Noah & Clark: Zurück E-Book

Cardeno C.

• Herausgeber: dead soft verlag
• Kategorie: Gesellschafts- und Liebesromane
• Sprache: Deutsch
• Veröffentlichungsjahr: 2019

Seitenzahl: 294

Beschreibung

Der temperamentvolle Noah Forman wacht in einem Krankenhaus auf und kann sich nicht erinnern, wie er dorthin gekommen ist. Er reißt sich zusammen und tröstet sich damit, dass der Mann, den er seit seiner Kindheit liebt, auf dem Weg ist. Aber als sein Ein und Alles endlich ankommt, ist Noah entsetzt, dass er sich an nichts aus den letzten drei Jahren erinnern kann. Clark Lehman ist ein ernster und loyaler Mann, der sein Leben um den Mann herum aufbaute, der bei ihrem ersten Treffen darauf bestand, dass sie füreinander bestimmt seien. Jetzt, Jahre später, müssen zwei Männer, deren Liebe nie nachgelassen hat, ihre schönsten und schmerzhaftesten Momente neu erleben, um verlorene Erinnerungen wiederherzustellen und ihre Zukunft zu sichern. Ein Titel der Home Storys Reihe

Leseprobe

Cardeno C.

Noah & Clark: Zurück

Ein Titel der Home Storys Reihe

Impressum

© dead soft verlag, Mettingen 2019

http://www.deadsoft.de

© the author

Titel der Originalausgabe:

HOME AGAIN (2. Überarbeitete und ergänzte Auflage)

Übersetzung: Marcel Weyers

Cover: Irene Repp

http://www.daylinart.webnode.com

Bildrechte:

© Monkey Business Images – shutterstock.com

1. Auflage

ISBN 978-3-96089-322-6

ISBN 978-3-96089-323-3 (epub)

Inhalt:

Der temperamentvolle Noah Forman wacht in einem Krankenhaus auf und kann sich nicht erinnern, wie er dorthin gekommen ist. Er reißt sich zusammen und tröstet sich damit, dass der Mann, den er seit seiner Kindheit liebt, auf dem Weg ist. Aber als sein Ein und Alles endlich ankommt, ist Noah entsetzt, dass er sich an nichts aus den letzten drei Jahren erinnern kann.

Clark Lehman ist ein ernster und loyaler Mann, der sein Leben um den Mann herum aufbaute, der bei ihrem ersten Treffen darauf bestand, dass sie füreinander bestimmt seien.

Jetzt, Jahre später, müssen zwei Männer, deren Liebe nie nachgelassen hat, ihre schönsten und schmerzhaftesten Momente neu erleben, um verlorene Erinnerungen wiederherzustellen und ihre Zukunft zu sichern.

WIDMUNG

Kapitel 1

Noah – Gegenwart

Ein beständiges, nerviges Geräusch hämmerte immer wieder in meinem Kopf. Ich schaffte es, es für eine Weile auszublenden, nur um es dann wieder wahrzunehmen.

Pieps, pieps, pieps.

Was ist das für ein Geräusch? Vielleicht kann ich es finden und es zum Schweigen bringen. Urgh, das würde das Öffnen meiner Augen erfordern und meine Lider fühlen sich so schwer an. Ich glaube nicht, dass sie sich je so schwer angefühlt haben.

Der Piepton wurde lauter, oder vielleicht war ich mir diesem nur einfach mehr bewusst. Und etwas roch seltsam. Nicht eklig, aber auch nicht angenehm. Eine Art schwerer, chemischer Geruch.

Pieps, pieps, pieps.

Was ist das? Haben wir einen neuen Wecker bekommen? Wir haben noch nie einen gebraucht. Clarks Körper hat die erstaunliche Fähigkeit zu wissen, wie spät es ist, auch wenn er schläft, sodass er uns nie zu lange schlafen lässt.

Pieps, pieps, pieps.

Vielleicht kann ich ihn erreichen und ihn ausschalten. Ich muss meine Augen dafür nicht öffnen, ich muss nur meinen Arm heben. Oh, der fühlt sich auch schwer an. Und er schmerzt. Warum tut mein Arm weh? Es ist nicht nur mein Arm, auch meine Beine tun weh. Und meine Brust fühlt sich so eng an, als würde sie brennen. Was zum Teufel ist hier los? Clark. Ich brauche Clark. Er wird es besser machen.

Ich versuchteihn zu rufen, aber meine Zunge fühlte sich geschwollen und schwer an und es kam mir vor, als wäre mein Mundvoller Baumwolle. Ich zwang mich, jedes Fünkchen Energie auf meiner Zunge auf meinen Mund zu lenken. Wenn ich nur ein einziges Wort herausbekommen könnte, wäre alles besser. Er würde es besser machen. »Clark?« Meine Stimme klang schwach und gebrochen, völlig fremd in meinen Ohren.

»Oh mein Gott, Noah. Noah? Kannst du mich hören? Bist du wach?«

Schmerz und Erschöpfung verwandelten sich zu einem Wimpernschlag der Wut.

Das heißt, wenn ich überhaupt mit den Augen blinzeln könnte, was ich nicht kann, denn Blinzeln erfordert Öffnen und Öffnen erfordert Augenstärke, die ich anscheinend nicht habe. Moment, ich kann das Doppelte meines Körpergewichts heben und beschwere mich über die Stärke meiner Augenlider? Im Ernst? Wie auch immer, der Punkt ist, dass es nicht Clarks Stimme war.

Die zusätzliche Wut war Adrenalin und die gab mir die Kraft für mehr Worte. »Was hast du getan, Ben? Wo ist Clark? Was hast du mit Clark gemacht?«

Als sich mein Verstand zu klären begann, packte mich die Panik. Tiefe, atemraubende, herzzerreißende, schweißinduzierende Panik. Ich konnte meinen Körper nicht bewegen, konnte meine Augen nicht öffnen und mein Geliebter war nicht da. Es war Letzteres, was mich wirklich erschreckte. »Wenn du ihm wehtust, Ben … Ich schwöre, ich werde dich töten. Was zum Teufel hast du mit Clark gemacht?« Meine Stimme klang stärker und das piepende Geräusch war lauter, oder vielleicht schneller, ich war mir nicht sicher. Mit viel Mühe gelang es mir schließlich, meine Augen zu öffnen. Ein dumpfer, grauer Farbton. Alles. Die Wände, die gekachelte Decke, die Leuchtstoffröhren, die Platten, alles hatte eine schmuddelige graue Farbe.

Wo zum Teufel bin ich?

Der Fernseher war mit einer Metallplatte an der Wand verankert und daneben war eine Tür. Raue, schwere, weiße Decken lagen auf mir. Oh, und nicht zu vergessen das Piepen. Das allgegenwärtige Piepen.

»Ich habe nichts getan. Du hattest einen Unfall, Noah. Du warst wochenlang weg. Ich habe mir solche Sorgen gemacht. Gott sei Dank bist du endlich wach.«

Er griff nach meiner Hand und ich zwang meine Augen, sich auf das Gesicht meines Bruders zu konzentrieren. Sein normalerweise perfektes Haar war schmutzig, sein Hemd zerknittert und seine Augen waren feucht vor unvergossenen Tränen. All diese Dinge waren für meinen Bruder ungewöhnlich, aber was mir am meisten auffiel, war, dass er älter aussah. Nicht nur auf eine müde Art, obwohl das auch zutraf. Es war mehr als das. Sein Filmstargesicht sah um Jahre älter aus. Es war zwei Jahre her, seit ich meinen Bruder zuletzt gesehen hatte. Er war jetzt also wie alt? 28 nächsten Monat, nur ein paar Monate jünger als Clark. War er in zwei Jahren wirklich so alt geworden? Moment, hatte er Wochen gesagt? Ich blinzelte und konzentrierte mich auf das Wesentliche. »Wo ist Clark?«

Mein Bruder sah besorgt und überrascht aus.

»Verdammt, Ben! Antworte mir! Was ist mit ihm? Wo ist er? War er am Unfall beteiligt? Ich will ihn sehen. Ich muss ihn sehen. Wo ist Clark?« Die Panik war fast blendend. Ich konnte nicht atmen. Dann wurde alles schwarz. Clark würde mich auf keinen Fall alleinin einem Krankenhaus lassen, es sei denn, er war … Nein. Ich würde mich nicht einmal dazu durchringen, diesen Gedanken zu beenden. Das Piepen war nun schneller, unaufhörlich, fast wie ein langer Ton ohne Unterbrechung.

»Was ist hier los? Oh! Er ist wach. Ich rufe den Arzt.« Eine kräftige Frau in rosa Gewand drängte sich an meinem Bruder vorbei, griff über meinen Kopf hinweg, drehte ein Rädchen an einer Maschine neben mir und schaffte es, dieses gottverdammte piepende Geräusch zu stoppen. Halleluja, verdammt. »Mister Forman? Können Sie mich hören?«

Ich schloss die Augen, zwang mich, langsamer zu atmen, und konzentrierte mich dann auf die Krankenschwester. »Natürlich kann ich Sie hören. Bitte, können Sie mir sagen, wo mein Partner ist? Clark Lehman. Ist er ein Patient hier? Geht es ihm gut? Ich muss ihn sehen. Bitte.«

Sie sah verwirrt aus, öffnete ihren Mund, um zu antworten, und dann … »Mister Forman. Es ist wunderbar, Sie wach zu sehen. Ich bin Doktor Garcia.«

Ein dunkelhaariger Mann in kohlrabenschwarzer Anzugshose, blauem Hemd mit Knopfverschluss und weißem Laborkittel holte eine Taschenlampe aus seiner Tasche und strahlte mir damit in die Augen. »Können Sie diesem Licht folgen, Mister Forman?«

Das Licht bewegte sich von einer Seite zur anderen. Ich tat etwa fünf Sekunden lang wie geheißen, bevor ich auf meine Frage zurückkam. »Doktor …«

»Garcia. Doktor Garcia.«

»Richtig. Hören Sie, Doktor Garcia, ich werde gerne Ihrem Licht folgen oder was auch immer, aber zuerst muss mir jemand sagen, wo mein Partner ist. Ich fange langsam an, auszuflippen, Mann. Sein Name ist Clark Lehman. Er sollte hier sein. Ich weiß, dass er hier sein würde, wenn er könnte. Ich muss wissen, ob Clark etwas passiert ist.« Ich spürte, wie sich Tränen in meinen Augen bildeten. Das konnte nicht sein. Das war nicht möglich. Ich würde es wissen, wenn er es wäre. »Ist er …?« Ich schluckte und zwang mich weiterzureden. »Ist er …? Ist Clark tot?« Allein die Worte zu sagen, tat weh. Es war ein allumfassender Schmerz, wo man an nichts anderes denken konnte und keinen Grund sah, weiterzuleben. Ich schloss die Augen, um den Schmerz zu lindern, und fiel zurück in die Dunkelheit.

Clark – Vergangenheit

Benjamin Forman war über zwei Meter groß, hatte breite Schultern, eine schmale Taille und pralle Muskeln. Er hatte dickes, kastanienfarbenes Haar, das immer perfekt auf seinem Kopf zu sitzen schien, große, weite, braune Augen, die beim Lachen funkelten, volle rote Lippen, eine gerade Nase, einen kräftigen Kiefer und ein perfekt symmetrisches Gesicht, um das ihn jedes Model beneiden würde. Er war in den Startaufstellungen der Basketball-, Baseball- und Football-Teams der Highschool. Er war im Schülerrat, im freiwilligen Unterricht und er meldete sich freiwillig an zwei Nachmittagen pro Woche, um Englisch als Zweitsprache zu unterrichten. Er erhielt den Titel Homecoming King, Ballkönig, war bestaussehender Schüler und höchstwahrscheinlich Klassenbester unseres Abschlussjahres. Und neben all diesen Dingen war er mein bester Freund.

Da war ich, der Neue in der Stadt, und verbrachte viel Zeit mit Mister Du-bist-zu-perfekt-um-wahr-zu-sein. Das sollte der Teil der Geschichte sein, in dem ich dir erzählen sollte, dass ich in Ben verknallt war. Und in einer echten Fantasy-Geschichte würde ich sagen, dass er nach Monaten oder sogar Jahren der Angst und des Traumas zugegeben hatte, dass er verrückt und total in mich verliebt war. Aber das war nicht der Fall. Ben stand auf Mädchen und ich hatte nie andere Gefühle als platonische Freundschaft für den Kerl empfunden. Er war einfach nicht mein Typ. Sein Bruder hingegen hatte mich von dem Moment an fasziniert, als ich ihn gesehen hatte. Noah Forman war vom ersten Tag an mein Ein und Alles.

Der Versuch, Noah zu beschreiben, ist wie der Versuch, den Wind während eines Regensturms zu beschreiben. Man kann ihn riechen und fühlen, auch wenn man ihn nicht sehen kann. Manchmal ist der Wind so spürbar, dass man ihn buchstäblich schmecken kann, ohne den Mund zu öffnen. Und wenn es ein großer Sturm ist, kann sich der Wind wild und chaotisch anfühlen, als ob er aus allen Richtungen auf einen zukommt. Das war Noah. Nicht, dass man ihn nicht sehen könnte. Der Typ war nicht unsichtbar. Es war nur so, dass seine Essenz so mächtig war, dass man seine Augen nicht brauchte, um ihn zu sehen. Zumindest brauchte ich das nie. Meine Reaktion auf ihn war immer viszeral und allumfassend. Ich weiß, dass sich die Beschreibung als wild, chaotisch und aus allen Richtungen kommend anhören könnte, nach einer sprunghaften Person, nach jemandem ohne Richtung oder Verpflichtung. Aber das war Noah nicht, kein bisschen. Er schaffte es irgendwie, wild und frei mit engagiert und sicher zu verschmelzen. Und er war mir immer treu, seit ich ihn zum ersten Mal getroffen hatte, als ich siebzehn und Noah dreizehn Jahre alt gewesen waren.

Meine Mutter und ich waren in diesem Jahr nach Emile Citygezogen, um in der Nähe meiner Tante und meines Onkels zu wohnen, damit sie sich um mich kümmern konnten, da meine Mutter starb, bevor ich achtzehn war. Oh, hatte ich erwähnt, dass ich in diesem Jahr meine beste Freundin verlor? Ich habe nicht das Thema gewechselt; meine Mutter war meine beste Freundin. Und ich war ihr bester Freund. Ich hatte meinen Vater nie kennengelernt, was aber keine griechische Tragödie war oder so. Meine Mutter und ich standen uns supernah. Es waren immer nur wir beide. Ich dachte nicht viel über meinen Vater nach, aber wenn ich nach ihm fragte, war meine Mutter immer höflich. Sie sagte, er wäre ein netter Mann, ernsthaft, klug und attraktiv, mit blauen Augen wie meine. Sie hatten sich nicht lange gekannt, bevor sie schwanger geworden war. Und als sie erkannt hatte, dass ich auf dem Weg war, waren sie bereits getrennt gewesen. Es war einvernehmlich gewesen, wie alle endenden Beziehungen meiner Mutter. Niemand konnte je wütend auf meine Mutter bleiben.Sie hatte darüber nachgedacht, ihm zu sagen, dass er Vater werden würde, aber er hatte die Stadtbereits verlassen, war auf grünere Weiden gegangen, und er hatte immer gesagt, dass er nicht daran interessiert war, Kinder zu bekommen oder zu heiraten. Also hatte sie gedacht, es gäbe keinen Grund, sein Leben zu stören. Sie war zu dem Zeitpunkt vierzig Jahre alt, hatte einen guten Job als Kunstkuratorin und wollte immer ein Baby. Also hatte sie sich entschieden, mich zu behalten. In ihrem Kopf war ich ihreVerantwortung, nicht seine.Sie hatte mich aber nie davon abgehalten, ihn zu suchen, und mir nie das Gefühl gegeben, dass ich sie verraten würde oder so. Ich war nur nicht interessiert. Ich dachte, vielleicht täte ich es eines Tages, damit ich sehen konnte, wie er aussah, ihn wissen lassen konnte, dass er ein Kind da draußen in der Welt hatte. Aber dieser Tag war nicht gekommen, da bei meiner Mutter Eierstockkrebs diagnostiziert worden war. Nachdem die Ärzte ihn entdeckt hatten, gab es nicht viel, was man für sie hatte tun können, außer ihre Hand bei der aggressiven Chemotherapie zu halten und zu hoffen, dass sie einer der wenigen Menschen sein würde, die die Krankheit überlebte.

Meine Mutter war winzig, kaum einen Meter fünfzig groß und vielleicht fünfundachtzig Pfund schwer. Nachdem ich die Größe meines Vaters und seine Augen geerbt hatte, war ich bereits im Alter von sechzehn Jahren größer und breiter gewesen als sie. An dem Tag, als sie mir von ihrer Diagnose erzählt hatte, hatten wir zusammen auf der lilafarbenen Kunstledercouch unseres kleinen Strandhauses gesessen und ich hatte sie in meinen Armen gehalten, während wir geweint hatten. Als uns die Tränen und Taschentücher ausgegangen waren, hatte sie gesagt, dass wir umziehen müssten. Sie wollte irgendwo sein, wo ich bleiben könnte, wenn das Schlimmste passieren und sie es nicht schaffen würde. Das war meine Mutter, immer direkt heraus. Sie hatte nichts beschönigt und mich nicht wie ein Kind behandelt. Wir wussten beide, dass ihre Überlebenschancen gering waren, und sie wollte meine Intelligenz nicht beleidigen, indem sie etwas anderes vorgab. Ich liebte und schätzte das an ihr, obwohl ein Teil von mir meinen Kopf in den Sand stecken und so tun wollte, als wäre sie nicht krank, als würde sie nicht sterben und mich nicht ganz allein auf der Welt lassen. An diesem Tag auf der Couch hatte mir meine Mutter die Wahl gelassen, meinen Vater zu finden oder mit ihr in die Nähe ihrer Schwester in Emile City zu ziehen. Da mein Vater kein wirkliches Interesse an mir hatte, wählte ich Letzteres, ohne zu wissen, dass ich dort wirklich mein Zuhause finden würde. Und ich spreche nicht vom Haus meiner Tante und meines Onkels. Ich spreche von Noah.

Ich begann erst in der Jahresmitte mit der Schule, holte aber schnell auf. Die Schularbeit war für mich nicht besonders schwierig und ich war sozial. Ich schloss mich dem Baseballteam an, als die Saison begann, in dem Wissen, dass es eine gute Möglichkeit war, Freunde zu finden. Ich war kein guter Athlet, aber auch nicht furchtbar. Im Grunde genommen war ich gut genug, um ins Team zu kommen und mich nicht zu blamieren. Ben Forman war der beste Spieler im Team. Er wäre wahrscheinlich Kapitän, wenn die Trainer dieses Privileg nicht für einen Senior aufgehoben hätten. Also spielten Ben und ich zusammen Baseball, und weil wir beide Junioren waren, hatten wir ein paar Klassen zusammen. Dann, eines Tages beim Mittagessen, rief mich Ben zu sich, um bei ihm und einigen anderen Jungs zu sitzen, was zu meiner Mittagsroutine wurde. Und so wurde er zum nächsten Brotkrumen auf dem Weg, der mich nach Hause führte, zu Noah.

Es begann alles wie ein normaler Freitag. Ich hatte keine Ahnung, dass sich mein Leben bald ändern würde. Verdammt, Veränderung war eine Untertreibung. Mein Leben sollte sich bessern, es sollte explodieren, es sollte beginnen.

Ben hatte einige von uns aus dem Team eingeladen, nach dem Spiel an diesem Abend in seinem Haus zu übernachten. Ich hatte von den anderen gehört, dass Ben vor ein paar Jahren aufgehört hatte, Leute in sein Haus einzuladen, also waren sie ziemlich begeistert wegen der Einladung. Ich hätte ihn fast abgewiesen, weil ich Angst hatte, meine Mutter allein zu lassen, aber sie bestand darauf.

»Eine Nacht von hier weg wird dir guttun, Schatz. Mach dir keine Sorgen, dass du etwas Aufregendes verpasst. Ich zähle, wie oft ich in der Nacht kotze, und informiere dich, wenn du morgen wiederkommst.« Die Tatsache, dass sie sogar Witze machen konnte, während ihr Körper direkt vor unseren Augen auseinanderfiel, war ein Beweis für die Stärke und Güte meiner Mutter.

»Bist du dir sicher? Du weißt, dass es mir nichts ausmacht, hier zu sein, wenn du mich brauchst.«

Wir lebten in einer kleinen Zweizimmerwohnung, die neben der Wohnung meiner Tante und meines Onkels lag. Ich hatte mein eigenes Zimmer, schlief aber bei meiner Mutter, seit wir dort angekommen waren. Auf diese Weise konnte ich ihr alles besorgen, was sie in der Nacht brauchte, und ihr helfen, ins Badezimmer zu gehen, wenn ihr übel wurde, was fast ständig der Fall war.

Sie hievte sich mit ihren zittrigen Händen in eine aufrechte Position, stand von ihrem Bett auf und tätschelte mir die Wange. »Natürlich brauche ich dich, mein lieber Junge. Du bist meine ganze Welt. Aber ich habe meine Medizin hier, die Hauskrankenschwester wird um fünf Uhr vorbeikommen und ich werde wahrscheinlich sowieso die meiste Zeit schlafen. Es wird mir gut gehen.«

Ich umarmte sie sanft. Sie war nur noch Haut und Knochen, also hatte ich ständig Angst, dass ich sie zerbrechen könnte, wenn ich zu fest drückte.

»Es tut mir leid, dass ich deine Spiele nicht sehen kann, Schatz. Du weißt, ich wünschte, ich könnte es.«

Ich küsste ihre Stirn und hielt die Tränen zurück. Ihre Haut fühlte sich so kalt und feucht an. »Es ist keine große Sache. Ich bin mir sicher, dass ich die Bank das ganze Spiel über warmhalten werde.« Okay, das war nicht wahr. Ich war kein guter Spieler, aber ich war gut genug, um eingewechselt zu werden. Und ich war es nicht gewohnt, meine Mutter anzulügen, aber ich wollte nicht, dass sie sich schlecht fühlte, weil sie meine Spiele verpasste. Ich wusste, dass sie da wäre, wenn sie könnte.

Kapitel 2

Noah – Gegenwart

Ich kämpfte mich durch die Dunkelheit und hörte die Stimme meines Bruders. Er war wütend und schrie fast. Es dauerte einige Sekunden, bis ich mich daran erinnerte, was passiert war. Ich war im Krankenhaus und Clark war nicht da. Clark. Ich brauchte Clark.

»Ich werde ihn nicht anrufen!«

»Bitte, Ben. Ihr Bruder ist noch nicht über den Berg. Einen solchen Autounfall hätten die meisten Menschen nicht überlebt. Seine Größe und Stärke haben ihn so weit gebracht, aber sein Körper erholt sich gerade und er kann keinen zusätzlichen Stress und keine Anspannung vertragen. Sie haben gesehen, wie verärgert er war. Er wurde buchstäblich ohnmächtig, und ich weiß nicht, wann oder ob er wieder aufwachen wird. Er hat nach seinem Partner gefragt, und nach dem, was Schwester Smith mir gesagt hat, hat er dasselbe getan, als sie in den Raum gekommen ist. Sie hat ihn nach ihm fragen hören. Wie kommt es, dass Sie nicht verstehen, wie ernst diese Situation ist, Ben?«

»Sie sind derjenige, der es nicht versteht. Wir können Clark Lehman nicht anrufen. Er ist …«

Oh, das hat er gerade nicht gesagt. Hat Ben sich wirklich gerade geweigert, Clark anzurufen? Im Ernst?

»Raus hier.«

Hallo, Stimme. Willkommen zurück.

Mein Bruder und Dr. Garcia wandten sich an mich, offensichtlich überrascht, mich sprechen zu hören. Ich schaffte es, meinen linken Arm so weit zu bringen, dass ich mich auf dem Bett abstützen konnte, um meinen Körper in eine Position zu bringen, die an eine sitzende Haltung erinnerte. »Du hast mich gehört, Ben. Raus hier.«

Er kam zu mir, Schmerz war in seinen Augen. »Noah, hör mir zu …«

Ich wandte mich an den Arzt. »Er hat kein Recht, hier zu sein, und er hat kein Recht, meinen Partner fernzuhalten.« Ich starrte meinen Bruder an, ohne zu versuchendie Wut und den Hass zu verbergen, die ich in diesem Moment empfand. »Wir sind schwul, nicht dumm, Ben, trotz allem, was du vielleicht denkst.« Ich kochte vor Wut und wollte ihm seinen verdammten Hals umdrehen, weil er sich zwischen mich und meinen Geliebten stellte. Ich wackelte mit den Fingern und seufzte frustriert, als mir klar wurde, dass ich nicht die Kraft dazu hatte. Ich müsste mich damit begnügen, dieses Stück Scheiße zu ignorieren. Ich sah den Arzt an.»Der Name meines Hausarztes ist Doktor James Reed. Er hat eine Kopie meiner Gesundheitsvollmacht. Bitte rufen Sie ihn an und dann meinen Partner. Ich habe mich von meiner Familie entfremdet, Doktor Garcia, also will ich sie nicht hier haben. Besonders nicht ihn.« Ich gestikulierte mit dem Kopf zu meinem Bruder, weigerte mich aber, seinem Blick zu begegnen.

Der Arzt sah meinen Bruder mit traurigen Augen an.

»Haben Sie kein Mitleid mit ihm, Doktor Garcia. Ich weiß nicht, was er Ihnen gesagt hat, während ich weg war, aber es ist mehr als zwei Jahre her, seit mein Bruder mit mir oder dem Mann gesprochen hat, der ihn für seinen besten Freund gehalten hat. Fragen Sie ihn, warum, Doktor Garcia. Oder können Sie es sich vorstellen?«

»Noah, bitte.« Ben trat näher an mich heran.

Ich presste meinen Kiefer zusammen und sprach mit knirschenden Zähnen. »Oh, ich verstehe. Du bist nicht in der Stimmung für Ratespiele. Ist es das, Ben? Oder ist es, weil du nicht willst, dass ich deinen hasserfüllten Arsch enthülle? Hör mir zu. Wir sind fertig, okay? Du wirst nicht ändern, wer wir sind. Und Clark von mir fernzuhalten, während ich im Krankenhaus bin, ist mies, selbst für dich. Der einzige Grund, warum du noch stehst, ist, weil ich meinen Körper nicht bewegen kann, aber das wird nicht ewig so bleiben, also tu dir einen Gefallen und verschwinde!«

Der Arzt eilte zu mir und legte seine Hand auf meine Schulter. »Noah, bitte beruhigen Sie sich. Ich rufe Ihren Partner an, okay? Clark Lehman? Das haben Sie doch gesagt, oder? Es ist klug von Ihnen, rechtliche Dokumente zu haben, Noah, aber solange Sie wach sind, werden wir sie nicht brauchen. Sie können Ihre eigenen Entscheidungen treffen, ebenso wer Sie besuchen darf. Also bleiben Sie einfach bei uns, okay?«

Ich nickte und ließ meinen Körper sich entspannen. Clark war nicht tot; mein homophober Bruder hatte ihn ferngehalten. Wir hatten fast sechs Jahre lang keine einzige Nacht getrennt verbracht. Wir konnten nicht ohne einander schlafen und wollten es auch nicht. Mein Bruder hatte gesagt, ich wäre seit Wochen in diesem Krankenhaus, was bedeutete, dass er Clark so lange von mir ferngehalten hatte. Zumindest hatte ich das Glück, die ganze Zeit bewusstlos gewesen zu sein. Ich wollte nicht einmal darüber nachdenken, was Clark durchgemacht haben musste in dem Wissen, dass ich verletzt und ins Krankenhaus eingeliefert worden war, aber er trotzdem nicht zu mir durfte. Er war wahrscheinlich am Boden zerstört. Hoffentlich würde es ihm helfen, wenn er sah, dass es mir gut ging.

Clark – Vergangenheit

Wir gewannen das Spiel an diesem Abend, also waren alle in guter Stimmung, als wir Bens Haus erreichten. Wir trampelten in den Familienraum, sahen uns Videos an, spielten Spiele, aßen Junkfood und rangen auf dem Boden. Um Mitternacht kam Mrs. Forman herein und sagte uns, es wäre an der Zeit, ins Bett zu gehen.

»Einer von uns muss heute Nacht im Zimmer meines Bruders schlafen. Ich habe nur die extra Koje und das Ausziehbett in meinem Zimmer.«

Die anderen beiden stöhnten auf und Ben rollte wissend mit den Augen. Offensichtlich gab es eine Geschichte und ich war neugierig darauf, aber seine Mutter hatte gesagt, dass es an der Zeit war, ins Bett zu gehen, und ich war niemand, der einer Mutter nicht gehorchte. Auch wenn es die von jemand anderes war.

»Ich schlafe im Zimmer deines Bruders, Alter.« Ich hob meinen Rucksack hinter der Couch auf, wo ich ihn hingelegt hatte, nachdem wir angekommen waren. »Zeig mir den Weg.«

Ben kicherte, stand vom Boden auf, ging zu mir und klopfte mir auf den Rücken. »Tapferer Mann. Sein Zimmer ist unten im Flur, die letzte Tür rechts. Es gibt ein angrenzendes Badezimmer.«

Ich hatte in den zweieinhalb Stunden, die wir in diesem Haus waren, kein Lebenszeichen von Bens Bruder gesehen, also war ich mir nicht sicher, ob er zu Hause war. Ich warf meinen Rucksack über meine Schulter und wandte mich an Ben. »Schläft er? Soll ich leise sein?«

Mehr Gelächter von den anderen beiden Jungs. Ben zuckte nur mit den Schultern. »Wer weiß? Er kann irgendwie … unberechenbar und laut sein, also haben meine Eltern letztes Jahr den dritten Garagenplatz abgeschirmt und viel Isolierung verwendet. So ist sein Zimmer weit genug vom Rest von uns entfernt, damit wir seine, ähm, Geräusche nicht hören müssen.«

Ich begann nervös zu werden. Ich trat von einem Fuß auf den anderen und kaute auf meiner Unterlippe herum. »Was für Geräusche?«

Jim und Pete, die anderen beiden aus dem Team, tauschten Blicke aus und stiegen dann in das Gespräch ein. »Mann, Bens Bruder ist ein totaler Freak. Ich hab gehört, dass er letztes Jahr …«

Pete konnte seinen Satz nicht beenden, weil Ben sich gegen ihn wandte und knurrte. »Hey, halt die Klappe, verdammt noch mal. Er ist mein Bruder, Arschloch.«

Ich beschloss, es dabei zu belassen. Ben hatte recht; wir hatten kein Recht, seinen Bruder schlechtzureden. Außerdem gab es keinen Lärm, der schlimmer war, als meiner Mutter beim Weinen im Schlaf zuzuhören, und damit lebte ich schon seit Monaten. »Letzte Tür rechts. Verstanden. Ich sehe euch Arschlöcher am Morgen.« Ich formte einen Kussmund, was Ben zum Lachen brachte und folglich die Stimmung aufhellte.

Ich hatte ein Lächeln auf meinem Gesicht, als ich den Flur entlangging und darüber nachdachte, wie beschützerisch Ben gegenüber seinem Bruder war. Er selbst konnte über den Kerl sagen, was er wollte, aber niemand sonst durfte ein Wort über ihn verlieren. So sollten die Dinge sein. Familie war schließlich Familie. Als jemand, der im Begriff war, die einzige echte Familie zu verlieren, die er hatte, verstand ich das besser als jeder andere.

Als ich die letzte Tür im Flur erreichte, klopfte ich sachte an. Ich wollte Bens Bruder nicht wecken, falls er bereits schlief. Keine Antwort. Ich öffnete die Tür einen Spaltbreit und streckte meinen Kopf hinein. Es standen zwei Einzelbetten im Zimmer und das Mondlicht, das durch das Fenster fiel, reichte aus, um zu sehen, dass beide leer waren. Ich dachte, vielleicht war er im Badezimmer. Ich wollte ihn nicht erschrecken, wenn er herauskam, also ließ ich meinen Rucksack auf dem Bett fallen, das mir am nächsten war, und klopfte an die Badezimmertür. »Hallo? Ich bin Bens Freund, Clark Lehman. Ich werde heute Abend in deinem Zimmer schlafen.«

Nichts. Kein Geräusch. Ich bemerkte, dass unter der Tür kein Licht zu sehen war. Hm. Ich schätzte, Bens Bruder war über Nacht weg. Ich dachte, er schliefe wahrscheinlich bei einem Freund und Ben wusste nichts davon. Ich drückte den Schalter für das Deckenlicht und sah mich im Raum um.Der Boden war aus gebeiztem Beton, im Gegensatz zu den Teppichböden und Holzböden im Rest des Hauses. Die Wände und die Decke waren mit einem Mischmasch aus Buntstiften, Markern und Farbe bemalt. Darüber hinaus gab es mehrere Schichten Bandplakate von Musikern, die ich nicht hörte: Rob Zombie, die Butthole Surfers, Social Distortion, The DeadMilkmenund The Cure. Die Möbel schienen ein ähnliches Schicksal erlitten zu haben wie die Wände, hatten eine Amateurlackierung und viele Bandaufkleber. Eines der Betten, das, von dem ich annahm, dass er darin schlief,war nicht gemacht, aber ansonsten war das Zimmer aufgeräumt und ordentlich.

Ich zog meinen Kulturbeutel aus dem Rucksack und ging in das angrenzende Badezimmer. Als ich das Licht einschaltete, sah ich einen schlichten Raum: eine weiße Wand, Vorratsschränke, einen braunen Duschvorhang. Ein normales Badezimmer, aber es erschien langweilig und leblos im Vergleich zu dem lebhaften Schlafzimmer, aus dem ich gerade gekommen war. Ich putzte mir die Zähne, wusch mir das Gesicht und benutzte die Toilette. Dann ging ich zurück ins Schlafzimmer, machte das Licht aus und zog mich bis auf meine Boxershorts aus. Ich hatte gerade die Bettdecke zurückgezogen, als ich ein kratzendes Geräusch hinter mir hörte.

»Wer zum Teufel bist du und was machst du in meinem Zimmer?«

Ich drehte den Kopf und sah einen Kerl, der sich auf der Fensterbank abstützte, halb im Zimmer und halb draußen hing. Sein Haar war lila und klebte überall an seinem Kopf, er hatte schwarzen, verschmierten Eyeliner unter seinen Augen und drei Ringe in der Spitze seines linken Ohrs. Schwarzer und grüner Nagellack war an seinen Nägeln abgeplatzt. Sein schwarzes Hemd war voller Löcher und seine lockere Jeans, auch schwarz, war in ähnlichem Zustand. Er kletterte über die Fensterbank und trat in den Raum. Ich sah sein Gesicht an und schöne, haselnussbraune Augen begegneten meinem Blick. Mein Atem verließ mich plötzlich, als ich erkannte, dass ich auf meine Zukunft blickte. Ich war noch nicht in der Lage, meine Gefühle für ihn zu erkennen, und es sollte Jahre dauern, bis ich mir über sie im Klaren werden würde. Aber schon in diesem ersten Moment wusste ich, dass er meine Verantwortung war, um die ich mich kümmern musste, auch wenn ich seinen Namen nicht kannte. Mir wurde klar, dass der erste Blick auch etwas in ihm erschütterte, denn als sich unsere Augen trafen, wurde sein zuvor wütender Ausdruck milder. Er ging zu mir und stand so nah, dass ich spürte, wie die Hitze seiner Haut auf meine strahlte. Es fühlte sich wunderbar an. Ich war etwa fünfzehn Zentimeter größer als er, was nicht ungewöhnlich war, denn mit meinen über eins achtzig war ich größer als die meisten Menschen. Trotz seiner geringeren Größe waren seine Schultern genauso breit wie meine. Wieder keine Überraschung, wenn man bedachte, dass sein Bruder und sein Vater beide groß waren. Ich war nur größer und schlaksiger.

Er streckte seine Hand aus und berührte meine Wange mit einer intimen und zärtlichen Geste.

Anstatt mich zurückzuziehen, bewegte sich mein Körper instinktiv auf seine Berührung zu. Es hätte unangenehm sein sollen, aber es fühlte sich wie die natürlichste Sache der Welt an, ihm näher zu kommen.

»Du siehst aus wie ein Engel. Wie ist dein Name?« Seine Stimme klang ruhiger und weniger bedrohlich als eben, als er durch das Fenster gekrochen war und mich in seinem Zimmer entdeckt hatte.

»Clark.«

Er nickte und schloss die Augen. »Clark. Okay. Ich bin Noah, und, Junge, du bist das Letzte, was ich erwartet habe.«

Ich wollte ihn gerade fragen, was er meinte, als ich blaue Flecken an seinem Hals bemerkte. Ein Gefühl, ihn beschützen zu wollen, überkam mich. Ich wollte Noah nahe an meinen Körper bringen und ihn beschützen. Irgendwie hielt ich mich zurück, stattdessen berührte ich die Spuren sanft mit meinen Fingern und wünschte, ich könnte sie heilen und ihm den Schmerz nehmen. »Geht es dir gut? Was ist mit dir passiert? Hat dir jemand wehgetan?«

Er schien von meiner Frage verwirrt zu sein. Ich erkannte, dass ich ihn zu lange berührt hatte, also ließ ich meine Hand sinken. Noah ging ins Badezimmer, schaltete das Licht an, lehnte sich über das Waschbecken und schaute in den Spiegel, während er auf die blauen Flecken drückte. »Hm. Nun, meine Eltern werden morgen bestimmt deswegen einen Anfall bekommen.« Er drehte sich um und sah mich an. »Das sind Knutschflecken. Ich hatte sie nicht, als ich heute Abend ins Bett ging, also werden meine Eltern merken, dass ich mich rausgeschlichen habe.« Er zuckte mit den Schultern in einer stillen Bestätigung, als wäre es ihm egal, was seine Eltern dachten. »Nun, vielleicht wird ihnen das eine Lektion sein, mir Hausarrest zu geben.« Dann zog er sein Hemd aus und ließ seine Hose und seinen Slip zu Boden fallen. »Ich gehe duschen. Ich hasse den Geruch von Zigarettenrauch.«

Ich hörte Noah zu, versuchte das, was er sagte, zu verarbeiten und diesen Kerl zu verstehen, der sich so sehr von jedem unterschied, den ich je gekannt hatte. Aber dann war ich durch seinen Schwanz abgelenkt. Nein, nicht auf sexuelle Weise. Meine Gefühle für ihn, obwohl unbestreitbar intensiv, waren zu diesem Zeitpunkt nicht sexuell. Der Grund, warum ich auf seinen Schwanz starrte, war, weil er … bunt war.

Er bemerkte meinen Blick und sah an sich herab. Dann kicherte er. »Es gab ein Regenbogenzimmer auf der Party.«

»Ein was?«

»Ein Regenbogenzimmer.«

Ich hatte absolut keine Ahnung, wovon er sprach. Er lehnte am Waschbecken, verschränkte die Arme und sah mich bewundernd an. Ich dachte, vielleicht versuchte er zu entscheiden, ob er mir vertrauen konnte und ob ich seine Zeit wert war. Letztendlich musste die Antwort Ja gewesen sein, denn er sprach weiter.

»Es ist ein Raum, in den Jungs gehen, um einen Blowjob zu bekommen. Da ist eine Schüssel mit Lippenstiften vor der Tür und du legst welchen auf, bevor du lutschst. Alle wechseln sich ab, sodass dein Schwanz am Ende voll mit verschiedenen Farben ist.«

Schock wäre eine Untertreibung, um auszudrücken, was ich fühlte. Mit siebzehn hatte ich noch nie eine Freundin gehabt, war nie geküsst worden und hatte mit Sicherheit nie einen Blowjob bekommen. Dass er mir so nonchalant sagte, dass es sich um ein Partyspiel handelte, machte mich sprachlos.

Dann ging er noch einen Schritt weiter, als er sich drehte, sein Kinn hob, als er in den Spiegel blickte, seine Lippen mit dem Handrücken abwischte und dann darauf sah, während er ihn unter dem Licht hin und her bewegte. »Ich schätze, meiner ist ganz weg. Ich hatte lila.«

»Was?«, fragte ich, sicher, dass ich mich verhört hatte.

Er hörte nicht auf, seine Hand sorgfältig zu untersuchen. »Lila. Ich habe einen lila Farbton gewählt, weil ich weiß, dass er lange hält, aber er muss abgerieben sein. Hoffentlich war es, nachdem ich mit dem Lutschen fertig war.« Noch ein Schulterzucken, dann wandte er sich vom Spiegel ab und ging zur Dusche. Er passte die Wassertemperatur an und stellte sich darunter.

Ich war mit meinem Platz auf dem Boden vor dem Badezimmer verwurzelt. Hatte Bens Bruder mir gerade gesagt, dass er auf Sexpartys ging, Blowjobs von mehreren Leuten bekam und welche gab? Ich schüttelte den Kopf und dachte, dass ich halluzinieren musste.

Kapitel 3

Noah – Gegenwart

»Noah? Können Sie mich hören?«

Ich stöhnte und öffnete die Augen.»Natürlich kann ich Sie hören, Doktor Garcia. Sie stehen weniger als dreißig Zentimeter von meinem Gesicht entfernt.«

Er kicherte und lächelte schüchtern. »Tut mir leid, Noah. Ich hatte Angst, dass wir Sie wieder verlieren würden.«

Ich