Nice to meet you, Albanien! - Luisa Willmann - E-Book

Nice to meet you, Albanien! E-Book

Luisa Willmann

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Beschreibung

  Nice to meet you, Albanien! Albanien – so unbekannt wie vielfältig, so ursprünglich wie modern: Reisende finden unberührte wilde Natur, schneeweiße Adria-Strände, antike Stätten, kleine Bergdörfer und lebhafte Städte.  Und wer könnte Albanien besser kennen als Etleva Shemai, international bekannte Opernsängerin und Solistin. Inspiriert von ihren Lieblingsorten und den schönsten Geschichten über ihre Heimat reist sie gemeinsam mit der Journalistin Luisa Willmann durch ein Land, in dem der junge Tourismus noch nicht die Massen anzieht und in dem man vor allem eines immer wieder aufs Neue erleben kann: grenzenlose Gastfreundschaft.  Mit Bildern des vielfach ausgezeichneten Fotojournalisten Lutz Jäkel.  

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Seitenzahl: 202

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Impressum

© eBook: 2023 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

© Printausgabe: 2023 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

POLYGLOTT ist eine eingetragene Marke der GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie Verbreitung durch Film, Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeglicher Art nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.

Leserservice:

GRÄFE UND UNZER Verlag

Grillparzerstraße 12

81675 München

www.graefe-und-unzer.de

Text: Luisa Willmann

Redaktion und Projektmanagement: Anne-Katrin Scheiter

Lektorat: Susanne Meyerhöfer

Bildredaktion: Nora Goth

Schlusskorrektur: Ulla Thomsen

Covergestaltung: Favoritbuero Gbr

Kartografie: Gerald Konopik, Mammendorf

eBook-Herstellung: Maria Prochaska

ISBN 978-3-8464-0933-6

1. Auflage 2023

GuU 4-0933 02_2023_04

Bildnachweis

Coverabbildung: Etleva Shemai in Dhërmi © Armand Habazaj, Genti Onuzi, Shutterstock.com: Jordan Feeg

Fotos: Alle Fotos © Lutz Jäkel, außer: Onuzi, Genti; Shemai, Etleva; Rulfs, Charlie Arber; Shutterstock.com: Aldo91, Aleksandar Todorovic, Andrii Marushchynets, d.stipek, Netdrimeny, Nicolas ELIE, trabantos; stock.adobe.com: Anna ART, Karl Allen Lugmayer, samael334; Willmann, Luisa

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Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung ohne Zustimmung von Gräfe und Unzer ist unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Daten und Fakten für dieses Werk wurden mit äußerster Sorgfalt recherchiert und geprüft. Wir weisen jedoch darauf hin, dass diese Angaben häufig Veränderungen unterworfen sind und inhaltliche Fehler oder Auslassungen nicht völlig auszuschließen sind. Für eventuelle Fehler oder Auslassungen können Gräfe und Unzer, die ADAC Medien und Reise GmbH sowie deren Mitarbeiter und die Autoren keinerlei Verpflichtung und Haftung übernehmen.

Bei Interesse an maßgeschneiderten B2B-Produkten: Roswitha Riedel, [email protected]

Wichtiger Hinweis

Die Daten und Fakten für dieses Werk wurden mit äußerster Sorgfalt recherchiert und geprüft. Wir weisen jedoch darauf hin, dass diese Angaben häufig Veränderungen unterworfen sind und inhaltliche Fehler oder Auslassungen nicht völlig auszuschließen sind, zumal zum Zeitpunkt der Drucklegung die Auswirkungen von Covid-19 auf das Hotel- und Gastgewerbe vor Ort noch nicht vollständig abzusehen waren. Für eventuelle Fehler oder Auslassungen können Gräfe und Unzer, die ADAC Camping GmbH sowie deren Mitarbeiter und die Autoren keinerlei Verpflichtung und Haftung übernehmen. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in diesem Buch bei Personenbezeichnungen das generische Maskulinum verwendet. Es gilt gleichermaßen für alle Geschlechter.

Willkommen in Albanien!

»Geboren und aufgewachsen in Albanien, seit 20 Jahren in Deutschland, Spanien und den USA lebend, reise ich als albanische Tochter nun durch meine Heimat. Ich möchte Ihnen die Magie dieses ‘Zauberlandes’ nahebringen, seine Geschichte, Kultur, Traditionen, Kunst, atembraubende weiße Strände, schwindelerregend hohe Berge, Seen, Flüsse … und eine einzigartige Küche. Alles an einem kleinen Ort.

In meinem Leben als Opernsängerin habe ich mehrere verschiedene Stücke und Opernarien gesungen - wäre dieses Buch Musik, ich würde es ›Arie über mein Land‹ nennen.«

- Etleva Shemai –

Hauptstadt Tirana

Ein Open-Air-Museum, Sinnesspektakel in der Tirana Oper, die kommunistische Zeit und meine Geschichte im ehemaligen »europäischen Nordkorea«. >

Die Künstlerstadt Korça

Wiedersehen mit Freunden, warum der 7. März der »Tag der Lehrerinnen und Lehrer« ist und Bio-Bier direkt aus dem Braukessel. >

Ruinenstätten – Zeugen der Vergangenheit: Apollonia, Butrint, Durrës und eine unterirdische Stadt

Statuen-Kunde, eine Stadt, die dreimal gebaut wurde (davon einmal 30 Meter unter der Erde) und ein Weingut mit Toskana-Feeling. >

Ursprüngliche Städte Berat, Elbasan und Gjirokastra

Gestapelte Fenster und silberne Steine, ein Hammam im Café, maximaler Fußball-Enthusiasmus und eine musikalische Überraschung. >

Strandparadiese quer durchs Land

Die weißesten Strände des Balkans, die schönsten Inseln der Welt, der älteste See Europas und die humorvollsten Menschen Albaniens. >

Bergwelten: Valbona und Thethi

Wanderung in den verwunschenen Bergen, nachhaltiger Tourismus und Müllprobleme und eine deutsche Hotelbetreiberin, die in Albanien ihr Glück gefunden hat. >

Naturwunder: Përmet und der Nationalpark Divjaka-Karavasta

Öko-Urlaub in der »grünen Lunge« des Balkans, Europas letzter wilder Fluss, Musik und Poesie aus Përmet und zum Mittagessen Fisch. >

»Gezuar!« – Prost auf unser gemeinsames Buch!

Das Herz singt

Vorwort von Etleva Shemai

In Albanien entsteht alle drei Kilometer ein neues Landschaftsbild, wo eben noch Felder waren, sind dann Hügel und Berge. Kaum jemand kennt mein Heimatland, in dem man 50 Jahre nur mit Sondergenehmigung das Recht hatte, es zu verlassen oder hineinzukommen. Ende der 80er-Jahre konnte ich meinen Vater nur heimlich treffen, da er als Intellektueller während der kommunistischen Diktatur beobachtet wurde und wir uns nicht sehen durften.

Ich bin hier geboren und aufgewachsen. Seit 25 Jahren lebe ich in Deutschland, den USA und Spanien. Nur meine Ferien verbringe ich noch in Albanien – die Sehnsucht nach meiner Heimat wächst. Für mich ist dieses Buch eine Reise in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von mir und meinem Land. Ich zeige Ihnen meine Lieblingsorte – zum Beispiel die weißen Strände von Ksamil im Süden. Wir werden Orte entdecken, die für mich neu sind, wie die abgelegenen Bergregionen im Norden. Früher fehlte für solche Ausflüge die Infrastruktur. Diese ist inzwischen ausgebaut und der Zeitpunkt für eine Reise ins noch unberührte Albanien perfekt.

Albanien steht für religiöse Harmonie, für Tradition und Innovation, für Freiluftmuseen. Ich bin zusammen mit Luisa unterwegs, einer talentierten Journalistin aus Deutschland. Ihre Disziplin und ihr offenes Interesse für Details, die für mich selbstverständlich sind, haben mich gepackt. Ich bin beeindruckt, wie sie aus all unseren Materialien dieses Buch gemeistert hat, in dem ich mich sehr gut wiederfinde.

Ich nenne unser Buch: »Das Herz singt.«

Nice to meet you, Albanien!

Vorwort von Luisa Willmann

In Costa Rica erreicht mich eine Nachricht von POLYGLOTT, ob ich Lust auf ein spannendes Projekt in Albanien hätte. Ich telefoniere mit der international bekannten Opernsängerin Etleva Shemai, spüre ihre Motivation und fliege eine Woche später nach Tirana.

Ein Highlight während meiner Reise: Berat, die Stadt der tausend Fenster. Dort lernen wir einen Künstler kennen, Etleva singt spontan, wir trinken Raki zu gegrilltem Gemüse und spazieren nachts durch die beleuchtete Burganlage. Mich hat die Vielseitigkeit Albaniens gepackt. Auf einer Fläche kleiner als Brandenburg gibt es exklusive Bars, Weingüter, Küstenlagunen, riesige Seen und abgeschiedene Täler zwischen Zweitausendern. In Tiranas Kneipenmeile Kalaja Toptani tummeln sich schick gekleidete Menschen und jeder Tag wirkt wie Wochenende. Albanien riecht für mich nach Pinienwald, Basilikum und frisch gebackenem Börek.

Bewegt hat mich die Geschichte des Landes und was diese für Etleva bedeutet. Seit dem Ende des Kommunismus 1991 hat sich Albanien rasant entwickelt. Moderne Bauten stehen neben traditionellen Häusern, Bunkern und Gebäudeblöcken des Kommunismus. Stickereien und Volkmusik neben Elektroclubs und Kunstgalerien. Korruption, Müll und Armut fordern die junge Demokratie, doch genauso setzen sich immer mehr Menschen für ihre Rechte, die Umwelt und nachhaltigen Tourismus ein.

Wir sprechen mit Bürgermeistern, Museumsdirektorinnen und einer Opernintendantin. Es ist eine intensive Recherche, geprägt von der Offenheit, dem Engagement und der intellektuellen Tiefe von Etleva. Es ist Teamarbeit, es ist unser Buch. Was für mich Albanien ausmacht: spontane Begegnungen mit Menschen wie einem vermeintlichen Astronauten, ihre Geschichten, ihr Humor und ihre Gastfreundschaft. An unserem letzten Abend gehen wir in die Oper und ich trage ein schwarzes Spitzenkleid von Etleva.

Von alldem wollen wir erzählen!

Auf dem Aussichtsturm im Karavasta-Nationalpark

Meine Lieblingsorte in Albanien

Bücherregal-Graffito in Tirana

Boote am Strand des Ohridsees in Pogradec

Toskana-Feeling auf dem Weingut Albanica

Bunte Häuser und Street-Art prägen das Straßenbild der albanischen Hauptstadt – quasi ein Gegenentwurf zur Tristesse der früheren kommunistischen Herrschaft.

Hauptstadt Tirana

Ein Open-Air-Museum, Sinnesspektakel in der Tirana Oper, die kommunistische Zeit und meine Geschichte im ehemaligen »europäischen Nordkorea«.

Die rasant wachsende Hauptstadt Tirana: Ein Orientierungsversuch

Tiranas Entwicklung von der kommunistischen Stadt zur Kulturmetropole mit Radwegen und Parks verlief schnell. Die Stadt ist bekannt für ihre bunten Häuser, Street-Art und elegant gekleideten Menschen. An Traditionen wird festgehalten: Beinahe jede Familie stellt ihr eigenes Feigenkompott her – und verrät das Rezept gern.

In Mittelalbanien, zwischen hügeliger grüner Landschaft und dem 1613 Meter hohen Hausberg Dajti, liegt Albaniens Hauptstadt Tirana. Das südosteuropäische Land ist Teil der Balkaninsel und grenzt im Norden an Montenegro und den Kosovo, im Osten an Nordmazedonien, im Süden an Griechenland und im Westen liegt es gegenüber von Italien an den Küsten des Adriatischen und Ionischen Meeres. Albanien ist somit Anrainer des Mittelmeers. Das Land ist mit beinahe 29.000 Quadratkilometern kleiner als Brandenburg und mit 2,8 Millionen leben in Albanien weniger Menschen als in Berlin. Davon entfallen auf die Stadt Tirana rund 600.000 und auf das Ballungsgebiet beinahe 900.000 Einwohnerinnen und Einwohner. Die Umgebung von Tirana ist seit der Altsteinzeit bewohnt, die ältesten Funde stammen bereits aus der Römerzeit. Seit dem Sturz des kommunistischen Regimes hat sich die Einwohnerzahl aufgrund von Landflucht in etwa verdoppelt.

Es würde zu weit führen, die zahlreichen verschiedenen Stadtviertel Tiranas einzeln vorzustellen. Daher möchte ich Ihnen die Orte zeigen, die Tirana ausmachen. Dieses Kapitel wird eine Reise durch Kunst, Kultur und Politik, die in Tirana vielleicht wie in keiner anderen Hauptstadt zusammenhängen.

Albanische und ausländische Künstlerinnen und Künstler haben an Tiranas Hauswänden mit ihren Wandmalereien schöne Spuren hinterlassen.

Tirana ist ein Open-Air-Museum mit Street-Art

Wir beginnen den Spaziergang bei den Häusern, deren bunte Fassadengestaltung der jetzige Ministerpräsident und Künstler Edi Rama initiierte. Er war zuvor zehn Jahre Bürgermeister von Tirana und bekam für dieses Projekt weltweit Beachtung.

Damals gab es in Tirana wenige balkanisch traditionelle Häuser, viele Plattenbauten und illegale Siedlungen. Edi Rama wollte der Tristesse dieser kommunistischen Plattenbauten und unverputzten Häuser entgegenwirken. Sein Projekt: Die Häuser Tiranas bunt streichen, um den Menschen wieder Hoffnung zu geben. Jetzt leuchten die Häuser orange, rot, grün, blau, gelb, oft bunt durcheinander, manchmal mit Mustern oder einzelnen Strichen. Die bunten Häuser stehen als sichtbares Symbol für Veränderung, im Gegensatz zu den Herausforderungen, die nur schrittweise angegangen werden, wie Geldmangel, Überlastung der Infrastruktur oder des Stromnetzes. Aus Architektur- und Stadtplanerkreisen wurde Edi Rama dafür gefeiert, andere warfen ihm einen selbstverliebten autoritären Führungsstil vor.

HOW TO BECOME AN ALBANIAN

Auf Albanisch heißt »Straße« abhängig vom Kontext »rruga« oder »rrugë«. Auch, wenn Albanerinnen und Albaner den Straßennamen und die Hausnummer einer bestimmten Adresse wissen, beschreiben sie einem den Weg gern. Dann heißt es »Bei der Apotheke rechts abbiegen, dann bei der Schule vorbei, weiter geradeaus …«

Wer schon von den bunten Häusern Tiranas gehört hat, stellt sich eventuell eine ganze bunte Stadt vor. So ist es aber nicht. Doch wer die Augen offenhält, wird einige bunte Häuser entdecken. Am Markt Pazari I Ri sind die Häuserfassaden rot, gelb, weiß und schwarz mit Dreiecksmustern. Der Marktverkäufer Kadeif, der gegenüber von ihnen seinen Stand hat, erklärt: »Die Häuser charakterisieren die Albaner und haben die gleichen Motive und Farben wie ihre Teppiche.« Eines der bekanntesten Häuser steht in der Rruga E Kavajës stadtauswärts kurz nach dem Fluss Lana. Es ist von Weitem erkennbar und dient auch zur Orientierung. »Wo treffen wir uns für den giro?« – »Am Haus mit den Pfeilen.«

Kadeif bietet sein frisches Obst auf dem Markt Pazari I Ri an.

Edi Rama ließ nicht nur Häuser bemalen, sondern auch viele illegale Bauten abreißen. Durch die Stadt führt der Fluss Lana. Früher waren die Ufer verschmutzt und der Fluss mit illegalen Kiosks verbaut, die nach dem Ende des Kommunismus entstanden sind. Jetzt säumen Bäume rechts und links den Fluss und die angrenzende Straße. »So leicht war es nicht für die Menschen, die sich von heute auf morgen etwas anderes suchen mussten«, erinnert sich unser Fahrer David, als wir die Lana entlangfahren. David wird uns während dieser Recherche öfter begleiten. Früher arbeitete er für das Militär. Für uns ist er ausnahmsweise »Fahrer«, denn eigentlich ist er in Rente. David hat einen warmen Blick, weißes Haar und erzählt poetische Witze.

In Tirana gibt es beeindruckende Graffiti. Zum Beispiel das an der Kreuzung der Rruga E Barrikadave und Rruga Urani Pano. Ein Bücherregal zieht sich an einem Häuserblock hoch. Darauf sind Bilder der albanischen Schriftsteller Ismail Kadare und Dritëro Agolli, der mir besonders gefällt. Obwohl die beiden Konkurrenten sind, liegt ein Buch des jeweils anderen in ihren Fächern. Soweit ich es erkennen kann, sind alle abgebildeten Schriftsteller aus Albanien, nur oben Franz Kafka aus Tschechien. Wenige Meter weiter auf der anderen Seite der Kreuzung in der Rruga Luigj Gurakuqi ist ein Graffito mit einer blauen Wäscheklammer, die Haut zusammendrückt, darunter steht auf Albanisch »Die Welt ändert sich sehr schnell, aber einige Sachen werden sich nie ändern.«

HOW TO BECOME AN ALBANIAN

Auf Albanisch heißt »Spaziergang« »giro«, genau wie im Italienischen. Spazieren ist typisch albanisch (auch schon vor der Corona-Pandemie) und wichtig in der Kultur, Menschen treffen sich beispielsweise zum Verdauungsspaziergang.

Achten Sie bei Ihrem Spaziergang auf ältere Herren, die Domino spielen. Typisch albanisch heißt auch, im Moment leben und gelassen sein. Viele von den Herren sind in Rente und treffen sich täglich.

Neben Graffiti und bunten Häusern gibt es in Tirana viele Kunstläden, Galerien und Personen, die Kunsthandwerk auf der Straße verkaufen. Manche sind an viel befahrenen Straßen zwischen Schuh- und Börek-Läden. Oder beispielsweise auch im Stadtviertel Kalaja Toptani innerhalb der ehemaligen Festungsmauern der Burg von Tirana. Hier entdecken Luisa und ich die Ausstellung von Adnand Deda. Seine Bilder wirken lebendig und zeigen Momente aus dem albanischen Leben: Brautpaar, Gitarrenspieler, eine ältere Dame vor einem Brunnen. »Warum wirken deine Bilder so lebendig?«, fragen wir ihn. »Es ist Kunst«, sagt er und erzählt kurz von seinem Kunststudium und dann: »Viele haben es vernachlässigt, die Zivilisation ist abgestumpft und hat kein Interesse an Kunst. Es gibt keine größere Beleidigung, als wenn jemand nur vorbeigeht, fotografiert und nichts sieht. Denn das Auge nimmt auf und nicht das Telefon.«

Innerhalb der ehemaligen Burgmauern von Tirana stellt der Künstler Adnand Deda seine Werke aus.

Wenige Gehminuten entfernt sehen wir am Straßenrand eine alte Dame angelehnt an einer Backsteinmauer sitzen. Vor ihr steht ein Karton mit selbst gestrickten Haussocken. Sie trägt ein weißes Kopftuch, sonst ist sie schwarz gekleidet. In ihren Händen hält sie Wolle und Stricknadeln. Ihr Blick ist warm. Seit zwei Tagen sitze sie schon hier, ihr Rücken schmerze, fünf Euro bekäme sie pro Haussocke, für die sie zwei Tage brauche. Zum Schluss verrät sie uns ihren Namen: Vera.

In den letzten Jahren hat sich das Stadtbild von Tirana weiter verändert. Es entstanden Neubauten, Alleen, Schulen, Radwege, Parks und auch Kontraste: Neben Plattenbauten stehen moderne Hochhäuser, italienische Türme neben neuen Moscheen.

Apropos Radwege und Veränderungen

Wir wollen wissen, wie die weitere Entwicklung Tiranas aussehen soll. Dafür besuchen wir Bürgermeister Erion Veliaj in seinem Büro im Rathaus am Skanderbeg-Platz, das völlig anders ist, als man es von einem Bürgermeister erwarten würde. Erion Veliaj ist Mitglied der sozialistischen Partei Albaniens und seit Sommer 2015 Bürgermeister von Tirana. Zuvor war er im Kabinett Rama Minister für Jugend und Soziales. Erion Veliaj erwarb seinen Master im Fachbereich Europäische Integration im Vereinigten Königreich. Er wuchs in einer atheistischen Familie auf, wurde später Protestant und veröffentlichte weltweit umstrittene Mohammed-Karikaturen.

An der Tür zu seinem Büro steht: »You look great today.« Das Büro wirkt prächtig. Es hat die Form eines Halbkreises, auf dem dunklen Holzboden ist ein albanischer Teppich, darauf Samt- und Ledersofas, Bücherregale und Tische. An Wänden und Säulen befinden sich Landkarten von Tirana, in einer Zimmerecke sind Spielsachen: ein Bus, weitere Fahrzeuge aus Holz, ein grüner Bär, Miniaturen von einer Villa, einem Turm, einem Fahrrad und ein Schild von Monopoly Albania.

Gespräch mit Tiranas Bürgermeister Erion Veliaj

Herr Veliaj, was sind Ihre Ziele für Tirana?

Mein Ziel ist es, dass Tirana das Tel Aviv des Balkans wird. Nicht Wien, nicht München. Es wird nie eine neue alte Stadt sein. Allerdings ein kreativer Ort mit ein bisschen Drama.

Sie sind bekannt für Ihre Fahrradstraßen. Warum ist Ihnen das Projekt so wichtig?

Als wir mit dem Bau der Radwege begannen, fragten die Leute, wer Radwege brauche. Keiner fährt Fahrrad. Jetzt gibt es Proteste, weil die Fahrradspuren zu schmal sind. Das größte Verkehrsproblem in der Stadt sind allerdings nicht die Radwege, die Boulevards oder die Plätze, sondern die Kilometer von einem Ort zum anderen, die mit dem Auto zurückgelegt werden. Denn die Menschen können das Auto als Transportmittel betrachten, wenn die Entfernungen groß sind, oder sie betrachten es als Statussymbol. Dann will man angeben, dass man ein schönes Auto hat und kein armer Kommunist mehr ist. Mit inzwischen 30 Jahren dauert mir diese Trophäen-Symbolik schon zu lange. Mir geht es nicht um die Seitenstraßen oder die Parks, für mich geht es um die zehn Kilometer von einem Ort zum anderen.

Es ist schwierig, die Mentalität zu ändern. Wie gehen Sie das an?

Es gibt einige Leute von früher, die sich nicht ändern werden. Viele Menschen haben ein Misstrauen gegenüber der Politik und leisten Widerstand, das verstehe ich. Wenn nur ein Kind nach einem autofreien Tag nach Hause käme und sagen würde: »Oh, Papa, erinnerst du dich an das Fahrrad, das du mir vor drei Jahren gekauft hast, mit dem ich nie fahren konnte, weil es keinen Ort ohne Autoverkehr gab?« Es ist wichtig, mit den Kindern zu kommunizieren und sie zu Fürsprechern in jedem Haushalt zu machen, weil sie die Wahrheit sagen, ohne irgendwelche Bedingungen zu stellen.

Wie ist es Ihnen gelungen, den Widerstand zu überwinden?

Meistens, indem man Kindern einen Vorgeschmack auf die Dinge gibt, die kommen werden. Kinder sind von Natur aus Träumer. Man zeigt ihnen einfach, was es bedeutet, statt eines Kreisverkehrs für Autos einen Platz für Menschen zu haben. Bei dem, was in der Welt vor sich geht, haben viele Menschen einen Grund zu zweifeln, misstrauisch und zynisch zu sein. Aber Kinder sind unverdorben und können die Dinge so sehen, wie sie sind.

Was macht Albanien Ihrer persönlichen Meinung nach so besonders?

Kehren Sie zurück in die Zukunft, gehen Sie zurück in die Geschichte. Hier können Sie sehen, wie schnell sich Länder verändern. Ich habe über 100 Länder bereist. Mir fällt kein Land ein, das in so kurzer Zeit so viele Fortschritte gemacht hat wie Albanien.

Friseurbesuch und die schicken Albanerinnen

Heute treffen wir die-Intendantin der Tirana Oper und sind zum Eröffnungskonzert eingeladen. Das bedeutet für uns typisch albanisch: Friseurtermin um neun Uhr morgens.

Luisa und ich sitzen bei meinem Stammfriseur Parukeri Shqipe. Es ist ein hübscher Laden mit drei Sitzplätzen, im Fernsehen läuft der Musikkanal. Ich bekomme Locken und zahle dafür fünf Euro, Luisa für einen Haarschnitt zehn Euro. Viele Frauen lassen sich hier schminken, doch das mache ich lieber selbst. Keine halbe Stunde später sind wir fertig, die nächste Kundschaft wartet bereits.

In Albanien legt man Wert auf sein Äußeres. Die Frauen in Tirana tragen Blusen, Kleider und luftige Hosen aus Samt. So elegant würden die meisten Frauen in Deutschland abends ausgehen oder ins Büro. Hier machen sie sich schick, um kurz Brot zu kaufen. Ich fühle mich hier nie richtig angezogen. Ich bin durchaus modebewusst, mag aber kein übertriebenes Styling. Eine Bekannte von mir hat einen Beauty-Salon. Wir sehen uns kaum, da sie Wochen im Voraus ausgebucht ist.

HOW TO BECOME AN ALBANIAN

Friseur oder Beauty Center besuchen und anschließend Bild auf Instagram vom neuen Look posten.

In der schicken LIFT Steak & Rooftop Bar mit Blick über Tirana möchte Luisa von der Rezeptionistin Franceska Brahaj wissen: »Wie werde ich Albanerin?« Ihre Antwort: viel ins Aussehen investieren, Beauty-Center besuchen, tolle Fotos auf Instagram posten. »Warum ist das den Frauen so wichtig?«, fragt Luisa. Vielleicht wollen sie Bloggerinnen werden, überlegt Franceska, die selbst neben ihrem Job modelt.

Reiterstandbild des berühmten Nationalhelden Skanderbeg auf dem gleichnamigen Platz im Stadtzentrum von Tirana

Die Tirana Oper als offenes europäisches Theater

Die Tirana Oper ist mit der Nationalbibliothek Teil des Kulturpalastes. Mit vollem Namen heißt sie Teatri i Operas dhe Baletit (deutsch: Theater der Oper und des Balletts). Der Kulturpalast wurde in den 1960er-Jahren bei der neuen Gestaltung des Skanderbeg-Platzes gebaut. Heute befinden sich auf dem ehemaligen Gelände des alten Basar die sehenswerte Et’hem-Bey-Moschee, das Historische Nationalmuseum und das Wahrzeichen der Stadt – das Reiterstandbild zu Ehren Skanderbegs, des albanischen Adeligen, der gegen die Osmanen kämpfte. Die erste Aufführung in der Tirana Oper war die Oper »Rusalka« des russischen Komponisten A. Ş. Dargomyzhskij 1953. Heute besteht das Ensemble aus über 250 fest angestellten Personen, die dem Philharmonischen Orchester, dem Chor, der Balletttruppe und der Folkloregruppe angehören. Ich war zuletzt vor zwei Jahren in der Tirana Oper, um die Oper »Carmen« vorzubereiten. Ich fühle mich hier mehr als Zuschauerin, denn als Sängerin habe ich dort nur wenige Konzerte gegeben. Um mehr über die Oper zu erfahren, möchten wir uns mit der Intendantin Abigeila Voshtina treffen.

Gespräch mit der Intendantin der Tirana Oper Abigeila Voshtina

Abigeila Voshtina war Konzertgeigerin und künstlerische Leiterin. Seit Kurzem ist sie Intendantin der Tirana Oper. Ihre Vision ist ein offenes europäisches Theater.

Frau Voshtina, für was steht die Oper von Albanien?

Als ich zum ersten Mal hierherkam, gab es kein Publikum für zeitgenössische Kunst und die Oper. Wir haben es Schritt für Schritt aufgebaut. Ich war in Deutschland, dort kommt alles auf die Bühne, man ist sehr offen. Hier denkt man eher klassisch. Es geht nicht darum, sich als Teil des Westens zu fühlen, sondern um die Schönheit. Die Menschen wollen schöne Kunst, schöne Stimmen, schöne Bilder. Die Schönheit ist das Wichtigste für die Menschen überall. Wir wissen nach Covid, dass wir Kunst brauchen. Kunst und Sport können wir nicht nur auf Bildschirmen konsumieren, weil man keine Emotionen spürt. Das Theater vermittelt Emotionen, um einen kleinen Raum des Friedens und Genießens zu schaffen. Es ist keine Gala, zu der die Damen und Herren kommen, um ihre Kleider zu zeigen. Es ist ein spiritueller Moment.

Wer geht in Albanien in die Oper?

Drei Gruppen: Die Mittelschicht, ältere Leute und die junge Generation. Ich bin glücklich, dass sie sich für diese Kultur interessieren. Es ist ein Moment, in dem man sich der Hektik mit anderen entzieht und in einer Meditation mit sich selbst ist.

Welche Rolle spielt die Oper von Tirana für den Balkan?

Im Moment herrscht die Politik des offenen Balkans, und auch in der Oper werden wir mit anderen Balkanländern zusammenarbeiten. Wir haben beispielsweise gute Beziehung zum Belgrader Nationaltheater und gemeinsam Aufführungen von »Carmen« gemacht. Einige unserer Künstler und Künstlerinnen waren dort und einige der ihren waren hier. Wir planen mit dem Kosovo einige Projekte und ich möchte eine gute Beziehung mit den Kroaten.

Was ist Ihre persönliche Empfehlung für das aktuelle Programm?

Wir haben einen interessanten Anfang mit der fünften Sinfonie von Schostakowitsch. Er schrieb diese Sinfonie unter enormem politischen Druck. Sie hört sich so an, als ob jemand die Unterdrückung anprangert und sich auch davon löst. Die Sinfonie ist eines der schönsten Konzertstücke und ist wirklich lyrisch. Der Pianist ist fantastisch. Alles im Theater hat eine Magie, hat etwas zu sagen. Wir haben im Programm auch ein erzählendes Musical. Es heißt »Liebe« und ist von einem Choreografen aus München.

Gibt es eine überraschende Geschichte, die Sie über die Oper erzählen können?

Das Künstlervolk zu managen ist schwierig, weil sie alle sensibel sind. Man kann an ihnen die Extreme der Charaktere beobachten. Dieser Job kann also schrecklich sein, wenn man ihn nicht liebt. Aber es wird lustig und herausfordernd sein, mit Geduld das Beste aus jedem von ihnen herauszuholen.

Ministerpräsident Edi Rama ist auch Künstler. Ist er regelmäßig in der Oper?

Edi Rama ist sehr beschäftigt, daher ist es für ihn nicht einfach, eine längere Aufführung zu sehen. Er war bei der Theatereröffnung nach dem Wiederaufbau hier und hat sich zweimal »Madame Butterfly« angeschaut. Edi Rama hat sich in der letzten Amtszeit entschieden, dieses Theater zu einem europäischen zu machen.

Warum wurde die Oper vor Kurzem renoviert?

Bei der Renovierung ist das äußere Gebäude gleichgeblieben, innen haben wir es komplett neu gemacht. Denn anfangs war es für den Kongress gedacht. Danach wurde es zur Nationalbibliothek und zum Opernhaus umgebaut. Das Gebäude war also ursprünglich für etwas anderes gedacht und daher nicht optimal geeignet für Musikaufführungen. Wir brauchen eine gute Akustik, ein gutes Gefühl für das Publikum und die Künstlerinnen und Künstler.