ich nicht nur Autor, sondern auch Teilzeit-Pfarrer. Und jedes Mal, wenn ich wieder ein Paar mit glasigen Augen aufs Pfarrhaus zutorkeln sehe, weiß ich Bescheid: „Das sind die wahren Märtyrer der Neuzeit. Opfer des Nest-bautriebs. “
Und ich gestehe offen: Kaum fangen die beiden röchelnd an, auszupacken und tränenüberströmt von den Tantalusqualen ihres Alltags zu erzählen, könnte ich für einen kurzen Moment meinen Glauben verlieren. Wieso hat Gott dem Menschen einen so barbarischen Trieb in die DNA gepfuscht? „Bau dir ein Nest!“Oder steckt dahinter ein überirdischer Plan? Sollen wir vielleicht am eigenen Leib erleben, wie weit wir vom Himmel weg sind? Herrje. Heißt es deshalb in der Bibel „Gebeugt wird der Mensch, gedemütigt der Mann“(Jes 2,9)? Und schreit deshalb der Prophet Jeremia flehentlich zum Himmel: „Ich weiß, Herr, dass des Menschen Tun nicht in seiner Gewalt steht“(Jer 10,23)? Hey, wahrscheinlich musste dieser Jeremia auch gerade umziehen. Und die Kamele wollten nicht gehorchen. Oder seine Frau fand zum achten Mal, dass der Zelteingang doch in eine andere Richtung zeigen sollte. „Jerry, bitte, diesmal weiß ich genau, wie es sein soll.“Keine Ahnung. Ist ja auch egal.
Tatsache ist jedenfalls: Im Lauf der Jahre bin ich zu einem echten Nestbautrieb-Experten geworden. Ich kenne sie alle, die Alpträume. Sprich: Die Erfahrungen, die ich Ihnen in diesem Buch in Form einer heiteren Ich-Erzählung zumute, sind wirklich passiert. Entweder mir – oder einem verzweifelten Menschen, der mir die Schrecken seiner Existenz unter dem Seelsorgegeheimnis anvertraut hat. Das ich natürlich wahre. Wirklich. Sie als Leserin oder Leser werden nicht herausfinden, wer dahinter steckt. Nur eines verrate ich Ihnen: Die schlimmsten Dinge haben immer mit meiner Frau zu tun.
Halt! Das alles könnte Sie jetzt irgendwie entmutigen. Aber das will es nicht. Im Gegenteil. Diese kabarettistischen Geschichten wollen Sie aufbauen. Motivieren. Und Ihnen zeigen, dass nicht nur Ihr Partner ein Sumpfhirn ist. Lassen Sie Ihren Nestbautrieb ruhig raus! Er soll sich austoben dürfen. Wild und ungestüm. Bauen Sie sich das schönste, größte, tollste, bunteste und beneidenswerteste Nest von allen! Nur: Fallen Sie dabei nicht zu oft vom Baum! Und vermeiden Sie Kollateralschäden wie Scheidungen, tieffliegende Tassen, kinderpsychologische Notfälle und vergessene Lebensträume! Es wäre schade, wenn es dazu käme.
Obwohl: Vielleicht gehören Sie ja zu den Berufenen, zu den wenigen, die eines Tages verklärt zurückschauen und säuseln: „Ach, die Nestbauzeit. Das war die schönste Zeit meines Lebens.“Dann wird der Pfleger Sie sanft am Arm nehmen, Ihnen eine doppelte Dosis Ritalin verpassen und Sie zurück in die Zelle führen – weil Ihnen das niemand glaubt.
Lachen Sie gut! Sie schaffen das! Bestimmt.
Schmerzlich verbunden Ihr
Fabian Vogt
„Was Glück ist,weiß man erst, wenn man geheiratet hat. Und dann ist es zu spät.“
Peter Sellers
Einleitung
Die Zeit des Grauens begann für mich auf einer Party. Im trüben März. Kurz nach den Abschlussprüfungen meiner Auserwählten. Und hätte ich geahnt, welche Schrecken auf mich zukommen, ich wäre wie von der Tarantel gestochen davongerannt – um mich irgendwo auf der Welt einem Zeugenschutzprogramm zu unterwerfen. Sie wissen schon: Da geben die einem eine völlig neue Identität und kümmern sich um alles. Hey, eigentlich eine Superidee! Ich meine: Die bauen einem dann ja quasi das Nest. Manchmal scheint mir das heute noch verlockend. Nur leider begeht niemand vor meinen Augen ein Kapitalverbrechen – außer meiner Auserwählten natürlich. Und da bin ich befangen.
Also, Miriam (so heißt das Wesen, das sich dreist in mein Leben drängen musste1) hatte be-schlossen, zu ihrem äußerst mühsam bestandenen Examen eine (ich zitiere) „geile Motto-Fete“zu machen. Und zwar „Monster der Nacht.“Sie findet so was toll. Ich dagegen hasse sowohl Feten als auch Mottos, und vor allem dieses: „Monster der Nacht“. Außerdem fand ich, dass die meisten Gäste sich nicht hätten verkleiden müssen. Außer vielleicht mit einem Motorradhelm. Na ja, Hässliche entstellt nichts. Wie dem auch sei: Die Stimmung ist natürlich riesig, wenn man umgeben ist von Vampiren, Zombies, Hexen, Dämonen und Werwölfen – die alle schon vier Bier intus haben. Und auch so riechen. Und außerdem zu Abba tanzen und lauthals gröhlen: „Se winna taiks id ohl.“Dass ist eine wahrhaft spirituelle Erfahrung. Da haben Sie keine Angst mehr vor dem Tod.