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Ella ist rausgeflogen. Aus ihrem Job als Anästhesistin. Aus der Liebe zu John, der gestorben ist. Aus ihrem Leben. Nun wohnt sie in einem umgebauten Leichenwagen und verdingt sich als Freelancerin in Operationssälen und auf Intensivstationen. Sie sucht nach einem neuen Lebensinhalt und nach einem Haus am Meer und muss sich dabei mit Morphin betäuben. Auf ihrer Suche begegnet sie Anna, die ihr ähnelt wie ein Zwilling. Anna ist Berufssucherin und Inhaberin eines Erotik-Shops. Gemeinsam fahren die beiden Frauen durch Deutschland, Tschechien, Rumänien, durch Wald und Steppe. Und treffen von Zeit zu Zeit den Tod …
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Die Autorin Anne Kuhlmeyer, geboren 1961, studierte Medizin in Leipzig, begann ihre Facharztausbildung am Universitätsklinikum und übersiedelte 1990 ins Münsterland. Nach verschiedenen beruflichen Stationen als Anästhesistin, Rettungsmedizinerin und Schmerztherapeutin lebt sie heute mit ihrer Familie in Coesfeld. Seit 2009 ist sie als ärztliche Psychotherapeutin, spezialisiert auf Psychotraumatologie, tätig. Bisher veröffentlichte sie drei Kriminalromane, daneben Kurzgeschichten in diversen Anthologien.
Das Buch
Anne Kuhlmeyer
Midnight by Ullsteinmidnight.ullstein.de
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Originalausgabe bei Midnight. Midnight ist ein Digitalverlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin August 2014 © Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2014 Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München Titelabbildung: © Finepic® Autorenfoto: © Carina Faust
ISBN 978-3-95819-008-5
Alle Rechte vorbehalten.
Seit einer Viertelstunde summt die elektrische Zahnbürste. Die Zahnseide wartet. Der Akku muss bald leer sein. Sissi sieht im Spiegel Zahncreme auf ihre Brust tropfen. Sissi.
Sie schüttelt den Kopf. Heute nicht. Sie will nicht. Aber sie wird sie nicht los, diese Sissi. Am liebsten hat sie Ella. Elisabeth geht auch noch. So heißt sie schließlich, welcher Depp ihr den Namen auch immer verpasst hat. Sie lächelt, und die Zahnbürste gibt auf. Das Lächeln gibt auch auf.
Jetzt ist sie sich ziemlich sicher.
Es hat nur einen einzigen Moment gegeben, der in Frage kommt. Der liegt weit zurück. Ein kurzes Zucken, sonst nichts. Der muss es gewesen sein. Der hat etwas verändert, etwas Unverzeihliches, nie wieder gut zu Machendes bewirkt. Sie ist alle anderen Momente durchgegangen. Beim Aufwachen schon, beim Autofahren, beim Bäcker, beim Spritzen aufziehen, beim Nudeln kochen, morgens und mittags und nachts, wenn sie nicht schlief. Es gibt nur diesen einen Moment, der in Frage kommt.
Das Zucken.
Unter all den unendlich vielen Momenten gibt es eben welche, die entscheiden, winzige Augenblicke, unumkehrbar wie alle anderen, nur folgenschwer. Nicht wieder gut zu machen.
Nie mehr.
Sie wirft die Zahnbürste ins Becken, Bürstchen und Zahnseide, steigt unter die Dusche und lässt das Wasser laufen.
Lange ...
Lange ...
Lange ...
Sie schrubbt sich das Blut von der Haut.
Bis aufs Blut.
Elisabeth, die Gute, wischt das Becken trocken, räumt Shampoo und Deo in die Tasche, poliert die Türen der Dusche blank.
Ist schon schön, so eine Dusche. Sie hat selbst mal eine gehabt. Man stellt sich darunter und lässt das Wasser über den Rücken fließen, bis einem warm wird. Dabei sieht man den Tropfen zu, wie sie die Scheiben herabrinnen. Wunderbar.
Sie wringt den Lappen aus, hängt ihn über die Heizung, kontrolliert, ob sie keine Spuren hinterlassen hat, nickt, nimmt die Tasche, geht. Hinter ihr fällt die Tür der Intensivstation ins Schloss.
Fertig.
Fast fertig. So richtig fertig ist sie nie. Von jedem Ort nimmt sie eine kleine Blutspur mit, einzelne Erythrozyten, einen Plasmafilm auf der Seele, verborgen fürs unbewaffnete Auge.
Verabschiedet hat sie sich nur von der Frühschicht. Knapp. Damit sie einmal wiederkommen kann. Die zahlen hier gut und die Nächte sind ruhig. Zwei Beatmungspatienten, ein paar Transfusionen, keine Zwischenfälle. So soll es sein.
Sie schlendert zum Parkplatz. Es ist kalt. Gefroren hat es. Der erste Reif auf den Dächern, Fachwerk darunter, und Frühstück, Kindergeschrei, Radionachrichten, Verschlafene, verbrauchte Luft und frische Wäsche. Sie müsste zum Waschsalon. Sie schließt ihren Wagen auf (es ist der von Georg) und wirft die Tasche auf den Beifahrersitz.
Du musst schlafen, Sissi.
Ein Tag und 400 km liegen zwischen hier und der nächsten Nacht voller fremder Gesichter, voll von fremdem Schmerz.
Ein Nest am Harz. Wie heißt es noch mal? Da muss sie hin. Dort war sie noch nie.
Erst schlafen. Sie nimmt die Karte aus dem Handschuhfach. Zerlesen ist sie. Bräuchte eine neue. Am besten einen Atlas. Der Typ im Navi weiß auch nicht alles. Sie hat ihn Heinz getauft.
Also Heinz: Wohin am besten?
Heinz macht keine Vorschläge. Sie wird schon was finden. Einen Feldweg, einen Wirtschaftsweg, möglichst abgelegen. Sie hat immer Wege gefunden. Abseitige meist. Parkplätze meidet sie.
Der Volvo stottert sich warm, springt an. Sie atmet.
Weiter draußen glänzt die Sonne auf den Feldern. Der Motor surrt zufrieden. Fast ist der Volvo ein Freund geworden, seit Georg ihn ihr überlassen hat. Manchmal macht er Zicken, dann lässt sie ihn stehen, und er beruhigt sich. Elisabeth fährt nicht schnell (Sissi würde, doch sie ist zu jung; Ella sieht sich die Landschaft an), das ist er nicht gewohnt. In seinem früheren Leben ist er Leichenwagen gewesen. »Bestattungswagen«, sagt Georg. Baujahr 1988, 130 Tausend drauf, Benziner, Automatik. Der Komfort hält sich in Grenzen.
Georg brauchte ihn nicht mehr. Er hat sich verkleinert, hat gut dreißig Kilo abgenommen und ist nur noch den Benz gefahren, nachdem sein Kompagnon gestorben ist. Elisabeth hat ihn gefunden, direkt in der Leichenhalle, überhäuft von Rosen und Lilien, zuerst hat sie seinen Schwanz entdeckt, neben einer Calla. Er war nackt. Man hatte ihn erstochen.
Danach liefen die Geschäfte schlecht. Wer wählt schon ein Bestattungsinstitut, in dem es Tote gibt?
Georg schlug sich eine Weile durch, nahm Aufträge an, die irgendwas mit Tschechien und Holland zu tun hatten. Elisabeth wollte es nicht so genau wissen. Jedenfalls war der Volvo übrig. Er passte zu Ella, die war auch übrig. Georg klopfte ihr mit seiner Pranke auf die Schulter und ließ die Autoschlüssel in ihre Hand fallen.
»Is’ okay«, sagte er, »lass dich mal sehen, wenn du wieder im Lande bist.«
Das ist jetzt ein Jahr her.
Georg half noch, ihre Wohnung auszuräumen, E-Bay und Sperrmüll, baute ihr sogar den hinteren Teil des Volvos um, damit sie ihre Kleider aufhängen und trotzdem die Schaumstoffmatratze ausrollen kann. Inzwischen besitzt sie einen Campingkocher, einen Klapptisch, auf den sie ihren Laptop stellen kann, einen Anglerhocker, eine Kühlbox, eine Zusatzbatterie, ein Klo und einen Schuhschrank. Georg faxt ihr die Post in die Klinik, in der sie gerade arbeitet. Da findet sie immer eine Möglichkeit, ein Fax zu empfangen. Meist merkt es da nicht mal einer. Ganz andere Sachen bleiben unbemerkt. Bis jetzt. Einmal in der Woche lacht sie mit ihm ins Telefon.
Es ist eine kurvige Strecke hinauf in den Norden. Am liebsten wählt sie die Landstraßen. Hungrig ist sie und müde. Eine heiße Brühe hätte sie jetzt gern. Hühnerbrühe gegen ... alles. Sie schiebt eine CD in den Player und summt mit. Ella Fitzgerald. I just wanna make love to you. Ja, das wäre hübsch. Aber dann folgt Solitude. So ist es immer gewesen.
Behutsam das Pericard entfernen,
die Aorta,
die Mitralis,
den Rest geronnenen Bluts aus der Kammer.
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