New York Moments - Rachel Callaghan - E-Book
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New York Moments E-Book

Rachel Callaghan

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Beschreibung

Eine Geschichte über Sehnsucht, Schneeflocken und Weihnachtswunder … Patricias langgehegter Traum erfüllt sich, als sie ein Volontariat bei einem berühmten Lifestylemagazin in New York antritt. Für die Karriere nimmt sie die Trennung von ihrer Familie in Kauf und beendet rigoros die bröckelnde Beziehung zu ihrem Freund. Nach ein paar kleineren Artikeln für das Magazin ergattert sie die Titelstory über den Rocksänger Timothy Clarke, einen bekannten Macho mit dem rauen Charme eines Grizzlybären. Sein rüpelhaftes Benehmen sorgt zunächst dafür, dass sie problemlos die professionelle Distanz zu ihm wahren kann. Doch immer stärker fühlt sie sich zu ihm hingezogen und Timothy scheint ihre Gefühle zu erwidern. Zusätzlich wühlt die besinnliche Vorweihnachtszeit in Patricia eine nie geahnte Sehnsucht auf. Nach Glück, Geborgenheit und nach … Liebe? Liebe oder Karriere – wie wird Patricia sich entscheiden?

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New York Moments

 

 

 

 

 

Rachel Callaghan

 

 

Inhaltsverzeichnis

Über das Buch

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Nachwort

Leseprobe

Impressum

 

 

Über das Buch

 

 

Eine Geschichte über Sehnsucht, Schneeflocken und Weihnachtswunder …

 

Patricias langgehegter Traum erfüllt sich, als sie ein Volontariat bei einem berühmten Lifestylemagazin in New York antritt. Für die Karriere nimmt sie die Trennung von ihrer Familie in Kauf und beendet rigoros die bröckelnde Beziehung zu ihrem Freund.

Nach ein paar kleineren Artikeln für das Magazin ergattert sie die Titelstory über den Rocksänger Timothy Clarke, einen bekannten Macho mit dem rauen Charme eines Grizzlybären. Sein rüpelhaftes Benehmen sorgt zunächst dafür, dass sie problemlos die professionelle Distanz zu ihm wahren kann. Doch immer stärker fühlt sie sich zu ihm hingezogen und Timothy scheint ihre Gefühle zu erwidern. Zusätzlich wühlt die besinnliche Vorweihnachtszeit in Patricia eine nie geahnte Sehnsucht auf. Nach Glück, Geborgenheit und nach … Liebe?

Liebe oder Karriere – wie wird Patricia sich entscheiden?

 

(K)eine einfache Weihnachtsliebesgeschichte mit ergreifenden, humorvollen und spannenden Momenten und einem garantierten Happy-End aus der Feder Rachel Callaghans.

 

Kapitel 1

 

 

Patricia

 

Seit nunmehr einer Woche versuchte ich, mich an New York City zu gewöhnen, doch ich war immer noch total geflasht von dieser Stadt. Ach, was sage ich, von dieser Weltmetropole! Jeden Abend musste ich den überfüllten Arbeitsspeicher in meinem Gehirn vor dem Einschlafen defragmentieren, so sehr erschlugen mich tagsüber die gewaltigen Eindrücke. Dabei hatte ich mich noch nicht einmal gezielt mit den berühmten Sehenswürdigkeiten beschäftigt. Die Freiheitsstatue hatte ich beispielsweise lediglich ein einziges Mal aus der Ferne gesehen, hatte bestaunt, wie Lady Liberty ihre Fackel gen Himmel über Bedloe’s Island reckte. So lautete der Name von Liberty Island, bevor die Statue Ende des neunzehnten Jahrhunderts dort errichtet worden war. Jedenfalls hatte ich das in einem Reiseführer gelesen. Doch das war alles, was ich unter der Kategorie Sightseeing verbuchen konnte, denn ich hatte bisher einfach den Bus oder die U-Bahn genommen, deren Haltestellen gerade mal fünf Minuten zu Fuß von meiner zwar kleinen, aber sehr gemütlichen Wohnung in Brooklyn entfernt lagen. Weniger gemütlich war die Lage: Meine vier Wände in der vierten Etage musste ich aufgrund des defekten Liftes jedes Mal zu Fuß erklimmen.

Wahllos stieg ich während meiner Touren jedes Mal ein paar Stationen später aus, reihte mich in den Passantenstrom ein, ließ mich durch die Straßen treiben, inhalierte die Luft, versuchte, das Innenleben meiner Traumstadt in mich aufzunehmen, die Menschen, den Lärm und die Gebäude, die teils endlos bis zur Wolkendecke und hindurch zu wachsen schienen. Kurzum, ich hatte das Gefühl, in einer vollkommen fremden, aber wahnsinnig aufregenden Welt zu sein.

Was strenggenommen auch gar nicht so weit hergeholt war. Denn ich stieg erst vor einer Woche aus der Maschine, die mich aus meiner Heimatstadt Hannover über den großen Teich direkt zum Big Apple geflogen hatte. Diesen Spitznamen gaben schwarze Musiker der Jazzszene in den 1920er Jahren der Stadt und er stand dafür, das große Los gezogen zu haben, wenn man hier einen Auftritt bekam. Wer weiß, vielleicht würde auch ich hier den großen Apfel vom Baum pflücken. Meinen eigenen Big Apple. Die Hoffnung darauf war jedenfalls riesig.

Es war später Abend, als meine Maschine auf einer Landebahn des im Stadtteil Queens gelegenen JFK-Airports butterweich aufgesetzt hatte.

›Zu Akklimatisierungszwecken‹, so hatten meine Eltern es bezeichnet und darauf gedrängt, dass ich ein paar Tage vor meinem Arbeitsantritt herkommen und schon etwas Großstadtluft schnuppern sollte, und mich in der neuen Umgebung orientieren, damit ich nicht ausgerechnet am ersten Tag zu spät in der Redaktion aufschlagen würde. Wie so oft lagen sie auch dieses Mal richtig, denn hier war alles wirklich groß und anders. Aber es war schön. Gerade schlenderte ich am Times Square entlang, bestaunte die Fassaden der bekannten Theater und Musicals und tausender anderer Geschäfte. Von allen Seiten flackerten bunte Leuchtreklamen über der Menschenmenge, die sich Tag und Nacht hier versammelte, wodurch es etwas surreal wirkte. Ich hörte, dass der Times Square eigentlich eine Ansammlung von mehreren Plätzen war und dort lag, wo der Broadway und die Seventh Avenue sich kreuzten, dass er seinen Namen der bekannten Zeitung New York Times verdankte, deren Verlagshaus im Jahr 1904 hier eröffnet worden war. Plötzlich vibrierte mein Smartphone. Mama. Schnell suchte ich eine ruhige Ecke und nahm das Gespräch an.

»Hey, du Süße, wie sieht es aus? Hast du dich schon etwas eingelebt? Bist du bereit für den großen Tag morgen?«, brabbelte sie los und mich durchlief ein warmes Gefühl beim Klang ihrer Stimme.

»Ja, Mama, ich finde mich gut zurecht hier und ja, ich bin aufgeregt wegen morgen.«

»Das kriegst du schon hin, Pat«, bestärkte sie mich. Trotz des lärmenden Straßenverkehrs konnte ich sie laut und deutlich über meine In-Ear-Stöpsel verstehen.

»Danke, Mama. Wie geht es Paps?« Eine Pause entstand. Mir war es sehr schwergefallen, meine Heimat zu verlassen, da Papa erst vor ein paar Wochen einen Schlaganfall erlitten hatte und nicht absehbar war, wann er sich wieder einigermaßen davon erholt haben würde. Falls er sich überhaupt jemals davon erholte. Doch sowohl er als auch meine Mutter bestanden darauf, dass ich mir diese einmalige Chance nicht entgehen lassen und meinen Traum auf keinen Fall versäumen dürfte. ›Irgendwas ist immer‹, hatte er mir mit seinem besten, schiefen Lächeln gesagt, das er mit der halbseitigen Gesichtslähmung zustande brachte, und hinzugefügt, dass er es sich nie verzeihen können würde, wenn ich wegen ihm das Volontariat im New Yorker Hauptsitz meiner Redaktion nicht antreten würde. Schließlich wusste Paps wie kein zweiter, dass ich mir nichts sehnlicher wünschte, als von den ganz Großen der Szene zu lernen. Schon als Teenager hatte ich ihn immer wieder genötigt, sich für verschiedene Prominente auszugeben und mir in deren Rolle bei einem Interview Rede und Antwort zu stehen. Wir lachten oft während der Gespräche, da er mich jedoch ernstgenommen hatte, lernte ich unheimlich viel dabei und profitierte mittlerweile im Job vom damaligen Training. Zwar machte er nie einen Hehl daraus, dass er mich lieber in einer seriösen Rubrik wie der Wirtschaft oder der Politik gesehen hätte, doch ich blieb mir treu und landete bei den Reichen und Schönen, auch wenn das etwas substanzlos war, wie mein Vater mir immer wieder auf´s Brot schmieren musste.

»Ach, du weißt doch, der ist einfach nicht totzukriegen.« Der Ton in ihrer Stimme verriet mir, dass es ihm wohl nicht so gutging, wie sie vorgab. Und sie wusste, dass ich es merken würde.

»Ein Wort und ich steige in den nächsten Flieger zurück«, sagte ich, obwohl ich keine Ahnung hatte, wovon ich den Flug hätte bezahlen sollen. Meine Ersparnisse waren während meines Studiums fast komplett draufgegangen und meine Eltern hatten selbst gerade genug, um davon leben zu können. Was sich durch die Krankheit meines Vaters natürlich noch dramatisch verändern könnte. Doch mir würde schon etwas einfallen. Wie immer.

»Den Teufel wirst du tun, Pat«, sagte sie energisch, und da ihr Dickkopf mindestens genauso groß war wie der meines Vaters – kein Wunder, dass ich selbst so geworden bin, dachte ich schmunzelnd – legte ich die Überlegungen ad acta, eventuell nach Hause zu fliegen. Nach einem Moment wechselte meine Mutter gekonnt das Thema und so sprachen wir noch einige Minuten über weniger wichtige Dinge, bevor wir das Telefonat beendeten und ich mein Handy mit gemischten Gefühlen zurück in die Handtasche steckte. Mach dich nicht verrückt, er wird sich erholen und wieder gesund werden. Du bist halt aufgeregt wegen morgen, versuchte ich, mich zu beruhigen, und wich im letzten Moment einem Jugendlichen aus, der mich fast mit seinem Skateboard angefahren hätte. Zumindest meinte ich das. Er sah das jedoch offensichtlich ganz anders, denn er grinste mich unter seiner, den Schirm nach hinten gedrehten Cappy frech an und formte das Victoryzeichen mit den Fingern. Verdutzt schaute ich ihm hinterher, doch nur kurz, denn einen Moment später hatte ihn die Menschenmenge bereits verschluckt.

Langsam machte ich mich auf den Heimweg. Es begann zu dämmern und auf keinen Fall wollte ich den ersten Eindruck bei meinen neuen Chefs und Kollegen durch dunkle Augenringe oder unterdrücktes Gähnen versauen.

Kapitel 2

 

 

Patricia

 

Es dauerte, bis ich das richtige Gebäude an der Sixth Avenue gefunden hatte, das mit achtzehn anderen Hochhäusern den Rockefeller Center im Stadtteil Manhattan bildete, der sich über drei Blocks erstreckte. Mit einer Mischung aus Aufregung und Ehrfurcht verharrte ich wie festgetackert vor den Stufen des Wolkenkratzers, die zu der gläsernen Doppelschiebetür führten. An der Vorderseite der steinernen Säulen, die einen gewaltigen Mauervorsprung stützten, der sicher die Funktion eines Regendaches erfüllen sollte, waren mehrere silbern glänzende Tafeln angebracht, die mir verrieten, welche Firmen hier ihren Sitz hatten. Es dauerte eine Sekunde, bis mein Blick auf das Schild fiel, auf dem ich in schwarz-grüner Schrift ›RICHES ET BEAUX, Lifestyle-Magazin, vierzehnte Etage‹ las, gekrönt vom geschwungenen Logo, das eine langhaarige Frau verwoben mit einem Löwen zeigte. Bislang hatte mir allerdings niemand logisch erklären können, was es mit diesem Mischwesen auf sich hatte. Der Name unserer Zeitschrift hingegen war Programm, denn ohne eine der beiden Kriterien zu erfüllen, hatte man keine Chance, in der monatlichen Ausgabe zu erscheinen. Um gar auf die Titelseite zu gelangen, musste man verdammt reich und schön sein. Mittelmaß wurde nicht geduldet und das Journal erreichte in allen vierundzwanzig Ländern, in denen es verkauft wurde, bombastische Verkaufszahlen, trotz der immer stärker werdenden Konkurrenz im TV und Internet. Das lag nach Meinung meiner Chefredakteurin der deutschen Ausgabe vor allem an zwei Dingen. Zum einen kam unser Journal dem Inhalt entsprechend schick und hochwertig daher, nicht zuletzt aufgrund der Hochglanzqualität, die für den Druck genutzt wurde. Zum anderen hoben wir uns von den klassischen Formaten ab, die beispielsweise die Dokusoap ›Die Geissens‹ ablieferten, in denen nur mit Prunk geprotzt wurde und möglichst derbe Sprache erwünscht war, und auch von den üblichen, vor Schmalz triefenden Klatschblättern, in denen die europäischen Königshäuser oder alternden Schlagersänger gefeiert wurden. Wir recherchierten jeden Artikel seriös und durften die Prominenten durchaus kritisch hinterfragen – das sollten wir sogar – ohne sie dabei in ein schlechtes Licht zu rücken. ›Auch wir bedienen die niederen Instinkte und Wünsche der Leute, nur gehen wir dabei subtiler vor‹, sagte sie mir einst. Ein Spagat, der mir in meinem ersten Jahr manches Mal den Schweiß aus den Poren schießen ließ. Dennoch, oder gerade deswegen, bekamen wir nur höchst selten einen Korb, wenn wir wegen einer Reportage oder eines Berichts anfragten. Im Gegenteil: Es galt in der Szene eher als Ritterschlag, wenn man in unserer Zeitschrift erwähnt wurde.

Kurz hielt ich inne und dachte an meinen Vater, der stets kopfschüttelnd abwinkte, wenn ich ihm von unseren Standards erzählte. »Wie du es auch nennst, ihr seid ein kitschiges Glam-Magazin, das die Eliten bauchpinselt und hofiert und dem gemeinen Leser durch pseudointellektuelles Geschwurbel eurer Texte suggeriert, dass das alles schon so in Ordnung sei. Ist es aber nicht, da Reichtum fast immer zu Lasten anderer entsteht. Über die Botschaft, die ihr damit aussendet, brauchen wir gar nicht zu reden.« Schon lange ließ ich mich auf diese Diskussion mit ihm nicht mehr ein, zu oft waren wir uns dabei in die Haare geraten und erst durch meine Mutter, die uns dieselbigen wusch, fanden wir wieder zusammen.

Ein Lächeln huschte durch mein Gesicht, während ich tief durchatmete und noch einmal an der beeindruckenden Fassade meiner neuen Arbeitsstelle hinaufsah.

»Okay, Paps«, sagte ich laut, obwohl er mich im tausende Meilen entfernten Hannover natürlich nicht hören konnte. »Halt dir die Augen zu, dein Töchterchen erklimmt die nächste Stufe des Belanglosen.« Kurz darauf betrat ich das Gebäude und hatte wenig später mit dem Fahrstuhl die vierzehnte Etage erreicht.

Uff, ich hatte zwar damit gerechnet, dass hier mehr los sein würde als in meiner alten, gerade mal zwanzig Mitarbeiter umfassenden Redaktion, jedoch überraschte mich das emsige Treiben sehr, das sich vor meinen Augen abspielte, nachdem sich die Türen des Lifts geöffnet hatten. Auf die Schnelle konnte ich gar nicht erfassen, wie viele Leute hier herumschwirrten. Das Szenario erinnerte mich sofort an ältere Filme, in denen man einen Einblick in das Innenleben der New York Times oder einer anderen Tageszeitung mit Millionenauflage gewährt bekam. Überall standen Leute zu zweit oder in kleinen Gruppen, steckten ihre Köpfe zusammen und diskutierten gestenreich. Ich sah hektisch dreinblickende Mitarbeiter, die mit Fotoabzügen in der Hand von einem Schreibtisch zum nächsten hetzten, nach bestimmten anderen Kolleginnen oder Kollegen fragten und mit Schweiß auf der Stirn wieder zu ihrem eigenen Arbeitsplatz zurückrannten. Je länger ich das Schauspiel beobachtete, umso mehr korrigierte ich mich. Es wirkte doch eher wie an der Börse, fünf Minuten, bevor sie schloss und die Broker noch eben ein paar Milliarden verschieben mussten. Hach, das wäre mein Traum, wenn ich mal einen dieser Aktienakrobaten ein paar Tage an der Wall Street begleiten und über ihn berichten dürfte. Aber jetzt musste ich mich erstmal zum Büro meiner neuen Chefin durchfragen.

»Auf der anderen Seite, dann den Gang runter, letzte Tür rechts«, erfuhr ich von Kelly, während die Frau ihren Blick nicht vom Monitor abwandte. Diesen Namen nannte sie jedenfalls gerade einem Anrufer.

»Danke«, sagte ich, was sie mit einem knappen Nicken quittierte.

Es war einfach großartig, in diese Hektik einzutauchen, von der Geräuschkulisse betäubt zu werden. Nichts schien hier stillzustehen. Normalsterblichen mochte das Angst einflößen und den Puls zum Rasen bringen, doch ich genoss es in vollen Zügen, wie ich mich durch die Menschen und Schreibtische navigierte und zu einem Puzzleteil dieses Ameisenhaufens wurde.

Auf dem Korridor ebbte die Geräuschkulisse ab, als würde er von einer unsichtbaren Lärmschutzwand vom Treiben im Großraumbüro getrennt. Mit jedem Schritt, den ich der Tür näherkam, hinter der ich einen Termin mit der Frau hatte, die über den weiteren Verlauf meiner Karriere entschied, stieg mein Puls an. Kein Wunder, wenn ich es hier verbocken würde, könnte ich zurück in Deutschland auch wieder ganz unten anfangen. Mir war durchaus bewusst, welches Glück ich hatte, schließlich wurde jedes Jahr unter allen Auslandsabteilungen nur eine Mitarbeiterin ausgewählt, hier an der Quelle der Macht, dem Allerheiligsten des Magazins, zeigen zu dürfen, was man draufhatte. Und dieses Jahr war ich die Auserwählte, die Ms. Anderson quasi, wenn man den Vergleich zur Sci-Fi-Trilogie Matrix ziehen wollte. Kein Wunder also, dass mir etwas die Düse ging, obwohl ich mich selbst als durchaus tough und selbstbewusst charakterisiert hätte.

Gerade wollte ich anklopfen, da schwang die Tür nach innen auf und der Mann, der mit eingezogenem Kopf hinaustrat, lief mich fast über den Haufen. Zigarettengeruch stieg mir in die Nase.

»Sorry«, sagte er kurz und lief, ohne mich anzusehen, an mir vorbei.

»Kein Problem«, erwiderte ich leise, trat auf die Schwelle und räusperte mich.

»Was ist?«, hörte ich eine raue Stimme krächzen.

Ich war leicht irritiert über die Rauchschwaden, die unter der Zimmerdecke aussahen wie Wolkenschleier. Dann sah ich sie hinter ihrem Schreibtisch: Maxime Fields, die Grande Dame dieses Magazins. Die Brille schien ihr jeden Moment über den Nasenrücken zu rutschen, doch sie blieb an Ort und Stelle, als der Kopf meiner Chefin in meine Richtung schwenkte.

»Guten Morgen, mein Name ist Patricia Stiller, ich komme –.«

»Das deutsche Supertalent?«, unterbrach sie mich und winkte mich heran. »Setzen Sie sich, Kindchen, und atmen Sie durch. Das wird der letzte Moment der Ruhe sein, den Sie in diesem Jahr bekommen.«

Zügig durchquerte ich den Raum und ließ mich auf dem lederüberzogenen Stuhl ihr gegenüber nieder. Durchatmen? Die Frau hatte gut reden, mir wurde fast schlecht von dem Gestank.

»Ich freue mich, dass ich –.«

»Ja, ja«, unterbrach sie mich abermals. »Sie wissen, welche Chance Ihnen hier geboten wird?« Maxime wartete mein Nicken nicht ab. »Ich verlange nur eines: Vollgas! Ihr Privatleben existiert ab dem Augenblick nicht mehr, in dem Sie gleich dieses Büro verlassen und zu Ihrem neuen Arbeitsplatz gehen werden.«

»Verstanden.«

»Gut. Damit eines klar ist: Unser Magazin ist die Nummer eins weltweit und diese Position ist uns nicht zugeflogen. Wir arbeiten nicht hart, wir gehen über unsere Grenzen. Und falls Sie ein Problem haben, erwarte ich, dass Sie es lösen.« Sie kniff die Augen zusammen und fixierte mich über den Rand ihrer Brille hinweg. »Noch Fragen?«

Ob ich noch Fragen hatte? Tausende, aber mir war bewusst, dass sie es rhetorisch meinte.

»Nein«, erwiderte ich deswegen.

»Gut.« Maxime drückte auf eine Taste der Telefonanlage und im nächsten Moment hörte ich eine helle Stimme.

»Ja?«

»Stella, bringen Sie Patricia bitte zu ihrem Schreibtisch.«

»Sofort«, kam es wie aus der Pistole geschossen und kurz darauf erschien eine vollschlanke Frau im Türrahmen, die trotz der zu vielen Kilos auf ihren Rippen eine attraktive Erscheinung darbot. Wie übrigens fast alle, die ich bislang hier gesehen hatte, und auch Maxime, die sicher über 50 und offensichtlich starke Raucherin war, hatte sich fantastisch gehalten. »Folgen Sie mir bitte«, sagte Stella und deutete mit dem Kopf in Richtung Korridor. Ich schaute zu Maxime, die jedoch schon wieder in irgendwelchen Unterlagen vertieft war und mich scheinbar gar nicht mehr wahrnahm, stand auf und schloss zu Stella auf, die mit kurzen Schritten den Gang hinunterlief.

»Hi, ich bin –.«

»Patricia, ich weiß«, unterbrach auch sie mich. Kurz malte ich mir eine Zukunft aus, in der ich nie mehr dazu kommen würde, meine Sätze auszuformulieren. »Dort ist dein Reich.« Sie zeigte mit ausgestrecktem Arm auf einen Doppelschreibtisch, der kleiner war als der Schminktisch meiner Mutter – und der war nicht wirklich groß. Auf der anderen Seite saß ein junger Mann, der seine lateinamerikanischen Wurzeln nicht verbergen konnte. »Raúl, das ist sie. Du weißt ja Bescheid.« Kaum zu Ende gesprochen machte sie auf dem Absatz kehrt und ließ mich mit meinem neuen Partner allein. Ich ging auf ihn zu und streckte ihm meine Hand entgegen.

»Hey, ich bin Patricia. Oder Pat, ganz wie du willst.« Er musterte mich von den blauen Pumps über die Bluejeans bis zur weißen Bluse und blieb mit seinen dunkelbraunen, fast schwarzen Augen an meinen hängen. Zögernd stand er auf, er war wirklich groß, sehr groß, reichte mir die Hand und drückte sie fest. Als er zu einer Erwiderung ansetzte, rechnete ich fest mit einer tiefen, rauchigen Stimme, die mir mit einem südamerikanischen Akzent einen machohaften Spruch drücken würde. Doch in dem Moment, als er mit einer recht hohen, gerade noch als männlich erkennbaren Stimme zu sprechen begann, lockerte sich sein Handgriff.

»Hi, Schatz, ich freue mich sehr, dich kennenzulernen«, sagte er und die Tonmelodie erfüllte das Klischee absolut: Mein neuer Partner war offensichtlich schwul. Das Grinsen in meinem Gesicht irritierte ihn nicht, sicher hatte er diese Situation schon etliche Male erlebt. Er trat einen Schritt zurück und taxierte mich abermals. Dann legte er seinen Zeigefinger auf die Lippen. »Nein, so kann das nicht bleiben.« Er schnappte seine Jacke und hakte sich bei mir unter.

»Wohin gehen wir?«

»Frag nicht so dumm. Wir müssen dir etwas zum Anziehen besorgen. So kannst du unmöglich herumlaufen.«

 

***

 

Keine fünfzehn Minuten später präsentierte Raúl mir seine bevorzugte Shopping-Mall im Herzen Manhattans. Erst dachte ich, bei meinen bisherigen, halbblinden Erkundungstouren schon einmal hier gewesen zu sein, doch auf den zweiten Blick wurde mir klar, dass ich mich irrte. Kein Wunder, die Geschäfte waren allesamt riesig und viele davon waren in mehreren dieser Einkaufszentren vertreten.

»Ja, das gefällt mir schon.« Er hatte Geschmack. Das Oberteil, das er ausgesucht hatte, stand mir wirklich gut und ich hätte mich sofort darin verliebt, wenn, ja wenn ich das Preisschild nicht gesehen hätte. »Aber dafür kann ich einen halben Monat meine Miete bezahlen.«

»Ach herrje, das kleine, deutsche Mauerblümchen hat sein Sparschwein vergessen«, sagte er und hielt sich die flache Hand vor den Mund, bevor er abwinkte und lachte. »Du glaubst doch nicht, dass Maxime dich so auf unsere Promis loslässt.« Dabei zeigte er naserümpfend auf die Bluse, die am Haken in der Umkleidekabine hing. »Warte, ich hol dir noch was.« Einen Moment später steckte er seinen Kopf durch den Vorhang und kreischte kurz auf. »Oh nein, was ist denn das?«

Es dauerte einige Sekunden, bis ich kapierte, dass er auf meinen BH anspielte, der zugegebenermaßen etwas aus der Mode war. Genau wie meine Brüste schon bessere Zeiten erlebt hatten. Nicht was ihre Form anging, denn die war tadellos. Zwar waren sie nicht übertrieben groß, dafür fest und handlich. Nein, ich hatte mich vor einem halben Jahr von meinem Freund getrennt, sobald ich von der Stelle hier erfahren hatte. Das war jedoch nur der Auslöser, denn auch ohne den Jobwechsel hätte unsere Beziehung dieses Weihnachten kaum überlebt. Dazu passte, dass er es gefasst aufgenommen hatte und ohne Schwierigkeiten zu machen aus unserer gemeinsamen Wohnung ausgezogen war. Seit dem Tag allerdings lebte ich nur noch für meine Arbeit und blockte jeden Versuch einer Anmache anderer Kerle schon im Ansatz ab, was bezogen auf Männerhände für meine Brüste und meinen Hintern allerdings eine lange Unterversorgung zur Folge hatte.

»Meine Klamotten darf ich während der Interviews doch anbehalten, oder?«

»Schatz, du könntest wunderschön aussehen, wenn wir das hier noch in Ordnung bringen würden.« Er berührte eine Strähne meines Haares und verzog das Gesicht dabei. »Aber du kannst dich doch gar nicht wohlfühlen, wenn du die Unterwäsche deiner Grandma trägst. Nein, nein, wir müssen dich von Grund auf renovieren!«

Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Schließlich entschied ich, mich seiner Typberatung zu unterziehen und die Andeutung, dass die Rechnung dafür vom Magazin bezahlt werden würde, vereinfachte das Ganze. Solange es auch stimmte. Denn würde ich das Geld selbst aufbringen müssen, das wir in den vergangenen drei Stunden in den Boutiquen, dem Schuhladen und beim Friseur gelassen hatten, könnte ich mir schon mal einen netten Schlafplatz am Fuß der Brooklyn Bridge suchen und hoffen, dass mich meine neuen Freunde dort hin und wieder zum Aufwärmen an das brennende Fass ließen.

Wir gönnten uns noch einen Snack, bevor wir zur Redaktion zurückgingen. Wenigstens in der Wahl meines Essens, einem Chefsalat, konnte ich den Ansprüchen Raúls genügen. Auf dem Weg warf ich verstohlene Blicke in jedes Schaufenster, in dem ich mich spiegelte. Man musste es ihm einfach lassen: Geschmack hatte er. Und trotz der drastischen Verwandlung, die er mit mir angestellt hatte, erkannte ich mich wieder.

»Du siehst heiß aus, Schatz«, sagte er und knuffte mich. »Das wird sich auch im nächsten Spiegel nicht ändern. Vertrau mir.«

»Bisschen viel verlangt, wo wir uns erst ein paar Stunden kennen, findest du nicht?«, erwiderte ich, doch mir kam es vor, als wäre er bereits seit Jahren mit mir befreundet. »Aber du hast meine Frage von vorhin noch nicht beantwortet.«

»Du meinst, ob das wirklich alles von Maxime bezahlt wird?« In der Tat beschäftigte mich die Rechnungsfrage ein wenig, darauf hatte ich aber nicht angespielt. »Oder redest du vom Job?« Er sah mich von der Seite her an und bemerkte mein Nicken. »Keine Ahnung, wie das bei euch in Deutschland läuft, aber hier gibt es eine klare Rollenverteilung: Wir haben die Techniker, die Grafiker und die Lektoren und Korrektoren, die allesamt dafür sorgen, dass die fertige Ausgabe perfekt ausschaut. Und dann haben wir die kreative Abteilung, in der die Zuarbeiter, so nenne ich sie zumindest, für die Recherche zuständig sind, Fotografen oder Kameraleute buchen und den Terminkalender ihrer zugeteilten Interviewer im Auge behalten.« Okay, dachte ich, die technische Seite lief bei uns ähnlich ab, die Leute jedoch, die für die Interviews zuständig waren, mussten sich um jeden Kram selbst kümmern. Was mich natürlich gut auf das vorbereitete, was hier von mir erwartet wurde.

»Ich verstehe, also bist du mein zugeteilter Interviewer und ich dein Zuarbeiter. Was hast du doch für ein Glück, Raúl, ich werde dich nicht enttäuschen. Sag mir nur, wo ich was oder wen finde, und wir können loslegen.« Raúl blieb abrupt stehen und wandte sich mir zu, die Augenbrauen unter seinem dichten, schwarzen Haar zusammengekniffen. Verdammt, hatte ich etwas Falsches gesagt? Warum schaute er jetzt so ernst?

»Tontuela. Glaubst du, ich hätte dich so herausgeputzt, wenn du trockenen Bürodienst machen solltest?«

»Äh, hast du mich gerade Dummerchen genannt?«

»Si, tontuela. Siehst du? Schon wieder.« Er lachte und ich wäre gern mit eingestiegen, wusste aber gerade nicht, wohin der Hase lief. Langsam jedoch beschlich es mich.

»Du meinst also im Ernst, dass ich ein Interviewer sein soll? Als Frischling? In einer fremden Stadt in einem fremden Land?«

»Si.« Kopfschüttelnd ging er weiter. Ich folgte ihm und schloss zu ihm auf.

»Und bekomme ich etwa auch einen eigenen Zuarbeiter?« Er nickte. »Und wann lerne ich den kennen? Oder ist es eine Sie?«

»Tontuela, grande Tontuela.« Raúl hakte sich wieder bei mir unter. »Ich hoffe, dass du nicht immer so begriffsstutzig bleiben wirst.«

Kapitel 3

 

 

Vier Wochen später, Anfang November

 

Patricia

 

Besser hätte der Start in meinen neuen Lebensabschnitt gar nicht laufen können. Mein Vater befand sich auf gutem Weg, versicherte er mir bei jedem Telefonat und meine Mutter bestätigte es. Er konnte gar die ersten Schritte allein, das hieß, mit Hilfe eines Rollators hinter sich bringen. Laut Aussage seiner Physiotherapeutin würde er aber nicht mehr lange auf eine Gehhilfe angewiesen sein. Raúl war ein Goldschatz, auch wenn er mich immer wieder wegen meiner – seiner Meinung nach – Landeieigenschaften aufzog. Was er leistete, konnte ich kaum in Worte fassen. Manchmal dachte ich, sein Tag müsste 72 Stunden haben und Schlaf gäbe es für ihn nicht, sodass ich teilweise schon ein schlechtes Gewissen bekam. Doch er brannte genauso wie ich für diesen Job und das zahlte sich aus. Für uns beide. Binnen kürzester Zeit hatten wir uns in der internen Hierarchie aus dem unteren Mittelfeld hochgearbeitet und konnten uns bereits Aufträge aussuchen. Jedenfalls unter denen, die von dem unangefochtenen Starduo unseres Magazins übrig gelassen wurden. Samantha und Jeanne – die beiden sahen so verdammt gut aus, als wären sie der Vogue entsprungen, was sie mit ihrer arroganten Art jeden spüren ließen.

»Ich will ehrlich zu dir sein, an deinem ersten Tag hatte ich ein schlechtes Gefühl.«

»Was meinst du damit, Raúl?«

»Nun, nachdem du Carls Posten bekommen hattest, der echt nichts draufhatte, und du hier abgekippt wurdest, dachte ich, dass ich mir bald einen neuen Job suchen könnte. Aber Schatz, ich habe dich massiv unterschätzt.« Jeder bekam gern ein Lob ausgesprochen, warum er anfangs jedoch so skeptisch gewesen sein wollte, erschloss sich mir nicht. Doch das störte mich nicht, ich hatte mich daran gewöhnt, dass Raúl nicht um den heißen Brei herum schwafelte, sondern Klartext sprach. Natürlich tat das manchmal weh, aber damit konnte ich umgehen. Dank der harten Schule meines Vaters.

»Nur, weil ich ein dummes Landei aus Deutschland bin und einen miesen Geschmack hinsichtlich meiner Klamotten habe?« Mit einer hochgezogenen Augenbraue sah ich ihn streng an, bevor wir beide lachen mussten.

»Si, ich bin leider zu schnell, wenn es darum geht, jemanden in eine Schublade zu stecken. Obwohl gerade einer wie ich da sensibler sein sollte.«

»Findest du? Nur, weil du schwul und ein illegaler Einwanderer mit einem grausamen Akzent bist?« Jetzt war es Raúl, der mich tadelnd ansah.

»Das trifft mich ins Herz«, sagte er, wobei er jedes Wort bewusst betonte, um den Akzent zu verstärken, und sich demonstrativ mit beiden Händen an die Brust fasste.

»Ja, genau. Aber genug gescherzt. Was steht an?« In den ersten Wochen hatten wir drei Artikel geschafft. Ein lokaler Politiker, der sich vergebliche Hoffnung bei der nächsten Bürgermeisterwahl der Stadt machte, riss Maxime nicht vom Hocker und landete am Ende der Ausgabe. Die Nachwuchssportlerin, die sich für die Leichtathletikweltmeisterschaften qualifiziert hatte und supersüß auf den Fotos rüberkam, schaffte es schon ins mittlere Drittel. Doch den Vogel schossen wir mit unserer Reportage über Michelle Martins ab, die es geschafft hatte, sich innerhalb von nur drei Jahren von einer Diner-Bedienung in eine der begehrtesten Immobilienmaklerinnen des Bundesstaates zu verwandeln. Der wahr gewordene American Dream – von der Tellerwäscherin zur Millionärin! Das zog halt immer. Ausschlaggebend für den Erfolg des Interviews war aber weniger ihre berufliche Karriere als vielmehr die Tatsache, dass sie eine leidenschaftliche Affäre mit dem Kapitän der New York Knicks führte. Auch wenn das Raúl zutiefst bestürzt hatte, hoffte und glaubte er doch, dass der Basketballstar homosexuell sein würde.

»Dann muss ich den wohl schweren Herzens von meiner Liste streichen«, hatte er betrübt verlauten lassen, als uns Michelle damit überraschte.

»Nimm es wie ein Mann«, erwiderte ich. »Außerdem ist deine Liste noch lang genug.«

Der Beitrag jedenfalls hatte sich für die nächste Ausgabe den Platz auf den Seiten 4-6 gesichert, was uns beiden einige Sticheleien und böse Blicke von Jeanne und Samantha eingebracht hatte, die es laut Raúl nicht ertragen konnten, wenn jemand an ihrem Podest rüttelte. Doch deren Ziel, also vorrangig mich einzuschüchtern und klein zu halten, erreichten sie dadurch nicht, denn mich stachelte es nur weiter an, und das wiederum motivierte Raúl noch mehr, als er es eh schon war.

»Also, was steht an?«, wiederholte ich meine Frage von eben, da Raúl gedankenverloren an mir vorbei starrte und sie offensichtlich nicht mitbekommen hatte. Neugierig drehte ich mich um und folgte seinem Blick. Erst jetzt bemerkte ich die Stille im Büro, da fast jeder der Frau hinterher guckte, die den Raum durchquerte und im Korridor verschwand, der zu Maximes Büro führte. Erst, als sie nicht mehr zu sehen war, schwoll der Geräuschpegel wieder auf das übliche Maß an. Raúl räusperte sich.

»Du hast keine Ahnung, wer das war, richtig?«

»Wer? Die rothaarige Trulla, der ausnahmslos jeder außer mir hinterhergeglotzt hat? Nein, keinen blassen Schimmer.« Mir war natürlich klar, dass es etwas Besonderes mit der zwar topgestylten, aber dennoch nicht sonderlich attraktiven Frau im Kostüm auf sich haben musste, doch ich wollte nicht zu neugierig wirken. Raúl sog zischend die Luft ein.

»Du musst noch viel lernen, Schatz. Das ist Veronica Flowers.«

»Ach, DAS ist Veronica Flowers? DIE Vernonica Flowers? Wirklich?«, fragte ich mit weit aufgerissenen Augen, woraufhin er zustimmend nickte. Dann entspannte sich mein Gesicht. »Kenn ich nicht. Was ist mit der?«, hakte ich trocken nach, was die typische Raúl-Mimik provozierte, die in der Regel mit einem gesprochenen ›Tontuela‹ untermauert wurde.

»Du weißt gar nichts, Patricia Snow«, tadelte er mich in Anspielung auf das bekannte Zitat aus der Hammer-Serie Game of Thrones, woraufhin ich losprustete. »Aber ich will dich nicht dumm sterben lassen. Veronica Flowers ist die Managerin von Timothy Clarke«, sagte Raúl in einem Ton, als ob ich genau wissen müsste, wer dieser Clarke war. Und langsam dämmerte es bei mir.

»Der Frontmann der Rockband ›The Escalation‹?« Mein Kollege nickte. Klar, von denen hatte ich gehört, im wahrsten Sinne des Wortes. An deren Musik kam man auch kaum noch vorbei, seitdem die Band vor etwa drei Jahren einen Raketenstart in den Rockolymp hingelegt und mehrere Hits in internationalen Musikcharts gelandet hatte. Die raue Stimme des Leadsängers ergab zusammen mit den harten Gitarrenriffs einen unverwechselbaren Sound. In den deutschen und anderen europäischen Hitparaden waren sie allerdings noch nicht richtig angekommen, zählten eher noch als eine Art Geheimtipp. Jedoch musste ich gestehen, dass mein Musikgeschmack vom harten Sound dieser Band abwich. Als Kind der Stadt Hannover ließ ich natürlich nichts auf den Sound der Scorpions kommen, die wie ich aus der Landeshauptstadt stammten. Doch deren eher softer Rock war schon grenzwertig für meine Ohren. Ich bevorzugte ganz klar die lateinamerikanischen Rhythmen, die in den Zumbakursen aufgelegt wurden, in denen ich mich gern verausgabte, wo jede Faser meines Körpers ab und wann so erotisch vibrierte, dass ich mich kaum mehr als Frau fühlen konnte, als in diesen Situationen.

---ENDE DER LESEPROBE---