Never say always and forever - Danae Michaelis - E-Book

Never say always and forever E-Book

Danae Michaelis

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Beschreibung

Lilianas Leben ist geprägt von Sorgen und Armut. Um ihre Familie aus diesen schlechten Verhältnissen zu holen, arbeitet sie im bekanntesten Freudenhaus Indiens. Dort lernt sie den charmanten Aleron kennen. Er ist wohlhabend und nicht nur sein durch Narben entstelltes Äußeres birgt ein großes Geheimnis. Mit Aleron beginnt Liliana eine neue Zeit des Glückes, fernab von der menschlichen Welt. Trotz ihrer Hoffnung, endlich angekommen zu sein, lernt sie kurz darauf den äußerst attraktiven Sariel kennen - und das Schicksal stellt sie vor die härteste Probe ihres Lebens.

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Seitenzahl: 295

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Impressum:

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek. Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Veröffentlicht von Danae Michaelis

14.12.2024

5. Auflage

Alle Rechte vorbehalten

Copyright © 2024 Danae Michaelis

Texte: © Copyright by Danae Michaelis

Druck: epubli, ein Service der neopubli GmbH, Berlin

Coverdesign: TomJay-bookcover4everyone/www.tomjay.de

Lektorat/Korrektorat: Feder und Flamme Lektorat

Coverdesign: TomJay-bookcover4everyone/www.tomjay.de

Bildnachweis: Lilie (©Istock-Biljana Cvetanov) Ranke (©Istock Luplupme) ©fxquadro / Depositphotos.com, ©Lemon Seed / Depositphotos.com, ©yuliang11 / Depositphotos.com

Hightower font: Copyright (c) 1996, Tobias Frere-Jones. Designed by Tobias Frere-Jones. Produced by The Font Bureau, Inc. All rights reserved.

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung der Autorin unzulässig und wird strafrechtlich verfolgt.

Never say

Always

and

Forever

Des Schicksals

Verzweiflung

Danksagung

Als Erstes danke ich meiner Mutter.

Dafür, dass sie sich jedes Mal wieder mit einer riesigen Geduld all meine Ideen anhört. Sich dann meine unfertigen Manuskripte durchliest und durch meinen Gedankenwirrwarr kämpft, bis es eine fertige Geschichte ergibt.

Dann danke ich allen, die mich von Anfang bis Ende bei der Fertigstellung unterstützen. Dazu gehören meine Lektorin/Korrektorin und Klappentextgestalterin, sowie meine Zweitkorrektorin, mein Coverdesigner und natürlich alle Blogger und Leser, die mich immer supporten!

Ohne euch wäre ich niemals so weit gekommen!

„Am Anfang hätte ich nie gedacht, dass mein Leben solche Bahnen

nehmen würde.“

Prolog

Kennt ihr das?

Euer Leben ging von Anfang an gewaltig schief. Es gab nie etwas Gutes und mehr als einmal habt ihr euch gewünscht, es möge endlich besser verlaufen. Oder ihr könntet das Leben von jemand anderem leben?

Genau so ging es mir schon immer.

Seit ich denken kann, glich mein Leben einem katastrophalen Theaterstück. Es lief von Anfang an schlecht und wie es aussah, hatte es nicht vor, besser zu werden.

Aber fangen wir doch ganz von vorne an.

Mein Name ist Liliana-Emilya Katsopolis und ich bin siebzehn Jahre jung.

Geboren wurde ich in Griechenland. Seit meinem zweiten Lebensjahr lebe ich jedoch mit meiner Familie in einem kleinen Armenviertel in Indien. Meine Eltern sind vor einigen Jahren mit mir hierhergezogen. In der Hoffnung, dass mein Vater in dieser Stadt einen besseren Job bekommen und mehr Geld verdienen würde.

Denn wir waren arm und lebten nur vom Nötigsten. Mein Vater hatte immer von Indien geträumt und davon, dort einen großartigen Beruf zu finden.

Vor allem, da sein Freund Vijay ihm nur Gutes von dort erzählte. Irgendwann entschloss Vater sich, diesen Traum in die Tat umzusetzen.

Lange Rede, kurzer Sinn: Eines Tages packte er all unsere wenigen Habseligkeiten ein und verkaufte seinen und Mutters Ehering. Von dem Geld organisierte er drei illegale Tickets und wir fuhren als blinde Passagiere in einem Frachtschiff nach Asien.

In Indien suchte Vater eine Wohnung, fand jedoch nichts, da er keinen Job besaß.

Somit zogen wir in eine kleine Hütte in den sogenannten Slums von Neu-Delhi. Dort war es noch schlimmer als in Griechenland. Vater rechtfertigte sich bei Mutter mit den Worten, es würde nur vorübergehend sein, bis er einen guten Job bekäme. Dass wir diese Hütte nie mehr verließen, muss ich an dieser Stelle nicht erwähnen, oder?

Vater setzte Himmel und Hölle in Bewegung, um eine annehmbare Arbeit zu finden. Er machte alles. Von Schuhe putzen, über Zeitung austragen, bis hin zum Tellerwäscher in Lokalen. Aber den Traumberuf fand er nie.

Es frustrierte ihn, dass er es nicht schaffte, seiner Frau und seiner einzigen Tochter etwas zu bieten, und etwa ein Jahr nachdem wir ausgewandert waren, fing Vater an, zu trinken. Erst nur ein, zwei Flaschen Bier am Tag.

Irgendwann waren es fünf. Später kam der Schnaps dazu, dann der teure Whiskey. Sein Konsum steigerte sich immer mehr. Am Ende war er schon morgens betrunken, bevor er überhaupt das Frühstück zu sich genommen hatte. Er ging den Tätigkeiten seiner Minijobs nicht mehr nach und wurde arbeitslos.

Von da an lag es an Mutter, sich nicht nur um den Haushalt und mich zu kümmern, sondern auch darum, dass wir Geld für Essen und Trinken besaßen.

Strom gab es bei uns nie.

Ebenso kein fließendes Wasser. Dieses musste täglich aus einem Brunnen, etwa einen halben Kilometer vom Viertel entfernt, geholt werden, damit wir uns und die Wäsche waschen oder damit kochen konnten. Den Brunnen teilten sich alle Bewohner aus den Slums und es war immer voll dort.

Mutter versuchte, mit kleinen Jobs unsere Familie über Wasser zu halten. Oft musste unser Essen, meist Suppen, über Tage gestreckt werden. Fleisch gab es selten bis gar nicht.

Geburtstagsgeschenke oder etwas zu Weihnachten bekommen?

So was kannte ich nur aus Erzählungen.

Meine Eltern konnten es sich nicht leisten, dass ich zur Schule ging. Somit lernte ich nie Lesen, Schreiben und Rechnen.

Meine Freunde lernte ich beim Spielen auf den Straßen der Slums kennen und nicht auf dem Pausenhof einer Grundschule.

So ging es acht Jahre lang.

Acht Jahre, in denen Mutter alles versuchte, um mich durchzubekommen, den Alkoholkonsum meines Vaters zu stillen und dass wir am Abend trotzdem noch etwas zu essen auf den Tisch bekamen. Acht Jahre, bis sie ein Jobangebot bekam, das ihr Leben und später auch meines gewaltig auf den Kopf stellen würde.

*

Es war an einem Nachmittag, als Mutter vom Einkaufen zurückkam.

Sie hatte etwas Kleingeld beim Putzen verdient und konnte wieder auf dem Markt einkaufen gehen. Ich muss zu dem Zeitpunkt knapp zehn Jahre alt gewesen sein. Meine Mutter kam völlig aufgelöst nach Hause. Ich fragte, was los sei und sie erzählte mir, dass sie ein Jobangebot bekommen hatte. Ich freute mich für sie und verstand ihren Kummer damals nicht.

Heute kann ich nachvollziehen, wie sie sich fühlte. Aber erst einmal zu ihr:

Auf dem Markt wurde ein Mann namens Raj Kapoor auf Mutter und ihre Schönheit aufmerksam.

Er sprach sie an und schlug ihr vor, in seinem Freudenhaus als Kurtisane zu arbeiten.

Sie müsse dort singen, tanzen, reiche Männer bewirten sowie ... all ihren Wünschen nachgehen. Und wenn ich an dieser Stelle schreibe, all ihren Wünschen, dann meine ich damit wirklich allen.

Dabei ging es größtenteils um Sex.

Jetzt könnt ihr sicher den Unmut meiner Mutter verstehen.

Ihr wurde das Angebot gemacht, sich zu prostituieren. Auf der Habenseite dieses Jobs stand eine gute Bezahlung. Wir hätten genug Geld, um uns etwas zu essen zu leisten und ein paar neue Kleider. Wir würden keinen plötzlichen Reichtum erlangen, aber es würde das Leben sicher etwas lebenswerter machen. Auf der negativen Seite stand eben, dass man sich prostituieren müsse. Gegen Geld mit fremden, wohlhabenden Männern schlafen. Egal wer, egal wann und man müsse alles tun, was sie verlangten.

Mutter wurde so erzogen, dass eine Frau nur einen Mann im Leben haben dürfe, diesen heiratet und ihm auf ewig treu war.

An diese Moral hielt sie sich streng und auch mir trichterte sie ein, wie wichtig dies für die Ehre einer Frau sei.

*

Diesen Punkt hatten wir jedoch längst überwunden.

Als ich dann noch mit einer Lungenentzündung schwerkrank im Bett lag und Mutter sich die teuren Medikamente nicht leisten konnte, schmiss sie jede Moral über Bord. Sie ging zu Raj Kapoor und nahm sein Angebot an. Dort konnte sie sofort anfangen, wurde in ihren Job eingewiesen und man erklärte ihr, was sie tun musste. Von dem Tag an war sie eine Kurtisane im bekanntesten Freudenhaus Indiens.

Die Menge an Geld, welches sie verdiente, reichte aus. Sie konnte meine Medikamente bezahlen. Vater krallte sich viel davon und versoff es. Der Rest ging für Essen und saubere Kleidung drauf. Wir konnten zwar nicht in eine bessere Wohnung ziehen oder aus den Slums raus, aber wir litten keine tägliche Hungersnot mehr.

Glaubt mir, wenn ich euch sage: Wenn man vorher jede Rupie dreimal umdrehen musste, ist man froh über jedes Stück trocken Brot, das man sich leisten kann.

*

Die Jahre vergingen und ich wurde älter.

So gut es ging, versuchte ich Mutter im Haushalt zu unterstützen.

Ich wusch die Wäsche, mit der Hand versteht sich, denn eine Waschmaschine und Strom besaßen wir ja nicht, kochte das Essen, putzte die Hütte, besorgte täglich frisches Wasser beim Brunnen und ging einkaufen. Es war keine schöne Zeit und sie war sehr anstrengend.

Mutter kam oft völlig fertig und in Tränen aufgelöst nach Hause.

Aber wenn ich sie fragte, was los sei, wollte sie nie darüber reden. Sie sagte, was im Freudenhaus passierte, solle auch dort bleiben. Mutter wollte nicht, dass ich wusste, was sie Abend für Abend, Nacht für Nacht, durchleben musste.

Sagen wir so, ich konnte mir auch nicht vorstellen, was in diesem Haus abging, denn ich wurde nie aufgeklärt. Ich war in Sachen Sex und alles, was dazugehörte, ahnungslos.

Mutter versuchte, dieses Thema immer von mir fernzuhalten.

Na ja, bis zu meinem siebzehnten Lebensjahr. Mutter lieh sich Geld bei Salman Khan, ihrem Zuhälter und dem besten Freund von Raj Kapoor, damit sie mir an meinem Geburtstag einen Kuchen backen und ein kleines Geburtstagsessen, bei dem es sogar Fleisch gab, zubereiten konnte.

Natürlich wollte Salman es wiederhaben und von da an hingen er und Raj ihr täglich im Nacken. Über Monate hinweg.

Ich wusste nichts davon, ebenso wenig Vater.

Mutter erzählte uns nie, dass sie sich Geld geliehen hatte, bis zu jenem Nachmittag, an dem sich mein Leben komplett veränderte.

Mein Name ist Liliana-Emilya Katsopolis

und dies ist

meine Geschichte …

Wie alles begann

Ich kehrte gerade zum wiederholten Male vom Brunnen zurück, da an dem Tag viel Wäsche zu waschen war. Endlich kam ich mit zwei schweren Krügen zu Hause an. Völlig fertig und schnaufend hievte ich sie hinters Haus, wo der Waschtrog stand. Ich schüttete gerade Wasser in einen Topf, den ich erhitzen wollte, als ich von drinnen Stimmengewirr vernahm.

Es war eine männliche, mir unbekannte Stimme, so wie eine ängstliche, weibliche.

Die meiner Mutter.

Ich richtete mich auf und schlich um die Hütte. Vorsichtig schaute ich durch das Fenster, welches zu unserem Wohnraum führte, kauerte mich davor und hob den Kopf, um reinzusehen.

Drinnen stand ein Mann. Er war gut zwei Meter groß und wirkte durch seine Muskeln genauso breit. Er stand bedrohlich über Mutter gebeugt, die auf einem kleinen Hocker saß. Ängstlich schaute sie zu dem Mann hoch.

Entsetzt stellte ich fest, dass sie weinte.

Den Atem anhaltend versuchte ich zu hören, was sie besprachen. Dies gestaltete sich nicht als allzu schwer, denn der Mann gab sich nicht die Mühe, leise zu sein.

*

»Ich schwöre dir, wenn ich nicht bald das Geld wiederbekomme, dann wirst du dich und dein hübsches Gesicht nicht mehr im Spiegel wiedererkennen! Willst du das?«, drohte er Mutter und diese schüttelte ängstlich den Kopf.

»N-nein, Mr. Khan. Ich erklärte Ihnen doch bereits, die letzten Monate hatte ich sehr wenige Kunden. Ich habe das Geld noch nicht zusammen. Ich muss zusätzlich meine Familie ernähren und–« Weiter kam sie nicht, denn der Typ packte Mutter am Kragen und hob sie hoch.

»Es interessiert mich nicht, was mit dir oder deiner dreckigen Familie ist, verstanden? Ich will meine Kohle, und zwar bald! Wenn nicht, werde ich dein Gesicht mit einem Kanister Säure bekannt machen! Danach wird dich kein Kunde mehr anfassen. Ich hoffe, du hast das verstanden, Miststück!«

»Ja, aber–«, schluchzte sie.

»Nichts aber!«, brüllte Salman. Er hob eine Hand, holte aus und schlug ihr ins Gesicht, weshalb der Kopf meiner Mutter zur Seite flog.

Entsetzt keuchte ich auf und zuckte zurück.

Dabei stieß ich eine Vase um, die laut scheppernd zu Boden ging und zerbrach. Salman schaute auf und wir sahen uns in die Augen.

Sofort ließ er Mutter los und kam raus zu mir.

Ich wollte weglaufen, doch er war mit seinen langen Beinen in wenigen Schritten bei mir. Er packte mich grob am Arm und schaute mich mit irren, braunen Augen an.

»Wer bist du und was fällt dir ein, an irgendwelchen Fenstern zu lauschen, du freches Gör?«, faltete er mich zusammen.

Ich war nicht fähig, etwas zu sagen und starrte ihn nur fassungslos und voller Angst an.

Mutter kam raus, zog mich aus seinem Griff und stellte sich schützend vor mich.

»Nicht, Mr. Khan. Das ist meine Tochter, Liliana. Sie weiß von meinem Job und erzählt keinem etwas«, versuchte sie ihm zu erklären.

Er musterte mich mit gehobener Augenbraue, ging um sie herum und zog mich hervor. Ich wollte mich losreißen, doch er war stärker.

Salman packte meine Handgelenke und hielt mich so, dass er mich betrachten konnte. Prüfend sah er an meinem Körper hinab und wieder hoch. Ich fühlte mich unwohl unter seinem Blick, denn ich trug nur eine zerrissene Shorts, sowie ein dreckiges, bauchfreies Shirt.

Er nahm mein Kinn in seine schaufelgroße Hand und drehte mein Gesicht nach links und rechts.

»Deine Tochter, sagst du?«, fragte er Mutter und sie bejahte. Er schaute mir mit einem Ausdruck in die Augen, der nichts Gutes verheißen konnte.

»Wie alt bist du, Kleine? Hm?«, fragte er mich.

Ich schluckte.

»S-siebzehn, Sir«, antwortete ich brav, nach einem mahnenden Blick meiner Mutter.

»Hmm, ziemlich jung. Du siehst aber gut drei Jahre älter aus.« Er dachte nach und lächelte dann übertrieben freundlich.

»Nun Esmeralda«, sprach er an Mutter gewandt, »ich denke, ich habe gefunden, was den Preis deiner Schulden begleicht und werde mit Raj darüber sprechen.« Ich schaute verwirrt, aber Mutter verstand, was er meinte.

*

Sie riss entsetzt die Augen auf.

»Nein, Mr. Khan … bitte nicht! Sie ist doch fast noch ein Kind. Das können Sie ihr nicht antun!«, flehte sie und packte Salmans Hand. Dieser warf ihr einen abschätzenden Blick zu und riss seine Hand aus ihrer.

»Was Raj und ich können und was nicht, das lass mal schön unsere Sache sein«, meinte er trocken. Salman wollte gehen, Mutter stellte sich ihm jedoch in den Weg.

»Bitte! Ich flehe Euch an. Lasst sie! Ich arbeite auch doppelt so viele Stunden bei Euch, um die Schulden abzubezahlen. Ihr könnt meinen ganzen Lohn einbehalten, bis alles beglichen ist.«

Aber Salman hörte ihr nicht zu, ging an ihr vorbei, von unserem „Grundstück“ runter.

»Du hast es vorhin selbst gesagt, Esmeralda. Du bekommst kaum noch Kunden und bist zu alt. Die Gäste wollen etwas Junges und Hübsches sehen. Eben wie deine Tochter. Bring sie morgen Abend zu uns. Und wehe, wenn nicht, dann holen wir sie mit Gewalt!«, drohte er ihr und ging von dannen.

Ich starrte ihm nach.

*

Nachdem er verschwunden war, wandte ich mich an Mutter.

»Was meinte er damit? Was für Schulden? Und wo soll ich morgen sein?« Sie schaute mich traurig an und ging, ohne ein Wort zu sagen, rein.

Sofort folgte ich ihr, dicht auf den Fersen.

»Sag doch etwas, Mutter. Wer war der Mann und was wollte er von dir?«

Sie schüttelte den Kopf.

»Es tut mir leid, mein Kind. Genau davor wollte ich dich immer bewahren und nun ist es doch passiert. Salman wurde auf dich aufmerksam. Er wird Raj von dir erzählen und dann werden sie dich dazu zwingen, als Kurtisane im Freudenhaus zu arbeiten«, erklärte sie.

Da ich immer noch verwirrt war, denn ich verstand nichts von dem, was sie sagte, seufzte Mutter.

»Du wirst morgen sehen, warum ich dich davon fernhalten wollte und dir nie erzählt habe, was ich auf der Arbeit mache. Es ist schrecklich und dass du da jetzt auch mit reingezogen wirst, tut mir leid. Ich habe mir ein besseres Leben für dich erhofft.« Mit diesen Worten machte sie sich daran, das Abendessen vorzubereiten. Ich stand wie angewurzelt da, bis ich mich dazu bringen konnte, in mein Zimmer zu gehen.

Es war ein winziger Raum, wo ein schmales Bett sowie ein Nachttisch und eine kleine Kommode reinpassten. Dann war er schon voll.

Ich schloss die Tür, an der ein zersprungener Spiegel hing, ging zu meinem Bett und legte mich darauf. Ich starrte auf die zerrissene Tapete, welche an manchen Stellen schimmelte und fast von der Wand fiel.

Tausend Dinge schossen mir durch den Kopf.

So viele Fragen.

Wer war dieser Salman Khan?

Was wollte er von Mutter?

Von welchen Schulden redete er?

Doch die größte Frage von allen war:

Musste ich wirklich in diesem Freudenhaus arbeiten und was zur Hölle tat man als sogenannte Kurtisane dort?

Heute weiß ich: In der Sekunde, als Salman auf mich aufmerksam wurde, änderte sich mein Leben von einer Sekunde zur anderen. Ich würde in eine Welt eintauchen, die man sonst nur aus Geschichten und Sagen kannte. Unvorstellbare Dinge würden passieren und die Leute um mich herum, sie wären alles, nur nicht wie wir.

„Auf dieser Welt gibt es Dinge, von denen wir nichts wissen. Manchmal, mit viel Glück,

offenbart sich einem von uns diese Existenz.

Mysteriös und geheimnisvoll.

Aber auch gefährlich und doch wunderschön.“

Blaue Augen

Ich lief neben Mutter her, einen steinigen Weg entlang. Sie ging raschen Schrittes und ich versuchte mit Mühe, hinterherzukommen. Es wirkte auf mich, als hoffte sie, dass ich nicht mit Schritt halten, und sie mich unterwegs abhängen konnte. Dies passierte nicht.

Es dauerte nicht lange und wir erreichten unser Ziel. Wir kamen dort an, wo Mutter Abend für Abend, Nacht für Nacht arbeitete.

Das Freudenhaus.

Ich schaute mich um und zupfte nervös an der Bluse, die Mutter mir für heute Abend geliehen hatte.

Den ganzen Tag hatte sie mir eingeflößt, wie ich mich zu verhalten hatte. Was ich machen durfte, und was nicht. Dass ich immer höflich sein sollte und nur dann den Mund aufmachen darf, wenn mich Raj oder Salman direkt ansprachen. Danach musste ich baden. Mutter wusch mir drei Mal die Haare und kämmte diese so lange durch, bis sie mir weich und seidig über den Rücken fielen. Ich war aufgeregt. Schließlich hatte ich keine Ahnung, was auf mich zukommen würde.

*

Dann war es so weit.

Mutter nahm meine Hand und brachte mich zu ihrem Arbeitsplatz. Wir gingen die marmornen Stufen eines edlen Hauses, welches schon einer Villa ähnelte, empor. Mutter begrüßte ein paar andere Frauen, die mich neugierig musterten.

Im Eingang stand eine wunderschöne Dame.

Ich schätzte sie auf circa dreißig Jahre. Sie trug einen grünen Rock, der bis zum Boden ging, ein freizügiges Oberteil und einen farblich passenden Sari, der zum Teil ihr Haar verbarg. Ihre Augen waren groß und von einem dunklen Braun. Sie lächelte freundlich und Mutter begrüßte sie mit einer Umarmung.

»Chandini, darf ich dir meine Tochter vorstellen? Das ist Liliana. Raj Kapoor und Salman Khan wollen sie heute sehen.« Der Gesichtsausdruck von Chandini wurde traurig. Anders konnte ich es nicht ausdrücken. Sie nickte, führte Mutter rein und ich folgte ihnen dicht auf den Fersen.

Drinnen offenbarte sich mir ein riesiger Saal.

Viele kleine Tische standen dort. In manchen Ecken lagen wunderschöne Kissen verteilt, die zum Hinsetzen einluden.

In der Mitte vom Raum befand sich ein freier Platz, um den die Tische standen. Von diesem aus hatte man einen guten Blick auf die Mitte des Raumes.

Wir durchquerten den Saal und kamen in ein kleines, schick eingerichtetes Büro. Dort saß ein älterer Mann an einem Schreibtisch und unterhielt sich mit einem anderen. Den Größeren erkannte ich sofort. Es war jener, der meine Mutter am Vortag bedroht hatte und wegen dem ich nun hier stand, Salman Khan.

Der andere musste demnach Raj Kapoor sein.

Raj war ein kleingewachsener, zur Glatze neigender Mann, Ende fünfzig. Er besaß wässrige, braune Augen und ein heimtückisches Grinsen auf seinen dünnen Lippen. Dieser Typ war mir sofort unsympathisch, nachdem ich ihn das erste Mal gesehen hatte. Ich tat, wie Mutter es mir zu Hause beigebracht hatte, hielt den Mund und blieb im Hintergrund. Chandini meldete uns an und Raj schaute von Mutter zu mir.

Er stand auf und ging um seinen Schreibtisch herum. Zu meiner Verwunderung stellte ich fest, dass Raj mindestens ein Kopf kleiner war als ich. Er strahlte eine ungeheure Macht aus, sodass ich mich nicht eine Sekunde wunderte, warum alle Respekt vor ihm hatten. Unter anderem der hünenhafte Salman, der Raj um Längen in der Größe schlug.

*

Ohne ein Wort der Begrüßung kam Raj auf mich zu, musterte mich und ging um mich herum.

Dann lächelte er und schaute zu Salman.

»Du hast nicht übertrieben, als du sagtest, die Kleine von Esmeralda wäre eine Schönheit«, sagte er begeistert. Er ignorierte alle anderen nach wie vor.

»Sie ist wirklich wunderschön und ihre Figur mehr als passabel. Die Kunden werden uns das Haus einrennen, wenn sie das Mädchen sehen.«

Er wandte sich an meine Mutter.

»Sie ist siebzehn, sagte Salman mir? Demnach noch eine Jungfrau, schätze ich, oder?«, fragte er und ich runzelte die Stirn.

Jungfrau?

Was meinte er damit?

Ich wandte den Blick von Raj zu Mutter. Diese sah aus, als hätte sie einen Geist gesehen. Sie blickte zu Boden und nickte ergeben.

»Ja, Sir. Sie ist siebzehn und unberührt«, antwortete Mutter knapp.

Raj strahlte.

»Schön, sehr schön. Genau das richtige, für dieses Etablissement. Du–«, sprach er mich nun direkt an.

»Kannst du singen und tanzen? Das wäre sehr von Vorteil«, sagte er euphorisch und ich nickte.

»Ja Sir, beides kann ich«, antwortete ich brav in einem kurzen Satz.

Raj klatschte begeistert in die Hände und ich zuckte zusammen. Er ignorierte mich wieder und drehte sich zu Salman um.

»Sie ist wirklich perfekt! Du hast da wahrscheinlich eine Goldmine gefunden. Jung, hübsch. Sie kann singen und tanzen, und ist noch eine Jungfrau. Wir werden sie zu einem hohen Preis verkaufen können«, verkündete er freudig.

Salman schaute stolz drein.

So glücklich und zufrieden Raj und Salman aussahen, so entsetzt und geschockt blickten Mutter und Chandini drein. Nach wie vor wollte ich wissen, was hier los war, traute mich aber nicht zu fragen. Salman und Raj redeten und klärten noch einige Sachen, dann wandte sich Salman an Chandini

»Du hast die Verantwortung für alle Kurtisanen im Haus. Ich möchte, dass du dem Mädchen klarmachst, was Sache ist und sie vorbereitest. Sie wird sofort anfangen und bleibt über Nacht hier. Du bist für heute freigestellt, um sie einzuweisen, verstanden?«, fuhr er sie grob an.

Chandini deutete eine kurze Verbeugung an.

»Wie Sie wünschen, Meister«, sagte sie, kam dann zu mir, nahm meine Hand und zog mich raus. Weg von Salman, weg von Raj und vor allem, weg von Mutter. Ich wollte etwas sagen, doch Chandini wies mich an, den Mund zu halten. Ich grummelte leise, tat dies aber.

*

Sie zog mich durch den Saal mit all den Tischen in einen Gang, an dem eine edle Wendeltreppe in die nächste Etage führte, sowie viele schicke Türen sich aneinanderreihten.

Chandini öffnete eine davon, geleitete mich hinein und schloss ab.

In dem Raum befand sich eine Garderobe, an der lauter Saris, Röcke und knappe, figurbetonende Kleidungsstücke hingen. An einer Wand stand ein riesiger Tisch, überfüllt mit allen Schminkutensilien, die jede Frau sich wünschen würde, sowie ein großer Spiegel. Davor stand ein Stuhl, auf den Chandini mich drückte. Ich schaute sie durch den Spiegel fragend an.

»Was ist hier los? Ich verstehe kein Wort von alldem, was gesprochen wurde. Warum wollte Mr. Kapoor wissen, ob ich singen und tanzen kann?« Nun schossen alle Fragen aus mir heraus. Ich merkte, vor Chandini musste ich keine Angst haben.

»Warum war er so begeistert von mir? Und–«, ich holte Luft, »was ist eine Jungfrau?«

Chandini, welche anfing, mein Haar zu bürsten, sah auf. Unsere Blicke trafen sich durch den Spiegel.

»Hat dir deine Mutter all die Jahre, seit sie hier arbeitet, nie gesagt, was sie hier macht?«

Ich schüttelte den Kopf und Chandini seufzte.

»Das hier ist ein Freudenhaus. Hier prostituieren sich Frauen, die sogenannten Kurtisanen, um gegen Bezahlung mit Männern zu schlafen«, erklärte sie, aber das half mir nicht weiter.

»Okay«, versuchte ich so zu tun, als wenn ich wüsste, wovon sie sprach. Doch dies tat ich nicht.

»Dann noch eine Frage. Was bedeutet: Prostituieren? Gegen Geld mit einem Mann schlafen?«

Chandini starrte mich an, als wenn ich von einem anderen Planeten käme.

»Du bist unaufgeklärt, kann das sein?«

Ich zuckte mit den Schultern.

»Wenn es bedeutet, dass ich keinen Plan habe, was hier vor sich geht, dann ja. Dann bin ich unaufgeklärt«, erwiderte ich. Chandini zog einen Hocker neben mich und setzte sich darauf. Sie nahm meine Hand und drückte diese.

»Prostitution bedeutet, mit anderen Männern Sex zu haben. Wir tun alles, wonach ihnen ist, wonach sie verlangen und werden sehr gut dafür bezahlt. Dieses Freudenhaus ist das bekannteste und begehrteste in Indien. Nur die reichsten, edelsten Männer kommen hierher. Und nur die besten Frauen gibt es hier.«

*

Sie erklärte mir grob, was Sex war, nachdem ich ratlos danach gefragt hatte.

Ich kann es nicht anders sagen, ich war entsetzt. So was Intimes und Privates zu machen, um Geld zu verdienen? Ich war schockiert. Als mir bewusstwurde, dass man dies auch von mir verlangen würde, bekam ich Panik.

»Chandini?«, flüsterte ich atemlos.

»Was ist eine Jungfrau?«

Sie sah mich traurig an.

»Eine Jungfrau ist ein Mädchen, welches noch nie Sex hatte. Sie ist unberührt«, erklärte sie mir, während sie mein Haar zurechtmachte.

»Jungfrauen sind bei den Kunden sehr beliebt. Noch kein anderer hatte diese Frau. Deswegen werden sie teuer verkauft. Du wirst Mr. Kapoor einen großen Gewinn einbringen.«

Im Gegensatz zu Raj, sagte Chandini es nicht mit Stolz, sondern mit Bedauern und Mitleid in der Stimme. Ich wollte nicht begreifen, was sie mir da erzählte.

»Also, heißt das, ich muss mit Männern schlafen, obwohl ich sie nicht liebe? Damit Raj Kapoor einen guten Gewinn bekommt?«, protestierte ich. Wohlgemerkt etwas halbherzig, denn ich wusste, ich würde eh nichts ausrichten können. Vor allem nicht gegen einen Mann wie Salman Khan. Chandini schüttelte den Kopf.

»Es interessiert keinen, was du möchtest und was nicht. Raj und Salman sind auf Profit aus und du wirst ihnen einen großen Gewinn einbringen. Zudem hat Esmeralda Schulden. Du musst diese ausgleichen, da deine Mutter nicht mehr genug Kunden bekommt.«

Sie begann mich zu schminken.

»Du tust besser daran, das zu machen, was Raj und Salman wollen, glaub mir. Denn wenn du es nicht tust–« Sie schwieg und richtete mich weiter für die Kunden her. Ich konnte mir denken, was sie meinte, und hatte Salmans Worte noch sehr gut im Kopf: „Tust du nicht das, was ich sage, wird dein Gesicht Bekanntschaft mit einem Kanister Säure machen!“

Ich schluckte. Das war also mein Schicksal.

Ich musste mich prostituieren. Für Schulden bei zwei geldgierigen Kerlen, die ich nie begangen hatte.

*

So hing ich meinen Gedanken nach.

Bis Chandini mich aus diesen riss, indem sie mich auf die Beine und rüber zur Garderobe zog.

»Du musst immer aufreizende Sachen anziehen. Sie sollen den Männern einen guten Einblick verschaffen, aber zeitgleich nicht zu viel verraten und geheimnisvoll wirken. Verstanden?« Sie zog ein indisches Gewand hervor und reichte es mir.

»Dies sollte dir passen. Zieh es einmal an und lass dich ansehen.«

Ich tat, wie sie sagte und zog die Sachen an.

Der Rock war sehr kurz. Das Oberteil knapp, bauchfrei und brachte meine Brüste sehr zur Geltung. Dazu bekam ich einen kurzen Sari, damit ich wenigstens ein bisschen was verdecken konnte. Was, wie Chandini meinte, das gewisse Etwas an geheimnisvoll einbrachte. Ich schaute mich skeptisch im Spiegel an.

»So soll ich rausgehen? Und mich vor anderen präsentieren?«

Sie nickte.

»Ja, fast. Dir fehlt nur noch eine Kleinigkeit, dann kannst du anfangen.« Sie ging zum Schminktisch, nahm einen Kajalstift und kam zu mir.Chandini malte mir einen schwarzen Punkt zwischen die Augenbrauen. Einen Bindi.

»Schwarz bedeutet bei uns im Haus Jungfrau. Damit die Kunden wissen, wie dein Stand ist. Sie werden, wenn sie dich haben wollen, zu Raj oder Salman gehen. Wenn der Preis stimmt, wirst du in ein Zimmer gebracht und dort–«

Sie stockte, man sah ihr an, dass ihr das alles nicht passte.

»Dort wirst du dann das tun müssen, was die Männer von dir verlangen.«

Chandini begann, aufzuräumen.

»Heute musst du noch nicht auftreten. Du wirst nur die Kunden bedienen. Das heißt, ihnen Getränke bringen. Mit ihnen reden, flirten und nett sein. Wenn dich jemand anspricht, was du kostest, sagst du, sie sollen zu Mr. Khan oder Mr. Kapoor gehen, verstanden? Du sprichst nicht unaufgefordert und bist immer nett und höflich. Der Ruf des Hauses hat oberste Priorität. Hast du das verstanden?«

Ich versuchte, mir alles zu merken und vor Nervosität nichts zu vergessen.

»Nett und höflich sein, gut aussehen, den Männern gefallen«, wiederholte ich.

»Ich denke, das bekomme ich hin.«

Chandini legte mir eine Hand an die Wange.

»Ich weiß, dass das alles nicht rosig ist. Mir tut es jedes Mal in der Seele weh, wenn ein junges Mädchen wie du, in diesen Job reingezogen wird. Aber es geht nicht anders. Denk an deine Mutter. Und nun ... geh raus und zeig dich mit Würde.« Damit nahm sie meine Hand und wir verließen den Raum. Gingen durch den Flur und landeten wieder in dem riesigen Saal.

*

Dieser wirkte jetzt anders als zuvor.

Wir mussten lange in dem Raum gewesen sein.

Mittlerweile war es dunkel draußen und im Saal befanden sich schon einige Kunden.

Sie saßen an diversen Tischen, und auf Kissen in den Ecken. Es waren alles gut gekleidete Männer. Man sah ihnen ihren Reichtum und Stand der Kaste an. Die Altersstufen waren bunt gemischt.

Es lief leise Hintergrundmusik. Das Licht war gedämmt. Manche Männer unterhielten sich miteinander und rauchten Wasserpfeife. Wieder andere redeten mit den Kurtisanen. Alle wunderschön gekleidet und hergerichtet.

Sie blieben freundlich, lächelten umwerfend und lachten zuckersüß über die dummen Witze der Kunden. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Ich schaute mich um, dann zu Chandini.

Diese lächelte aufmunternd.

»Du schaffst das, keine Angst. Geh einfach hin und frag, ob sie soweit zufrieden sind. Biete ihnen immer wieder etwas zu trinken an. Dann wird das schon alles. Notfalls bin ich in der Nähe.« Damit ging sie zu einer Gruppe Männer und begann selbst, ihnen Honig ums Maul zu schmieren. Kurz stand ich nur nutzlos herum.

Bis mir bewusst wurde, dass ich aus dieser Situation nicht mehr rauskommen würde. Somit holte ich tief Luft, ging ebenso zu den Tischen und unterhielt mich mit ein paar Männern, blieb immer freundlich und lächelte brav.

Die Kunden waren total angetan von mir. Spätestens dann, wenn sie den schwarzen Bindi sahen.

Es war, als wenn ein riesiges Reklameschild auf meiner Stirn leuchtete, und die Männer schauten mich begierig an.

Es war ekelig.

*

Ich ging gerade zur Bar, nachdem ich ein paar Kunden Getränke serviert hatte, um einen Augenblick Luft zu holen (mir taten die Füße extrem weh), als er hereinkam.

Mein Blick fiel auf den Eingang, wo ein junger Mann eintrat.

Er stand erst da, schaute sich mit kaltem, fast arrogantem und herablassendem Blick um. Dann ging er durch den Saal, auf der Suche nach einem freien Tisch. Ich konnte nicht eine Sekunde die Augen von ihm abwenden. So hochnäsig er auch dreinblicken mochte, man konnte ihm seine Schönheit nicht aberkennen.

Er schien in den Zwanzigern zu sein, besaß hellbraunes Haar, welches sich leicht lockte. Der Fremde hatte es nach hinten gekämmt, doch es ging ihm mindestens bis zum Kiefer. Seine Haut, rein und eben, atemberaubend schön und hell, dass die Sonne vor Neid sicher jedes Mal erblasste, wenn sie auf dieses perfekte Antlitz hinabscheinen musste. Seine Bewegungen waren fließend.

Es wirkte fast unnormal für einen Menschen, wie elegant er sich durch den Saal und die Reihen bewegte.

Er fand einen Platz und setzte sich.

Ich starrte die ganze Zeit zu ihm, bis der Barmann mich aus meinen Gedanken riss.

»Hey, Neue, da ist ein Kunde reingekommen. Na, mach schon, geh zu ihm! Wird's bald?«, fuhr er mich an und ich nickte eifrig. Ich ging durch die Reihen zu dem Braunhaarigen. Bei ihm angekommen, schaffte ich es plötzlich nicht, ihn anzusehen und starrte auf den Boden.

»Guten Abend, Sir« begann ich zu sprechen.

»Mein Name ist Liliana-Emilya und ich bin für heute Abend Ihre Bedienung. Kann ich Ihnen etwas bringen? Etwas zu trinken?«, fragte ich und versuchte, nicht nervös zu klingen. Ich spürte den Blick des Mannes auf mir.

Mein Herz klopfte plötzlich schnell.

»Kannst du mich auch ansehen, wenn du mit mir sprichst?«, herrschte er mich an. Sein Tonfall war kalt, aber zugleich auch ... vorsichtig?

Erschrocken blickte ich auf, direkt in seine Augen und erstarrte. Er war wunderschön, wie ich es schon festgestellt hatte, während er durch den Saal gegangen war. Aber das war es nicht, was mich zum Stocken brachte. Nicht seine Schönheit. Nicht seine makellose, glatte Haut oder sein leicht gewelltes Haar.

Nein, was mich stocken ließ, waren seine Augen, die sich in meine bohrten. Solche Augen hatte ich noch nie zuvor gesehen. Ein helles Blau, welches wie Eis im Schein der Sonne schimmerte.

„Beim ersten Mal tut`s noch weh.“

Wir schauten uns einige Sekunden lang an. Dann spürte ich, wie ich rot wurde und ließ den Blick wieder sinken.

»Es tut mir leid, ich wollte Sie nicht verärgern«, sagte ich leise.

»Kann ich Ihnen etwas zu trinken bringen, Sir?« Ich wollte sterben, im Erdboden versinken und fühlte mich unwohl in meiner Haut. Wie er mich anschaute, als wäre ich ein Stück Fleisch. Als würde er sich am liebsten auf mich stürzen, um mich zu fressen.

»Ja, ich hätte gerne ein alkoholisches Lassi, wenn das möglich ist«, sagte er und überging meine Entschuldigung, den Blick nach wie vor auf mich geheftet.

Ich deutete eine Verbeugung an.

»Wie Sie wünschen, ich bringe es Ihnen sofort.« Damit drehte ich mich um und ging schnellen Schrittes zur Bar, sagte dem Barkeeper, was ich wollte und wartete.

Mein Blick wanderte dabei über die Gäste.

Es war mittlerweile richtig voll.

In der nächsten Sekunde fühlte ich mich beobachtet. Ich runzelte die Stirn und schaute nochmal über die Menge. Mein Blick blieb an seinem hängen. Der junge Mann beobachtete mich. Es kam mir vor, als wenn er nicht einmal blinzelte.

Starr, kalt und ausdruckslos. Wie ein Tier, welches seine Beute beobachtete. Ich schluckte und drehte mich schnell weg zur Bar.

Zu meinem Bedauern war das Getränk für den Herrn viel zu schnell fertig. Ich seufzte, stellte es auf ein Tablett, atmete tief durch und ging dann zu dem jungen Mann. Mit zitternden Händen stellte ich es vor ihm ab. Dieser griff sofort nach dem Becher, kurz berührten sich unsere Finger. In der nächsten Sekunde verschwand der Becher samt seiner Hand auch schon. Es ging viel zu schnell. Ich verbeugte mich erneut.

»Wünschen Sie noch etwas, Sir?«, fragte ich höflich, mein Blick auf den Boden gerichtet. Ich wartete, aber es kam keine Antwort. Verwirrt hob ich den Kopf. Er schaute mich die ganze Zeit nach wie vor an. Nun jedoch eher unsicher und verwirrt. Ganz, als hätte die kurze Berührung ihn aus der Bahn geworfen.

Ich fühlte mich unwohl.

Als er nicht einmal die Anstalten machte, etwas zu sagen, ging er mir mit seinem Gestarre schon fast auf die Nerven. Mit einem freundlichen Lächeln deutete ich erneut eine Verbeugung an.

»Wenn Sie noch etwas wünschen, dann rufen Sie mich.«