Never Be My Love (Never Be 3) - Kate Corell - E-Book
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Never Be My Love (Never Be 3) E-Book

Kate Corell

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Beschreibung

**Ihre Welt ist glamourös, seine gnadenlos**  Ausgerechnet bei der Präsentation der neuen Modekollektion ihrer Familie stiehlt Dion Carmichael eine Limousine, mit der sie kurzerhand einen Unfall baut. Chauffeur Liam vertuscht den Vorfall und findet sich wenig später als persönlicher Babysitter des It-Girls wieder. Ein skandalöses Video zwingt die beiden schließlich dazu, gemeinsam im abgelegenen Waterbury College unterzutauchen. Eine unbequeme Lage, die keinem von beiden passt, jedoch eine verbotene Liebe entfacht, die von einem gefährlichen Geheimnis überschattet wird. Denn als Liams Erbe ihn einholt, könnte das beide mehr als nur ihr Herz kosten: Liam ist niemand Geringeres als Luca Giordano, Mitglied der gefürchtetsten Familie der Ostküste …     Der finale Band der SPIEGEL-Bestseller Romance Trilogie »Never Be«! Kate Corell ist ein Kind der 80er. Sie liebt Bücher, Sport (ausschließlich von der Tribüne aus) und Musik. Mit ihrem Mann, einem pubertierenden Teenager und zwei verrückten Bulldoggen lebt sie als Nachteule im Land der Frühaufsteher. Alle erschienenen Bände ihrer Romance-Trilogie »Never Be« erklommen auf Anhieb die SPIEGEL-Bestsellerliste und begeistern Tausende von LeserInnen. //Dies ist der dritte Band der fesselnden College Romance »Never Be«. Alle Romane der emotional mitreißenden New Adult Reihe:  -- Band 1: Never be my Date -- Band 2: Never be my Enemy -- Band 3: Never be my Love// Diese Reihe ist abgeschlossen.

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ImpressDie Macht der Gefühle

Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.

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Kate Corell

Never be my Love

Ihre Welt ist glamourös, seine gnadenlos

Ausgerechnet bei der Präsentation der neuen Modekollektion ihrer Familie stiehlt Dion Carmichael eine Limousine, mit der sie kurzerhand einen Unfall baut. Chauffeur Liam ist daraufhin nicht nur seinen Job los, sondern taucht wenig später als Dions neuer Personal Trainer am Waterbury College auf. Aus der anfänglichen Abneigung entwickelt sich eine verbotene Liebe, die von einem gefährlichen Geheimnis überschattet wird. Denn als Liams Erbe ihn einholt, könnte das beide mehr als nur ihr Herz kosten: Liam ist niemand geringeres als Lucca Giordano, Sohn des gefürchtetsten Mannes der Ostküste …

Der finale Band der SPIEGEL-Bestseller Romance Trilogie »Never Be«!

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Vita

Danksagung

© privat

Kate Corell ist ein Kind der 80er. Sie liebt Bücher, Sport (ausschließlich von der Tribüne aus) und Musik. Mit ihrem Mann, einem pubertierenden Teenager und zwei verrückten Bulldoggen lebt sie als Nachteule im Land der Frühaufsteher.

CONTENT NOTE

Dieses Buch enthält Elemente, die triggern können. Diese sind:

 

A. Physische und psychische Misshandlung innerhalb der Familie

B. Sexualisierte Gewalt in Zusammenhang mit K.-o.-Tropfen-Übergriff

C. Erwähnung von Mord, körperlicher Gewalt und Schutzgelderpressung

D. Organisiertes Verbrechen

E. Waffenbesitz

Für Mister Corell

 

I didn’t know what love could beUntil you loved my everythingThe good, the bad, the in-betweenAll of me.– Sofia Carson –

PLAYLIST

WÜRDESTDU’S NOCHMALTUN? – TOMTWERS

ICHHASSDICH – NINACHUBA, CHAPO102

WEISSTDUNOCH – ENKAY

BADVIBES – FILLIES

BESSERWENNICHGEH – FABIANWEGERER

FUCKEDUP – TOMTWERS

IMMERWENN – FILLIES

PASSAUFMICHAUF – LEA, LUVRE47

BITTELÜGMICHAN – FABIANWEGERER

POLAROID – NOK1D, TOMTWERS

GLATTEIS – NINACHUBA

NICHTAUFHÖRT – TOMTWERS

FALLEFÜRDICH – TOMTWERS

NICHTVERLIEBEN – ENKAY

RÜCKWÄRTSGANG – KRISKROSSAMSTERDAM, KATI K, GREGORHÄGELE

DAFEHLTMIRWAS – TOMTWERS

BERETTA (SANNA’S VERSION) – SANNA

EISKALTEHAUT – TOMTWERS

RISSE – ESTA, MIJO

SCHLIMMSTERWUNSCH – FILLIES

KRIMINELL – ESTA, MORITZGARTH

LIEBEODERKRIEG – SANNA, EDDIN

AUGENBLICK – TOMTWERS

FAHRUNSANDIEWAND – BEVN

SCHONOKAY – TOMTWERS

KATANA – ESTA, RUINY

ABSTURZ – GRXAY

DERLETZTESOMMER – TOMTWERS

NURWEGENDIR – TOMTWERS

SCHLUSSWORT – FABIANWEGERER

PROLOG

Würdest du’s nochmal tun?

Wenn du wüsstest, wie es endet.

Wenn wir noch einmal hier ständen.

Sag mir, würdest du es wieder genauso tun?

Wenn du wüsstest, wie es ausgeht.

1.

DION

ENDE APRIL, WATERBURY, CONNECTICUT

Es gibt zwei verschiedene Arten des Im-Mittelpunkt-Stehens. Die eine erweist sich als schmeichelhaft. Die andere ist eine Zumutung. Aufmerksamkeit zu bekommen, bin ich gewohnt. Sowohl die, die mich ins glitzernde Scheinwerferlicht stellt, als auch die, deren Schein dafür sorgt, dass ich die Augen zusammenkneife und mich vor dem Lichtkegel ducke. Aber das hier ist ein Albtraum.

Das Geständnis von Henrys Fahrerflucht, die über zwei Jahre zurückliegt und zum Tod des Studierenden Noah Gibson geführt hat, ist seit Tagen Topthema auf dem Campus. Da Henry wie ein Feigling untergetaucht ist, bin ich stellvertretend für ihn in den Fokus geraten. Die Tatsache, dass ich das zwischen uns bereits im Februar beendet habe, hat keinerlei Bedeutung. Ich bin die, die etwas mit einem Kerl hatte, der ein Menschenleben auf dem Gewissen hat. Punkt. Dieser Fakt ist nicht verhandelbar.

In den Gesichtern meiner Mitstudierenden lässt sich eine einzige Frage glasklar ablesen: Hat sie davon gewusst? Die Antwort ist Nein. Ich hatte keine Ahnung, nicht einmal eine Vermutung. Aber im Grunde ist es auch egal, die meisten haben ihr Urteil über mich längst gefällt.

»Was?«, zische ich in die Richtung, aus der mich sechs Augenpaare anstarren. Ich fixiere sie mit finsterer Miene, bis sie sich abwenden. Etwas, das zu meinem stetigen Begleiter geworden ist. Egal wo ich auf dem Campus auftauche, werde ich argwöhnisch gemustert. Es ist, als hätte man mir einen Zettel an die Stirn geklebt, der sich nicht abreißen lässt, bis ihn auch der letzte Mensch an diesem College gelesen hat.

Genervt greife ich nach dem Handtuch, wische mir den Schweiß von der Stirn und springe vom Laufband. Eigentlich hatte ich noch vor, am Pilateskurs teilzunehmen, aber für heute habe ich genug davon, wie eine dreiköpfige Katze begafft zu werden.

Also tue ich, was meine Mom mir beigebracht hat, sobald sich die Welt um mich herum wie ein Miststück verhält: Ich straffe die Schultern, hebe das Kinn und verstecke meine Emotionen hinter der Carmichael-Maske. Niemand wagt es, dir ein Bein zu stellen, wenn du die Anmut einer Königin und den Schneid einer Kriegerin besitzt. Bisher hätte ich bedenkenlos zugestimmt, aber heute nicht. Es ist einer dieser Tage, an dem nur eine Närrin versuchen würde, eine Schlacht zu gewinnen. Dennoch, ein Blick, ein falsches Wort oder dieses Getuschel, als ich an der Bar vorbeigehe, reichen, um meine antrainierte Fassade für einen winzigen Augenblick zusammenkrachen zu lassen.

Mom würde missbilligend die Nase krausziehen, wüsste sie, dass ich Fiona Miller, der Erbin eines Schmuckimperiums, gerade den Mittelfinger zeige. Fiona verschluckt sich an ihrem Isodrink, als ich sie dabei überschwänglich anlächle.

Ja, the Queen is not amused, sobald man ungeniert über sie ablästert.

Erleichtert stoße ich die Luft aus, während ich um die Ecke biege und in der Damenumkleide verschwinde. Weg von den Blicken und dem Getuschel.

Hinter mir betritt eine kleine Gruppe den Raum. Der Nachteil an einem winzigen College ist, jeder kennt jeden und man entkommt niemandem. In meinem Fall ist die letzte Person, der ich begegnen möchte, Trinity Burns. Henrys beste Freundin. Jedenfalls habe ich sie dafür gehalten, bis ich sie mit ihm im Bett erwischt habe.

Über Wochen haben die beiden feuchtfröhlich hinter meinem Rücken miteinander gevögelt. Der Oberhammer war allerdings Henrys Erklärung. Es sei meine Schuld. Meine emotionale Distanz ihm gegenüber habe ihn in die Arme von Trinity getrieben. Seitdem frage ich mich, ob Henry damit möglicherweise recht hat. Nicht speziell auf ihn bezogen. So ganz allgemein betrachtet.

Habe ich einem Kerl jemals kein sofortiges Ablaufdatum verpasst? Ich kann mich nicht erinnern. Sobald es ernst wird, trete ich den Rückzug an. Nicht, weil ich nicht an das Konzept Beziehung glaube, sondern weil ich mich mit zwanzig noch nicht festlegen möchte. Daran ist doch nichts verkehrt, oder? Mich deswegen als emotional unzugänglich zu bezeichnen, empfinde ich als unfair.

Dennoch beschäftigt mich die Sache ununterbrochen. Weil Abbie zuvor etwas ganz Ähnliches zu mir gesagt hat. Daraufhin nahm ich Henry mit zum Valentinsball meiner Familie. Es war nicht mehr als ein Versuch, herauszufinden, ob das mit uns auch außerhalb von Waterbury funktioniert. Hat es nicht. Dieser Abend hat mir die ein oder andere Erkenntnis eingebracht. Allem voran die Einsicht, dass Henry und ich niemals das sein werden, was Aspen und Cameron sind – zwei Menschen, die einander bedingungslos lieben. Der größte Fehler, den ich begangen habe, war, zuzulassen, dass Henry unsere Abmachung kippt und mir seine Liebe gesteht. Unser Arrangement beinhaltete keine derartigen Gefühle. Dass sich etwas verändert hatte, war mir nicht entgangen. Henry wollte mehr als das, was wir hatten, ich hingegen war nicht bereit dazu, ihm das zu geben. Eben weil ich nicht in ihn verliebt bin. Wir hatten viel Spaß zusammen, bis es anstrengend wurde. Das wird es zwangsläufig, wenn nicht länger beide an einem Strang ziehen. Sobald ein Herz sich der Hoffnung hingibt, die das andere nicht erfüllen kann.

Also ja, vielleicht habe ich ihn in Trinitys Arme getrieben. Besäße er einen Funken Anstand im Leib, hätte er das zwischen uns jedoch beendet, bevor er sie flachgelegt hat. Über wie wenig Sinn für Moral er verfügt, hat er in der Angelegenheit mit Noah eindeutig bewiesen. Er und zwei andere Studierende haben Noah im Vollrausch überfahren und im Straßengraben liegen lassen. Anschließend hat das College die Angelegenheit vertuscht. Bei Henry hat mich meine sonst so zuverlässige Menschenkenntnis erbarmungslos im Stich gelassen. Hätte ich auch nur den Hauch einer Ahnung gehabt – ich hätte ihn eigenhändig der Polizei übergeben.

Ich stopfe das Duschzeug, das ich gerade erst herausgenommen habe, wieder in die Tasche und schließe den Spind. Auch wenn ich nicht verstehe, worüber Trinity mit ihren Freundinnen redet, kann ich ihre Blicke auf mir spüren. Normalerweise würde ich jetzt die Ellenbogen ausfahren. Aber die letzten Tage waren ermüdend und im Augenblick fehlt mir die Energie, andere in die Schranken zu weisen. Stattdessen möchte ich mich lieber ducken und warten, bis der Sturm vorübergezogen ist und Waterbury den nächsten Skandal hervorbringt. Nach zwei Semestern hat das College bereits einige davon vorzuweisen. Geldwäsche, gestohlene Prüfungsaufgaben, Drogenhandel, Vertuschung. Mich würde es nicht wundern, wenn als Nächstes ein illegales Casino in einem der Bungalows ausgehoben wird.

Trinity lacht in dem Augenblick, als ich die Umkleide verlasse. Vermutlich, weil sie mich in die Flucht geschlagen hat, ohne dafür auch nur ein Wort an mich richten zu müssen. Ausnahmsweise ist es mir egal, nicht über den Dingen zu stehen und stattdessen den Kopf einzuziehen. Ich gönne ihr den Sieg. Das Einzige, was ich will, ist, von hier zu verschwinden. Nicht nur aus dem Fitnessstudio, sondern aus Waterbury. Keine Sekunde länger halte ich es an diesem Ort aus.

Sobald ich ins Freie trete, hole ich das Handy aus der Sporttasche und öffne Liams Kontakt, damit er mich abholt. Offiziell ist dieses Semester für mich mit meiner letzten Klausur nächsten Freitag vorbei. Aber ich muss dringend einmal durchatmen, sonst verliere ich früher oder später die Nerven. Ich werde mich Donnerstagabend von Liam zurück nach Waterbury fahren lassen. Im Bungalow wartet ohnehin niemand auf mich. Abbie ist bereits Anfang der Woche ausgezogen, um sich auf den Wechsel an die NYU vorzubereiten. Seit Jasper aus Waterbury verschwunden ist, wohnt Aspen mehr oder weniger bei Cameron auf der anderen Seite des Campus. Die meiste Zeit verbringe ich demzufolge allein. Etwas, das ich nur schwer ertragen kann, weil ich meine Freundinnen gerne um mich herum habe.

Gemeinsam das College rocken hat sich in eine gänzlich andere Richtung entwickelt, als wir geplant hatten. Im Augenblick kann ich nicht mit Überzeugung sagen, dass mir diese Wendung gefällt. Wir waren noch nie so weit voneinander entfernt. Die Einheit, die wir seit dem Kindergarten bilden, ist in drei Leben geteilt. Natürlich wusste ich, dass es irgendwann so sein würde, dass wir eigene Wege gehen, aber es fühlt sich an, als würde unsere Freundschaft zerbrechen. Keinesfalls bin ich dafür bereit, ohne die beiden zu sein, auch wenn ich diejenige bin, die gerade das Bedürfnis verspürt, davonzurennen. Und zwar so weit wie nur irgendwie möglich.

Während ich zum Bungalow laufe, warte ich auf eine Antwort des Fahrdienstes. Liam arbeitet seit etwas mehr als einem Jahr als persönlicher Chauffeur meiner Familie. Er ist nicht besonders gesprächig. Aber das muss er auch nicht sein. Mir ist es lieber, wenn er mich nicht permanent vollquatscht. George, der den Job vor ihm hatte, hat nonstop Anekdoten aus seinem Leben erzählt und ständig »Weißt du, Kleine« gesagt, bevor er seinen Monolog mit Weisheiten bestückt hat.

Gerade als ich die Haustür aufschließe, bekomme ich die Benachrichtigung, dass Liam auf dem Weg ist, und die Information über die geschätzte Ankunftszeit. Die nächsten zwei Stunden verbringe ich daher mit Duschen und anschließend mit dem Zusammenpacken einiger Sachen.

Sobald ich alles Notwendige erledigt habe, wähle ich die Nummer meiner Mom. Wie nicht anders zu erwarten, erreiche ich sie nicht. Es grenzt an ein Wunder, wenn sie einen meiner Anrufe entgegennimmt. Wenn sie nicht gerade bei der Arbeit ist, arbeitet sie trotzdem irgendwie. Und sei es nur, dass sie mit einem Glas Weißwein an den Skizzen für ihre neue Kollektion sitzt. In der Regel ruft sie in den ungünstigsten Momenten zurück. Also schicke ich ihr eine Sprachnachricht, dass ich schon heute nach Hause komme und sie mit dem Abendessen auf mich warten sollen.

Es klingelt in der Sekunde an der Tür, als ich auf Senden drücke.

Ich schlüpfe in meine silbernen Louboutins und nehme den Dior-Blazer von der Garderobe, bevor ich die Tür öffne.

»Hey«, begrüße ich Liam knapp.

»Guten Abend, Miss Carmichael.« Er greift nach dem Koffer, den ich neben der Tür abgestellt habe, gleichzeitig mustert er mich besorgt. Einen Moment halte ich seiner unausgesprochenen Frage, ob mit mir alles in Ordnung ist, stand. Und für einen winzigen Augenblick ziehe ich es in Erwägung, ihm zu antworten, mit mir sei nichts okay. Dass ich mich ein wenig verloren fühle. Wie dringend ich einmal in den Arm genommen werden möchte und irgendjemand zu mir sagen muss, dass die Sonne immer scheint, man sie hin und wieder einfach nur nicht sieht. Aber sie ist da. Jeden verdammten Tag.

Allerdings ist Liam nicht die Person, der ich meinen wackeligen labilen mentalen Zustand offenbaren sollte. Denn ich bezweifle, dass er mich in den Arm nimmt und mir Mut machende Worte zuflüstert. Nicht, dass ich das von ihm will. Es ist eher so, dass Liam gerade greifbar ist, während alle anderen mit ihrem eigenen Leben beschäftigt sind.

Dion, du wirst dramatisch, ermahne ich mich im missbilligenden Ton meiner Mom selbst. Ich straffe die Schultern und halte den Kopf gerade. Lächle tapfer, bevor ich Liams Blick ausweiche. Dann gehe ich auf den schwarzen SUV zu, der in der Einfahrt parkt.

Ausnahmsweise warte ich nicht, bis der Fahrer das Gepäck im Kofferraum verstaut hat und mir anschließend die hintere Wagentür öffnet, sondern übernehme die Sache selbst und kassiere dafür einen verwirrten Blick von Liam, den ich ignoriere. Weil ich einfach nur so schnell wie möglich von hier verschwinden will.

Wenige Minuten später fahren wir vom Campusgelände. Lassen Waterbury hinter uns. Und ich atme befreit auf, als das College immer weiter in die Ferne rückt. Plötzlich fühlt es sich in meinem Inneren so viel leichter an. Vielleicht hat Abbie recht und dieser Ort erdrückt mit seinen Mauern die Menschen, die dahinter ihren Alltag bestreiten. Vielleicht war ihre Entscheidung, Waterbury den Rücken zu kehren, die einzig richtige.

Die Landschaft zieht an mir vorbei, ohne dass ich von ihr Notiz nehme, so tief bin ich in Gedanken versunken. Watermelon Sugar von Harry Styles dröhnt durch das Wageninnere. Es dauert einen Augenblick, bis ich realisiere, dass es mein iPhone ist, das mich über eine eingegangene Nachricht informiert.

Sie ist von Mom. Es gibt Probleme mit der Location für die Jubiläumsgala, weshalb meine Eltern in Boston sind. Eine weitere Nachricht ploppt auf, in der sie mir mitteilt, dass im Kühlschrank Gemüseauflauf von gestern Abend steht, sollte ich Hunger haben.

Mit einem lauten Seufzen lasse ich das Handy neben mir auf den Sitz fallen. Ich kann Liams Blick über den Rückspiegel auf mir spüren und erwidere ihn. Er verzieht die Mundwinkel zu einem angedeuteten Lächeln. Als hätte er seinen Fehler bemerkt, wird seine Miene kurz darauf wieder ernst. In der Vergangenheit habe ich mich nicht unbedingt bemüht nett zu ihm zu sein. Vielmehr habe ich ihn mit Desinteresse bedacht. Für gewöhnlich weckt nichts an Liam meine Neugier. Heute schon. Denn im Augenblick möchte ich mich gerne mit jemandem unterhalten, damit ich mich weniger einsam fühle. Und momentan ist er die einzige Person, die mir dafür zur Verfügung steht.

»Wie war dein Tag?«, frage ich wie aus dem Nichts und er zuckt zusammen, weil meine Stimme völlig unerwartet die Stille durchbricht.

»Gut«, antwortet er knapp. »Und Ihrer?«, schiebt er hinterher, als wäre ihm gerade eingefallen, dass er sich aus Höflichkeit danach erkundigen sollte.

»Hatte schon bessere Tage«, gebe ich zu. Allerdings befürchte ich, meine Unterhaltungsinitiative verwirrt ihn. Jedenfalls würde ich seine Reaktion – ein ungläubiger Blick über die Schulter und darauffolgendes Schweigen – so deuten.

Für die nächsten zwanzig Minuten herrscht Stille zwischen uns, was nicht ungewöhnlich ist, sich heute dennoch unangenehm anfühlt. Als wären wir meilenweit voneinander entfernt, obwohl uns kaum mehr als eine Armlänge trennt. Ich kann mich auch nicht erinnern, dass Liam je versucht hätte, ein freundschaftliches Verhältnis zu mir aufzubauen. Im Grunde hat er nie etwas anderes getan, als mir die Tür aufzuhalten, sich hinter das Steuer zu setzen und zu schweigen. Verrückt, wenn man bedenkt, dass wir uns seit über einem Jahr kennen. Hätte sich da nicht zwangsläufig eine Verbindung entwickeln müssen?

Henry könnte wirklich recht haben. Vielleicht mache ich es anderen schwer, sich mir bedenkenlos zu nähern, weil ich eine Bleib-mir-vom-Leib-Aura versprühe.

»Liam, hältst du mich für emotional distanziert?« Die Frage rutscht mir einfach so heraus. Doch jetzt, wo sie meinen Mund verlassen hat, wüsste ich gerne, wie Liam mich wahrnimmt.

Bevor er antwortet, räuspert er sich leise. »Nein.« In seinem Ton schwingt ein Aber mit. Ein deutliches. Eins, das keinen Spielraum für Spekulationen lässt.

»Aber du magst mich nicht?«, hake ich nach. Um ehrlich zu sein, habe ich mir bisher keinerlei Gedanken gemacht, was er über mich denkt. Es gab auch keinen Grund dazu. Seine verbale Interaktion mit mir beschränkt sich auf flüchtige Hallos und das Erwarten von Anweisungen, wohin er mich bringen soll. Kein Small Talk. Liam redet nur, wenn er angesprochen wird. Ist höflich, zuverlässig, loyal und anscheinend nicht besonders von mir angetan. Ich bin es gewohnt, dass man mir Sympathie entgegenbringt. Sowohl aufrichtige als auch gespielte. Und ich bin verdammt gut darin, sie voneinander zu trennen. Aber Liam sieht mich in diesem Augenblick mit einer derart neutralen Miene an, dass ich raten müsste, woran ich bei ihm bin.

»Um das beurteilen zu können, kenne ich Sie zu wenig, Miss Carmichael«, erwidert er steif und entlockt mir damit ein Lachen, weil es so hochgestochen klingt. Ich meine, der Kerl ist kaum älter als ich und hört sich an wie mein Dad.

»Hat man dir beigebracht, neutral zu antworten, um die Leute nicht zu verärgern, die du durch die Gegend chauffierst?«, will ich von ihm wissen.

»Nein, aber ich denke, dass meine Meinung in diesem Punkt irrelevant ist, weil wir einander nicht gut genug kennen, als dass es von Bedeutung wäre zu wissen, was wir voneinander halten.«

Wieder dieser Ton. Aber ja, da ist was dran.

Ich lehne mich etwas zur Seite, um sein Profil besser sehen zu können. Konzentriert achtet er auf den Verkehr vor uns. Eine Weile beobachte ich ihn und frage mich, welcher Typ sich in dem schwarzen Anzug versteckt. Wer Liam ist, wenn er nicht arbeitet. Was er tut, wenn er sich mit Freunden trifft. Oder ist er ein Einzelgänger? Tatsächlich weiß ich absolut nichts über den Mann, der mich regelmäßig durch die Gegend fährt. Das wirklich Tragische an der Sache ist allerdings: Es hat mich bisher auch nicht gestört. Mir war es nur wichtig, dass er erledigt, was ich von ihm verlange.

Autsch!

Kein Wunder, dass er mich nicht ausstehen kann. Gerade finde ich mich selbst extrem ätzend.

War ich schon immer so ein Miststück?

Ja.

Doppelautsch!

»Hmm, wir könnten das ändern und uns besser kennenlernen.« Mein Angebot überrascht mich selbst, vor allem, weil es ernst gemeint ist. Schieben wir es auf die Tatsache, dass meine mentale Gesundheit aufgrund diverser Vorkommnisse etwas aus der Balance geraten ist und sich erst wieder einpegeln muss.

»Das halte ich für keine gute Idee.«

Seine Antwort wundert mich nicht. Ich kenne die Klausel in den Arbeitsverträgen. Es gibt klare Regeln, wie das Verhältnis zwischen den Angestellten und den Carmichaels auszusehen hat. Sowohl in die eine als auch in die andere Richtung.

»Warum? Hast du Angst, du könntest mich vielleicht mögen?«, frage ich mit einem frechen Unterton, weil ich es einfach nicht lassen kann, ihn herauszufordern.

»Ich bevorzuge es, eine professionelle Distanz zu den Menschen zu wahren, für die ich arbeite.«

Ja, das ist nicht zu übersehen.

»Du arbeitest nicht für mich«, stelle ich klar.

»Ich stehe im Dienst Ihrer Familie, also arbeite ich auch für Sie, Miss Carmichael.« Ein leicht gereizter Ton schwingt in seinen Worten mit.

Offensichtlich gehe ich ihm auf die Nerven. Das wäre jetzt der Zeitpunkt, den armen Kerl vom Haken zu lassen. Aber gerade genieße ich es, dass unsere Unterhaltung die erdrückende Stille in meinen Gedanken verdrängt.

Ich werfe einen Blick auf die Uhr. Es ist halb neun. »Also streng genommen hast du längst Feierabend. Das Gespräch ist demnach privat.« Unter der Woche arbeitet Liam nur bis acht. An den Wochenenden ist er nach Absprache eingeteilt, was im Grunde bedeutet, dass er mich häufig mitten in der Nacht aus einem Club abholt, sollte sich keine spontane Mitfahrgelegenheit auftun. Ich kann Taxis nicht ausstehen und Liam wird schließlich dafür bezahlt, genau diese Aufgabe zu übernehmen. Seit ich das College besuche, muss er mich allerdings jeden Sonntag von Manhattan nach Waterbury fahren. Das müsste er nicht, wäre ich nicht dreimal durch die Fahrprüfung gefallen. Kann er mich deswegen nicht ausstehen? Weil er dank mir nahezu kein freies Wochenende hat und ständig Überstunden macht?

Erneut sieht er in den Rückspiegel und mir gefällt nicht, was ich in seinem Blick vorfinde. Sorge. Mitleid. Unentschlossenheit. Wir führen vielleicht keine privaten Gespräche, aber ich bin mir sicher, Liam ist bestens über mein Leben informiert. Die Eskapaden, nachdem ich Henry den Laufpass gegeben hatte, ließen sich in den Medien wie eine Telenovela verfolgen. Wie lange es wohl dauert, bis Henrys Fahrerflucht außerhalb von Waterbury die Schlagzeilen beherrscht? Und wie lange, bis mein Name in dem Zusammenhang fällt? Auf der letzten Valentinsgala hat meine Mom Henry halb Manhattan als meinen Freund vorgestellt, obwohl er diesen Status niemals innehatte.

»Ich habe erst Feierabend, wenn ich Sie sicher zu Hause abgesetzt habe.«

Es stört mich, dass er mich ansieht, als wäre ich zerbrechlich, und dass seine Worte sich wie eine Liebkosung meiner Seele anfühlen. Als wäre er dazu in der Lage, mich vor all dem zu beschützen, was mich in den vergangenen Tagen wie eine Lawine überrollt hat. Ich hasse dieses wohlige Gefühl, das gerade dabei ist, sich in meiner Brust einzunisten. Weil ich keines dieser Mädchen bin, die von einem Kerl gerettet werden müssen. Das war ich nie und ich habe auch nicht vor zu einem zu mutieren, nur weil mir mein eigenes Leben gerade über den Kopf wächst.

»Belassen wir es einfach dabei, dass wir einander anschweigen, während du deinen Job erledigst. Du wirst schließlich nicht dafür bezahlt, mich zu mögen. Du bist nur der Fahrer.«

Meine Worte erzielen genau den von mir gewünschten Effekt, denn Liam wendet den Blick ab. Aber es fühlt sich nicht wie ein Sieg über ihn an. Im Gegenteil.

2.

LIAM

Immer wieder sehe ich in den Rückspiegel und frage mich, was genau gerade im Kopf von Dion Carmichael vor sich geht. Warum sie vor wenigen Minuten das Gespräch mit mir gesucht hat. Denn normalerweise gibt sie sich sehr viel Mühe, mich zu ignorieren und unsere Kommunikation somit auf ein Minimum zu reduzieren. Und ich habe absolut kein Problem damit, dass unser Verhältnis zueinander das ist, was es ist – unpersönlich.

Aus irgendeinem Grund hat sie beschlossen, für wenige Minuten auf meine Stufe herabzusteigen und unsere Basis auf eine neue Ebene zu befördern. Was eine verdammt dumme Idee ist. Und zwar auf jede erdenkliche Weise. Nur deswegen habe ich sie vor den Kopf gestoßen und bewusst abgeblockt, was sie vorhatte.

Für die kommenden neunzig Minuten herrscht Stille im Fahrzeug. Zum ersten Mal empfinde ich diesen Zustand zwischen uns als beklemmend. Dieses bedrückende Gefühl, etwas sagen zu müssen, breitet sich zunehmend aus. Als müssten wir irgendwas klären, wo es nichts zu klären gibt. Verflucht, ich verspüre sogar das Bedürfnis, mich bei ihr zu entschuldigen, ohne zu wissen, wofür überhaupt. Ich habe nichts Falsches getan. Warum fühlt es sich dann so an? Das ist doch bescheuert!

Wir befinden uns gerade auf der I-95 S, als mein Handy in der Halterung aufleuchtet. Gleichzeitig werfe ich einen Blick auf die Uhr.

»Verdammt!«, fluche ich eine Spur zu laut. Wieder einmal wird Dion dafür sorgen, dass meine Verabredung platzt. Sie heute aus Waterbury abzuholen, war nicht geplant und ich habe völlig vergessen, Austin Bescheid zu geben.

»Alles okay?«, fragt Dion und klingt ernsthaft besorgt.

Einen Moment lang denke ich darüber nach, Austin zu ignorieren, weil mein privater Kram nicht in dieses Fahrzeug gehört, solange Dion auf der Rückbank sitzt. Unsere Blicke treffen sich zum wiederholten Mal im Rückspiegel. Etwas, was sonst quasi nie vorkommt, weil ich in Dions Universum nicht existiere. Doch heute ist es ohnehin schon komisch zwischen uns. Also scheiß drauf!

»Ich muss da kurz rangehen«, erkläre ich und nehme das Gespräch über die Freisprechanlage an. »Hey.«

»Ich habe hier ein kleines Problem.« Austin hat eindeutig was getrunken, denn er lallt leicht.

»Welcher Art?«

»Du musst mich im Taphouse auslösen. Oleg, der Mistkerl, lässt mich nicht länger anschreiben. Mein Portemonnaie liegt zu Hause.«

»Wollten wir uns nicht im Castillo treffen?« Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir das beim Frühstück so ausgemacht hatten.

»Ja, vor eineinhalb Stunden. Der Schuppen ist lahm, also bin ich weitergezogen. Ich hab dir eine Nachricht geschickt.«

Kurz sehe ich nach, ob das stimmt.

»Ich bin auf dem Weg.«

»Das wird allmählich zu deiner Standardausrede.«

Bevor ich mich zu einer Diskussion mit Austin hinreißen lasse, kneife ich mir selbst in den Nasenrücken und atme tief durch. Denn er hat recht. Inzwischen lässt sich nicht einmal mehr zählen, wie oft ich ihn versetzt habe, seit ich nach der Pfeife der Carmichaels tanze.

»Warte einfach auf mich.«

»Als hätte ich eine andere Wahl«, mault Austin.

Ich sehe in den Rückspiegel, Dion tippt auf ihrem Handy herum.

»Gib mir eine halbe Stunde«, besänftige ich meinen besten Freund und lege auf.

»Innerhalb von dreißig Minuten schaffst du es niemals von Manhattan nach Queens.«

Erneut schaue ich in den Rückspiegel und in Dions nachdenkliches Gesicht. Hat sie etwa gerade die Bar gegoogelt? Denn ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sich Dions Revier bis nach Queens erstreckt.

»Mit dem Motorrad ist das kein Problem«, versichere ich ihr, dass es durchaus machbar ist.

»Oder du fährst direkt dorthin, dann schaffst du es in acht Minuten und dein Freund reißt dir vielleicht nicht den Kopf ab.«

Jetzt kann ich mir einen verblüfften Blick über die Schulter nicht länger verkneifen. Warum benimmt sie sich heute so seltsam? »Ich bringe Sie nach Hause und kümmere mich dann um meine privaten Angelegenheiten.«

»Auf mich wartet außer einem Gemüseauflauf vom Vortag niemand und dein Freund scheint angepisst zu sein.« Den geknickten Unterton in ihrer Stimme höre ich viel zu deutlich heraus und es ist, als hätte sie aus dem Nichts eine Verbindung zu meinem Innersten geknüpft. Ich kenne das Gefühl von Einsamkeit nur allzu gut.

»Außerdienstliche Fahrten sind mit dem SUV nicht gestattet.« Selbst in meinen Ohren klingt es nach einer billigen Ausrede, um Dion schnellstmöglich loszuwerden. Verdammt! Genau deswegen bevorzuge ich es, mich auf meinen Job zu beschränken und nicht zu intensiv über die Frau auf dem Rücksitz nachzudenken. Denn würde ich meine Gedanken zulassen, würden sie in eine Richtung abdriften, die die Dinge früher oder später kompliziert machen.

»Gut, dann ordne ich den Umweg eben an. Immerhin ist es meine Schuld, dass du Überstunden machst und deswegen deine Verabredung hängen lässt.«

»Das ist wirklich nicht – «

»Boah, Liam, kannst du vielleicht einfach meinen Versuch, nett zu sein, annehmen, anstatt ihn höflich abzublocken?!«, unterbricht sie mich barsch und klingt dabei gleichermaßen verzweifelt wie genervt.

Vor Dion war mir nicht klar, dass es möglich ist, zwei völlig gegensätzliche Emotionen in ein und derselben Sekunde zu transportieren. Mein erster Impuls ist, ihr zu antworten, dass mir das schwerfällt, weil Dion nicht unbedingt das ist, was ich mit nett assoziiere. Vielmehr halte ich sie für berechnend. Sie würde nichts tun, woraus sie selbst keinen Nutzen zieht. Für ihre Freundinnen ja, aber ganz gewiss nicht für den Kerl, der nur der Fahrer ist. Wie die Frau tickt, habe ich mehr als einmal mitbekommen. Sie hat sich so einige Aktionen geleistet, um zu verdeutlichen, wie sie die Rangordnung zwischen uns definiert. Wir sind keinesfalls auf Augenhöhe. Also, was wird sie im Gegenzug verlangen?

Wieder sehe ich in den Rückspiegel, suche in ihrem Gesicht nach etwas, das ihre Absicht verrät. Nichts. Es scheint, als hätte sie heute tatsächlich beschlossen, nett statt unausstehlich zu sein. So ganz traue ich dem Frieden dennoch nicht. Allerdings ist mein Verhältnis zu Austin aktuell ziemlich angespannt und ihr Angebot könnte die Wogen zwischen uns etwas glätten.

»Okay«, antworte ich entgegen jeder Vernunft, setze den Blinker und nehme die Auffahrt in Richtung Queens. Knapp zehn Minuten später parke ich den Lincoln und wende mich Dion zu. »Es wird nicht lange – « Mitten im Satz breche ich ab, denn sie öffnet die Tür. »Was haben Sie vor?«

»Wenn wir schon mal hier sind«, erwidert sie und zuckt mit den Schultern, als läge die Antwort auf der Hand.

Aber dem ist nicht so. Olegs Sportsbar ist kein Ort, an den ich eine Frau mitnehmen würde, um mit ihr etwas trinken zu gehen. Nicht, dass ich das vorhabe, aber Dion klettert tatsächlich aus dem Auto. Verflucht! Ich steige ebenfalls aus, eile um den SUV auf sie zu.

»Das ist nicht das richtige Lokal für …« Als ich bemerke, wie meine Worte möglicherweise klingen, verstumme ich.

»Für jemanden wie mich?«, vervollständigt Dion meine Aussage und hebt herausfordernd eine ihrer perfekt geschwungenen dunklen Brauen.

»Für eine Frau«, korrigiere ich.

Ein Schmunzeln erscheint auf ihren Lippen und ich ertappe mich dabei, wie ich es spiegle, was Dion offenbar als Zugeständnis deutet, denn sie macht sich auf in Richtung Eingang. Mit einem tiefen Atemzug und einem kapitulierenden Kopfschütteln folge ich ihr. Ich versuche das ungute Gefühl in meiner Magengegend zu ignorieren, als ich die Tür öffne und Dion den Vortritt lasse.

Die typisch stickige Luft der in die Jahre gekommenen Bar schlägt mir entgegen. Eine Mischung aus kaltem Rauch, Schweiß und billigem Raumduft, um den Gestank von frittiertem Essen zu überdecken. Ich habe wirklich keine Ahnung, warum es Austin regelmäßig in diese schäbige Sportsbar zieht. Wenn er das Footballspiel sehen will, das gerade auf dem riesigen Fernseher läuft, gibt es deutlich bessere Optionen.

Aus dem Augenwinkel mustere ich Dion, die sich umsieht und die Nase rümpft. Es dauert nur wenige Sekunden, bis wir die Aufmerksamkeit einiger Tische auf uns ziehen. Was nicht daran liegt, dass sie eine Frau ist und hier Männerüberschuss herrscht, sondern weil ich in meinem Anzug und Dion in ihrem cremefarbenen Jumpsuit, dem mit Strasssteinen besetzten Blazer sowie den silbernen High Heels wirken, als hätte wir uns im Lokal geirrt.

»Welcher ist dein Freund?«, fragt sie und lässt den Blick schweifen, als wolle sie selbst herausfinden, welcher Kerl zu mir passt.

Ich halte nach Austin Ausschau und entdecke ihn an der Bar. »Der Blonde da drüben«, sage ich und gehe auf ihn zu.

»Ach komm, als ob das ein Foul war!«, brüllt er und schüttelt den Kopf. »Sieh doch mal richtig hin!« Austin springt vom Barhocker und reißt empört die Arme nach oben. »Alter, wirst du von den Giants für deine Fehlentscheidungen bezahlt, oder was?!« Es zeugt von enormem Mut, als Eagles-Fan in einer Bar voller New-York-Giants-Anhänger lautstark die Schiedsrichterleistung infrage zu stellen. Aber wenn ich in den Jahren, die wir uns kennen, etwas über Austin gelernt habe, dann, dass er die Konfrontation sucht, statt ihr aus dem Weg zu gehen, und seinen Heidenspaß daran hat, sich ein blaues Auge von jemandem abzuholen.

Das ist der Moment, in dem mir klar wird, wie unvernünftig es ist, Dion auf Austin treffen zu lassen. Wenn es richtig dumm läuft, landet sie meinetwegen inmitten einer Schlägerei, bevor ich Austin aus der Bar schleifen kann.

Gerade als ich ihm auf die Schulter tippe, um auf mich aufmerksam zu machen, verstrickt er sich in eine Diskussion mit dem Kerl neben sich. Dion und ich tauschen einen kurzen Blick aus und ich verspüre das Bedürfnis, mich vorab für meinen Freund zu entschuldigen, als dieser sich uns zuwendet. Er sieht zwischen mir und Dion hin und her.

»Hey«, sagt er und lässt seinen Blick über Dion gleiten, bevor er mich fragend ansieht. »Ist sie der Grund, warum du mich ständig hängen lässt?«

»Austin, darf ich dir M–«

»Dion«, unterbricht sie mich und streckt Austin die Hand entgegen, die er nach kurzem Zögern ergreift, weil er noch damit beschäftigt ist, die Frau neben mir zuzuordnen.

»Ah, der Grund für die vielen Überstunden an den Wochenenden. Verstehe.«

»Austin!«, ermahne ich ihn, weil er den falschen Ton anschlägt, auch wenn er nicht ganz unrecht hat. Dion ist zwar unter der Woche in Waterbury, aber an den Wochenenden vereinnahmt sie mich dermaßen, dass ich mich frage, wann genau die Frau eigentlich entspannt.

»Chill mal, Bro. Was wollt ihr trinken?«

»Nichts, ich bezahle deine Rechnung und bringe Miss Carmichael nach Hause.«

Austin lacht. »Miss Carmichael, ernsthaft?«

»Halt die Klappe!«, zische ich ihn an und kassiere dafür von Dion einen amüsierten Blick. Vermutlich, weil sie gerade Zeugin davon wird, wie ich die Beherrschung verliere. Etwas, was mir in ihrer Gegenwart noch nie passiert ist. Für gewöhnlich vermischt sich mein Privatleben auch nicht mit meinem Job und ich gebe zu, das macht mich nervös. Dion macht einen winzigen Schritt nach links, als wolle sie sich vor mich stellen. Dieser Umstand verwirrt mich massiv, weil es den Anschein erweckt, sie würde mich vor Austin beschützen. Oder zumindest Partei für mich ergreifen, sollte es notwendig sein.

»Ich hatte einen echt miesen Tag und könnte einen Drink vertragen«, sagt Dion ehrlich und sieht in Richtung Bar.

»Gute Entscheidung. Nach Ihnen, Miss Carmichael«, erwidert Austin geschwollen und deutet mit einer übertriebenen Handbewegung zum Tresen.

Dion wirft ihm einen missbilligenden Blick zu und sieht mich dann auf eine Weise an, die mir neu ist. Mitfühlend. Vielleicht auch loyal. Ganz sicher bin ich mir nicht. Aber es würde zu ihrer Reaktion von eben passen.

Ich atme einmal tief durch, damit ich nicht derjenige bin, der Austin ein Veilchen verpasst. Widerwillig folge ich den beiden. Dion klettert auf einen der Barhocker, Austin auf den neben ihr und fragt sie nach ihrem Getränkewunsch. Er beugt sich über den Tresen und brüllt Oleg die Bestellung entgegen.

Als dieser mich entdeckt, nickt er mir zu. »Übernimmst du seine Rechnung?«

»Kommt drauf an, ob er seine Schulden auch mit Spüldienst abarbeiten kann?«, mache ich den Gegenvorschlag.

»Ich könnte ihn die Klos putzen lassen.«

»Klingt fair.«

»Haha, sehr witzig«, mischt sich Austin ein, während Dion mich ansieht, als würde sie sich fragen, wer der Typ ist, der neben ihr steht und so etwas wie Humor besitzt.

»Deine Freundin?«, fragt Oleg und mustert Dion, als er einen Tequila vor ihr abstellt und mir ein Glas Wasser reicht. Ich verkneife mir den Kommentar, dass er sich erst mal Dions Ausweis zeigen lassen sollte, weil sie unter einundzwanzig ist. Allerdings möchte ich sie auch nicht öffentlich bloßstellen.

»Nope, sein Boss«, antwortet Austin selbstgefällig. Der Mistkerl provoziert mich. Und ich würde gerne wissen zu welchem Zweck.

»Ich bin nicht sein Boss«, widerspricht Dion ihm.

»Warum muss er dich dann Miss Carmichael nennen?« Er verschränkt die Arme vor der Brust und fordert sie damit indirekt zu einem seiner Schlagabtausche heraus. Er hat ja keine Ahnung, dass er in Dion eine ernst zu nehmende Gegnerin gefunden hat. Die Frau ist dazu in der Lage, dir mit zuckersüßen Worten ein Messer in den Rücken zu rammen.

»Muss er nicht«, erklärt sie mit dem Unterton, den ich erwartet habe. Es ist derselbe, mit dem sie regelmäßig Telefongespräche auf der Rückbank führt, um ihre Überlegenheit zu demonstrieren. Eine Mischung aus unschuldigem Locken und dem unterschwelligen Hinweis, dass du als Verlierer aus dem Duell herausgehen wirst.

»Also ist das so ein Ding zwischen euch, um in Stimmung zu kommen?«, tappt Austin in ihre Falle.

»Genau, später schick ich den Chauffeur auf die Knie und lasse ihn darum betteln, mich vögeln zu dürfen«, erwidert sie todernst und ich verschlucke mich an dem Wasser, das sich gerade einen Weg meine Kehle hinunter bahnt. Als hätte sie das soeben nicht gesagt, nimmt sie die Zitronenspalte vom Tequilaglas, befeuchtet damit ihren Handrücken, streut dann Salz darauf, das sie im selben Atemzug ableckt, bevor sie den Shot trinkt. Anschließend beißt sie in die Zitrone.

Austin starrt Dion genau wie ich an. Er, weil sie ihn mit einem einzigen Satz auseinandergenommen hat, und ich, weil ich das von ihr beschriebene Szenario vor Augen habe.

Fuck!

Ein Lachen reißt mich aus dem Kopfkino. Wobei ich die Bilder höchstwahrscheinlich nie wieder gänzlich loswerde. Dabei reizt mich Dion auf dieser Ebene nicht einmal ansatzweise. Ja, sie ist attraktiv, aber zu behaupten, ich würde sie mögen, wäre maßlos übertrieben.

»Die Kleine ist genau nach meinem Geschmack«, sagt Oleg und stellt mit einem breiten Grinsen einen weiteren Tequila vor ihr ab. »Der geht auf mich.«

»Danke.«

»Verdammt, beinahe hätte ich ihr geglaubt.« Austin stößt sein Schnapsglas gegen das von Dion. Die beiden grinsen einander an. Damit wäre geklärt, dass Austin sich kein zweites Mal mit ihr anlegen wird. Stattdessen ordert er noch vier weitere Tequilas und ich presse die Kiefer aufeinander, weil mir das gehörig gegen den Strich geht, es mir allerdings auch nicht zusteht, den Moralapostel zu spielen.

Ich habe Dion oft genug von einer Party abgeholt, um zu wissen, dass sie bereits ihre Erfahrungen mit Alkohol gemacht hat. Also warum stört es mich? Vermutlich, weil ich für gewöhnlich nicht danebenstehe und zusehen muss, wie sie einen miesen Tag im Glas ertränkt. Jedenfalls hat sie das vorhin erwähnt. Und es muss ein wirklich beschissener Tag gewesen sein, wenn sie sich mit einer schäbigen Bar in Queens anstatt einem der überteuerten Clubs in Manhattan zufriedengibt. Mit Austin und mir als Gesellschaft.

Während Austin sie in eine Unterhaltung über Football verwickelt, nachdem sie erzählt hat, dass ihr Bruder Damian für die University of Oklahoma als Quarterback auf dem Feld steht, versuche ich zu begreifen, was genau hier eigentlich vor sich geht. Ich habe nicht den blassesten Schimmer. Aber ich verspüre schlagartig das Verlangen, meinen besten Freund vom Barhocker zu zerren und eigenhändig aus der Bar zu befördern, als er in den Flirtmodus umschaltet und Dion seinen Versuch, bei ihr zu landen, nicht unterbindet.

Als Oleg eine weitere Runde vor den beiden abstellt, beschließe ich, der Sache ein Ende zu machen.

»Okay, das reicht«, sage ich und nehme Dion das Glas aus der Hand. Verwundert sieht sie mich an. »Ich bringe Sie jetzt nach Hause, Miss Carmichael.«

Austin lacht leise und ich bedenke ihn mit einem warnenden Blick. Beschwichtigend hebt er die Hände.

Ich gebe Oleg ein Zeichen, damit ich die Rechnung begleichen kann. Währenddessen rutscht Dion vom Barhocker. »Huch«, entfährt es ihr. Im selben Moment spüre ich, wie sich ihre Finger Halt suchend um meinen Oberarm schließen.

Ich schlucke. »Alles okay?«, frage ich und nehme sie genauer in Augenschein, um abzuschätzen, wie betrunken sie ist.

»Ja, ich hätte nur vorher etwas essen sollen.« Sie rückt von mir ab und sorgt damit für den nötigen Abstand zwischen uns. Allerdings kann ich ihre Berührung nach wie vor spüren, als hätte sie sich erst durch den Stoff des Jacketts und schließlich den des Hemds gefressen, um sich in meine Haut einzubrennen.

»Yes, die Eagles haben das Spiel tatsächlich noch gedreht!«, johlt Austin, der zum Fernseher sieht und im nächsten Moment Dion zu einem High Five auffordert.

Sie schlägt zu meiner Überraschung ein. »Ich habe es dir gesagt, ihre Offense ist in Topform.«

Mir war nicht bewusst, dass Dion sich für Football interessiert. Nein, eigentlich habe ich überhaupt keine Ahnung, wofür sie sich begeistert. Das Einzige, was ich von ihr mitbekomme, sind die Unterhaltungen, die sie mit ihren Freundinnen auf der Rückbank des SUVs führt. In der Regel dreht sich alles ums College, Partys, den Gossip der Upperclass und Männer. Und ich gebe zu, auf die Details über Dions Liebesleben könnte ich verzichten. Genau wie mitansehen zu müssen, dass sie sich in diesem Augenblick bei Austin unterhakt, damit sie nicht über ihre eigenen Füße stolpert, und er mir einen vielsagenden Blick zuwirft. Auf gar keinen Fall werde ich zulassen, dass er die Tochter der Leute abschleppt, die meine Schecks ausstellen.

Nachdem ich bezahlt habe, verlassen wir gemeinsam die Bar. Wie ein Trottel laufe ich hinter den beiden her.

»Nette Karre«, merkt Austin an und übernimmt meinen Job, indem er die hintere Tür öffnet, damit Dion auf der Rücksitzbank Platz nehmen kann.

»Du läufst nach Hause«, sage ich schroff und schlage ihm die Tür vor der Nase zu, bevor er einsteigen kann.

»Komm schon, Bro, die Kleine ist heiß«, flüstert er mir zu.

Sie ist nicht einmal sein Typ, aber ich habe so eine Ahnung, was er vorhat. Wenn er sauer ist, weil ich ihn ständig ihretwegen versetze, soll er mir einfach eine reinhauen, anstatt Dion dafür zu benutzen, mir eins auszuwischen.

»Vergiss es!«

»Lassen wir das doch deinen Boss entscheiden«, sagt er und öffnet erneut die Tür. Meine Hand schnellt nach vorn. Mit einem dumpfen Knall fällt die Tür wieder zu.

»Ich habe Nein gesagt! Such dir auf Tinder jemanden, den du flachlegen kannst. Dion ist tabu.« Verflucht, ich bin mir ziemlich sicher, dass die Worte laut genug meine Lippen verlassen haben, um bis ins Wageninnere zu dringen.

Er grinst mich wissend an.

»Verstehe, du willst die Nachtschicht selbst übernehmen.«

»Gute Nacht, Austin.« Ich gehe um den Lincoln herum, atme kurz durch und nehme auf dem Fahrersitz Platz. Mein Blick trifft auf den von Dion, als ich in den Rückspiegel sehe, um herauszufinden, wie viel sie von der Unterhaltung mit Austin mitbekommen hat. Sie unterdrückt ein Schmunzeln. Großartig!

»Kommt dein Freund nicht mit?«, fragt sie amüsiert.

»Nein«, antworte ich knapp und starte den Motor.

»Es wäre kein Problem gewesen, ihn zu Hause abzusetzen.«

Ich verspüre etwas wie Erleichterung, weil sie offenbar nicht die Absicht hatte, das mit Austin über einen Flirt hinaus auszudehnen und damit für überflüssiges Chaos zu sorgen.

»Es sind nur ein paar Blocks, die schafft er zu Fuß.«

»Wie lange seid ihr schon befreundet?«

»Sechs Jahre.«

»Er ist nett.« Auch wenn sie es nicht sagt, klingt es nach im Gegensatz zu dir. Der einzige Grund, warum ich mich bemühe, genau das nicht zu sein, ist, weil es den Umgang mit Dion um ein Vielfaches erleichtert.

»Wie habt ihr euch kennengelernt?«

Fragt sie das aus Interesse an seiner Person oder um Small Talk mit mir zu betreiben? Sollte sie mich um seine Telefonnummer bitten, werde ich Austin den Hals umdrehen, sobald ich ihn in die Finger bekomme.

»Ich brauchte eine Bleibe und er hatte ein Zimmer frei«, beantworte ich ihre Frage, wohl wissend, dass ich damit die Zone verlasse, die ich bisher strikt eingehalten habe. Aber streng genommen habe ich die in dem Augenblick hinter mir gelassen, als ich nach Queens abgebogen bin.

»Ich hätte dich eher für einen Einzelgänger gehalten.«

»Warum?«

»Du versprühst diese Aura, die dazu dient, sich Leute vom Leib zu halten.«

Damit trifft sie den Nagel auf den Kopf. Allerdings hat sie keine Ahnung, warum das so ist. Und ich wüsste auch nicht, wie ich es ihr erklären sollte.

»Oder ich bin einfach nur wählerisch«, gebe ich zu bedenken und werfe einen Blick in den Rückspiegel, um sie anzusehen.

»Autsch!«, antwortet sie übertrieben betroffen. »Was muss man tun, um von dir auserwählt zu werden?«, fragt sie grinsend, dennoch höre ich eine gewisse Neugierde heraus. Ihr plötzliches Interesse an mir schreibe ich allerdings eher den vier Tequilas zu, die sie getrunken hat.

Als wir das Anwesen erreichen, betätige ich den Knopf am Lenkrad, damit das Tor aufschwingt. Keine zwei Minuten später parke ich den SUV vor der Villa und steige aus. Ich öffne die hintere Tür. Dion klettert von der Rückbank und stolpert, als sie einen Schritt nach vorn macht. Aus Reflex strecke ich den linken Arm nach ihr aus, um sie aufzufangen. Um ihr Gewicht halten zu können, ziehe ich sie zu mir heran und befördere sie sicher zurück auf die Füße. Das wäre jetzt der ideale Zeitpunkt, von ihrer Taille abzulassen.

Sie sieht zu mir auf und fixiert mein Gesicht. Mir ist klar, ich sollte von ihr zurücktreten, stattdessen verharren meine Finger weiterhin an ihrer Seite. Dion macht ebenfalls keine Anstalten, das Szenario, das aus einer mittelmäßigen Klischeeromanze stammen könnte, zu beenden.

Ihrem Blick standzuhalten, ist mit Abstand das Dümmste, was ich tun kann. Weil ich ernsthaft schwer schlucke, als sie die Unterlippe zwischen die Zähne zieht und nachdenklich darauf herumkaut. Ein überraschter Ausdruck erscheint auf ihrem Gesicht, als sie es bemerkt. In dieser Sekunde hasse ich sie, weil sie mich dazu verleitet hat, ihr zu offenbaren, dass sie eine Wirkung auf mich hat. Immun bin ich gegen Dion gewiss nicht. Ich favorisiere lange dunkle Haare, blaue Augen, sinnliche Lippen, hohe Wangenknochen und einen Körperbau wie ihren. Ich bin vielleicht kein Fan ihrer Persönlichkeit, aber attraktiv finde ich sie durchaus. Bisher hat dieser Umstand kein Problem dargestellt, weil sie keinerlei Interesse an mir gezeigt hat und ich noch viel weniger an ihr. Doch jetzt ist da ein winziges Funkeln in ihren blauen Augen. Als hätte ich sie gerade auf eine Idee gebracht. Und ich hoffe inständig, mich zu irren. Denn ich befürchte, sie könnte mich mürbemachen, sollte sie es darauf anlegen.

»Du hast meine Frage nicht beantwortet«, flüstert sie und verringert den ohnehin schon unangemessenen Abstand zusätzlich.

»Ich weiß, und ich habe es auch nicht vor.«

»Dann werde ich es wohl selbst herausfinden müssen.«

Ihre Nähe vernebelt eindeutig meinen Verstand und sorgt dafür, dass die Situation außer Kontrolle zu geraten droht. Denn anders lässt sich nicht erklären, dass ich mich hinunterbeuge und ihr »Viel Erfolg dabei« ins Ohr flüstere. Ich muss übergeschnappt sein, Dion zu diesem Spiel herauszufordern.

Entschlossen, die Sache nicht weiterzutreiben, gebe ich sie frei und gehe um den Wagen herum. »Kommen Sie ab jetzt alleine klar?«, frage ich, als hätte es diesen Moment gerade nicht gegeben.

»Wenn ich Nein sage, bringst du mich dann ins Bett?«

Nein, das würde ich nicht. Oder vielleicht doch? Fuck!

»Gute Nacht, Miss Carmichael.«

Langsam gehe ich auf mein Motorrad zu, das ich wie jeden Tag neben der Garage abgestellt habe. Gerade als ich den Helm vom Lenker nehme, hallt mein Name durch die Nacht. Über die Schulter sehe ich zu Dion, die im Schein der Außenbeleuchtung der Veranda steht.

»Wenn du mich weiterhin Miss Carmichael nennst, sorge ich für deine Entlassung.« Ihren Worten fehlt die Ernsthaftigkeit, und doch schwingt eine leise Warnung mit.

Als ich den Job als persönlicher Chauffeur der Carmichaels angenommen habe, war Dion in ihrem letzten Highschooljahr. Sie fand es damals schon albern, dass ich sie mit dem Nachnamen angesprochen habe. In den darauffolgenden Wochen hat sie mich mehrfach gebeten, sie beim Vornamen zu nennen, und irgendwann aufgegeben, weil ich es für angemessener hielt, nicht den Eindruck zu vermitteln, mich mit ihr anfreunden zu wollen. Das will ich auch nach wie vor nicht. Das Letzte, was mir bei Dion in den Sinn kommt, ist die Friendzone. Dass sie das Thema ausgerechnet jetzt wieder aufgreift, macht mich nervös, weil es wie ein Startschuss wirkt. Und ich habe nicht die leiseste Ahnung, wofür genau.

»Dann sollte ich wohl die Stellenanzeigen im Auge behalten«, antworte ich möglichst unbeeindruckt und setze den Helm auf, während ich auf die Yamaha klettere. Anschließend starte ich den Motor und rolle auf sie zu. Auf ihrer Höhe bleibe ich stehen und sehe sie ein letztes Mal viel zu lange an, bevor ich das Visier herunterklappe und den Heimweg antrete.

3.

DION

MITTE MAI, MANHATTAN, NEW YORK

Mit kreisenden Bewegungen massiere ich meine Schläfen, während ich vor einem Glas Orangensaft am Küchentisch sitze. Bisher haben die zwei Aspirin von heute Morgen keinerlei Wirkung gezeigt.

»Ist das deine Art, die Angelegenheit mit Henry zu verarbeiten?«

Henry hat es letzte Woche Mittwoch tatsächlich auf die Titelseite der New York Times geschafft. Inklusive meines Namens und eines hübschen Fotos, das uns gemeinsam als Traumpaar auf dem Valentinsball zeigt. Die Anfragen für ein Statement stapeln sich in meinem E-Mail-Postfach. Mental habe ich eine steile Talfahrt hingelegt und bin nicht zu meiner Klausur in Waterbury erschienen. Davon wissen meine Eltern zum Glück nichts. Sie würden durchdrehen, sollte ich das College wegen so einer Lappalie gegen die Wand fahren. Genau so hat meine Mom Henrys Beteiligung am Tod des Jungen vor zwei Jahren genannt. Noah Gibson sei nicht mehr als eine Bagatelle, über die nächste Woche niemand mehr spricht. Dass meine Mom unterkühlt ist, weiß ich, aber diese Art von Herzlosigkeit hat mich ernsthaft schockiert. Mein Dad hingegen hat mich wortlos in den Arm genommen. Er redet selten viel, aber er weiß immer, wann ich eine Umarmung brauche. Ich wünschte, er wäre nicht permanent geschäftlich unterwegs, weil ich wirklich jemanden gebrauchen könnte, der mir gut zuredet.

»Dion, ich spreche mit dir!«

Der dumpfe Kopfschmerz verwandelt sich beim schrillen Klang der Stimme meiner Mom in ein Stechen.

»Wovon genau sprichst du?«, frage ich, weil ich keine Ahnung habe, was sie meint.

Der National Enquirer wird vor mir auf den Tisch geknallt. Der Geruch von bedrucktem Papier verursacht leichte Übelkeit. Vielleicht liegt es aber auch an der Schlagzeile, die ich plötzlich vor Augen habe. Dion Carmichael schockt mit Striptease im Lavo.

Darunter befindet sich ein Foto, das mich in Bustier mit passender Panty zeigt, neben mir Grant Taylor, der lachend sein Sixpack präsentiert. Wenn ein Kerl sich freizügig gibt, scheint das in Ordnung, aber wenn eine Frau das tut, landet sie auf der Titelseite. Wobei ich das hier eher Henrys Medienpräsenz der letzten Tage verdanke. Ich gebe zu, es war nicht die beste Idee, mich mit Freunden und massig Tequila im Lavo von dem Mist ablenken zu wollen. Es war wirklich naiv zu glauben, ich könnte einen Abend unbemerkt in der Menge eines überfüllten Clubs abtauchen.

»Okay, das meinst du. Nein, das ist nicht meine Art, meinen miesen Männergeschmack aufzuarbeiten. Das ist der verzweifelte Versuch, die Aufmerksamkeit meiner Eltern zu bekommen«, antworte ich sarkastisch und greife nach dem frisch gepressten Orangensaft. In der Vergangenheit war das nämlich ihrer Meinung nach der Grund, warum ich über die Stränge geschlagen habe. Ich will ihr da auch gar nicht widersprechen, aber nicht alles, was ich tue, dient dazu, meine Eltern in Aufruhr zu versetzen. Oft ist es einfach nur eine Verkettung von Umständen, die mich in derartige Situationen katapultieren. Unter anderem führen sie, wie in diesem Fall, zu einem Striptease im Lavo.

»Und du glaubst, die bekommst du, indem du dich in einem Club bis auf die Unterwäsche ausziehst?«

»Keine Ahnung, gibt es noch einen anderen Grund, warum du hier bist anstatt bei einem deiner wichtigen Termine?« Den kleinen Seitenhieb kann ich mir dennoch nicht verkneifen.

Einem Schnauben folgt ein vehementes Kopfschütteln. »Achte auf deinen Ton, Fräulein!«

»Bei dem hörst du mir wenigstens zu«, blaffe ich sie an.

»Was ist nur los mit dir?«

»Ich befolge deinen Rat und genieße die Zwanziger, bevor ich mir einen Ring an den Finger stecken lasse.«

Das waren ihre Worte, als ich ihr Tage nach dem Valentinsball gesteckt habe, dass Henry ein Arschloch ist, das hinter meinem Rücken seine beste Freundin vögelt. Ihre Lobeshymnen auf diesen überaus charmanten Kerl ließen sich einfach nicht länger ertragen. Okay, eigentlich sagte sie, ich hätte Henry mit meiner patzigen Persönlichkeit vergrault und sie könne verstehen, dass er nun einer anderen den Hof macht.

»Jetzt ist es also meine Schuld, dass meine Tochter sich betrinkt, auszieht und herumpöbelt, weil die Security sie vor die Tür setzt?«, fragt sie und ich höre einen Anflug von Frustration heraus. Ein sicheres Zeichen, den Bogen besser nicht zu überspannen. Also beschließe ich, das Ganze aufzuklären.

»Nein, die Wahrheit ist, ich habe gegen Gina Forster im Speed-Shot-Trinken verloren«, erkläre ich, wie es dazu gekommen ist. Bei dem entsetzten Gesichtsausdruck meiner Mom kann ich mir ein kurzes Lachen nicht verkneifen. »Fünf Shots in gerade mal fünfundzwanzig Sekunden. Gina ist wirklich gut«, füge ich beeindruckt hinzu, wohl wissend, dass sie nicht annähernd so viel Begeisterung für diese Art von Partyunterhaltung aufbringt wie die am Freitagabend Anwesenden.

»Findest du es etwa lustig, wegen so eines Unfugs auf der Titelseite der Klatschpresse zu landen?«, rügt sie mich.

»Natürlich nicht, das Foto ist furchtbar. Meine Schokoladenseite ist links, das sollten die Paparazzi inzwischen wissen«, sage ich gespielt empört und drehe die Zeitung so herum, dass ich den Artikel nicht länger ansehen muss. Mir gefällt die Schlagzeile auch nicht, aber trotzdem – warum macht sie so eine große Sache daraus? Letzten Sommer habe ich mir auf der Yacht der Taylors ein Sonnenbad gegönnt. Seither weiß so ziemlich jeder, der das Internet bedienen kann, wie mein blanker Hintern aussieht. Das hier ist also nicht das erste Mal. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird es auch nicht das letzte Mal sein, dass die Presse sich meines Lebens erfreut. Ob mir das nun passt oder nicht, interessiert ohnehin niemanden. Ich bin eine Carmichael, allein das reicht, damit jemand auf den Auslöser einer Kamera drückt. Den Status verdanke ich der Frau, die sich jetzt daran stößt, dass ich im National Enquirer abgedruckt werde. Sie hatte meine komplette Kindheit an die Öffentlichkeit verkauft und spielt sich jetzt als Moralapostel auf. Sie weiß hoffentlich, wie albern das ist.

»Halt dich von dieser Art Publicity fern, sonst hat es Konsequenzen für dich. Nächste Woche findet die Präsentation für die Jubiläumskollektion statt. Und ich dulde nicht, dass meine Tochter diverse Titelseiten mit ihrem unkonventionellen Lebensstil blockiert«, sagt sie ernst.

»Klingt, als würdest du mir Stubenarrest erteilen wollen, damit ich dir nicht die Show stehle«, schieße ich zurück.

»Nein, ich appelliere an deine Vernunft.«

Ein leises Räuspern beendet unsere Unterhaltung. »Ma’am, ich störe wirklich ungern, aber wenn Sie nicht zu spät zu Ihrem Termin kommen wollen, müssen wir jetzt los, um nicht in der Rushhour zu landen.«

»Wir reden später weiter.«

So enden unsere Gespräche regelmäßig und dieses Später findet für gewöhnlich selten statt. Eigentlich beenden wir nur Unterhaltungen, die meiner Mom dienlich sind und Anweisungen zu meinem Terminkalender beinhalten.

Liam sieht flüchtig in meine Richtung, als ich laut die Luft ausstoße. Es ist jetzt knapp drei Wochen her, seit er mich aus Waterbury abgeholt hat. Geändert hat sich zwischen uns nichts und irgendwie alles. Denn ich ertappe mich immer wieder dabei, dass meine Gedanken zu ihm wandern. Oder mein Blick Liam folgt, sobald ich ihn erspähe.

Am Morgen nach dem Abstecher zur Bar in Queens glaubte ich noch, dieses nervöse Flattern in meiner Magengegend wäre auf die Nachwirkungen des Tequilas zurückzuführen. Inzwischen habe ich verstanden, dass es an dem Kerl liegt, der mich gerade aufmunternd anlächelt, bevor er meiner Mom aus der Küche folgt. Hin und wieder erwische ich Liam dabei, wie er mich nachdenklich beobachtet. Dann spüre ich nicht nur seinen Blick auf mir, sondern auch seine Hand an meiner Taille, als hätte sie sich dort auf ewig eingebrannt. Das macht mich wahnsinnig. So wahnsinnig, dass ich mich überhaupt erst auf den Quatsch mit Gina eingelassen habe, damit meine Gedanken sich für eine Weile nicht darum drehen, warum der Kerl plötzlich meine Aufmerksamkeit erregt. Liam verkörpert nicht das, was normalerweise mein Interesse weckt. Bisher wiesen meine Bekanntschaften ein primäres Merkmal auf: vermögend.

»Es wird spät heute Abend, wir gehen ins Theater. Hab einen schönen Tag, Liebling«, schlägt Mom einen beschwichtigenden Ton an. Das macht sie nur, weil Liam anwesend ist, damit er glaubt, sie wäre die liebevolle Mutter.

Ich schwöre, sie ist es nicht.

»Ich werde mich bemühen, nicht in den Zwölf-Uhr-Nachrichten zu erscheinen«, erwidere ich und lache leise, als sie tief durchatmet.

Wenige Sekunden später fällt die Eingangstür ins Schloss und schlagartig ist es still. Ich trinke den O-Saft aus und räume das dreckige Geschirr in die Spülmaschine. Das College hat eindeutig den positiven Nebeneffekt, dass Viktor – er ist der Kerl für alles im und um das Haus herum – nicht mehr ständig hinter mir herräumen muss. Ein Umstand, der Abbie zuzuschreiben ist, weil sie es zur Bedingung gemacht hat, dass wir in Waterbury auf die Haushaltshilfe verzichten und uns selbst um diese alltäglichen Dinge wie Putzen, Einkaufen und Wäschewaschen kümmern.

Etwas planlos stehe ich in der Küche und denke darüber nach, wie ich meinen Tag gestalte. Alleine vor dem Fernseher, nebenbei TikTok, Instagram und ein bisschen Onlineshopping. Wann habe ich zuletzt Sport gemacht? Vor meiner Abreise. Ein Peeling und eine Gesichtsmaske sind auch längst überfällig. Mein Blick wandert zu meinen nackten Beinen, an denen sich dunkle Stoppeln zeigen.

Als ich den rötlichen Fleck auf meinem Shirt entdecke, von dem ich nicht einmal weiß, woher er stammt, kann ich meiner Mom nur zustimmen. Was zur Hölle ist los mit mir, dass ich mich derart gehen lasse? Schluss damit, in Selbstmitleid zu zerfließen, nur weil meine besten Freundinnen mich diesen Sommer hängen lassen und der letzte Kerl sich als Desaster entpuppt hat.

Noch während ich die Treppe nach oben gehe, frage ich Grant nach seinen Plänen. Als Antwort schickt er mir ein Sushi-Emoji, eine Uhrzeit und die Adresse eines Restaurants. Wie aufs Stichwort knurrt mein Magen, weil ich bisher nur ein Glas Orangensaft zu mir genommen habe. Ich sehe auf meine Uhr. Das wird knapp, aber es ist machbar. In rekordverdächtiger Geschwindigkeit habe ich geduscht, mir die Beine rasiert, mich eingecremt, eine Haarkur einwirken lassen und mir das Gesicht gepeelt. Im Schrank finde ich eine Tuchmaske mit Tiermotiv. Ein Geschenk von Damian mit dem Vermerk, dass ich damit wenigstens einmal ansehnlich sei. Während Dillon als großer Bruder ein Segen ist, kommt Damian direkt aus der Hölle. Er lässt keine Gelegenheit aus, mich zu provozieren.

Ich suche nach einer Alternative zu der Feuchtigkeitsmaske in Löwenoptik. Fluchend schließe ich die Tür des Spiegelschranks, weil der Großteil meiner Pflegeprodukte noch in Waterbury steht. Bei meiner überstürzten Flucht habe ich schlichtweg vergessen, sie einzupacken. Gedanklich setze ich einen Besuch beim Friseur und im Kosmetikstudio auf die To-do-Liste der nächsten Tage. Ich packe die Tuchmaske aus und platziere sie auf meinem Gesicht. Beim Blick in den Spiegel muss ich lachen.

Ich nehme das Handy vom Badschrank, knipse ein Selfie, um es in meiner Instagram-Story hochzuladen, zögere allerdings. Seit Waterbury und nicht mehr Manhattan der Dreh- und Angelpunkt meines Lebens ist, ist meine Aktivität auf Social Media deutlich gesunken. Inzwischen würde ich sie als kaum noch existent bezeichnen. Und ich hätte nicht erwartet, dass ein derartiger Detox jemals etwas wäre, das ich in Betracht ziehen würde. Was früher viel Spaß gemacht hat, fühlt sich inzwischen verkrampft an. Die meiste Zeit habe ich das Gefühl, etwas sagen zu wollen, für das ich nicht die richtigen Worte finde. Nach der Sache mit Henry sind einige unschöne Nachrichten in meinem Postfach gelandet. Es ist so herrlich einfach, jemandem ungefragt seine Meinung um die Ohren zu hauen, wenn man demjenigen dabei nicht persönlich gegenüberstehen muss. Plötzlich fragt man sich, wie viel Sympathie auf diesen Plattformen echt ist und wie viel geheuchelt.

Als Konsequenz habe ich meine Präsenz auf ein Minimum reduziert, eine Menge Leute blockiert und noch mehr Abos deaktiviert. Menschen, die dir unter jeden Post schreiben, wie toll sie dich finden, rammen dir plötzlich das Messer in den Rücken. Die Ankunft in der Realität ist ernüchternd, sobald man erkennt, wie viele vorgeben dich zu mögen. Leute zeigen ihr wahres Gesicht oft erst dann, wenn sie von dir nicht mehr das bekommen, was sie wollen. Konkret bedeutet das, dass ich sie nicht mehr an jedem Detail meines Lebens teilhaben lasse.

Am Ende lade ich das Foto dennoch mit folgendem Text hoch:

Hinter welcher Maske versteckst du dich? #QueenD!ON #Lion #berealnotfake

Anschließend öffne ich meine Gute-Laune-Playlist. Kurz darauf dröhnt Harry Styles aus den Boxen im Wohnzimmer. Lauthals singe ich zu As It Was mit, während ich die Treppe nach unten gehe, um es mir mit dem Tablet auf dem Sofa bequem zu machen, solange die Feuchtigkeitsmaske einzieht.

Wie angewurzelt bleibe ich auf den Stufen stehen, als Liam auf der Schwelle zum Wohnzimmer erscheint. Sollte er nicht, keine Ahnung, wo auch immer sein, nur nicht hier? Wenn bei meinen Eltern eine Abendveranstaltung ansteht, hat Liam Teildienst, was bedeutet, er arbeitet bis Mittag und dann erst wieder abends.

Der Ausdruck auf seinem Gesicht ist eine Mischung aus Überraschung, Verwirrung und Belustigung. Ich sehe an mir herab. Pinker Bademantel, gelbe Plüschpantoffeln, winzige Klopapierfetzen an den beiden Stellen, an denen ich mich mit dem Rasierhobel geschnitten hatte. Großartig!

»Was machst du hier?«, frage ich ihn.