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**Auch Sportler verdienen eine zweite Chance** Nick staunt nicht schlecht, als ausgerechnet Bree, die beste Freundin seiner Schwester, einen Job in seinem Stammcafé annimmt und kurz darauf auch noch in seine WG einzieht. Alles kein Problem, würde Little Miss Sunshine dem Keeper der Virginia Kings mit ihrer guten Laune nicht permanent auf die Nerven gehen. Und dann wäre da auch noch die Sache mit dem One-Night-Stand, die nicht nur für mächtig Zündstoff, sondern auch für sprühende Funken zwischen den beiden sorgt. Textauszug: »Ich bin nicht dein Sozialprojekt. Also hör auf, mich retten zu wollen! Es wird dir nämlich nicht gelingen, Glückskeks!« »Wer sagt, dass ich dich retten will? Vielleicht warte ich auch nur auf den richtigen Moment, um meinen ersten Mord zu begehen?« Bist du bereit für verbotene Küsse in Charlottesville und Herzklopfen mit den Virginia Kings? Persönliche Leseempfehlungen: »Atemberaubendes Knistern, eine prickelnde Lovestory und ein Protagonist zum Verlieben - das Buch hat alles, was ein guter NA-Roman braucht.« (Bild-Bestsellerautorin Sarah Saxx) »Mit »Golden Kiss - Nick & Bree« entführt uns Kate Corell zurück an die University of Virginia. Ihre Fußballer sind noch heißer, die Wortgefechte noch amüsanter und die Funken sprühen noch gewaltiger. Eine große Empfehlung für diese Sports Romance und den zweiten Teil der Virginia-Kings-Reihe.« (Nadine Wilmschen, Autorin von »Catch my Girl«) »Humor und Leidenschaft treffen auf Selbstzweifel. »Golden Kiss« ist eine Story mit Höhen und Tiefen, greifbaren Zweifeln und einer Menge Gefühl. Nick und Bree haben mein Herz im Sturm erobert.« (Theresa, die Bloggerin von @lache.liebe.lese) »Nick & Bree, eine explosive Mischung, die mich nicht nur zum Lachen, sondern auch zum Verzweifeln gebracht hat! I love it!« (Sarina, die Bloggerin von @kunterbuntebuecherlounge) »Witzig, spritzig und schlagfertig. Nick und Bree, zwei tolle authentische Charaktere, die völlig unterschiedlich sind und sich dennoch, wie Magnete anziehen. Die Virginia Kings machen einfach süchtig!« (Jasmin, die Bloggerin von @buchkumpeline) »Glückskeks trifft auf schwarze Seele. Bree und Nick sind Gegensätze zum Verlieben!« (Michele, die Bloggerin von @leavesofnovel) //Der Liebesroman »Golden Kiss: Nick & Bree« ist der zweite Band der romantischen »Virginia Kings«-Reihe. Alle Bände der gefühlvollen Sports Romance bei Impress: -- Golden Goal: Kyle & Jolee (Virginia Kings 1) -- Golden Kiss: Nick & Bree (Virginia Kings 2) -- Golden Hope: Phoenix & Hayden (Virginia Kings 3)// Jeder Roman dieser Serie steht für sich und kann unabhängig von den anderen gelesen werden.
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Impress
Die Macht der Gefühle
Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.
Wer nach Geschichten zum Mitverlieben in den beliebten Genres Romantasy, Coming-of-Age oder New Adult Romance sucht, ist bei uns genau richtig. Mit viel Gefühl, bittersüßer Stimmung und starken Heldinnen entführen wir unsere Leser*innen in die grenzenlosen Weiten fesselnder Buchwelten.
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Kate Corell
Golden Kiss: Nick & Bree (Virginia Kings 2)
**Auch Sportler verdienen eine zweite Chance**Nick staunt nicht schlecht, als ausgerechnet Bree, die beste Freundin seiner Schwester, einen Job in seinem Stammcafé annimmt und kurz darauf auch noch in seine WG einzieht. Alles kein Problem, würde Little Miss Sunshine dem Keeper der Virginia Kings mit ihrer guten Laune nicht permanent auf die Nerven gehen. Und dann wäre da auch noch die Sache mit dem One-Night-Stand, die nicht nur für mächtig Zündstoff, sondern auch für sprühende Funken zwischen den beiden sorgt.
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Vita
Playlist
Preisverleihung
© privat
Kate Corell ist ein Kind der 80er. Sie liebt Bücher, Sport (ausschließlich von der Tribüne aus) und Musik. Mit ihrem Mann, einem pubertierenden Teenager und zwei verrückten Bulldoggen lebt sie als Nachteule im Land der Frühaufsteher.
… vergiss nie zu tanzen.
Kings & Queens – Ava Max
Ghostkeeper – Klangkarussell, GIVVEN
Wicked Game – loafers, Helion, The High
The View – DRS, LSB, Tyler Daley
Killing Me – Lexy & K-Paul, Yasha
Nicotine – goddard.
Holy Water (Sizzy Remix) – DHALI, Muntu
Lost & Found – Moonbootica, Bondi
After Dark – Seven Lions feat. Fiora, Blastoyz
Running Out – Etham
Opposite Of Loving Me – Etham
Healing Of Time – Etham
12:45 – Etham
Pieces – AVAION
I Know What You Did Last Summer – Shawn Mendes, Camila Cabello
If I Can't Have You – Shawn Mendes
Because I Had You – Shawn Mendes
Piece Of You – Shawn Mendes
Teach Me How To Love – Shawn Mendes
The Kill – Thirty Seconds to Mars
Hail To The Victor – Thirty Seconds to Mars
Moments – Klangkarussell, Will Heard
Godsent – Smash Into Pieces
Oxygen – Winona Oak, Robin Schulz
Unsteady – X Ambassadors
Blame It On The Lights – KAMRAD
Whataya Want From Me – Adam Lambert
Closer To You – Julian Perretta
Nick
Lässig lehne ich an meinem schwarzen Land Rover und verschränke die Arme vor der Brust. Ich frage mich ernsthaft, weshalb wir dieses Gespräch ausgerechnet auf dem Parkplatz des Barneys führen. In der Hoffnung, dass Joe endlich aufgibt, lasse ich meinen Blick ziellos umherschweifen. Während ich mit ihr eine Diskussion über das defekte Autoradio ihrer besten Freundin Bree führe, herrscht reges Treiben auf dem Campusgelände der UVa. Das fasziniert mich im Augenblick weitaus mehr als die Aussicht darauf, Brees bescheuertes Radio zu reparieren oder es mir ›wenigstens einmal anzusehen‹. Gerade geht eine fünfköpfige Gruppe ins Barneys und ich würde mich ihnen nur zu gerne anschließen. Denn noch schlimmer, als diese Unterhaltung auf einem Parkplatz zu führen, ist, es vor dem ersten Kaffee tun zu müssen.
»Komm schon, stell dich nicht so an.«
»Warum sollte ich das tun?« Fragend hebe ich eine Augenbraue. Joe schnauft und verschränkt ebenfalls die Arme vor der Brust. Schon putzig, dass diese winzige Person, denn das ist sie im Vergleich zu mir, ernsthaft glaubt, mich einschüchtern zu können. Wie sie es tatsächlich geschafft hat, mich abzufangen, bevor ich überhaupt einen Fuß in den Laden gesetzt habe, ist fast schon beeindruckend. Auch wenn sie es mir als zufällige Begegnung verkaufen will, ist mir klar, dass sie mir aufgelauert hat. Meine Schwester würde nie freiwillig so früh ihren Hintern aus dem Bett bewegen, um sich ausgerechnet einen Schokomilchshake aus dem Barneys zu organisieren. Vermutlich hat Kyle ihr einen Tipp gegeben, wo sie mich so früh am Morgen findet. Die Tatsache, dass er nicht bei ihr ist, hat bei mir sämtliche Alarmglocken schrillen lassen, denn für gewöhnlich kleben die beiden wie Kletten aneinander. Aber wann immer ein Gespräch zwischen Joe und mir unangenehm werden könnte, hält mein bester Freund sich raus oder sucht das Weite. Im Augenblick würde ich es ihm gerne gleichtun.
»Vielleicht, um nett zu sein?« Ihr rechter Mundwinkel zuckt herausfordernd, was mich nicht im Geringsten beeindruckt.
»Ich bin kein netter Mensch und das wissen wir beide, also hör auf, mich zu einem machen zu wollen«, antworte ich eine Spur zu scharf.
Kurz scheint ihr Optimismus an Überzeugung zu verlieren, doch sie strafft die Schultern und kommt einen weiteren Schritt auf mich zu. Mist! So schnell gibt sie nicht auf. Ihre Hartnäckigkeit ist mir schon auf den Geist gegangen, als sie in der Middle School plötzlich in meiner Jahrgangsstufe gelandet ist und der Meinung war, auf dem freien Platz neben mir sitzen zu wollen. Wenn deine zwei Jahre jüngere Schwester in derselben Klasse ist, ist das alles andere als cool. Man wird verglichen und fängt an, sich aneinander zu messen. Wer ist besser, beliebter und schlauer. Kurz: Es ist anstrengend, genau wie diese Unterhaltung und die Tatsache, dass Jolee jetzt Teil meines Freundeskreises ist. Ein bisschen fühlt es sich wie damals an, nur dass wir nicht mehr in der Schule sind.
Mit ausgestrecktem Zeigefinger tippt sie gegen meine Brust und sieht mich streng an. Na, das kann ja heiter werden.
»Du hast eine sehr schlechte Meinung von dir selbst, Bruderherz.« Bitte nicht diese Leier. Ob ich eine schlechte Meinung von mir selbst habe, kann sie am allerwenigsten beurteilen. Dafür sind wir uns in den letzten zwei Jahren zu erfolgreich aus dem Weg gegangen und haben uns nur zu den obligatorischen Familientreffen gesehen. Aber jetzt, wo sie in Charlottesville aufgetaucht ist, glaubt sie, sich in mein Leben einmischen zu können, wann immer ihr danach ist.
»Im Gegensatz zu dir verschiebe ich nicht die Realität. Also vergiss es, Joe.« Allmählich langweilt mich diese Unterhaltung. Um ehrlich zu sein, tun das die meisten Gespräche in letzter Zeit.
»Mach es für mich.«
Was soll das werden? Die Nummer zieht nicht. Sie überschätzt eindeutig meine Bereitschaft für selbstloses Verhalten. Jolee ist meine Schwester und ich würde behaupten, dass ich sie auf meine verkorkste Art liebe. Dennoch, dieses ›Tue es für mich‹ verursacht bei mir Übelkeit. Menschen, die glauben, mit einem Wimpernschlag alles zu bekommen, was sie wollen, gehen mir gewaltig auf die Nerven. Jolee gehört eindeutig in diese Kategorie. Dabei kann sie nicht einmal etwas dafür. Diese wundervolle Charaktereigenschaft verdankt das Goldkind eindeutig unseren Eltern.
Joe will das pinke Fahrrad mit Glitzerpedalen. Joe bekommt das bescheuerte Fahrrad.
Nick möchte die grünen Fußballschuhe. Nick bekommt die roten, damit er begreift, dass man nicht immer alles bekommt, was man sich wünscht.
Und schon ist alles gesagt, was man über die Kindheit der Mitchell-Geschwister wissen muss.
Entschlossen, diesen Quatsch zu beenden, stoße ich mich von meinem Wagen ab, öffne die Fahrertür und steige ein. »Such dir einfach jemand anderen, Joe.« Als ich die Tür schließen will, drängt sie sich dazwischen und baut sich vor mir auf. Um nicht direkt durch die Decke zu gehen, zähle ich gedanklich von fünf rückwärts. Warum kann sie es nicht einfach gut sein lassen?
»Okay, dann such dir jemand anderen, der deine Hausarbeiten schreibt.«
Das bittere Lachen, das in diesem Augenblick meine Kehle hinaufklettert, unterdrücke ich. Die Wahrheit ist, ich brauche meine Schwester nicht, ich würde es auch ohne sie auf die Reihe bekommen. Das College wimmelt nur so vor Studierenden, die sich ein paar Dollar dazuverdienen wollen. Der einzige Grund, warum Joe hin und wieder meine Hausarbeiten schreibt, ist, dass sie die naheliegendste Person dafür ist.
»Netter Versuch, Sis, aber wenn Bree möchte, dass jemand ihr Autoradio repariert, soll sie es in eine Werkstatt bringen.« Entschlossen schiebe ich sie zur Seite und schließe die Autotür.
Meine Schwester funkelt mich durch die Scheibe wütend an. Ein Knopf zum Verdunkeln wäre ein Traum. Das würde ihr mehr als deutlich machen, wie wenig ich an ihrer Bitte interessiert bin. Vermutlich hat sie wirklich gedacht, sie schnippt mit dem Finger und ich tanze nach ihrer Pfeife. Falsch gedacht. Die Zeiten, in denen sich alles um Jolee Mitchell gedreht hat, sind eindeutig vorbei. Allerdings war es wesentlich leichter, sie mir vom Leib zu halten, als uns noch knapp dreitausend Meilen voneinander getrennt haben. Jetzt, da sie mit Kyle zusammen ist, werde ich sie wohl auch nicht so einfach wieder los. Ein Umstand, an dem ich nicht ganz unschuldig bin. Die grandiose Idee, dass Joe ihm Nachhilfe gibt, war schließlich von mir. Dass ich das hier seelenruhig über mich ergehen lasse, verdankt sie einzig der Tatsache, dass mir etwas an meinem besten Freund liegt.
Da sie offensichtlich noch nicht fertig mit mir ist, lasse ich das Fenster herunter.
»Bree kann sich das nicht leisten und du bist gut darin.« Das klingt fast wie ein Kompliment, aber eben nur fast. Das ist ihre Methode, mich weichzuklopfen, um ihren Willen zu bekommen.
Der Fakt, dass ihre Freundin Hilfe braucht, ändert nichts an meiner Meinung, dass ich einen Teufel tun und den Retter in der Not spielen werde. Das hat genau zwei Gründe. Erstens: Bree ist die beste Freundin meiner Schwester. Und zweitens: Sie nervt noch mehr als Joe, ist laut und verteilt Lebensweisheiten, als wäre sie ein verdammter Glückskeks.
Die Tatsache, dass sie attraktiv ist und ich bereits einmal mit ihr im Bett gelandet bin, versuche ich weitestgehend zu ignorieren. Aber es ist der ausschlaggebende Grund dafür, dass ich sie um jeden Preis auf Abstand halten will.
»Ich habe Nein gesagt!« Mit diesen Worten schließe ich das Fenster, starte den Motor und fahre nach Hause.
***
Kyle steht an die Kücheninsel gelehnt und sieht auf, als ich unsere Wohnung betrete.
»Na, heute wieder als Mistkerl aufgestanden?« War ja klar, dass sie ihn sofort anruft. Ich gönne ihm sein Glück, aber ich wünschte, es würde sich bei seiner Auserwählten nicht um meine Schwester handeln. Auch wenn er das vielleicht anders sieht, etwas in unserer Freundschaft hat sich verändert. Bei ihm bin nicht mehr ich die Nummer eins mit dem Nachnamen Mitchell. In der Zeit vor Jolee konnte ich mit ihm über alles quatschen. Vermutlich ist das noch immer so, aber ein Teil meines Hirns schreit förmlich: Er erzählt Joe alles, also behalt es für dich.
»Lass mich raten, Joe hat gepetzt«, erwidere ich und gehe zum Kühlschrank, um eine Flasche Wasser herauszunehmen.
»Was ist denn so schlimm daran, Bree einen Gefallen zu tun?«
Alles.
Es gab einen Grund, warum ich am anderen Ende des Landes zur Uni gehen wollte, und die Virginia Kings sind es nicht gewesen. Ich hatte einfach die Schnauze voll davon, dass Jolee sich überall reinhängt oder mit ›Nick, kannst du mal eben‹ um die Ecke kommt.
»Ich habe keine Lust.«
»Du bist doch sonst nicht so, wenn es um deine Freunde geht.«
Von der Seite werfe ich ihm einen bösen Blick zu. Dass er diese Karte zieht, damit habe ich beinahe gerechnet. Trotzdem kotzt es mich an, dass anscheinend alle zu wissen glauben, wer ich bin und wie ich mich zu verhalten habe. Ehrlich, einen Scheiß muss ich.
»Bree gehört nicht zu meinen Freunden.« Die Leute, die ich als solche bezeichne, kann ich genau an einer Hand abzählen. Phoenix, Mase, River, Jay und der Kerl, der gerade versucht, mir ins Gewissen zu reden.
»Aber sie ist die beste Freundin deiner Schwester. Wenn du Bree nicht helfen möchtest, dann tue es für Jolee.« Inzwischen sollte er mich besser kennen und wissen, dass er damit keinen Erfolg haben wird. Eher friert die Hölle zu, als dass ich Jolee ihren Willen gebe.
»Und sie gehört ebenfalls nicht zu meinen Freunden«, antworte ich und stelle die jetzt nur noch halb volle Wasserflasche zurück in den Kühlschrank.
»Was ist eigentlich dein Problem, dass du dich Jolee gegenüber permanent wie ein Arschloch verhältst?« Er stößt sich von der Arbeitsplatte ab und baut sich vor mir auf. Diese Unterhaltung werden wir ganz sicher nicht führen, wenn wir beide angepisst sind. Das geht selten gut aus. Kurzerhand lasse ich ihn in der Küche stehen und verschwinde in meinem Zimmer. Dort greife ich mir die bereits gepackte Sporttasche und betrete den Flur.
»Wir sehen uns später beim Training«, verabschiede ich mich knapp und verlasse die Wohnung. Normalerweise fahren wir zusammen zum Campus und zum Training, aber im Augenblick ist es eindeutig vernünftiger, durch etwas Abstand die Gemüter zu beruhigen. Dass wir heute keine gemeinsamen Kurse haben, ist vermutlich auch nicht das Schlechteste.
Da Joe mich vorhin vor dem Barneys abgefangen hat, bin ich auf Koffeinentzug. Was echt scheiße ist, weil ich meine tägliche Dosis brauche und Kyle den mit Abstand schlechtesten Kaffee kocht. An der Kaffeemaschine bin ich allerdings genau wie mein bester Freund eine Fehlbesetzung. Selbst nach fast drei Jahren in Charlottesville habe ich das richtige Maß für das Pulver noch nicht gefunden und weiche deshalb meistens auf den Coffeeshop aus. Da er auf dem Weg zum Trainingsgelände liegt, beschließe ich, einen erneuten Versuch zu wagen.
Zehn Minuten später bereue ich meine Entscheidung, denn als ich den Laden betrete, steht ausgerechnet Bree hinter dem Tresen. Was zur Hölle macht sie hier? Hat jemand den heutigen Tag dazu auserkoren, mich in den Wahnsinn zu treiben? Glückwunsch, es funktioniert.
Bevor ich auf dem Absatz kehrtmachen kann, entdeckt sie mich und lächelt unsicher. Der Glückskeks hat mir gerade noch gefehlt. Meine Laune ist schon auf dem Tiefpunkt und daran ist sie nicht ganz unschuldig. Was sie vermutlich nicht einmal weiß, weil meine Schwester mit Sicherheit in Eigenregie gehandelt hat, als sie vorhin ungebeten auf der Matte stand.
»Was machst du hier?«, frage ich bissig. Sie verzieht das Gesicht. Verständlich, denn ich motze sie gerade völlig grundlos an.
»Wonach sieht es denn aus?«, antwortet sie angriffslustig. Wenn Bree etwas nicht hat, dann ist es Angst vor mir. Leider. Denn das wäre mir wirklich lieber, als ständig mit ihr aneinanderzugeraten und deswegen meine Nerven unnötig zu strapazieren. Aber meinen Respekt hat sie allein schon deswegen, weil sie sich traut, mir die Stirn zu bieten. In meiner Nähe will ich sie dennoch nicht haben. Nach der Sache mit Jolee und der Wette hat sie mir so die Hölle heißgemacht, dass ich ernsthaft beeindruckt war. Mich direkt im Anschluss bei Joe zu entschuldigen, hatte allerdings weniger mit ihrer Moralpredigt zu tun, sondern ist eine Notwendigkeit gewesen, um meine Freundschaft mit Kyle nicht gänzlich vor die Wand zu fahren.
»Als würdest du hier arbeiten«, erwidere ich, da sie offensichtlich auf eine Antwort von mir wartet. Die dunkle Schürze mit dem Barneys-Aufdruck lässt keinen Zweifel daran, dass sie sich nicht bloß hinter den Tresen verirrt hat.
»Wow, du bist ein Genie.« Sie grinst, während ihre schokobraunen Augen mich vorsichtig mustern. Manchmal sieht sie mich an, als würde sie auf etwas warten, aber ich habe keine Ahnung worauf. Und das macht mich nervös. Für gewöhnlich weiß ich genau, was mein Gegenüber von mir will oder im Begriff ist zu tun. Eine Eigenschaft, die auf dem Fußballplatz äußerst hilfreich ist, bei Bree allerdings gänzlich versagt.
»Seit wann arbeitest du hier?«, will ich von ihr wissen, obwohl es völlig überflüssig ist, da ich jeden Tag hier bin und sie noch nie hinter der Theke gesehen habe.
»Heute«, antwortet sie knapp. Dieses Detail hätte mir meine Schwester durchaus mitteilen können, als sie mir vorhin wegen Brees Radio auf die Nerven gegangen ist.
Da ich kein Profi im zwanglosen Small Talk bin und die Schlange hinter mir immer länger wird, besinne ich mich auf den eigentlichen Grund, der mich hierhergeführt hat.
»Ich hätte gerne einen schwarzen Kaffee. Bekommst du das hin?«
Ihre Augen werden schmal. Vermutlich habe ich sie gerade beleidigt. Sollte es so sein, war das nicht meine Absicht. Allerdings habe ich auch nicht die Ambition, Sympathiepunkte bei ihr zu sammeln. Im Gegenteil.
»Warum wundert es mich nicht, dass dein Kaffeegeschmack deiner Seele entspricht?«, schießt sie mit einem zuckersüßen Lächeln zurück.
»Offensichtlich bist du cleverer, als du aussiehst.« Meine Miene bleibt zwar völlig ausdruckslos, aber ich muss zugeben, dass mir unser kleiner Schlagabtausch allmählich Spaß macht. Sie wendet den Blick ab und nimmt einen Pappbecher vom Stapel. Zu meiner Überraschung greift sie nach einem Stift und schreibt etwas darauf, bevor sie den Kaffee einfüllt. Wenn sie mir ihre Telefonnummer zustecken will, soll sie es lassen. Ich bin nicht interessiert.
»Das macht drei Dollar, bitte«, sagt sie und stellt den Becher auf dem Tresen ab.
»Passt so«, versichere ich ihr, als ich ihr fünf Dollar reiche. Gekonnt ignoriert sie meine Aussage und legt das Wechselgeld auf das keine Holzschälchen. Was ich wiederum ignoriere, indem ich es einfach liegenlasse. Ich greife nach dem Becher und drehe ihn so herum, dass ich Brees Kritzelei lesen kann.
Idioten muss man nicht suchen. Die melden sich von selbst!
Der Glückskeks hat ja keine Ahnung, wen sie hier gerade herausfordert. Aber Mut hat die Frau, das muss ich ihr lassen. Wie weit er sie am Ende bringt, wird sich zeigen. Ein breites Grinsen schleicht sich auf mein Gesicht. Damit es von ihr unbemerkt bleibt, wende ich mich ab und verlasse das Barneys. Vor der Tür angekommen beschleunige ich meinen Schritt, um nicht zu spät zum Training zu kommen.
Bree
Der Typ hat echt Nerven. Grundsätzlich bin ich so etwas wie ein Harmonieeichhörnchen, aber Nick Mitchell triggert eindeutig die Teufelin in mir. Ein Blick in sein mürrisches Gesicht und ich hebe ab wie eine Boeing 747. Oder ich verwandele mich in den Hulk, der ihn in Stücke reißen will, um anschließend seine Überreste bei einem Tänzchen ums Feuer in die Hölle zu befördern. Es ist mir schleierhaft, wie der Kerl mir vor ein paar Monaten auch nur einen Hauch Sympathie für sich entlocken konnte. Dass er die Liste der heißesten Typen der UVa anführt, könnte dafür der springende Punkt gewesen sein. Für visuelle Reize bin ich leider extrem empfänglich.
Groß, sportlich, breite Schultern und dunkle Locken, die ein Eigenleben führen und dennoch immer irgendwie perfekt liegen, haben meine Hormone direkt in Aufruhr versetzt. Aber dann habe ich den Fehler gemacht und etwas genauer hingesehen. Sturmgraue Augen eingerahmt von dichten dunklen Wimpern. Nick mag ein Meister darin sein, seine Mimik zu kontrollieren, aber diese Augen sind ein Freifahrtschein in seine Seele. Allerdings hat er sich dafür entschieden, ein Arschloch zu sein. Gutes Aussehen tröstet leider nicht über den beschissensten Charakter der ganzen Weltbevölkerung hinweg. Okay, das ist vielleicht etwas übertrieben. Man braucht nur in einem Geschichtsbuch zu blättern, um zu wissen, dass bereits eine beachtliche Anzahl von Idioten auf unserer Erde ihre Spuren hinterlassen hat. Dagegen ist Nick das Seepferdchen in einem Haifischbecken. Dennoch treibt er mich in den Wahnsinn.
Nur zu gern hätte ich ihm seine zwei Dollar Trinkgeld hinterhergeworfen, stattdessen nehme ich sie und stecke sie in die Spendenbox für das örtliche Kinderhospiz. Dann hat der Kerl wenigstens einmal in seinem Leben etwas Gutes getan. Auf eine Begegnung direkt in meiner ersten Schicht hätte ich durchaus verzichten können. Wem man den Kaffee serviert, kann man sich aber nicht aussuchen. Mir war bewusst, dass er hier früher oder später auftauchen würde. Ich hatte nur nicht erwartet, sofort über den Tresen hechten und ihn schütteln zu wollen, bis ihm seine selbstgefällige Art vergeht.
»Hey, Nick ist weg, du musst nicht sabbernd die Tür anstarren.« Schnaubend drehe ich mich zu Kira um. Noch so etwas Unvorhergesehenes. Als ich letzte Woche die Zusage für den Job bekommen habe, hat sie hier noch nicht gearbeitet. Denn wenn es so gewesen wäre, hätte ich eher eine Anstellung als Nachtclubtänzerin in Betracht gezogen. Nick und sie würden ein fantastisches Paar abgeben. Beide sind so sympathisch wie Fußpilz.
»Musst du nicht Geschirr spülen oder so?«, zische ich sie an. Die alberne Cheerleaderinnenschleife, die sie im Haar trägt, wippt, als sie auf einen der Tische zusteuert, um ihn abzuräumen. Mit einem zufriedenen Lächeln wende ich mich dem Typen zu, der direkt hinter Nick stand. Er trägt eine unendliche Anzahl Sommersprossen in seinem Gesicht zur Schau.
»Hey, was bekommst du?«, frage ich.
Freundlich lächelt er mich an. »Hi. Einen Kaffee zum Mitnehmen. Hell und süß, entsprechend meiner Seele, versteht sich.« Sein Grinsen wird breiter.
Wow, was ein Scherzkeks. Genervt verdrehe ich die Augen, was ihm nicht entgeht.
»Sorry. Ich fand das irgendwie witzig, war es aber nicht, oder?« Ich betrachte ihn genauer. Braune Augen, die mich hinter einer dunklen Brille aufrichtig anblicken. Blond gelockte Haare, die ihm wild in die Stirn fallen. Schlanke Figur. Er ist attraktiv. Würde auf seiner Brust nicht das Logo der Virginia Kings prangen, würde ich auf seinen Flirtversuch eingehen. Aktuell reicht mir ein durchgeknallter Fußballer völlig.
»Nein, war es nicht. Eine Karriere als Stand-up-Comedian solltest du nicht in Betracht ziehen.«
Ein Lachen verlässt seine Lippen und ich habe keinen Zweifel daran, dass er einer von den guten Jungs ist. Die erkenne ich auf hundert Meter Entfernung. Nur leider entsprechen sie selten dem Typ Mann, der mein Herz höherschlagen lässt.
»Darf ich?«, fragt er und deutet auf den kleinen Block, der auf dem Tresen liegt. Ich weiß genau, worauf das hier hinauslaufen wird. Da ich grundsätzlich kein unhöflicher Mensch bin, schiebe ich ihm den Block zu und reiche ihm einen Stift, bevor er danach fragen kann. Aber ich bin absolut nicht interessiert. Während er seine Telefonnummer aufschreibt, bereite ich seine Bestellung zu.
Nachdem er bezahlt hat, kratzt er sich verlegen am Hinterkopf. »Ich würde mich wirklich freuen, wenn du dich meldest. Ich möchte die Frau, die Mitchell so öffentlich einen Tritt in die Eier verpasst, wirklich gerne kennenlernen.« Dann schiebt er den Block zurück in meine Richtung und zwinkert mir zu, bevor er das Barneys verlässt.
Jonah Hall. Er hat tatsächlich seinen Nachnamen dazugeschrieben. Fehlen nur noch seine Adresse und eine aktuelle Bankauskunft. Hall? Bei dem Namen klingelt irgendwas …
Anstatt die Nummer direkt in den Mülleimer zu befördern, reiße ich sie vom Block, falte den Zettel zusammen und verstaue ihn in meiner hinteren Hosentasche. Man soll schließlich niemals nie sagen, und er ist wirklich süß.
***
Wie versprochen wartet Jolee nach meiner Schicht vor dem Barneys. Lächelnd reiche ich ihr den Schokomilchshake, den ich ihr mitgebracht habe, weil ich weiß, wie gerne sie die mag.
»Genau deswegen bist du meine beste Freundin.« Sie grinst und nimmt mir den Becher gierig aus der Hand.
»Weil ich dir einen Milchshake besorgt habe?«
»Ja, und weil du mir nicht böse sein kannst.« Aha, daher weht der Wind.
»Was hast du angestellt?« Gemeinsam gehen wir die paar Schritte zum Parkplatz, auf dem ich meinen klapprigen Ford abgestellt habe. Ich liebe die alte Karre, auch wenn sie dringend ein paar kleinere Reparaturen nötig hat. Der Grund, warum ich nun neben dem College jobben muss.
»Eventuell habe ich Nick gebeten, dein Autoradio zu reparieren und sich bei der Gelegenheit gleich noch deinen Wagen anzusehen?«
Das hat sie nicht, oder? Doch hat sie.
Bei einer Sache hat sie allerdings recht, ich kann ihr einfach nicht böse sein. Und dass sie ihren Bruder gefragt hat, wundert mich nicht, immerhin hatte ich ihr vor Wochen versprochen, es selbst zu tun, und es im selben Moment wieder verworfen. Ich gehöre nicht zu den Personen, die andere gerne um Hilfe bitten und da spielt es überhaupt keine Rolle, ob es sich dabei um Nick handelt oder nicht.
»Das erklärt, warum dein Bruder heute besonders charmant drauf ist.« Für gewöhnlich macht Nick einen Bogen um mich und vermeidet jegliche unnötige Unterhaltung. Er ist der einzige Mensch, der mich auf die Palme bringt, ohne dafür den Mund aufmachen zu müssen. Ein Blick aus seinen grauen Augen und ich verspüre den Drang, sie ihm auszukratzen. »Lass mich raten, er hat Nein gesagt?«
»Ja, aber ich habe nicht vor, ihn vom Haken zu lassen.«
»Warum werde ich das Gefühl nicht los, dass es dir nicht in erster Linie um mein Radio geht?«
»Weil du mich einfach zu gut kennst.« Sie nimmt einen Schluck aus ihrem Becher. Abwartend sehe ich sie an. Meine beste Freundin seufzt. »Ich setze darauf, dass du seine guten Seiten zum Vorschein bringst, wenn er gezwungen ist, etwas Zeit mit dir zu verbringen. Das ist deine Zauberkraft.«
Jetzt kann ich mir ein Lachen nicht verkneifen. Das ist das Bescheuertste, was ich je gehört habe.
»Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich nicht die richtige Person bin, um deinen Bruder auf den rechten Weg zu bringen. Steck Nick und mich in einen Raum und ich schwöre, nur einer von uns beiden kommt lebend heraus.«
»Wirklich? Ich erinnere mich da an einen Morgen, an dem du gänzlich unversehrt aus seinem Zimmer gekommen bist. Offensichtlich habt ihr diese Nacht beide überlebt.« Ihr Grinsen ist so wissend, dass ich aus Reflex die Augen verdrehe.
Ja, es gab da diese eine Nacht, in der ich seinem Bad-Boy-Charme zum Opfer gefallen bin. Aber das war, bevor mir klar wurde, was für ein Arschloch Nick tatsächlich ist. Nicht diese Art von Arschloch, die man anschmachtet, weil man glaubt, es brauche nur die richtige Frau an seiner Seite. Nein, er ist einer dieser Typen, die keine Frau der Welt retten kann. Bei ihm ist der Kern genauso hart wie die Schale. Ein hoffnungsloser Fall. Manchmal wundert es mich, wie Geschwister so unterschiedlich sein können. Jolee ist liebevoll und großherzig. Und Nick … Na ja, keins von beidem.
Inzwischen haben wir meinen Wagen erreicht und setzen uns auf die Motorhaube, um unsere Getränke mit Blick auf den Campus zu genießen. Die alten Backsteingebäude und die hochgewachsenen Bäume sind traumhaft. Das Gelände ist nicht besonders groß und strahlt etwas Gemütliches aus. Das Highlight ist der Teich mit Fontäne, den man von jedem Gebäude aus sehen kann, da sie kreisförmig drumherum angeordnet sind und er das Zentrum bildet. Bunte Blumenbeete verleihen dem Ganzen eine absolute Wohlfühlatmosphäre. Ich liebe den Campus von Charlottesville, seit ich ihn vor zwei Jahren das erste Mal betreten habe.
»Darf ich dich erinnern, dass weder er noch ich Interesse daran haben, uns einander zu nähern? Du hast vor, Amor zu spielen, stimmt’s?«
Prompt verschluckt sie sich an ihrem Milchshake, weil ich ihr diese Tatsache ungefiltert um die Ohren haue. Man muss kein Genie wie Jolee sein, um ihre Absichten zu durchschauen. Gesunder Menschenverstand reicht völlig aus. Sie meint es nur gut, das weiß ich. Trotzdem beißt sie da bei mir auf Granit. In diesem Punkt bin ich von Nick kuriert. Gefühle sind das eine, Vernunft das andere. Und im Augenblick bin ich sehr froh darüber, dass mein Verstand die Gefühle unter Kontrolle hat.
»Du hast mich ertappt«, gibt sie zu und wirkt dabei nicht eine Spur verlegen.
Es ist mir schleierhaft, wie sie darauf kommt, mich mit ihrem Bruder verkuppeln zu wollen. Ich meine, sie hat doch Augen im Kopf. Aber was viel wichtiger ist, sie kennt Nick und weiß ganz genau, wie er tickt. Warum will sie mir so einen Idioten auf die Brust binden?
»Du weißt hoffentlich, wie bescheuert dein Vorhaben ist?« Das tut sie doch, oder? So naiv ist sie nicht. Sie kann ihre rosarote Brille nicht einfach weiterreichen und hoffen, dass sie mir passt. Mit Kyle hat sie den Jackpot geknackt, aber ihr Bruder ist für jede Frau eine Zumutung. Meine Vernunft hat mich genau einmal verlassen und dazu geführt, dass ich mit Nick im Bett gelandet bin. Und im Grunde hatte da auch Jolee ihre Finger im Spiel. Hätte sie mich nicht dazu überredet, ihren Bruder nach Hause zu bringen, während sie Kyle nach einer Schlägerei in die Notaufnahme begleitet hat, wäre es nie zu diesem One-Night-Stand gekommen. Und an das anschließende Gefühlschaos will ich gar nicht erst denken. Nick hatte schneller einen Riegel vorgeschoben, als ich überhaupt hatte begreifen können, was genau da zwischen uns passiert ist.
»Bescheuert vielleicht, aber nicht ausweglos.« Sie meint das wirklich ernst. Wow! Ich bin mir nicht sicher, ob ich amüsiert oder entsetzt bin.
»Wie kommst du überhaupt auf die Idee, dein Bruder könnte an mir interessiert sein?« Auf die Antwort bin ich wirklich gespannt.
»Ha! Ich habe es gewusst.« Als hätte sie gerade beim Dosenwerfen den Hauptpreis gewonnen, klatscht sie begeistert in die Hände. Wenigstens hat sie vorher den Milchshake abgestellt, sonst wäre der jetzt in hohem Bogen durch die Luft geflogen. Verwirrt sehe ich sie an.
»Was hast du gewusst?«, hake ich nach, weil meine Leitung eindeutig länger als die ihre ist.
»Du hast mich gefragt, warum ich glaube, Nick könnte an dir interessiert sein, und nicht abgestritten, dass du an ihm interessiert bist. Das lässt mich schlussfolgern, du stehst auf meinen Bruder.« Wie bitte?
»Was du da sagst, ergibt überhaupt keinen Sinn«, merke ich an. Wie Jolee anhand meiner Frage zu diesem Ergebnis kommt ist mir ein Rätsel. Ihr Bruder ist ein Idiot, das macht ihn nicht gerade zu meinem Traummann. Ich habe angenommen, das wüsste sie inzwischen, immerhin vergeht kaum ein Tag, an dem ich mich nicht über Nick Mitchell aufrege.
»Leugne es ruhig, Bree O’Donell, aber ich habe dich durchschaut.«
»Ich bin mir gerade nicht sicher, ob ich die neue Jolee mag.«
Grinsend streckt sie mir als Antwort die Zunge heraus. Um dieses mehr als eigenartige Gespräch zu beenden, rutsche ich von der Motorhaube und steige in meinen Wagen. Jolee tut es mir gleich und nimmt den Beifahrersitz ein.
Nick und ich … Pah, eher friert die Hölle zu.
***
»Warte, ich hole noch schnell die Post aus dem Briefkasten«, sage ich zu Jolee, die bereits die Treppe nach oben geht. Ich trete wieder hinaus ins Freie, weil die Briefkästen außen am Haus angebracht sind. Zwischen der wöchentlichen Reklame steckt ein Brief. Wir bekommen selten Post. Neugierig werfe ich einen Blick auf den Absender. Was will denn die Hausverwaltung von uns? Hastig reiße ich das Kuvert auf und überfliege die Zeilen.
»Was zum Teufel …« Die verarschen uns, oder? Das hier ist eine Episode der versteckten Kamera. Bitte recht freundlich lächeln, während wir Sie aufs Korn nehmen. Denn das kann unmöglich wahr sein.
»Kommst du?« Jolee steckt den Kopf durch die Tür. »Alles okay?«, fragt sie, als ihr mein entsetztes Gesicht auffällt. Ich reiche ihr den Brief, weil ich das wirklich einen Augenblick lang sacken lassen muss. Sie liest die wenigen Sätze einmal und dann ein weiteres Mal.
»Sie werfen uns aus der Wohnung?«
»Die offizielle Begründung lautet Räumung zwecks Eigenbedarfes des Eigentümers. Aber ja, sie schmeißen uns raus.«
»Können sie das so einfach machen?«
Weil ich keine Ahnung habe, zucke ich mit den Schultern. »Sieht ganz so aus.«
»Und was machen wir jetzt?« Jolee blinzelt fassungslos.
»Suchen wir uns innerhalb der nächsten vier Wochen eine neue Bleibe.«
Nick
Seit zwanzig Minuten scheucht uns Coach Marten in kurzen Sprints über den Platz. In verschiedenen Abständen stehen Kegel, die angelaufen werden müssen, bevor wir anschließend zur Grundlinie zurücksprinten. In Zweierteams stehen wir nebeneinander. Mein Partner ist Jonah Hall, der mich jedes verdammte Mal abhängt. Der Kerl ist so verflucht schnell und atmet nicht mal schwer, sobald wir zurück am Startpunkt stehen. Ständig wirft er mir vermeintlich unauffällige Seitenblicke zu. Er gehört zu Sams Truppe, was zwangsläufig bedeutet, dass wir keine Freunde sind.
Ein Pfiff ertönt. Kyle und Phoenix sind an der Reihe. Die beiden haben eine gute Kondition und verfügen über eine ähnliche Grundschnelligkeit. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sie beinah zeitgleich den ersten Kegel umrunden.
»Was?«, zische ich Jonah neben mir an, als er mir einen erneuten Blick zuwirft.
»Nichts«, antwortet er erschrocken. Hat er ernsthaft gedacht, ich würde nicht bemerken, wie er mich anguckt? Es ist eine Schande, dass Jonah sich an Sam Campell klemmt, denn eigentlich ist er ein netter Kerl. Vermutlich glaubt Hall, Campell poliert sein Image auf und hilft ihm dabei, leichter an Frauen heranzukommen. Der Volltrottel hat eine erstaunlich gute Quote.
»Für nichts starrst du mich erstaunlich oft von der Seite an. Also spuck es aus oder konzentrier dich auf das Training.«
»Okay. Ich habe mich gefragt, ob zwischen dir und der Kleinen aus dem Barneys etwas läuft?« Was? Ich kann nicht verhindern, dass seine Frage mich für einen Augenblick aus dem Konzept bringt. Meint er Bree oder eine der anderen Kellnerinnen?
»Hä? Du musst schon ein bisschen konkreter werden. Ich habe keinen Plan, von wem du redest.« Der Pfiff des Coaches lässt Jonah zusammenzucken. Ich blicke nach vorn, um nachzusehen, wer gerade an der Reihe ist. Wenn Coach Marten uns beim Quatschen erwischt, brummt er uns im Anschluss Strafrunden auf. River gegen Sam. Ein Grinsen schleicht sich auf meine Lippen, als River Campell unauffällig den Mittelfinger entgegenstreckt.
»Harris, zwei Strafrunden um den Platz!«, brüllt der Coach. War wohl doch nicht so unauffällig.
»Mit dem größten Vergnügen, Coach.« River grinst zufrieden und setzt sich direkt in Bewegung.
»Die Brünette«, spezifiziert Jonah neben mir seine Frage von eben.
»Welche Brünette?«, frage ich, weil ich den Faden verloren habe. Worüber hatten wir uns gerade unterhalten? Ich neige dazu, Unterhaltungen auszublenden, wenn sie mich langweilen oder keine Relevanz haben. Jonah fällt für gewöhnlich in beide Kategorien.
»Aus dem Barneys. Ich stand vorhin hinter dir und habe zufällig eure Unterhaltung mitbekommen.« Okay, er meint Bree. Den Impuls, dass mir seine Antwort nicht gefällt, ersticke ich sofort im Keim. Bree ist hübsch. Es ist völlig verständlich, dass andere Männer sie attraktiv finden.
»Wenn du unser Gespräch belauscht hast und nicht gänzlich dämlich bist, kommst du von selbst auf die Antwort.« Dass er überhaupt in Erwägung zieht, zwischen ihr und mir könnte etwas Laufen, ist lächerlich.
»Wollte nur sichergehen. Ich würde dir ungern in die Quere kommen«, antwortet er.
Mein Kopf schnellt in seine Richtung. Er verarscht mich, oder? »Bree ist die beste Freundin meiner Schwester. Falls du also nicht vorhast, die Seiten zu wechseln, solltest du die Finger von ihr lassen.« Jetzt verteile ich schon gut gemeinte Ratschläge. Im Grunde ist es mir egal, ob er sich an den Glückskeks heranschmeißt, aber es wäre mir nicht egal, sollten sich unsere Lager mischen. Dass Jolee und Bree nun Teil unserer Gruppe sind, reicht mir vorerst. Ich bin nicht besonders erpicht darauf, neue Leute in meinen engeren Kreis hineinzulassen.
»Mitchell, Hall, braucht ihr eine Extraeinladung?« Shit! Genau das hatte ich vermeiden wollen. Beim Coach stehe ich schon seit meinem ersten Jahr an der UVa auf der Abschussliste. Ich bin ein paarmal nach einer durchzechten Nacht zu spät zum Training erschienen und habe es damit direkt bei ihm auf die Blacklist geschafft. Dass ich mich auf dem Spielfeld bereitwillig in jede verbale Auseinandersetzung mit dem Gegner werfe, macht meine Situation auch nicht gerade besser. Hätte er eine vernünftige Alternative zu mir, würde er mir die Handschuhe mit einem breiten Lächeln abnehmen. Der Vorteil am Torwartsein ist ganz klar, dass die wenigsten Fußballer einer sein wollen. In der Jugend zieht es einen auf das Feld und nicht zwischen die Pfosten. Toreschießen ist um einiges geiler, als hinter sich zu greifen und den Ball aus dem Netz zu fischen.
Jonah stammelt eine Entschuldigung und stellt sich an die Startlinie. Mich für etwas zu entschuldigen, widerspricht meiner Natur. Was hauptsächlich daran liegt, dass mir grundsätzlich nichts leidtut. In dem Moment, als ich mich auf die Unterhaltung eingelassen habe, hatte ich die möglichen Konsequenzen bereits in Betracht gezogen und sie billigend in Kauf genommen. Mag sein, dass es respektlos erscheint, dem Training nicht meine volle Aufmerksamkeit zu schenken, aber wäre es nicht auch unhöflich gewesen, Jonah zu ignorieren? Offensichtlich hat ihn diese Frage beschäftigt und seine Konzentration beeinflusst. Streng genommen habe ich dem Coach einen Gefallen getan, denn jetzt ist Hall voll fokussiert.
Der Pfiff ertönt und Jonah hat mich bereits nach fünf Metern abgehängt. Scheiße! So viel zum Fokussiertsein. Anscheinend habe ich meinen Kopf in der Umkleide vergessen. Wohl eher im Barneys, huscht es für den Bruchteil einer Sekunde durch mein Hirn. Ich hasse es, dass ich mir tatsächlich Gedanken über den Glückskeks und Jonah mache.
Mit etwas zu viel Geschwindigkeit umrunde ich den letzten Kegel und rutsche auf dem feuchten Rasen weg. Fuck! Gelächter schlägt mir von der Grundlinie aus entgegen. Solche Anfängerfehler passieren mir nicht, verdammt! Mir bleibt nichts anderes übrig, als Jonah dabei zuzusehen, wie er mich endgültig abhängt. Fluchend rappele ich mich wieder auf und klopfe mir den Dreck von den Klamotten, anschließend jogge ich zu den anderen.
»Mitchell, ich wusste es, dein sportliches Niveau reicht nicht über die Middle School hinaus«, feixt Sam. Ich balle die Hände zu Fäusten. Mein Blick huscht zum Coach, der sich gerade mit Mase unterhält und ihm anerkennend auf die Schulter klopft. Den Moment nutze ich und baue mich vor Sam auf.
»Wenn du nicht willst, dass ich deine Visage in den Rasen drücke, gehst du mir besser aus dem Weg und behältst deinen Bullshit für dich, Campell«, sage ich und verpasse ihm einen Stoß mit der Schulter, als ich an ihm vorbeigehe und mich in die Gruppe einreihe.
»Ich denke, ich werde es auf einen Versuch ankommen lassen«, flüstert Jonah, sobald ich neben ihm stehe. Das habe ich befürchtet. Was erwartet er jetzt von mir? Dass ich ihm viel Erfolg wünsche? Wenn ich ihm stecke, dass ich bereits mit Bree im Bett war, würde er sein Vorhaben sicher nicht in die Tat umsetzen. Aber ich rede prinzipiell nicht über meine One-Night-Stands. Zum einen geht es niemanden etwas an und zum anderen ist es einfach eine Sache des Respekts, sich nicht mit seinen Errungenschaften zu brüsten. Er braucht weder meinen Segen noch meinen Zuspruch. Daher erspare ich uns beiden eine Antwort.
Weitere dreißig Minuten jagt uns der Coach kreuz und quer über den Platz. Mal mit, mal ohne Ball. Zum Schluss stehen Freistöße kurz vor dem Sechzehner auf dem Plan. Kyles Spezialität. Bei dieser Übung haben wir unsere ganz persönliche Challenge: Trifft er drei von fünf, zahle ich unser Essen. Schafft er es nicht, zahlt er.
Wie festgenagelt stehe ich zwischen den beiden Pfosten auf der Torlinie und nehme meinen besten Freund ins Visier. Ein Schritt nach rechts oder links und Kyle haut das Ding in den Kasten. Die Kunst besteht darin, so lange stehen zu bleiben, bis er sich für eine Ecke entschieden hat, und dann blitzschnell zu reagieren. Ein bisschen Glück gehört natürlich auch dazu, denn Blackmoore begeht selten den Fehler, zu zucken und mir damit einen Hinweis auf seine Schussrichtung zu geben. Mein bester Freund nimmt drei Schritte Anlauf und zimmert das Leder in die obere rechte Ecke, bevor meine Füße überhaupt den Rasen verlassen, um den Ball mit den Händen abzufangen. Er streift dabei nicht einmal die Trainingsdummies, die die Mauer darstellen. Fuck! Fluchend hole ich den Ball aus dem Netz und befördere ihn zu ihm zurück.
***
»Okay, was ist los?«, fragt Kyle, als wir nach dem Training gemeinsam zum Parkplatz gehen. Vier von fünf Treffern, was für eine beschissene Quote. Wäre ich richtig bei der Sache gewesen, hätte er höchstens einen davon versenkt.
»Glaub nicht, ich hätte nicht bemerkt, dass du die letzten beiden absichtlich mies geschossen hast«, platze ich heraus. Ich würde wirklich gerne behaupten, dass Jonahs blödes Gequatsche schuld an meiner Unkonzentriertheit ist, aber das wäre gelogen. Es sind die Veränderungen, die sich in den letzten Monaten in meinem Umfeld abspielen, die mir das Gefühl geben, entgegen der Erdrotation unterwegs zu sein, und mich völlig aus der Bahn schmeißen.
»Warum hast du sie dann nicht gehalten?«
»Weil ich entscheiden will, was wir heute zu Abend essen.« Das ist mit Abstand die dämlichste Erklärung, die je meine Lippen verlassen hat. Kyle bleibt abrupt stehen. Unbeirrt gehe ich weiter. Eine Erläuterung für diese miese Begründung abzugeben, wäre verschwendete Energie. Um mir den Unsinn zu glauben, ist mein bester Freund zu clever. Aber vor allem kennt er mich zu gut und weiß, ich würde ihn nie gewinnen lassen. Ich öffne die Fahrertür meines Land Rovers und befördere die Sporttasche auf den Beifahrersitz.
»Wir sehen uns zu Hause. Ich halte bei Moe’s an und organisiere uns was Anständiges zu essen.« Seinen Protest warte ich gar nicht erst ab, sondern steige ein und starte den Motor. Kyle hasst das Essen aus Moe’s Diner. Das ist meine Antwort darauf, dass er sich mit Jolee gegen mich verschworen hat.
***
Als ich die Wohnung eine halbe Stunde später betrete, riecht es nach Essen. Will er mich verarschen?
Ich kicke die Schuhe von meinen Füßen und schlage den Weg in die Küche ein. Im Türrahmen bleibe ich stehen. Jolee steht am Herd, einen Kochlöffel in der Hand. An das Bild, wie sie sich völlig frei in unserer WG bewegt, habe ich mich noch immer nicht gewöhnt. Die Badezimmertür quietscht, als sie geöffnet und wieder geschlossen wird. Kyle taucht hinter mir auf. Ich werfe ihm einen Blick über die Schulter zu. Er kommt direkt aus der Dusche, denn er trägt nur ein Handtuch um die Hüften. Keine Ahnung warum, aber in diesem Augenblick komme ich mir mit den braunen Papiertüten in der Hand vor wie der Liefertyp, der sich in der Tür geirrt hat.
»Sorry. Wenn du nicht so davongerauscht wärst, hätte ich dir sofort gesagt, dass Jolee heute für uns kocht. Hast du nicht auf deinem Handy nachgesehen? Ich habe dir eine Nachricht geschickt.« Nein, das habe ich nicht, weil es irgendwo in meiner Sporttasche vergraben liegt.
Jolee wendet sich uns zu und sieht erst Kyle, dann mich fragend an. Plötzlich wird es mir in dem Raum zu eng. Ohne nachzudenken, öffne ich den Mülleimer, lasse Kyles Essen hineinfallen und verlasse wortlos die Küche.
»Nick«, ruft Kyle mir nach.
»Jetzt nicht«, brülle ich zurück, ziehe meine Schuhe wieder an und verschwinde aus der Wohnung.
Bree
Es ist bereits nach neun, als ich erneut das Barneys verlasse. Zum Glück ist der Reinigungstrupp noch da, sonst hätte ich mein Handy erst morgen früh holen können. Ich habe es in der Schublade des Verkaufstresens vergessen, als ich nach meiner Schicht gegangen bin. Eigentlich bin ich vorhin regelrecht aus dem Barneys geflüchtet, als Kiras Clan kurz vor Feierabend zur Tür hereingekommen ist. Seit einem Vorfall bei einer von Phoenix’ Poolpartys sind wir keine Fans voneinander. Sich mit einem Cheerleader anzulegen ist ein Kinderspiel, aber mit einer ganzen Truppe? Das übersteigt selbst meine Fähigkeiten.
Als mich eine leichte Brise erfasst, wickle ich die dünne Strickjacke fester um meinen Oberkörper. Für Mai sind die Abende doch noch recht kühl. Ich habe beinah den Parkplatz erreicht, als mir im Schein der Laterne der schwarzer Land Rover in einer der Parklücken auffällt. Nick steht auf der Fahrerseite gegen den Kotflügel gelehnt. Unmöglich komme ich unbemerkt an ihm vorbei. Mein Wagen steht nur zwei Parklücken von seinem entfernt. Was zur Hölle will mir das Universum damit sagen, dass sich unsere Wege heute bereits zum zweiten Mal kreuzen? Jedenfalls nicht, dass es Humor hat.
Noch hat er mich nicht bemerkt, weil er mit gesenktem Kopf in seiner Hosentasche wühlt. Offensichtlich sucht er irgendetwas. Im nächsten Augenblick erscheint die Flamme eines Feuerzeuges. Ich kneife die Augen zusammen. Was hat er da in der Hand? Da der Schein der Laterne nicht direkt auf ihn fällt und er nach wie vor den Kopf leicht gesenkt hält, erkenne ich in der Abenddämmerung seine Bewegungen nur schemenhaft. Etwas Glühendes erhellt minimal sein Gesicht, als er es an seine Lippen führt. Nick raucht? Beinah hätte ich laut losgelacht, weil es mich auf der einen Seite entsetzt und auf der anderen nicht wundert. Das unterstreicht sein Bad-Boy-Image nur zusätzlich. Allerdings habe ich ihn bisher noch nie mit einer Zigarette in der Hand gesehen. Aber das erklärt, warum er sich regelmäßig von Phoenix’ Partys davonschleicht, wenn er sich unbeobachtet fühlt.
Als hätte er mich bemerkt, sieht er auf. Ertappt verharrt die Zigarette länger an seinen Lippen, als es für einen Zug nötig wäre. Und jetzt? Ignoriere ich ihn und gehe einfach zu meinem Wagen? Vermutlich wäre das für uns beide besser, aber dass er den Blick nicht abwendet und seine Körperhaltung irgendwie zusammengesunken wirkt, setzt eindeutig mein Helfersyndrom in Gang. Dabei habe ich im Augenblick genug eigene Sorgen, immerhin müssen Jolee und ich innerhalb der nächsten vier Wochen aus unserer Wohnung raus. Aber man kann die Essenz, aus der man besteht, nicht ändern, nur weil man es gerne möchte. Selbst dann nicht, wenn es sich um Nick Mitchell handelt, der ganz offensichtlich einen miesen Tag hat.
Ich straffe die Schultern und gehe direkt auf ihn zu. Er runzelt die Stirn, nimmt einen letzten Zug und tritt anschließend die Zigarette auf dem Boden aus.
»Geht es dir gut?«, frage ich vorsichtig. Die spöttische Antwort, die ich erwartet habe, bleibt aus.
»Sag du es mir.« Ohne ihn um Erlaubnis zu bitten, stelle ich mich neben ihn und lehne mich ebenfalls gegen seinen Land Rover. Er wirft mir einen missbilligenden Blick von der Seite zu, sagt aber nichts.
»Ich würde sagen, du hattest einen beschissenen Tag und könntest einen Drink vertragen.« Verdammt, hoffentlich denkt er jetzt nicht, ich beabsichtige, ihn abzuschleppen. Immerhin ist es so zu unserem einmaligen Ausrutscher gekommen. Er hatte zu viel getrunken und ich hatte ihn eigentlich nur nach Hause bringen wollen, weil Jolee mich darum gebeten hatte. Als er mich dann ohne Vorwarnung geküsst hat, sind schlichtweg die Hormone mit mir durchgegangen. Zu diesem Zeitpunkt stand er auf meiner persönlichen Top-Five-Liste noch ganz oben.
Bereits in meiner ersten Woche an der University of Virginia bin ich ihm über den Weg gelaufen. Oder besser gesagt, direkt in ihn hinein. Er hat lediglich eine kurze Entschuldigung gemurmelt und ist mit den anderen Jungs den Flur entlang verschwunden. Während ich mit offenem Mund hinter ihm her starrte, hat er mich nicht einmal angesehen. Der Kerl sieht so unverschämt gut aus. Leider weiß er das auch und spielt seine Karten gekonnt aus.
Als Jolee vor ein paar Monaten bei mir einzog und beiläufig erwähnte, dass Nick ihr Bruder sei, hat mein naives Ich es für einen Wink des Schicksals gehalten. Kann man mir also wirklich vorwerfen, dass ich die Chance ergriffen habe, als sie sich mir bot? Einzig die Tatsache, dass Nick offensichtlich betrunkener gewesen ist, als ich angenommen hatte, nagt an mir. Der bittere Beigeschmack, als hätte ich ihn ausgenutzt, bleibt.
Genau einmal habe ich danach versucht, mit ihm über unsere gemeinsame Nacht zu reden. In seiner typisch charmanten Art hat er abgeblockt und mich ohne Erklärung stehen lassen. Ich habe also keine Ahnung, wie er zu alledem steht. Es ist aber nicht sonderlich schwer, es zu erahnen. Ein Thema gänzlich zu ignorieren ist eine deutlichere Antwort, als mit ausweichenden Worten zu umschreiben, dass man nicht interessiert ist.
Nick stößt sich plötzlich von seinem Wagen ab, bückt sich nach dem Zigarettenstummel und befördert ihn in den nächsten Papierkorb. Wieder einmal wird er mich ohne eine Erklärung stehen lassen. Aber was habe ich erwartet, dass er für mich einen Seelenstriptease hinlegt?
»Du fährst«, sagt er knapp und sieht mich abwartend an, als ich keine Anstalten mache, mich vom Fleck zu bewegen.
»Wie bitte?« Ich muss mich verhört haben oder er will mich auf den Arm nehmen.
»Bist du mit deinem Wagen hier? Wenn nicht, nehmen wir meinen.« Okay, ich checke es nicht. Habe ich versehentlich einen Schlag auf den Kopf bekommen oder vielleicht er?
»Sorry, was?« Jetzt kommt sicher der Moment, in dem er lacht und … was auch immer. Aber er wird ganz sicher nicht freiwillig mit mir in einen Wagen steigen.
»Du hast recht. Ich brauche einen Drink und du kommst mit.« Aus seinem Mund klingt das so selbstverständlich, dass ich lachen muss. Das ist absurd. Einen Augenblick lang starre ich ihn an und warte auf ein ›Ich habe dich nur verarscht‹, aber es kommt nicht. Mein Lachen verwandelt sich in ein hysterisches Glucksen. Genervt zieht er eine seiner dunklen Augenbrauen hoch. Sofort reiße ich mich zusammen.
»Du meinst das wirklich ernst?«, bringe ich etwas atemlos hervor. Der Ausdruck in seinem Gesicht wird augenblicklich hart, als hätte er einen Vorhang hochgezogen.
»Okay, wir sollten das lassen«, sagt er nahezu tonlos und drückt auf den Knopf für die Zentralverriegelung.
Mein Hintern drückt sich gegen die Fahrertür und ich versperre ihm damit den Zugang. Hätte er nicht noch vor wenigen Minuten so verloren gewirkt, würde ich ihn jetzt in seinen Wagen steigen lassen. Der Kerl ist einfach nicht gut für mich und die Gefühle, die er immer wieder aufflammen lässt, sind es noch viel weniger. Immer wenn ich denke, ich hätte sie unter Kontrolle, beweist er mir das Gegenteil. So wie in diesem Moment.
Nick bleibt direkt vor mir stehen. Instinktiv presse ich mich noch fester gegen den Wagen, um etwas Abstand zwischen uns zu bringen. Vergebens. Lässig, fast schon gelangweilt, legt er eine Hand auf das Autodach. Eine Armlänge ist keine Distanz, die verhindert, dass dir jemand zu nahe kommt. Vielmehr fühle ich mich zwischen ihm und dem Haufen Metall in meinem Rücken gefangen. Als sein Gesicht nur wenige Zentimeter vor meinem stoppt, gerät mein Herz ins Stolpern. Mieser Verräter.
»Was soll das werden?« Auch wenn seine Worte einen drohenden Unterton haben, das Funkeln in seinen Augen verrät seine Neugier.
Ich schlucke den Kloß, der sich in meinem Hals gebildet hat, hinunter und zwinge mich dazu, seinem Blick standzuhalten. »Ich habe absolut keine Ahnung«, flüstere ich und mein Blick wandert zu seinen Lippen. Verharrt dort einen Moment, bevor ich mich zwinge, ihm wieder in die Augen zu schauen. Sie sind sturmgrau, düster und warnend: Vorsicht, du bewegst dich auf dünnem Eis. Brichst du ein, rette ich dich nicht.
»Lass uns fahren«, sage ich und kann selbst nicht glauben, dass die Worte meine Lippen verlassen haben.
Er öffnet den Mund, als wolle er etwas darauf erwidern, dann schließt er ihn wieder und nickt lediglich. Wie angewurzelt bleibt er vor mir stehen. Also lege ich beide Hände auf seine Brust, um ihn ein wenig von mir zu schieben. Bei der Berührung zuckt er leicht zusammen. Einen Moment verharrt mein Blick auf der Stelle, an der meine Finger seinen Körper in Beschlag nehmen. Der dünne Stoff seines T-Shirts verhindert leider nicht, dass meine Gedanken zu jener Nacht vor ein paar Monaten zurückwandern. Es ist nicht hilfreich zu wissen, wie fest sich Nicks Muskeln unter seiner weichen Haut anfühlen. Ich hatte wirklich gehofft, ich wäre inzwischen über diesen Punkt hinweg. Wäre über ihn hinweg.
Ruckartig ziehe ich meine Hände zurück und dränge mich an ihm vorbei. »Mein Auto steht dort drüben«, presse ich hervor. Ich kann Nick hinter mir tief ein- und ausatmen hören, als hätte er für eine Weile die Luft angehalten. Krampfhaft versuche ich, mich daran zu erinnern, ob er geatmet hat, als ich ihm auf die Pelle gerückt bin. Fühlt er sich von mir bedrängt?
Fast befürchte ich, er könne in seinen Wagen steigen und einfach davonfahren. Dann höre ich das erneute Piepen der Zentralverriegelung und Schritte, die mir folgen. Hastig schließe ich meinen alten Ford auf und lasse mich auf den Fahrersitz sinken. Nick zögert einen Augenblick, bevor er die Beifahrertür öffnet und sich auf den Sitz quetscht. Im wahrsten Sinne des Wortes. Er sieht aus, als hätte man ihn zusammengefaltet, damit er überhaupt ins Wageninnere passt. Nicks Knie drücken gegen das Handschuhfach und sein Kopf stößt beinahe gegen das Autodach. Seufzend greift er unter den Sitz und schiebt ihn nach hinten, um sich ein bisschen mehr Beinfreiheit zu verschaffen. Anschließend dreht er an dem Knopf der Rückenlehne. Als ich glaube, dass er eine halbwegs bequeme Position eingenommen hat, wende ich den Blick von ihm ab und starte den Motor.
»Und wohin fahren wir jetzt?«, frage ich. Schließlich war es seine Idee, also hat er sich bestimmt Gedanken darüber gemacht, wo genau es hingehen soll.