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**Und plötzlich ist es Liebe** Im Privatleben von Phoenix King läuft es gar nicht rund: Ein Gossip-Blog enthüllt die Affären des Virginia-Kings-Stürmers und drückt ihm damit endgültig den Bad-Boy-Stempel auf. Als seine Geburtstagsparty eskaliert, hat sein Vater die Nase voll. Phoenix muss sein Image geraderücken, sonst drohen ihm Konsequenzen. Kurzerhand erfindet er eine Freundin, um seinen Vater zu besänftigen. Dumm nur, dass der unangekündigt in Charlottesville auftaucht, um die Auserwählte seines Sohnes kennenzulernen. Eine Lösung muss her – und ausgerechnet die Zufallsbekanntschaft aus dem Supermarkt entpuppt sich als perfekte Kandidatin, um Phoenix aus der Klemme zu helfen. Denn Hayden Flinn hat ein ähnliches Problem, und ein Fake-Freund kommt ihr da gerade recht. Das Arrangement verläuft allerdings nicht wie geplant und plötzlich finden sich die beiden in einer anderen Challenge wieder – bei der nur eine einzige Regel gilt: sich nicht zu verlieben. Ungeahnte Wahrheiten in Charlottesville und eine Challenge, die Herzen brechen kann. Textauszug »Du hast dich aber nicht absichtlich in die Tomaten gestürzt, nur um mich kennenzulernen, oder?« »Natürlich nicht. Dafür opfere ich doch nicht meine Lieblingsjeans. Das hätte ich deutlich subtiler anstellen können.« »Na, jetzt bin ich aber gespannt. Wie genau wäre das denn abgelaufen?« »Ich hätte dir mit dem Einkaufswagen in die Hacken fahren können und mich anschließend ganz höflich dafür entschuldigt.« »Und du glaubst, das hätte funktioniert?« »Selbstverständlich hätte es das. In Filmen klappt das immer.« »Du meinst Filme in denen zum Beispiel eine Wassermelone getragen wird?« //Der Liebesroman »Golden Hope: Phoenix & Hayden« ist der dritte Band der romantischen »Virginia Kings«-Reihe. Alle Bände der gefühlvollen Sports Romance bei Impress: -- Golden Goal: Kyle & Jolee (Virginia Kings 1) -- Golden Kiss: Nick & Bree (Virginia Kings 2) -- Golden Hope: Phoenix & Hayden (Virginia Kings 3) Weitere Bände der Reihe sind bei Impress in Vorbereitung. // Jeder Roman dieser Serie steht für sich und kann unabhängig von den anderen gelesen werden
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Impress
Die Macht der Gefühle
Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.
Wer nach Geschichten zum Mitverlieben in den beliebten Genres Romantasy, Coming-of-Age oder New Adult Romance sucht, ist bei uns genau richtig. Mit viel Gefühl, bittersüßer Stimmung und starken Heldinnen entführen wir unsere Leser*innen in die grenzenlosen Weiten fesselnder Buchwelten.
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Kate Corell
Golden Hope: Phoenix & Hayden (Virginia Kings 3)
**Und plötzlich ist es Liebe**
Im Privatleben von Phoenix King läuft es gar nicht rund: Ein Gossip-Blog enthüllt die Affären des Virginia-Kings-Stürmers und drückt ihm damit endgültig den Bad-Boy-Stempel auf. Als seine Geburtstagsparty eskaliert, hat sein Vater die Nase voll. Phoenix muss sein Image geraderücken, sonst drohen ihm Konsequenzen. Kurzerhand erfindet er eine Freundin, um seinen Vater zu besänftigen. Dumm nur, dass der unangekündigt in Charlottesville auftaucht, um die Auserwählte seines Sohnes kennenzulernen. Eine Lösung muss her – und ausgerechnet die Zufallsbekanntschaft aus dem Supermarkt entpuppt sich als perfekte Kandidatin, um Phoenix aus der Klemme zu helfen. Denn Hayden Flinn hat ein ähnliches Problem, und ein Fake-Freund kommt ihr da gerade recht. Das Arrangement verläuft allerdings nicht wie geplant und plötzlich finden sich die beiden in einer anderen Challenge wieder – bei der nur eine einzige Regel gilt: sich nicht zu verlieben.
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Danksagung
Kate Corell ist ein Kind der 80er. Sie liebt Bücher, Sport (ausschließlich von der Tribüne aus) und Musik. Mit ihrem Mann, einem pubertierenden Teenager und zwei verrückten Bulldoggen lebt sie als Nachteule im Land der Frühaufsteher.
Für Phoenix King.Verzeih, dass ich dich so lange nicht lieben konnte.Jetzt tue ich es umso mehr.Du verdienst alles.
Liebe*r Leser*in,
das hier ist die dritte Version von Golden Hope.In der ersten stand das, von dem ich dachte, ihr wollt es lesen.In der zweiten das, was ich unbedingt schreiben wollte.Nichts davon hat sich richtig angefühlt.Und dann habe ich angefangen Phoenix zuzuhören.Habe ihn seine Geschichte selbst erzählen lassen.
Erkläre mir die Liebe – Juju, Chapo102, Philipp Poisel
Follow – Kontra K, Sido, Leony
Du liebst mich nicht – Lena (aus Sing meinen Song, Vol. 4)
Eigentlich – LEA, 01099, Zachi, Gustav
Gold – METRICKZ
Phänomen – Cyril aka Aaron Hilmer, Roxy (Das schönste Mädchen der Welt, Soundtrack)
Bis es weh tut – Luxuslärm, Max Mutzke
Wenn du mich lässt – LEA
Wenn die Party vorbei ist – Provinz
Panik – Emilio
Licht – Mike Singer
Ausmacht – Emilio
Solange Wir Fahren – Alex Lys, Madeline Juno
Immer wieder – Louis Held, ela.
Wünsch mir was – METRICKZ
Leere – ela.
Halt mich fest – M. Marchelier
In dein Herz – Tim Bendzko
Liebe – Moritz Garth
Hollywood (Akustik Version) – Benne, Revelle
Special Song
Pretty Flamingo – Manfred Mann
Phoenix
»Das Leben ist schön.«
»So etwas lässt sich leicht sagen, wenn man in einer protzigen Villa wohnt und auf einem Flamingo in seinem Pool treibt, während einem die Sonne auf den Arsch scheint.«
»My castle is your castle. Du kannst jederzeit hier einziehen, Bronx-Kid.« Über den Rand meiner Sonnenbrille hinweg sehe ich zu River, der nur eine Armlänge von mir entfernt auf einer Luftmatratze ebenfalls die Vorzüge des Pools genießt.
»Verlockend. Hast du vor auszuziehen?«, antwortet er.
Ich strecke eine Hand nach ihm aus und stoße ihn ins Wasser. Entspannt lehne ich mich auf meinem Flamingo zurück.
»Sehr witzig, Hollywood«, mault River, als er umständlich auf die Luftmatratze klettert. Nur um ihn zu ärgern, befördere ich ihn erneut von der Matte. Mein Blick wandert zu Jay, der mit einem Tablet in der Hand am Beckenrand sitzt und die Füße im Wasser baumeln lässt.
»Hey, Jay, pack das Ding weg und gönn dir endlich ein bisschen Spaß«, ziehe ich ihn auf. Für Jay ist ein Buch der Inbegriff von Vergnügen, für mich der von Langeweile.
»Oh, den habe ich. Ich lese gerade auf Glam Gossip einen Artikel über dich«, ruft er mir zu.
»Und was steht diesmal drin?«, will ich wissen, auch wenn es mich nicht interessiert. Einiges davon ist so weit an den Haaren herbeigezogen, dass ich mich frage, wer eine derart ausgeprägte Fantasie von mir hat. Aber im Grunde bin ich von dem Blödsinn einfach nur angepisst.
»Dass du dir den Schritt ausstopfst«, antwortet Jay todernst. River prustet laut los.
»Wie bitte?« Natürlich, was auch sonst?
»Angeblich bevorzugst du Tennissocken.«
»Was für ein Bullshit!«, antworte ich genervt, rolle mich von meinem Flamingo und lande mit einem leisen Platschen im Wasser. Wenige Schwimmzüge später bin ich am Beckenrand. »Langsam geht mir der Mist echt auf den Sack. Ich sollte die Anwälte kontaktieren, damit Glam-irgendwas endlich die Klappe hält«, lasse ich meine Gedanken raus und klettere aus dem Pool.
»Hey!«, motzt Jay, als ich ihm das Tablet aus der Hand nehme und einen Blick darauf werfe.
»Wer ist Ashley Blake?«, frage ich. In dem Artikel geht es nicht um Tennissocken, sondern um meine Bettgeschichten. Mal wieder. Demnach ist Ashley meine neueste Affäre und war bereit, aus dem Nähkästchen zu plaudern. Ich schwöre, ich habe den Namen noch nie gehört. Letzte Woche war es noch eine Cheryl oder war es eine Charlene? Die Wahrheit ist, ich hatte seit Monaten keine Frau im Bett, eben weil das ständig an die große Glocke gehängt wird und mir gehörig auf den Zeiger geht.
Dieser neue College-Gossip-Blog ist die Pest, weil ich ein beliebtes Ziel bin. Was ich bis zu einem gewissen Grad sogar nachvollziehen kann. Dale King mischt in Hollywood mit und ist eine Legende in Charlottesville, was mich zu meinem Leidwesen zwangsläufig interessant macht. Fälschlicherweise denken Menschen, ich würde diese Art von Aufmerksamkeit genießen. Fakt ist allerdings, dass absolut niemand auf geheucheltes Interesse oder dummes Gelaber abfährt. Mit einem anderen Stammbaum würde sich keiner die Mühe machen, auch nur drei Worte auf einem Blog über mich zu veröffentlichen. Bisher habe ich die Sache mit einem Schmunzeln betrachtet, aber selbst mein Geduldsfaden ist nicht unendlich.
»Du könntest ein Dickpic an die Redaktion schicken«, brüllt River von der Luftmatratze, weil er nicht mitbekommen hat, dass Jay mich verarscht hat.
Ich greife nach dem Eistee, der auf dem Tisch vor der Lounge steht. »Ich kann auch eins von deinem Schwanz schicken, dann würden die Gerüchte wenigstens stimmen«, schieße ich zurück und führe in aller Seelenruhe das Glas an meine Lippen.
»Höre ich da eine Spur Neid, Hollywood? Der eine hat ein dickes Bankkonto, der andere einen –«
»Lalala. Happy little tree«, unterbricht Jay unsere Unterhaltung. Eine Penis-Debatte mit River ist nicht das, was mir an einem heißen Junitag vorschwebt.
»Okay, Themenwechsel. Wie sind unsere Pläne für den restlichen Tag? Wir könnten einen Filmmarathon starten?«, frage ich in die überschaubare Runde. Die Mitchells haben zum großen Familientreffen gebeten, somit fehlen die Geschwister plus Kyle und Bree. Mase muss bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung seiner Mutter antanzen. Das bedeutet, vom Rudel sind nur wir drei übrig.
»Sorry, ich muss noch etwas für die Uni ausarbeiten.« Jay, wie immer ganz der Vorzeigestudent.
In der Hoffnung, dass mein bester Freund mich nicht hängen lässt, werfe ich einen Blick zu River.
»Nope. Ich habe ein Vorstellungsgespräch für einen Nebenjob«, sagt er und paddelt auf der Luftmatratze zum Beckenrand.
»Wenn du Geld brauchst, musst du nur einen Ton sagen, das weißt du, oder?«, erinnere ich ihn an unsere Abmachung, dass ich ihm jederzeit unter die Arme greife, sobald die Kohle knapp wird.
»Ja, Sugardaddy, aber ich will nicht ewig an deinem Rockzipfel hängen und Almosen annehmen.« Halbherzig grinst er mich an. Den Groll, den seine Worte in mir auslösen, schlucke ich hinunter. Diese Diskussion haben wir in den letzten Jahren unzählige Male geführt. Immer mit demselben Ergebnis: Ich lasse nicht locker und er gibt nicht nach.
»Es sind keine Almosen. Du gehörst zur Familie.« Und das meine ich wörtlich. River und ich sind Freunde, solange ich denken kann. Ich war sechs, als mein Dad seine Mom als Haushälterin eingestellt hat, wobei es River als Beschäftigungstherapie für mich dazu gab. Sechzehn Jahre später arbeitet Elaine zwar nicht mehr im Hause King, aber River geht hier nach wie vor ein und aus. Und darüber bin ich froh. In King Castle kann es mitunter sehr einsam sein.
»Und genau deswegen will ich deine Kohle nicht«, erwidert River mit Nachdruck.
Ich greife nach einem Handtuch und werfe es ihm zu, als er aus dem Pool steigt. Mit einer geschickten Bewegung fängt er es auf. Anstatt sich damit abzutrocknen, hängt er es locker um seine Schultern.
»Okay, macht euch endlich vom Acker«, sage ich scherzhaft und lasse mich kurzerhand rückwärts in den Pool fallen. Für einen Moment verharre ich in der Bewegung und erlaube dem Sog, mich in die Tiefe ziehen. Stille. Vertrauter Freund, gehasster Feind. Nach Luft ringend breche ich durch die Wasseroberfläche.
»Kommst du klar?«, fragt River mit deutlich besorgter Miene.
»Alles bestens«, versichere ich ihm breit grinsend. Mit einer raschen Bewegung schüttle ich mir das Wasser aus den Haaren, anschließend klettere ich auf den einsam vor sich hin treibenden Flamingo, um ihm Gesellschaft zu leisten. »Dann heißt es wohl nur du und ich, Pretty«, feixe ich und tätschle das pinke Ungetüm.
»Du hast einen Knall, Hollywood.«
»Lieber bunte Knete im Kopf als einen luftleeren Raum«, feuere ich zurück und kassiere dafür Rivers Mittelfinger. Seine Antwort auf alles, sobald ihm die Argumente ausgehen.
»Soll ich dich mitnehmen?«, fragt Jay und tritt ungeduldig von einem Fuß auf den anderen, weil er gedanklich schon an seiner Hausarbeit für die Uni sitzt. Dabei hat die Sommerpause gerade erst angefangen und wir können für die nächsten Wochen die Füße hochlegen, Partys feiern oder … was auch immer tun.
»Nope, King leiht mir seinen Maserati«, antwortet River trocken. Jays Blick schnellt in meine Richtung.
»Träum weiter, Bronx-Kid. Niemand außer mir fährt das Baby.«
»Ich dachte, ich gehöre zur Familie?«, provoziert er mich.
»Teilst du deine Frauen mit mir?«, erwidere ich und bereue es augenblicklich, weil sein Grinsen keinen Zweifel daran lässt, wie seine Antwort ausfällt.
»Ich würde, außer du erwartest einen Dreier? Auf den Anblick deines nackten Hinterns bin ich eher weniger scharf.«
Genervt verdrehe ich die Augen. »Vergiss es einfach und nimm den Porsche. Der Schlüssel hängt am Brett.«
»Irgendwann knickst du ein, Bro.« Darauf kann er lange warten. Von mir aus kann er sich jede Karre aus der Garage borgen, aber den 3500 GT Spyder Vignale fährt niemand außer mir. Für diesen Wagen braucht man eine gehörige Portion Stil und den hat River Harris beim besten Willen nicht. Ausgelatschte Chucks, verwaschene Comicshirts und Jeans, die von den Hüften rutschen, haben nichts in einem Designklassiker von neunzehnhunderteinundsechzig zu suchen.
»Verpiss dich, bevor ich dich nach Hause laufen lasse«, warne ich ihn. Jay lacht und hebt zum Abschied kurz die Hand, dann packt er River bei den Schultern und schiebt ihn in Richtung Terrassentür.
Zwanzig Minuten später holt mich die Langeweile ein. Wenn ich etwas nicht gut kann, dann ist es allein sein. Mir fällt die Decke schneller auf den Kopf als Usain Bolt die hundert Meter läuft. Kurz entschlossen beende ich die Ein-Mann-Poolparty und springe unter die Dusche, um den Chlorgeruch loszuwerden. Nur mit einem Handtuch um die Hüften begebe ich mich auf die Suche nach meinem Handy und finde es schließlich in der Küche. Ich gehe die Kontaktliste durch und seufze, als mir klar wird, dass ich den Abend allein verbringen werde. Das ist doch zum Kotzen. Wozu habe ich Freunde, wenn sie in ihrer Freizeit nicht mit mir abhängen?
Okay, King, du wirst dramatisch, ermahne ich mich selbst. Inzwischen habe ich einige Methoden entwickelt, um mir die Zeit zu vertreiben.
Ein Blick in den Kühlschrank und meine Wahl fällt auf einen Besuch im Supermarkt. Ich haste durch das Poolhaus, in dem ich seit fast zwei Jahren wohne. Wenn man ungern allein ist, ist die vierhundertfünfzig Quadratmeter große Villa, in der ich aufgewachsen bin, nicht unbedingt ein Ort, an dem man leben möchte. Allerdings ist meine derzeitige Bleibe mit seinen vier Schlafzimmern und zwei Bädern auch nicht unbedingt den Standardmaßen entsprechend. Der einzige Grund, warum ich es Poolhaus nenne, ist, weil es einen direkten Poolzugang hat.
In der oberen Etage angekommen, betrete ich das Schlafzimmer, gehe direkt in den angrenzenden Ankleideraum und suche mir frische Kleidung heraus. Ich schlüpfe in eine schwarze Jeans und streife mir ein schlichtes weißes T-Shirt über. Prüfend werfe ich einen Blick in den Spiegel, fahre mir durch die noch feuchten Haare, um das Chaos auf meinem Kopf wenigstens in eins mit Stil zu verwandeln. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, renne ich die Treppe hinunter.
»Halt die Stellung, Darth«, sage ich zu der lebensgroßen Star-Wars-Figur, als ich im Flur in meine Boots steige und nach der Lederjacke greife. Dann ziehe ich die Tür hinter mir ins Schloss und laufe zielstrebig auf die Garage zu. Der Kies unter meinen Füßen unterbricht die Stille, indem er ein ekelhaftes Geräusch von sich gibt. Ich hasse dieses Knirschen. Millionen in eine Villa investieren, aber die Einfahrt anständig pflastern lassen, war augenscheinlich nicht im Budget drin. Großartig, Dale King. Der Anblick des schwarzen Maseratis zaubert mir ein Lächeln ins Gesicht.
»Hallo, Schönheit, machen wir eine Spritztour, was meinst du?« Der Anhänger in Form einer kleinen goldenen Krone klimpert leise, als ich den Schlüsselbund vom Haken nehme.
Die Straßen von Charlottesville sind nahezu leer gefegt. Das liegt hauptsächlich daran, dass das Semester vor wenigen Tagen zu Ende gegangen ist und tausende Studierende fluchtartig die Einöde verlassen haben oder zu ihren Familien gefahren sind. Mein Ziel ist die Downtown Mall, der Hotspot, wenn rings um den Campus gähnende Leere herrscht. Und ich soll recht behalten, der Parkplatz ist rappelvoll. Ein zufriedenes Grinsen erscheint auf meinen Lippen, als ich aus dem Oldtimer steige und auf den Eingang zugehe.
Ein unterschwelliges Rauschen der Klimaanlage dringt in meine Ohren, mischt sich mit dem Geräusch von Lebendigkeit. Ich weiche einer älteren Dame aus, die ihre Aufmerksamkeit einem der Schaufenster statt ihrer Laufrichtung widmet. Als ich an einem Feinkostgeschäft vorbeikomme, schlägt mir der Geruch von Knoblauch und Käse entgegen. Keine Mischung, die auf mich einladend wirkt. Kurz rümpfe ich die Nase und beschleunige meinen Schritt, um aus dem Dunst herauszukommen. Anders verhält es sich bei der Parfümerie. Dort bleibe ich einen Augenblick lang stehen und inhaliere den Duft, der schwallartig aus dem Laden dringt, sobald sich die Tür öffnet.
Um Zeit totzuschlagen, setze ich mich auf eine der Holzbänke und blicke den endlosen Gang entlang, in dem sich rechts und links ein Geschäft an das nächste reiht. Minutenlang beobachte ich die Menschen, die mit leeren Händen in die Läden hineingehen und mit vollen Tüten wieder herauskommen. Leise Musik hallt durch die Mall. Ganz automatisch beginne ich mit dem Fuß zu wippen, auch wenn ich keine Ahnung habe, welcher Song im Hintergrund läuft, weil er von den Umgebungsgeräuschen teilweise verschluckt wird. Als säße ich in einem Kino, nehme ich die Dinge um mich herum war, ohne wirklich Teil davon zu sein. Hin und wieder werfen mir die Leute Blicke zu, wenn sie an mir vorbeigehen, aber ich habe nicht das Gefühl, als würden sie mich auch tatsächlich sehen. Es ist mehr diese Art Blick, den dir jemand zuwirft, wenn er dich zwar bemerkt, aber eine Nanosekunde später vergisst, welche Farbe dein T-Shirt hat.
Aus der einen Richtung erklingt ein lautes Lachen, aus der anderen eine weibliche Stimme, die einen Namen ruft. Im nächsten Augenblick steht ein Kind vor mir und grinst, während es mich neugierig mustert. Ich grinse zurück.
»Deine Haare sehen komisch aus. Warum sind die weiß wie bei einem Opa?«, fragt der Knirps nachdenklich.
In einer verschwörerischen Geste beuge ich mich etwas vor, bis wir uns auf Augenhöhe befinden. »Kannst du ein Geheimnis für dich behalten?«, frage ich ernst. Das Kind nickt eifrig. »Ich komme aus der Zukunft, da sehen alle so aus.«
Skeptisch ziehen sich die Augenbrauen meines winzigen Gegenübers zusammen. Ich schätze es auf ungefähr fünf. Die kupferfarbenen Locken stehen wild vom Kopf ab, aber die stechend grünen Augen sind wachsam. So leicht wird mir der Winzling nicht auf den Leim gehen.
»Und wie bist du hergekommen?«, hakt er nach.
»In einer Zeitkapsel, die durch ein Portal geschossen wurde.«
Meine neue Bekanntschaft greift nach einer Locke und wickelt sie immer wieder um den Zeigefinger. Eine Geste, die ich von mir selbst kenne, wenn ich tief in Gedanken versunken bin.
»Milo, da bist du ja.« Eine abgehetzt wirkende Frau sprengt unseren Dialog. Vermutlich die Mom. Sie packt Milo am Oberarm und zieht das Kind zu sich heran.
»Entschuldigen Sie«, sagt sie an mich gewandt. »Wie oft muss ich dir noch sagen, du sollst nicht davonlaufen und Fremde ansprechen? Du bist ein ungezogener Junge, später gibt es kein Eis. Das hast du jetzt davon!« Während die Worte viel zu laut ihren Mund verlassen, zerrt sie Milo hinter sich her. Auch etwas, das mir bekannt vorkommt.
Ich atme einmal tief durch, dann stehe ich von der Bank auf.
Hayden
»Nadine, ich muss auflegen. Ich melde mich nachher noch mal«, würge ich meine Cousine ab, weil ich vor Ladenschluss dringend noch ein paar Dinge für die WG besorgen muss. Wenn ich Kira nicht ihren veganen Brotaufstrich besorge, macht sie mir die Hölle heiß.
Mit schnellen Schritten eile ich durch die Downtown Mall in Richtung Supermarkt. Ich schnappe mir einen Einkaufskorb und haste orientierungslos durch die Gänge. Für gewöhnlich kaufe ich in dem kleinen Laden ein, der zwei Straßen von unserer Wohnung entfernt ist, statt mit dem Bus einmal quer durch die Stadt zu fahren. Allerdings hat der Kiras Extrawünsche nicht im Sortiment. Eden hatte angeboten, nach ihrer Schicht im Barneys den Einkauf zu übernehmen, weil sie ohnehin mit dem Auto unterwegs ist, aber ich habe abgelehnt. Meine Kopfhörer haben heute Morgen endgültig den Geist aufgegeben, somit lag meine Mission darin, Ersatz aufzutreiben. Ein Abstecher in die Downtown Mall stand sowieso auf meiner To-do-Liste. Und jetzt bin ich spät dran, weil ich die vergangenen Stunden damit zugebracht habe, durch die Geschäfte zu bummeln, statt mich auf mein eigentliches Anliegen zu konzentrieren.
Ich biege nach links ab und bleibe abrupt stehen, als ich einen Kerl entdecke, der eine Müslipackung inspiziert. Phoenix King. Auch wenn ich bisher kein Wort mit ihm gewechselt habe, ist es quasi unmöglich, nicht zu wissen, wer er ist. Laut meinen Mitbewohnerinnen gehört der Stürmer der Virginia Kings zu den begehrtesten Typen der University of Virginia und ist ein Bad Boy. Vermutlich ist das noch untertrieben, denn sein Dad hat in einigen meiner liebsten Filme mitgespielt. Phoenix genießt also Promistatus und das auch außerhalb der Stadtgrenze von Charlottesville. Das Bild, das sich mir gerade bietet, passt so gar nicht zu der Vorstellung, die ich von dem Sohn eines Hollywoodstars habe. Denn ich hätte angenommen, dass er nicht selbst einkauft, sondern dass jemand das für ihn übernimmt.
»Entschuldigung, kann ich mal vorbei?«, blafft eine tiefe Stimme schroff. Sofort trete ich beiseite, um nicht länger den Weg zu versperren. Für einen winzigen Augenblick sieht Phoenix in meine Richtung und mustert mich. Wahllos greife ich in das Regal rechts von mir und erwische eine Packung Kräcker. Prompt rutscht sie mir aus den Händen und landet mit einem dumpfen Knall auf dem Boden. Mein Blick huscht zu Phoenix, der sich sichtlich ein Lachen verkneift. Großartig.
Leise fluchend hebe ich die Pappschachtel auf und befördere sie in den Einkaufskorb. Bevor es richtig peinlich wird, trete ich den Rückzug an und husche in den nächsten Gang. Kurzerhand finde ich mich in der Süßigkeitenabteilung wieder. Was fatal ist, wenn man sich nach dem letzten Blick auf die Waage ein Zuckerverbot verordnet hat. Trennungen sind dermaßen schlecht für die Figur. Simon hat mir zusätzliche fünf Kilo Frust auf den Hüften verschafft.
Ohne nach rechts und links zu sehen, eile ich an den Verlockungen vorbei und biege hastig zu den Putzmitteln und Hygieneartikeln ab. Die Absätze meiner High Heels klackern in kurzen Abständen über den grauen Linoleumboden. Aus der hinteren Tasche meiner Jeans krame ich den Einkaufszettel heraus, um nachzusehen, was wir noch alles benötigen. Spülmittel und Tampons landen im Einkaufskorb. Das Klopapier klemme ich mir unter den Arm. Dann setze ich meinen Weg durch den Supermarkt fort und halte Ausschau nach Phoenix. Warum genau ich mich nach ihm umsehe, ist mir selbst nicht ganz klar. Vermutlich ist es Neugier, weil der Kerl eine Aura versprüht, die faszinierend und abschreckend zugleich ist.
Bisher sind wir uns nur einmal begegnet, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich keinen nachhaltigen Eindruck bei ihm hinterlassen habe. Inzwischen müsste das fast ein Jahr her sein. Ich habe mir mit meinem Dad erst die Uni und anschließend ein Fußballspiel der Virginia Kings angesehen. Phoenix ist mir nur aufgefallen, weil meine Stiefschwester Kira ihm nach dem Abpfiff um den Hals gefallen ist und er sich regelrecht von ihr losreißen musste. Ich habe mit Kiras Pompons in den Händen direkt danebengestanden und ein verwundertes Gesicht gemacht. Sobald er sich befreit hatte, war sein Blick auf mir gelandet. Er hat so was wie: Oh, der Nachwuchs. Hat dir das Spiel gefallen?, gesagt und ich habe etwas wie: Ja, war cool, als Antwort gestammelt. Es folgte ein schiefes Grinsen seinerseits, ich lief rot an und Phoenix ist lachend seinen Teamkollegen nachgeeilt.
Schließlich entdecke ich Phoenix mit einem Probierteller in der Hand am Käsestand. Entspannt plaudert er mit der Dame hinter der Theke. Sie lächelt ihn so freundlich an, dass sie später sicher Muskelkater in den Wangen haben wird. Wäre die Frau zwanzig Jahre jünger, würde ich glatt sagen, sie flirtet mit ihm. Obwohl – Madonna schwört auch auf jüngere Liebhaber. Es wäre also durchaus denkbar, dass die Verkäuferin ein Auge auf King geworfen hat.
Seltsam fasziniert beobachte ich das Treiben. Ein Käsestück nach dem anderen verschwindet in seinem Mund. Hin und wieder schüttelt er den Kopf. Die Verkäuferin packt eine Auswahl zusammen und reicht Phoenix eine Papiertüte, die er in seinen Einkaufskorb legt. Zum Abschied hebt er kurz die Hand. Zufrieden vor sich hin grinsend marschiert er anschließend an der Getränkeabteilung vorbei. Ganz automatisch folge ich ihm, achte aber darauf, genügend Abstand zu ihm zu halten. Schlussendlich landen wir in der Obst- und Gemüseabteilung. Routiniert verstaut er einige Lebensmittel in seinem Korb. Obst steht zwar für heute nicht auf dem Einkaufszettel, dennoch greife ich nach einer Mini-Wassermelone, um nicht aufzufallen. Immer wieder huscht mein Blick zu Phoenix.
»Kann ich dir helfen?«
Verdammt! Ertappt fahre ich herum. Der Typ kann gerade noch ausweichen, bevor ich ihm versehentlich den Einkaufskorb in die Seite ramme.
»Nein, ich komme schon klar«, antworte ich kaum hörbar. Irritiert zieht er die Augenbrauen zusammen, bevor er sich verschwörerisch zu mir herunterbeugt. Der Kerl ist riesig. Trotz der dazu geschummelten zwölf Zentimeter Körpergröße, die ich den High Heels an meinen Füßen verdanke, komme ich mir in seiner Gegenwart winzig vor.
»Sicher?«, flüstert er zurück. Was für ein Scherzkeks.
Immer noch darauf bedacht, Phoenix’ Aufmerksamkeit nicht zu erregen, dränge ich den Verkäufer mit Hilfe des Einkaufskorbes zwischen uns vorsichtig zurück und vergrößere somit den Abstand zu Phoenix, bis wir außer Hörweite sind.
Leise räuspere ich mich. »Ja, alles bestens«, antworte ich jetzt deutlich lauter. Statt sich zurückzuziehen, lehnt er sich erneut zu mir vor. Was genau soll das werden? Argwöhnisch nehme ich ihn genauer unter die Lupe. Hellblonde Haare, swimmingpoolblaue Augen, kleine Stupsnase, die eine winzige Narbe ziert. Vage kommt er mir bekannt vor. In meinem Gedächtnis krame ich nach der nötigen Information.
»Du siehst aber so aus, als könntest du Hilfe gebrauchen«, entgegnet er lächelnd.
»Ich komme sehr gut allein klar«, versichere ich ihm.
Statt einer Antwort schenkt er mir sein vermutlich schönstes Lächeln und entblößt eine Reihe makellos weißer Zähne. Als er weder Anstalten macht, das Gespräch zu vertiefen noch es zu beenden, blicke ich ihn fragend an. Keine Reaktion. Schlagartig fühle ich mich von ihm provoziert, ohne wirklich zu wissen, was der Auslöser dafür ist. Woher kenne ich ihn?
»Was stimmt mit dir nicht? Für gewöhnlich löst ihr euch in Luft auf, sobald sich jemand nur suchend nach dem Personal umsieht.« Okay, das ist unfair. Bisher war er freundlich. Kein Grund, ihn so anzufahren. »Sorry, war nicht so gemeint. Aber wenn du mich jetzt entschuldigst, ich bin zum Einkaufen hier und nicht zum Small Talk«, sage ich und lächle ihn zaghaft an. Ich bin bereits dabei, mich um ihn herum zu manövrieren, als der Kerl nach meinem Oberarm greift und mich zurückhält. Für einen Moment bin ich wie erstarrt, dann reiße ich mich von ihm los.
»Hey, jetzt warte doch mal!«, fordert er viel sanfter, als der Griff, mit dem er mich gerade noch festgehalten hat, vermuten lässt. Dennoch, der Kerl ist mir nicht geheuer. Mein Gefühl ruft eindeutig zur Vorsicht auf.
»Worauf? Auf einen weiteren Versuch, mir deine Hilfe anzudrehen? Wenn dem so ist, lass es.«
Als ich seinen eindringlichen Gesichtsausdruck bemerke, stutze ich. Unauffällig werfe ich einen Blick auf das Metallschild an seiner Brust. Campell.
»Kennen wir uns?« Immerhin scheint er genauso mies darin zu sein, sich Gesichter zu merken, wie ich.
»Nein, ich glaube nicht«, sage ich. Ich kann mich beim besten Willen nicht an ihn erinnern.
»Du wohnst doch mit Kira zusammen? Haley, richtig? Ich bin Sam. Wir sind uns bei deinem Einzug begegnet.«
Okay, jetzt weiß ich, warum ich ihn verdrängt habe. Denn er kam splitterfasernackt aus Kiras Zimmer, während ich mit einer riesigen Topfpflanze im Wohnzimmer stand. Ihm war diese Situation nicht so unangenehm wie mir. Er hat sogar angeboten, mir beim Tragen behilflich zu sein.
»Hayden«, verbessere ich ihn.
Sam wirft einen Blick auf seine Uhr. »Shit! Sorry, ich muss vor Ladenschluss noch das Kühlregal einräumen. Man sieht sich, Haley. Und lass dich nicht von King erwischen. Der kann es nicht ausstehen, wenn man ihm nachschleicht.«
»Hayden«, korrigiere ich ihn erneut, aber er stürmt bereits davon. Deswegen hat Sam mich angesprochen. Er hält mich für eine Stalkerin. Großartig. Mein Start in Charlottesville könnte nicht besser laufen. Ich starre ihm nach, bis er in einem der Gänge verschwindet. Kühlregal. Beinahe hätte ich den Brotaufstrich für Kira vergessen.
Ich sehe mich um, damit ich mir die Suche danach ersparen kann. Weit und breit niemand zu sehen. War ja klar. Wenn man Hilfe braucht, sind alle wie vom Erdboden verschluckt.
Phoenix
Das erneute Vibrieren an meinem Handgelenk erregt meine Aufmerksamkeit. Dad ruft an. Es gibt genau zwei Gründe, warum Dale King mich kontaktiert. Erstens: die Kreditkartenabrechnung. Zweitens: um mir mitzuteilen, dass er nicht wie versprochen in seiner Drehpause nach Hause kommt. Seufzend ziehe ich mein iPhone aus der Hosentasche und nehme das Gespräch an.
»Hey, Dad.«
Dumpf klingendes Stimmengewirr dringt an mein Ohr, als hätte Dad flüchtig die Hand auf das Mikrophon gelegt. Ein Rascheln folgt.
»Phoenix, bist du dran?«, ertönt es kratzig. Genervt verdrehe ich die Augen. Er wird es nie lernen.
»Du hast meine Nummer gewählt und ich habe das Gespräch angenommen, die Wahrscheinlichkeit liegt also bei nahezu hundert Prozent, dass ich dran bin.« Suchend blicke ich mich nach meiner Verfolgerin um, entdecke aber nur einen Typen, der angestrengt erst Konservendosen und obendrauf Schälchen mit losen Tomaten stapelt. Einen Moment lang beobachte ich ihn dabei, während ich darauf warte, dass mein Dad mir den Grund für seinen Anruf mitteilt.
»Okay, hör zu, Phoenix.« Na, jetzt wird es spannend. Den entschuldigenden Ton kenne ich. »Ich weiß, ich habe versprochen, dass ich nächste Woche zu deinem Geburtstag aus L.A. rüberkomme, aber ich kann hier nicht weg. Die Dreharbeiten ziehen sich in die Länge. Julia kämpft mit einer Grippe.«
Ein Tag. Es ist nur ein verdammter Tag im Jahr und er bekommt es nicht hin, sich in einen beschissenen Flieger zu setzen. Aber ich hätte es wissen müssen. Dale King hat es noch nie zu meinem Geburtstag nach Hause geschafft. Irgendetwas war immer wichtiger. Dreharbeiten, Preisverleihungen oder sonst irgendwas.
»Die Nutte?«, erwidere ich grinsend und schlucke meinen Frust runter.
»Wie bitte?«, hakt er entsetzt nach.
»Pretty Woman«, kläre ich ihn auf. »Vergiss es einfach«, füge ich hinzu. Meinen Seitenhieb versteht er ohnehin nicht. Dale King mag ein preisgekrönter Schauspieler in Hollywood sein, aber die Leitung, auf der er steht, ist meilenlang.
»Vielleicht schaffe ich es, mir zu Thanksgiving ein paar Tage freizuschaufeln.« Wow, das ist in wie vielen Monaten? Kurz rechne ich nach. Fünf.
»Schon okay. Ich habe auch noch einiges zu erledigen«, behaupte ich, damit er nicht denkt, dass ich mich heulend in eine Ecke verkrieche, weil er nicht nach Hause kommt. Das würde ich auch nicht, aber hin und wieder habe ich das Gefühl, er würde das annehmen.
Solange ich denken kann, verbringt Dad die meiste Zeit des Jahres in Los Angeles und ich hier in der Provinz. Ich war fünf, als meine Mom uns verlassen hat und er es nicht in Betracht zog, mich nach L.A. mitzunehmen. Dale King war zu diesem Zeitpunkt viel zu sehr damit beschäftigt, sich in Hollywood einen Namen zu machen. Statt sich um seinen mutterlosen Sohn zu kümmern, hat er mich zu einer Nanny abgeschoben und einen Therapeuten organisiert, der sich um mein Seelenheil kümmert. Ein quirliger Fünfjähriger passte nicht in seine Karriereplanung.
Später hat Elaine Harris mich unter ihre Fittiche genommen. Rückwirkend betrachtet waren River und seine Mom das Beste, was mir passieren konnte. Und dennoch, achtzehn Jahre später, bin ich noch immer angepisst, wenn Daddy absagt. Inzwischen sollte ich deutlich besser damit umgehen können, von ihm versetzt zu werden. In diesem Punkt hat der Psychodoc versagt, denn es fühlt sich jedes Mal wie ein Schlag ins Gesicht an, wenn mein Vater seine Arbeit mir vorzieht. Und doch weiß ich, dass er vieles nur für mich getan hat, damit es mir an nichts fehlt. Ein Dad, der regelmäßig zu Hause ist, wäre mir trotzdem lieber gewesen als die nagelneuen Sneaker, die er jedes Mal zur Entschädigung geschickt hat.
»Was genau, die nächste Party veranstalten? Ich habe deine letzte Kreditkartenabrechnung gesehen. Du hast eine Bar in den Pool einbauen lassen?«, spottet er.
»Ja, und im Augenblick überlege ich, wie sich eine Abrissbirne montieren lässt, damit sie mich über den Poolbereich schwingt«, antworte ich ernst. Natürlich habe ich das nicht vor, es ist mir gerade spontan in den Sinn gekommen. Tief in mir drin mag ich meinen Dad, aber ich steh drauf, ihn auf die Palme zu bringen.
»Untersteh dich, Phoenix«, warnt er mich. Im Hintergrund ruft jemand seinen Namen. »Ich muss Schluss machen.«
»Alles klar, Dad.« So enden unsere Gespräche immer. Jemand fordert seine Aufmerksamkeit und ich bin abgeschrieben.
»Und, Phoenix?! Keine Abrissbirne in meinem Garten!«
»Ich kann nichts versprechen. Einsamkeit kitzelt die eigenartigsten Ideen aus mir heraus«, antworte ich mit einem breiten Grinsen. Eine Abrissbirne. Damit würde ich Dale King vollends in den Wahnsinn treiben. Klingt verlockend.
Während ich überlege, wie sich mein Vorhaben in die Tat umsetzen lässt, damit ich mich zukünftig auf einer Kugel sitzend durch die Gegend schwingen kann, hat mein Dad längst aufgelegt.
Ein Rumpeln, gefolgt von einem Geräusch, als ob etwas über den Boden rollt, reißt mich aus meinen Gedanken. Mein Kopf schnellt in die Richtung, aus der ein leises Fluchen ertönt.
Bevor ich es verhindern kann, pruste ich laut los. Die kleine Stalkerin sitzt zwischen eingedrückten Blechdosen und zermatschten Tomaten. Für den Bruchteil einer Sekunde überlege ich, sie einfach sich selbst zu überlassen, aber das entspricht leider so gar nicht meiner Persönlichkeit. Als sie bei dem Versuch aufzustehen wegrutscht und prompt wieder auf ihrem Hintern landet, gehe ich auf sie zu.
»Na los, ich helfe dir auf«, sage ich und strecke ihr auffordernd eine Hand entgegen.
»Danke, nicht nötig«, erwidert sie und startet einen weiteren Anlauf. Als sie erneut ins Rutschen gerät, packe ich sie am Oberarm und ziehe sie auf die Füße.
»Das sehe ich.« Jetzt, da sie steht, befinden wir uns beinahe auf Augenhöhe und ich nutze die Chance, ihr Gesicht genauer unter die Lupe zu nehmen. Azurblaue Augen eingerahmt von schwarz getuschten Wimpern. Ein gerader Pony, der ihre dichten Augenbrauen teilweise verdeckt. Und blasse Sommersprossen die sich auf ihrer Haut verteilen, wie Städte auf einer Landkarte. Eine sitzt direkt in dem kleinen Tal zwischen Nase und Oberlippe und hat es mir sofort angetan.
»Was? Habe ich Tomatenschleim im Gesicht?«, fragt sie und beginnt hektisch zu blinzeln.
Ich löse meinen Griff und trete einen Schritt von ihr zurück. »Ja«, antworte ich knapp, auch wenn es gelogen ist. Noch eine Frau, die sich eine Story aus den Fingern saugt, kann ich im momentan nicht gebrauchen. Mit beiden Händen wischt sie sich über die Wangen, dann sieht sie sich hastig um. »Sag bloß, du willst türmen?«, frage ich amüsiert und halte bereits nach einem potenziellen Fluchtweg Ausschau.
»Natürlich nicht. Hat das jemand gesehen?«, will sie wissen und kramt in ihrer Handtasche herum.
»Außer mir?«, ziehe ich sie auf. Dass sie ausgerechnet vor mir auf den Arsch geplumpst ist, wird ihr nicht gefallen. Immerhin ist sie dadurch endgültig aufgeflogen. Wenn man jemanden auf den Fersen ist, sollte man dabei keine High Heels tragen.
»Verdammt!«, entfährt es ihr.
»Was ist los, Tomatengesicht?«
»Hast du Taschentücher?«, fragt sie verlegen. Ihre Wangen färben sich für einen winzigen Moment zartrosa.
»Nein, aber wir befinden uns in einem Supermarkt«, weise ich sie auf unsere Umgebung hin. Wortlos macht sie kehrt und ich erkenne das ganze Ausmaß der Katastrophe. Zu den hübschen Flecken auf ihrem Hintern gesellt sich eine aufgeplatzte Naht, die einen ungehinderten Ausblick auf ihren Slip gewährt. Regenbogenfarben. Interessant. Nur zu gerne würde ich sie jetzt bis zum Äußersten piesacken. Einfach, um mich für das Stalking zu revanchieren. Elaine würde mir allerdings die Ohren langziehen, wenn sie davon Wind bekäme. Jemanden in einer Notlage zu verspotten, hat sie mir bereits mit sieben ausgetrieben, stattdessen hat sie mir beigebracht, wie man anderen hilft.
»Da ist dir wohl wortwörtlich der Arsch geplatzt.« Okay, das konnte ich mir nicht verkneifen.
Der Rotschopf wendet sich mir zu und funkelt mich wütend an. »Wie bitte?«, zischt sie, weil sie keine Ahnung hat, was ich ihr gerade verklickern will. Die Rädchen in ihrem Kopf scheinen sich zu drehen. Als die Erkenntnis einsetzt, werden ihre Augen groß.
»Oh!«, stößt sie aus. Mit der freien Hand tastet sie ihren Po ab, während sie sich verrenkt, um einen Blick auf ihr Hinterteil zu werfen.
»Ja, oh!«, antworte ich und kann ein Schmunzeln nicht unterdrücken, als sich ihre Wangen diesmal tiefrot färben.
»Verflucht, das ist meine Lieblingsjeans«, schimpft sie.
»Geschieht dir recht, immerhin stalkst du mich und belauschst Gespräche, die dich nichts angehen«, sage ich und rufe mir damit ins Gedächtnis, vorsichtig zu sein. Sie hat sich bestimmt nicht grundlos an meine Fersen geheftet.
»Ich habe dich nicht verfolgt«, streitet sie das Offensichtliche ab.
Warnend ziehe ich eine Augenbraue hoch. »Hast du nicht?« Der Rotschopf ist mir schon aufgefallen, als ich die Mall betreten habe. Sie stand telefonierend vor dem Schaufenster einer Bäckerei. Danach ist sie plötzlich im Supermarkt in einem der Gänge aufgetaucht. Die Packung Kräcker ist ihr aus der Hand gerutscht, als ich sie dabei erwischt habe, wie sie mich angestarrt hat. Spätestens als ich die Käsetheke hinter mir gelassen und das Klacken ihrer High Heels vernommen habe, war klar, sie folgt mir. Allerdings habe ich mir auch nicht sonderlich viel Mühe gegeben, sie abzuschütteln, sondern bin in aller Ruhe durch den Supermarkt geschlendert. Ich war neugierig, auf was diese Verfolgungsjagd hinausläuft. Dass sie so endet, damit habe ich am allerwenigsten gerechnet.
»Ich bin zum Einkaufen hier.« Um mich zu überzeugen, deutet sie auf den halbvollen Einkaufskorb, dessen restlicher Inhalt sich kreuz und quer auf dem Linoleumboden verteilt. Skeptisch werfe ich einen Blick auf ihre Ausbeute. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie mich verfolgt und nicht zufälligerweise denselben Weg eingeschlagen hat. So dämlich bin ich nicht, um ihr das zu glauben.
»Du hast dich aber nicht absichtlich in die Tomaten gestürzt, nur um mich kennenzulernen, oder?« Allein der Gedanke, sie könnte das vorsätzlich getan haben, entlockt mir ein leises Lachen. Und tatsächlich wäre es gar nicht so abwegig. Ich habe schon einige schräge Annäherungsversuche erlebt, aber meine bisherigen Verehrerinnen hatten weniger süße Sommersprossen.
Ihre Augen werden groß, bevor sie sich zu schmalen Schlitzen verengen. »Natürlich nicht. Dafür opfere ich doch nicht meine Lieblingsjeans. Das hätte ich deutlich subtiler anstellen können.«
»Na, jetzt bin ich aber gespannt. Wie genau wäre das denn abgelaufen?« Abwartend verschränke ich die Arme vor der Brust und sehe sie herausfordernd an.
»Ich wäre dir mit einem Einkaufswagen in die Hacken gefahren und hätte mich anschließend höflich dafür entschuldigt.«
»Und du glaubst, das hätte funktioniert?« Wie ein trotziges Kind spiegelt sie meine Körperhaltung. Sie sieht aus, als würde sie jeden Moment mit dem Fuß auf den Boden stampfen, und entlockt mir mit dieser Reaktion erneut ein Lächeln.
»Selbstverständlich hätte es das. In Filmen klappt das immer.« Als würde sie selbst bemerken, wie blöd ihre Antwort eigentlich klingt, verzieht sie kurz das Gesicht, fängt sich aber schnell wieder.
»Du meinst Filme, in denen zum Beispiel eine Wassermelone getragen wird?« Demonstrativ gehe ich in die Knie und hebe das Ungetüm auf, das mir vor die Füße gerollt ist.
Bei meiner Anspielung verkneift sie sich sichtlich ein Grinsen. Im nächsten Moment lässt sie ihre Hände vorschnellen, um nach der Melone zu greifen, geschickt weiche ich ihr aus. Ich denke gar nicht daran, sie ihr zu überlassen.
»Komm schon, Baby, lass mich die Wassermelone für dich tragen.« Zu meiner Überraschung ist die Unterhaltung mit der Unbekannten durchaus erfrischend. Für gewöhnlich langweilen mich Begegnungen dieser Art, weil sie selten zu etwas führen. Meine Neugier löst sich in der Regel immer dann in Luft auf, sobald klar ist, dass mein Gegenüber sich für den Namen King interessiert und weniger für die Person, die ihn trägt. Bei ihr scheint das nicht der Fall zu sein. Sie versucht gar nicht erst mein Interesse zu wecken. Im Gegenteil, ihr scheint unsere Begegnung unangenehm zu sein.
»Sehr witzig«, zischt sie, stürzt auf mich zu und versucht erneut, mir die Wassermelone zu entreißen. Vergebens. Meine Reaktionsschnelligkeit ist überragend. Gegen mich hat die hübsche Sommersprossenlady keine Chance.
»Also ich finde es extrem spaßig«, entgegne ich und lache.
»Einen Witz findet grundsätzlich immer einer lustig. Und das ist im Normalfall derjenige, der ihn erzählt.«
»An der These ist etwas dran«, pflichte ich ihr bei. Fände man selbst den Joke nicht zum Brüllen, würde man ihn nicht reißen.
»Kann ich dann jetzt die Wassermelone zurückhaben?«
»Nein«, antworte ich knapp und klemme mir das Ding grinsend unter den Arm.
»Gut, dann behalte sie eben, Melonenboy«, sagt sie und sammelt stattdessen ihre Einkäufe ein. Anschließend sieht sie sich kurz um, dann landet ihr Blick auf mir. »Und was machen wir mit dem Chaos?«
Wir? Nach nicht einmal fünf Minuten sind sie und ich also bereits bei einem Wir angekommen. Aber da muss ich sie enttäuschen, aus der Nummer wird nichts.
»Du suchst dir jemanden, der sich darum kümmert.« Was sollte sie sonst tun? Selbst den Wischer schwingen? Wäre sicher nett anzusehen. Aber für mich endet unsere Begegnung hier.
»Na, wen haben wir denn da? Den King höchstpersönlich.« Ausgerechnet Sam Campell tritt in diesem Moment in mein Blickfeld. Er sieht zu der Unbekannten, die auffallend in eine andere Richtung schaut. Die Situation ist ihr unangenehm. Was ich nachvollziehen kann. Campell in die Arme zu laufen, ist das denkbar schlechteste Szenario. Als ich Sam hier im Supermarkt vor ein paar Wochen zum ersten Mal über den Weg gelaufen bin, habe ich es ernsthaft in Betracht gezogen, meine Einkäufe zukünftig woanders zu erledigen. Aber ich hänge gerne in der Mall ab, weil es mich entspannt. Und ehrlich gesagt, habe ich ihm diesen Triumph nicht gegönnt.
Sein Blick gleitet über meine Begleitung. »Hat dich die Kleine mit Tomaten beworfen, weil du ihr auf die Pelle gerückt bist?«, spottet er, als er das Meer aus eingedellten Blechdosen und Tomatenmatsch entdeckt.
»Tja, was soll ich sagen, mein unverwechselbarer Charme hat sie wortwörtlich umgehauen«, antworte ich lässig.
»Wirklich?« Sam checkt sie so ungeniert ab, dass mir übel wird. Sie senkt den Blick. Er ist so ein widerlicher Arsch.
Instinktiv trete ich einen Schritt nach rechts, um sie vor seinen Blicken zu schützen. Ihr Unbehagen sorgt dafür, dass ich mich dazu entscheide, sie aus der Situation zu manövrieren. Also schäle ich mich aus meiner Lederjacke. »Hier zieh die an«, sage ich und gebe sie ihr. Die sollte bis über ihren Hintern reichen. Sofort schlüpft sie in meine Lederjacke, die ihr tatsächlich bis zur Mitte ihrer Oberschenkel reicht. Einen Augenblick betrachte ich sie und ignoriere die Tatsache, dass mir gefällt, was ich sehe.
»Es macht dir doch sicher nichts aus, dich um die Sauerei zu kümmern, oder Sam?«, wende ich mich wieder Campell zu.
»Die Drecksarbeit für andere zu erledigen, ist mein Job, nicht wahr, King?«, antwortet er in einem Ton, der seltsam herablassend klingt.
»Die Monarchie herrscht über das Fußvolk«, schieße ich zurück und setze mich langsam in Richtung der Kassen in Bewegung. »Los, Baby, deine Wassermelone wird schwer.« Auf keinen Fall werde ich sie schutzlos Sam überlassen. Ob sie mir nun absichtlich vor die Füße gefallen ist oder nicht, ist gerade unerheblich. Campell ist ein aufdringlicher Mistkerl und kennt die Grenze nicht. Das hat er bei Jolee bewiesen. Hätte Kyle ihn nicht in die Schranken gewiesen, hätte ich das übernommen.
Als ich das leise Klackern von Absätzen hinter mir höre, atme ich erleichtert auf, drehe mich aber nicht zu ihr um. Stattdessen gehe ich zielstrebig auf die kürzeste Schlange zu. Großartig, die Lady hat mir gerade noch gefehlt.
Neugierig sieht die Verkäuferin, die regelmäßig mit mir zu flirten versucht, zwischen mir und meiner Begleitung hin und her. Auch wenn wir kein Wort miteinander reden, weil Sam die Stimmung gekillt hat, ist es ersichtlich, dass wir zusammengehören. Im übertragenden Sinne. Schließlich trägt sie meine Lederjacke, und das weiß die Kassiererin genau, weil sie mich oft genug darin gesehen hat.
Wortlos nehme ich einen Warentrenner und lege ihn zwischen unsere Einkäufe. Die Verkäuferin lächelt zufrieden und haucht ein »Hey«. Mist, ich hätte sie in dem Glauben lassen sollen, dass die Kleine auf allen Ebenen zu mir gehört. Vielleicht würde sie dann endlich damit aufhören, mir eindeutige Angebote zu machen.
Sobald ich den Einkauf kontaktlos mit dem Handy bezahlt und in die Papiertüte gepackt habe, gehe ich auf den Ausgang zu. Dann fällt mir ein, dass ich etwas Wichtiges vergessen habe.
»Wo hast du geparkt?«, will ich von der Unbekannten wissen, als sie zu mir aufschließt. Weder habe ich vor ihr meine Jacke zu überlassen noch sie ihr vor allen Leuten vom Leib zu reißen, damit die einen Blick auf den Regenbogenslip werfen können. So ein Arschloch bin ich nicht, auch wenn es mir unter anderen Umständen durchaus zuzutrauen wäre. Würde es sich um Rivers Hintern handeln, wäre es mir ein Fest, ihn blankziehen zu lassen.
»Geparkt?«, fragt sie, als wüsste sie nicht, wovon ich rede.
»Auto. Parkplatz. Geparkt.«
»Ich bin mit dem Bus gekommen.«
Scheiße. Das bringt mich jetzt in eine Zwickmühle. Option eins: Wir legen eine spontane Shoppingtour ein. Immerhin befinden wir uns in einer Mall, da sollte es kein Problem sein, eine Jeans aufzutreiben. Option zwei: Ich lasse sie mit meiner Lederjacke davonziehen und hoffe, dass sie den Weg zu mir zurückfindet. Option drei: Ich –
Auf gar keinen Fall, schlage ich mir den Gedanken direkt aus dem Kopf.
»Okay. Willst du dir schnell irgendeine Hose kaufen, damit du nicht so in den Bus steigen musst?«, biete ich ihr an.
»Irgendeine Hose? Das ist meine Lieblingsjeans, die lässt sich nicht mal eben ersetzen.«
»Es ist nur ein Kleidungsstück«, antworte ich frustriert, weil ich so eine Ahnung habe, wie die Sache ausgehen wird.
»Ist das hier auch nur eine Jacke? Dann kannst du mir die ja einfach überlassen und kaufst dir eine Neue«, entgegnet sie mit einem breiten Lächeln, das eine zuckersüße Zahnlücke enthüllt. Ich ertappe mich dabei, wie mich dieses kleine Detail zum Grinsen bringt.
»Du sollst die Jeans nicht heiraten, sondern kaufen, damit du nicht mit nacktem Hintern in den Bus steigen musst.«
»Hast du eigentlich eine Ahnung, wie schwer es ist, eine gut sitzende Jeans zu finden?«
Echt jetzt? Wenn ich das nicht zu Hundertprozent genauso sehen würde, würde ich augenblicklich laut lachen und sagen, dass sie gerade nicht in der Position für Ansprüche ist.
»Dann kauf dir halt einen Rock«, schlage ich alternativ vor.
»Ich trage keine Röcke. Darin habe ich einen fetten Arsch«, antwortet sie patzig.
Darauf werde ich nichts erwidern. Das ist eine dieser Situationen, in denen man verliert. Allerdings kann ich es mir nicht verkneifen, ihr einen Blick zuzuwerfen, der fragt: Willst du darauf wirklich eine Antwort?
»O Gott, vergiss, was ich gerade gesagt habe«, poltert es hastig aus ihr heraus, nachdem sie sich ihrer Worte bewusst wird. »Und falls du es noch nicht bemerkt hast: Außer dem Supermarkt haben bereits alle Geschäfte geschlossen.«
Kurz sehe ich mich um. Sie hat recht. Samstags schließen die Geschäfte bereits mittags.
»Okay, wie lösen wir das Problem?«, frage ich versöhnlich.
Wir? Es ist ihr Problem, nicht meins und schon gar nicht unseres. Also was soll der Quatsch, King?
Hektisch beginnt sie sich aus meiner Jacke zu schälen. »Was wird das?« Verwundert sehe ich sie an.
»Ich gebe dir deine Jacke zurück und steige in den nächsten Bus«, klärt sie mich auf und reicht mir meine Lederjacke.
Zeitgleich ertönt ein Pfiff hinter ihr und lässt sie erschrocken zusammenzucken. Es ist diese Art Pfeifen, die rein gar nichts mit einem Kompliment zu tun hat, sondern respektlos ist, weil es den Menschen, für den es bestimmt ist, auf etwas reduziert. Und weil der Pfeifende die Ansicht vertritt, so ein Verhalten wäre okay. Ist es aber nicht.
Sofort lege ich ihr die Jacke locker um die Schultern und zeige dem Typen den Mittelfinger.
Hoffentlich werde ich das nicht bereuen. »Na los, ich fahre dich nach Hause.«
Hayden
Karma, du kannst so eine Bitch sein.
Warum musste ich ausgerechnet Phoenix King vor die Füße fallen? Aber was habe ich erwartet, wenn ich ihm hinterherschleiche? Dass ich ungeschoren davonkomme? Vermutlich bin ich bereits in dem Augenblick aufgeflogen, als ich mich in Bewegung gesetzt habe und ihm wie ein naives Dummchen hinterhergetrottet bin. Schlimmer als die Tatsache, dass ich mich vor ihm total blamiert habe, ist, dass er auch noch so verflucht freundlich sein muss. Wirklich, warum ist er so nett? Nicht ich-will-dir-an-die-Wäsche-nett, sondern komm-ich-passe-auf-dich-auf-nett. Das ist ätzend, weil es ihn sympathisch macht. Und ich will ihn nicht mögen. Kerle stehen aktuell sehr weit unten auf meiner Must-have-Liste.
»Kommst du?« Als könnte er meine Gedanken lesen, erscheint ein wissendes Schmunzeln auf seinen verdammt perfekt geschwungenen Lippen, gefolgt von einem leichten Kopfschütteln. Fantastisch. »Mein Wagen steht da hinten.«
Ohne auf eine Reaktion von mir zu warten, setzt er seinen Weg fort. Es braucht auch keine Antwort meinerseits, Phoenix weiß, dass ich ihm folgen werde. Diese Art von Arroganz muss ich ihm zugestehen, weil sie äußerst effektiv ist.
An einem schwarzen Cabriolet bleibt er stehen. Nachdem er seinen Einkauf im Kofferraum verstaut hat, nimmt er eine Picknickdecke heraus und breitet sie auf dem Beifahrersitz aus. Fragend sehe ich ihn an.
»Das Leder heizt sich bei den Temperaturen extrem auf. Nicht, dass du dir deinen blanken Hintern verbrennst«, erklärt er mit einem Zwinkern. So viel Fürsorge hätte ich ihm gar nicht zugetraut. Er macht sich mehr Gedanken um meinen Po als darum, dass ich seine Sitze einsauen könnte. Das ist irgendwie süß. Und als hätte er nicht schon das Sympathiekrönchen auf, wartet er, bis ich in den Wagen gestiegen bin und schließt ganz gentlemanlike die Beifahrertür. Auf der anderen Seite zeigen sich Menschen grundsätzlich von ihrer charmanten Seite, bis sie dich an der Angel haben, und offenbaren dann ihr wahres Ich. Und dem Kerl neben mir eilt sein Ruf um Meilen voraus.
Den Einkauf stelle ich auf meinen Schoß und umklammere ihn fest. Phoenix lässt sich auf den Fahrersitz sinken. Plötzlich ist er mir viel zu nah. Sich eingequetscht mit ihm in einem Sportwagen zu befinden, lässt meinen Puls unangenehm in die Höhe schnellen.
»Gut, dann schieß mal los«, sagt er nahezu euphorisch und tippt auf seinem iPhone herum. Erst jetzt realisiere ich, dass er mich wirklich nach Hause fahren will, obwohl er überhaupt keinen Grund dazu hat. Das ist verrückt. Die Vorsicht gewinnt dennoch und ich nenne ihm eine falsche Adresse. Nachdem er das Handy in der Halterung am Armaturenbrett befestigt hat, startet er den Motor. Schnurrend erwacht der Oldtimer zum Leben.
»Anschnallen«, fordert er mich auf.
Meint er das wortwörtlich oder im übertragenden Sinne? Instinktiv umfasse ich den Einkauf noch fester, aber der Sportwagen bewegt sich nicht von der Stelle, stattdessen sieht Phoenix abwartend in meine Richtung. Verwirrt erwidere ich seinen Blick. In der nächsten Sekunde ist die Papiertüte aus meinen Händen verschwunden und sicher hinter dem Beifahrersitz verstaut. Während ich ihn perplex anstarre, greift er über mich hinweg nach dem Sicherheitsgurt. Sein Parfüm schlägt mir ungefiltert entgegen. Nicht herb, wie ich erwartet hätte, eher blumig und mit einer Spur Kokos. Das Ganze gemischt mit Sonnencreme. Phoenix King riecht nach einem Strandurlaub in der Karibik.
Warum wundert mich das nicht? So ist das doch bei Kerlen wie ihm immer. Sie sind übermäßig attraktiv, riechen fantastisch und haben diese Aura, die einen magisch anzieht. Gedanklich setze ich die Häkchen auf der Bad-Boy-Checkliste. Es ist fast schon lächerlich, wie er die Klischees bedient. Und was mich betrifft, muss ich übergeschnappt sein, weil ich mich überhaupt in seine Nähe wage.
Damit meine Brust nicht versehentlich seinen Oberkörper streift, drücke ich mich tiefer in den Sitz.
»Atmen«, weist er mich leise an.
»Was?«, presse ich hervor.
»Du musst atmen, denn ich werde dich nicht wachküssen, solltest du bewusstlos werden«, antwortet er völlig ruhig.
Soll das ein Scherz sein? Wäre ich nicht bis in die Haarspitzen angespannt, würde ich ihm darauf eine passende Antwort geben. Stattdessen senke ich den Blick.
Ein Klicken hallt in meinen Ohren und Phoenix weicht im selben Moment zurück. Der Gurt spannt sich eng um meinen Oberkörper, als ich tief Luft hole. Die nötige Sauerstoffzufuhr hält nur so lange an, bis Phoenix eine Hand auf der Kopfstütze hinter mir ablegt und anschließend einen Blick über seine Schulter wirft, um den Oldtimer auszuparken. Eine Geste, die ich nur aus Filmen kenne und nie verstanden habe, was daran sexy sein soll. Bis jetzt. Diese Mischung aus unfreiwilliger Intimität und absoluter Belanglosigkeit hat eindeutig eine Wirkung auf mich.
Instinktiv greife ich nach dem Ring an meinem Daumen und beginne daran herumzuspielen. Versuche mich darauf, statt auf die breite Brust, die bei einer falschen Bewegung meine Schulter streifen könnte, zu konzentrieren. Und dabei bin ich mir sicher, dass ihm seine Nähe zu mir nicht einmal bewusst ist und er keinerlei Absicht verfolgt. Warum auch? Phoenix King muss sich nicht sonderlich anstrengen, um zu bekommen, was er will. Und genau das ist das Problem.
Mein Puls erreicht ungeahnte Höhen, als sein Atem wie ein federleichter Windstoß auf meine Haut trifft. Regungslos verharre ich in meiner Position.
»Sorry«, sagt er und zieht sich zurück, aber ich kann seinen Blick auf mir spüren. Wofür entschuldigt er sich?
»Hmm?« Wow, Hayden, du offenbarst deine besten Seiten. Tollpatschig, einsilbig und mit entblößtem Hintern. Kurz rufe ich mir ins Gedächtnis, ob ich wenigstens einen anständigen Slip trage. Natürlich nicht.
»Ich wollte dir nicht auf die Pelle rücken«, löst er auf.
»Bist du nicht«, antworte ich etwas zu schnell.
»Nicht? Du fühlst dich aber offensichtlich unwohl.«
Eins muss ich ihm lassen, er hält sich nicht mit unnötigem Geplänkel auf und kommt direkt zum Punkt. An der Kreuzung setzt er den Blinker und biegt auf die Main Street.
»Ich sitze in einer zerrissenen Jeans und mit Tomatenschleim beschmiert im Wagen eines fremden Typens, das versprüht nicht unbedingt Wohlfühlcharakter.«
Das Lachen, das in diesem Augenblick seine Lippen verlässt, wirkt ebenso bitter wie es amüsiert klingt.
»Als ob du nicht wüsstest, wer ich bin.« Er greift nach der schwarzen Sonnenbrille, die in einem kleinen Fach in der Mittelkonsole liegt, und setzt sie auf.
Leugnen oder in die Offensive gehen? »Nur weil ich deinen Namen kenne, weiß ich noch lange nicht, wer sich dahinter verbirgt«, sage ich und wähle damit den Mittelweg. Im Grunde habe ich absolut keine Ahnung, wer er ist. Die wenigen Informationen, die ich besitze, basieren alle auf Erzählungen von Kira, als sie einen Crush auf ihn hatte, bis sie ihn durch einen neuen ersetzt hat. Das liegt inzwischen einige Monate zurück. In so einer Zeitspanne kann einiges passieren, das habe ich am eigenen Leib erfahren. In dem einen Moment ist alles in bester Ordnung und im nächsten bekommst du kalte Füße, landest bei deiner Cousine in Ohio und überdenkst deine Zukunft.
Vorsichtig sehe ich ihn von der Seite an. Auf eine Antwort warte ich vergebens. Er selbst ist anscheinend ungern das Thema einer Unterhaltung.
Als der Wagen beschleunigt, werden die Windgeräusche so laut, dass wir uns ohnehin anbrüllen müssten, um ein Gespräch zu führen. Mein Instinkt sagt mir, der lockere Gasfuß ist nicht unbegründet. Irgendwas von dem, was ich gesagt habe, hat ihm eindeutig die Laune vermiest.
Drei Ampeln und zwei Kreuzungen später biegen wir rasant in das Wohngebiet ein. Es wundert mich, dass der Oldtimer nicht mit quietschenden Reifen zum Stehen kommt. Sofort löse ich den Gurt, bevor Phoenix mir erneut behilflich wird. Dann wende ich mich ihm zu. Er schiebt die Sonnenbrille auf seine Nasenspitze und blickt mich aus moosgrünen Augen an.
»Man sieht sich, Tomatengesicht.« Mit dem Zeigefinger schiebt er die Brille wieder in Position, bevor er demonstrativ geradeaus schaut. Das ist die höfliche Art, mich aus dem Wagen zu werfen.
Fast schon fluchtartig klettere ich aus dem Sportwagen und angle nach meinem Einkauf. »Danke fürs Mitnehmen«, verabschiede ich mich. Phoenix murmelt etwas Unverständliches, nickt knapp und rauscht davon. Nachdenklich sehe ich ihm hinterher, bis der Wagen aus meinem Blickfeld verschwindet. Das war’s, weg ist er.
Mist! Ich habe noch seine Jacke an.
Ohne darüber nachzudenken, greife ich nach dem Kragen und vergrabe meine Nase in dem Leder. Sommer. Karibik. Phoenix. Zeitgleich fällt mir ein, in welchem optischen Zustand ich mich befinde, und eile zwei Straßen weiter ins Haus, bevor ich unfreiwillig zur Attraktion auf dem Bürgersteig werde.
In der Wohnung angekommen, stelle ich den Einkauf in der Küche ab. Bevor ich ins Bad husche, mache ich einen Abstecher in mein Zimmer, schlüpfe aus der Jacke und werfe sie auf den Schreibtischstuhl. Auch wenn ich das Kleidungsstück jetzt los bin, haftet sein Geruch an mir. Ich ertappe mich bei dem Gedanken, dass ich das mag. Nicht gut.
Wie groß das Ausmaß der Katastrophe ist, sehe ich erst, als ich einen Blick in den Standspiegel werfe. What the fuck … Der Vorteil an roten Haaren: Die Tomatenüberreste darin fallen nur bei genauerem Hinsehen auf. Mit Daumen und Zeigefinger pule ich sie heraus. Anschließend ziehe ich das dreckige Shirt aus und stopfe es in die Wäschebox. Aus der Ferne höre ich mein Handy klingeln. Ich haste in den Flur und krame es aus der Handtasche, die ich in der Tüte mit den Lebensmitteln verstaut habe.
»Verdammt, ich wollte zurückrufen«, nehme ich das Gespräch an. Wie ich Nadine kenne, starrt sie seit einer Stunde auf das Display ihres Handys und wartet, dass mein Name aufleuchtet.
»Ich hoffe, der Grund, weshalb du mich vorhin abgewürgt hast, ist Footballer«, zieht sie mich auf. Ihre Schwäche für Typen, die die Statur von Kleiderschränken aufweisen, ist mitunter anstrengend. Dabei kann ich mich nicht erinnern, dass meine Cousine in den letzten Jahren überhaupt einen Kerl hatte. Sie hat nicht einmal Dates, sondern geht allein ins Kino oder ins Restaurant.
Während ich durch das Wohnzimmer gehe, klemme ich mir das Handy zwischen Ohr und Schulter. »Nein, ist er nicht«, antworte ich und knöpfe die zerrissene Jeans auf. Der einzige Grund, warum ich sie abgewürgt habe, war, dass ich einkaufen wollte. Die Begegnung mit Phoenix King hatte ich nicht einkalkuliert. Aber Nadine hat das Talent, an meinem Tonfall herauszuhören, wenn ich versuche, Details zu unterschlagen.
»Er ist kein Footballer oder der Grund ist kein Er?«, hakt sie nach.
Ächzend schiebe ich den viel zu eng sitzenden Jeansstoff über meine Oberschenkel. Es ist nicht verwunderlich, dass die Hose aufgegeben hat, bei der Spannung, die sie inzwischen aushalten musste. Auf einem Bein balancierend zerre ich an dem Hosenbein und stoße frustriert die Luft aus, als sich meine Zehen in dem Loch, das sich normalerweise auf Kniehöhe befindet, verkanten.
»Himmel, will ich wissen, warum du so stöhnst? Ist der Kerl etwa noch da und ihr vögelt gerade?«
Bei meinen Verrenkungen gerät das Handy zwischen Ohr und Schulter ins Rutschen und schlägt krachend auf dem Holzboden im Wohnzimmer auf. Zu allem Überfluss verschwindet es unter dem Sofa, als ich es versehentlich mit der Fußspitze touchiere, um mein Gleichgewicht nicht gänzlich zu verlieren. Großartig.
»Verdammt!«, fluche ich laut. Mit heruntergelassener Hose bücke ich mich, um es hervorzuholen. Natürlich komme ich nicht ran. Also lege ich mich flach auf den Bauch, quetsche meinen Körper so weit wie möglich unter das Sofa und angle nach dem Smartphone. »Warte Nadine, ich habe es gleich«, japse ich, in der Hoffnung, sie hört mich und legt nicht auf. Als sich meine Finger um das Telefon schließen, juble ich innerlich auf. Wie ein Fisch auf den Trockenen krieche ich unter der Polstergarnitur hervor.
»Wow, das ist verstörend.«
Erschrocken rolle ich mich auf den Rücken und entdecke Kira, die in ihrer Cheerleader-Uniform mitten im Wohnzimmer steht.
»Mein Handy ist unter das Sofa gerutscht«, sage ich zu meiner Verteidigung.
»Bevor oder nachdem du die Hose runtergelassen hast, um der Welt deinen dicken Regenbogen zu präsentieren?«
Kann es eigentlich noch peinlicher werden? Kira ist nach Phoenix King die zweite Person, der ich in diesem Zustand nicht gegenübertreten will. Damit wird sie mich ewig aufziehen. Kira und mich verbindet eine typische Hassliebe. Es gibt Tage, an denen kommen wir super miteinander aus, aber an den meisten können wir uns nicht ausstehen.
»Musst du nicht irgendwo deine Pompons schwingen?«, schieße ich zurück und setze mich auf. Mit ihr unter einem Dach zu leben, war die wohl dümmste Entscheidung, die ich je getroffen habe. Wäre Eden nicht so verdammt nett, würde ich mir eine andere Bleibe suchen.
Das Klingeln an der Tür rettet mich vor Kira, denn sie zieht ohne einen weiteren bissigen Kommentar ab. Im nächsten Augenblick kracht die Eingangstür scheppernd ins Schloss. Seufzend lasse ich mich mit den Rücken gegen das Sofa sinken und halte mir das Handy ans Ohr. »Bist du noch dran?«
Ein lautes Lachen ertönt. »Natürlich, die Show hätte ich gerne live erlebt.« Und ich wünschte, Nadine wäre hier in Charlottesville und nicht in Columbus, um an der Ohio State zu studieren. Die UVa war meine Traumuniversität, dennoch habe ich nach der Trennung von Simon überlegt, meinen Platz sausen zu lassen und in Columbus zu bleiben. Aber ich kann mich nicht ewig bei ihr verstecken oder meine Ziele wegen einer gescheiterten Beziehung wegwerfen.
»Willst du die lange Version oder die Kurzfassung des ganzen Desasters hören?« Schon immer sind wir beste Freundinnen. Dass sie zur Familie gehört, ist ein netter Bonus.
»Gib mir eine Minute, ich hole den Wein.«
Flüchtig werfe ich einen Blick auf die Uhr. »Es ist nicht einmal drei Uhr nachmittags«, merke ich an.
»Irgendwo auf der Welt ist immer Weinzeit. Also wen interessiert es da, in welcher Zeitzone wir uns befinden?« Wow, was für eine Argumentation. »So, bin ganz Ohr.«
Die nächsten zwanzig Minuten verbringe ich damit, meiner Cousine alles bis ins kleinste Detail zu schildern.
»Hör auf zu lachen, das ist nicht lustig, sondern peinlich.«
Erneut prustet sie laut los und entschuldigt sich immer wieder dafür, dass sie alles zum Schießen komisch findet.
»So beginnen die kitschigsten Lovestorys, das weißt du hoffentlich«, wirft sie ein, sobald sie sich gefangen hat und nicht ständig erneut kichert.
Phoenix und ich, eher friert die Hölle zu.
»Er hat nicht einmal nach meinem Namen gefragt.«
»Autsch.« Treffender kann man das gar nicht formulieren als Nadine in diesem Moment. Unsere Begegnung war für Phoenix so belanglos, dass er nicht einmal wissen wollte, mit wem er sie hat.