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Zugfahrt mit Leiche Nicola Schulz und André Falkner entstammen Milieus, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Während André aus dem Luxusleben mit seiner reichen Freundin hinauskatapultiert wurde, ist Nicola nach ihrer Aussage gegen die Mitglieder einer rechten Terrororganisation im Zeugenschutzprogramm. Eigentlich verbindet diese beiden nichts … außer der unerwarteten Armut, dem Alleinsein, dem Pendlerzug Leipzig-Berlin. Und dem Toten, den sie darin finden. Keiner von beiden will mit dem Tod des Mannes in Verbindung gebracht werden. Also fliehen sie. In Zügen. Auf ihrer Flucht begegnen Nicola und André Vorurteilen, Ignoranz und Gewalt. Die Autorin Anne Kuhlmeyer legt einen hochspannenden Train-Thriller vor, der den Leser mit auf eine atemlose Reise und hinein in die Finsternis der eigenen Befürchtungen nimmt.
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Seitenzahl: 329
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Es gibt keine Toten
Anne Kuhlmeyer, geboren 1961, arbeitete nach dem Medizinstudium an der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin der Universität Leipzig. Sie zog 1990 nach NRW, absolvierte eine Fortbildung zur Psychotherapeutin und lebt heute mit ihrer Familie im münsterländischen Coesfeld. Seit 2003 veröffentlicht sie Kurzgeschichten, Novellen und Kriminalromane. Fragen nach der Rolle von Gewalt in der Gesellschaft, nach dem Umgang mit sogenannten Randgruppen, nach Vorstellungen von Familie oder den Auswirkungen von Individualisierung bestimmen ihr schriftstellerisches Schaffen.
Anne Kuhlmeyer
thriller
Originalausgabe
© 2015 KBV Verlags- und Mediengesellschaft mbH, Hillesheim
www.kbv-verlag.de
E-Mail: [email protected]
Telefon: 0 65 93 - 998 96-0
Fax: 0 65 93 - 998 96-20
Umschlaggestaltung: Ralf Kramp
unter Verwendung von: © eugenesergeev · www.fotolia.de
Redaktion: Volker Maria Neumann, Köln
Print-ISBN 978-3-95441-226-6
E-Book-ISBN 978-3-95441-241-9
Für einen,
den ich kannte.
Einen
Nichterreichten,
dessen Zug verschwand.
Im Nebel.
Montag
Dienstag
Mittwoch
Donnerstag
Freitag
Samstag
Sonntag
Montag
Nein, der Tod ist nicht der Anfang.
Der Tod ist auch nicht das Ende.
Er ist mehr so mittendrin.
Im Leben.
Zufällig. Oder geplant. Oder zufällig ungeplant.
Und dann steht man vor ihm oder direkt neben ihm, und die Welt dreht sich für Augenblicke andersherum.
Man denkt selten an ihn. Wie Nicola. Wie die meisten Menschen, die keinen akuten Grund haben, über ihn nachzudenken. Die morgens aufstehen, Kaffee kochen, zur Arbeit gehen, ihre Kinder in die Kita bringen, im Supermarkt Kartoffeln kaufen, Nachrichten hören (im Zoo in Wuppertal starb ein Elefantenbaby; Nordkorea hat alle diplomatischen Beziehungen abgebrochen und seine Bomben in Stellung gebracht; eine Explosion in einer Mine in China, dreiundzwanzig Tote), sich über den Chef, den Friseur, die Straßenbahn, die Preise oder das Wetter aufregen. Man kann sich wunderbar über das Wetter aufregen. Das Großartige daran ist, dass es sich nicht wehren kann.
Nicola wartet auf den Zug. Eiskalter Ostwind weht über den Außenbahnsteig und schleudert ihr Kristalle wie Geschosse ins Gesicht. Die rechte Gesichtshälfte schmerzt, die Narbe ist nicht mehr frisch, der Schmerz ist geblieben. In der Halle des Leipziger Hauptbahnhofes ist es wärmer, aber Nicola will rasch und möglichst unauffällig eine Zigarette rauchen, ohne dass irgendein Sittenwächter ihr die Regeln für den Aufenthalt in Bahnhöfen erklärt. Sie hat genug von Regeln und Sittenwächtern jeglicher Art.
Nicola Schulz, die in einem früheren Leben, an das sie nicht erinnert werden will, das sich ihr dennoch jeden Tag im Spiegel zeigt, Nicole Hausmann war und in einem noch früheren, von dem sie nichts oder fast nichts weiß, Didem Yilmaz. Didem, das Auge, sie lacht kurz in die kalte Luft und tastet nach der Narbe auf ihrer Wange und über das Lid, hinter dem eine undurchsichtige Hornhaut ihr den Blick nimmt. Nicola zieht an ihrer Zigarette, stößt den Rauch aus und schnippt die Kippe ins Gleisbett.
Halb verdeckt von einem Schaukasten für die Fahrpläne steht jemand, den sie kennt, den sie lange nicht gesehen hat und keinesfalls wiedersehen will. Er tippt auf seinem Handy herum, sieht nicht auf, und sie geht abgewandt und mit klopfendem Herzen an ihm vorüber, nicht ohne einen Blick über die Schulter zu riskieren. Einen guten Friseur hat er, denkt Nicola, und frisch sieht er aus für sein Alter – graues Haar, trainierte Muskulatur unter dem gut sitzenden Anzug, den Mantel trägt er über dem Arm. Wenn sich das Innere auf dem Antlitz abbilden würde, wäre er …
Man könnte sehen, wie er ist.
Aber man sieht nie, wie sie sind, außer in wirklich miesen Filmen.
Er hat Nicola nicht entdeckt, vermutlich erwartet er sie ebenso wenig wie sie ihn.
Ein paar Meter entfernt steht einer mit aufgemaltem Lachen im kalkigen Gesicht, zu seinen Füßen eine Aktentasche. Ein Clown mitten im März. Vielleicht will er zur Arbeit, in eine Kinderklinik, da haben sie jetzt Clowns gegen den Schmerz. Er rührt sich nicht, betrachtet seine Schuhe und sieht nicht besonders fröhlich aus.
Nicola hat Menschen und Abstand gebracht zwischen sich und den, den sie kennt. Er hält immer noch den Kopf über sein Handy gebeugt. Besser so. Damals hat sie eine Entscheidung getroffen, die sie gezwungen hat, unsichtbar zu sein.
Das Auge des Zugs stiert aus der Ferne. Gemächlich schlendert sie weiter, zurück in die Halle.
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