The Lions of Berk: Johnnie - Cardeno C. - E-Book

The Lions of Berk: Johnnie E-Book

Cardeno C.

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Beschreibung

Seit vielen Jahrzehnten widmet der Löwengestaltwandler Hugh Langley sein Leben der Führung seines Rudels. Er ist der Premier der Löwen von Berk und führt seine Leute mit Erfolg. Da er mehr Macht besitzt, als ein einzelner Körper allein fassen könnte, ist er auf einen anderen Wandler angewiesen, seinen Siphon, der seine Kraft ausgleicht. Als der Siphon sich - und damit Hugh und das Rudel - in Gefahr bringt, muss Hugh sich plötzlich mit dem Mann befassen, der seit einem Jahrzehnt sein stiller Schatten gewesen ist. Was er erfährt, überrascht ihn, aber was er fühlt, erstaunt ihn noch viel mehr. Zwei Löwen, beide geboren, um zu dienen, müssen sich aufeinander verlassen, um zu überleben. Nach Jahren an der Seite des jeweils anderen wird ihnen endlich die Tiefe und das Potenzial ihrer Verbindung bewusst.

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Seitenzahl: 295

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The Lions of Berk –Johnnie

von Cardeno C.

Impressum

© dead soft verlag, Mettingen 2016

http://www.deadsoft.de

Titel der Originalausgabe

„Johnnie“

© Cardeno C.

Übersetzung: Marcel Weyers

Cover: Irene Repp

http://www.daylinart.webnode.com

Bildrechte:

© Quality Master – shutterstock.com

Inhalt:

Seit vielen Jahrzehnten widmet der Löwengestaltwandler Hugh Langley sein Leben der Führung seines Rudels. Er ist der Premier der Löwen von Berk und führt seine Leute mit Erfolg. Da er mehr Macht besitzt, als ein einzelner Körper allein fassen könnte, ist er auf einen anderen Wandler angewiesen, seinen Siphon, der seine Kraft ausgleicht. Als der Siphon sich – und damit Hugh und das Rudel – in Gefahr bringt, muss Hugh sich plötzlich mit dem Mann befassen, der seit einem Jahrzehnt sein stiller Schatten gewesen ist. Was er erfährt, überrascht ihn, aber was er fühlt, erstaunt ihn noch viel mehr. Zwei Löwen, beide geboren, um zu dienen, müssen sich aufeinander verlassen, um zu überleben. Nach Jahren an der Seite des jeweils anderen wird ihnen endlich die Tiefe und das Potenzial ihrer Verbindung bewusst.

Widmung

Kapitel 1

Mehr als ein Jahrzehnt war vergangen, seit er das letzte Mal dieses absolute Gefühl des Ausgefülltseins gespürt hatte, daher war Hugh Langley der Grund dafür nicht sofort klar. Er genoss weiter das Gedränge, die warmen Körper, das hungrige Grunzen und die moschusartigen Düfte der Löwen-Gestaltwandler um ihn herum, als plötzlich der Druck in seinem Kopf und seiner Brust anschwoll und ihn fast ohnmächtig werden ließ. In dem Moment wurde ihm klar, was passiert war.

„Wo ist er?“, fragte er atemlos, als er sich in eine kniende Position zwang und seinen Blick durch sein großes Schlafzimmer schweifen ließ. Das war schlimmer, so viel schlimmer als je zuvor. Er konnte kaum atmen, kaum denken, sich kaum bewegen. „Der Siphon?“, keuchte er.

„Hugh?“, sagte Mara Terrence, die Gestaltwandlerin, die sich unter ihm geräkelt hatte. „Was ist los?“

„Premier?“ Dennis Jones löste sich von Percy Milroy und beide Männer kamen auf ihn zu. „Was ist … Oh, Scheiße! Mara, halt ihn fest, bevor er zusammenbricht.“

„Was ist los mit ihm?“, schrie Mara, als sie Hughs beträchtliches Gewicht ausglich und ihn auf den Boden hievte.

„Was geht hier vor sich?“, fragte Lorena Mansfield, als sie aus dem Badezimmer geeilt kam. Dort hatte sie sauber gemacht, bevor sie nach Hause gehen wollte, um für ein Dutzend Löwenbabys Abendessen zu kochen.

„Der Siphon“, spuckte Hugh aus, während er sich seine Schläfen hielt. „Findet den Siphon …“

„Er ist nicht hier.“

„Der Siphon kann nicht weit vom Premier entfernt sein“, betonte Percy. „Seht in seinem Zimmer nach!“

Innerhalb weniger Sekunden wurde die Tür, die Hughs Schlafzimmer mit dem des Siphons verband, aufgerissen.

„Oh Scheiße!“, schrie Dennis. „Ich brauche Hilfe! Mara, Lorena, Percy, kommt her. Schnell! Bevor er unseren Premier verletzt.“

„Was … Dennis! Hugh hat einen Anfall!“, sagte Percy. Er umschloss Hughs Wangen mit seinen klammen, zitternden Händen und flehte. „Hugh. Premier. Bitte stirb nicht. Wir brauchen dich. Bitte stirb nicht!“

Eben noch hatte Hugh keine Kontrolle über seine zuckenden Glieder und nutzlosen Lungen gehabt, doch nun spürte er eine Öffnung in dem Tunnel, der ihn mit dem Siphon verband. Mit seiner letzten Energie schob er seine Kraft dort durch und endlich – zum Glück – ließ der lähmende Druck nach, der ihn von innen zu zerreißen drohte.

„Hugh?“, sagte Percy mit zitternder Stimme. „Kannst du mich sehen?“

Die Dunkelheit verschwand und Hugh blinzelte, als er einatmete.

Percy stand gebückt vor ihm, seine normalerweise gebräunte Haut war kreidebleich und seine braunen Augen riesig. „Premier?“

„Ich bin okay.“ Hugh hustete und setzte sich auf. Er tätschelte Percys Schulter, seine schwarzen Hände wirkten noch dunkler auf Percys ungewöhnlich blassem Körper. „Alles in Ordnung.“

„Hugh?“ Mara, Lorena und Dennis kamen herübergeeilt und ließen sich neben ihm nieder.

Die seltene Kraft und Energie des Premier-Löwen Hugh beruhigte sein Rudel und machte sie stark und zuversichtlich, was ihnen in allen Phasen ihres Lebens Erfolg versprach. Das Rudel bewunderte und verehrte ihn; daher hatte sie der Anblick seines fast bevorstehenden Todes so aufgewühlt.

„Ich bin okay. Ich habe meine Kraft an den Siphon übertragen.“ Hugh sah sich um. „Wo ist er?“

„In seinem Zimmer“, sagte Dennis, seine Lippen vor Ekel verzogen. „Wie konnte er dir das antun? Wie konnte er das unserem Rudel antun?“

„Was hat er getan?“, fragte Hugh.

„Er hat versucht, sich zu hängen.“

Das Leben eines Premiers zog sich über Jahrhunderte, die Stärke und Macht wuchs mit jedem Sonnenzyklus, bis er letzten Endes die Kraft nicht mehr bändigen konnte, was für ihn einen schmerzvollen Tod und für das Rudel Verzweiflung bedeutete. Aber der Siphon nahm die Energie eines Premiers auf, um den Druck auszugleichen. Obwohl der Siphon sie nicht selbst einsetzen konnte, stellte er ein Lager für die Kraft dar, und stellte sie dem Premier dennoch zur Verfügung. Ein Premier, der seine Energie an einen Siphon abgegeben hatte, war nahezu unzerstörbar. Allerdings nur nahezu, weil der Tod des Siphons auch die Energiequelle eliminieren und den Premier mit so viel Kraft überfluten würde, bis dieser quasi implodierte.

„Keine Sorge. Wir haben ihn da runtergeholt und seine Handgelenke und Knöchel mit einem Seil gesichert.“ Mara warf einen bösen Blick Richtung Türdurchgang. „Jetzt wird er dir nicht mehr wehtun können.“

Hugh hatte das Berk-Rudel bereits seit über siebzig Jahren angeführt, als seine ständig wachsende Kraft zu groß wurde, um sie in seinem eigenen Körper zu bändigen. Unter seiner Leitung und Führung war das Berk-Rudel und dessen Löwen aufgeblüht. Vor einem Jahrzehnt bot ihm das kleine, schwache Westgate-Rudel einen Siphon an, der gerade volljährig geworden war, im Austausch dafür, dass er sie alle in sein gedeihendes Premier-Rudel aufnehmen würde. Hughs Zustimmung hatte die Westgate-Löwen vor ihrem fast sicheren Tode bewahrt.

„Er wollte sich erhängen?“, wiederholte Hugh überrascht. „Warum sollte er das tun?“

Die ausdruckslosen Gesichter zeigten ihm, dass keiner über diese Frage nachgedacht hatte, geschweige denn über die Antwort. Körperlich ausgelaugt und mehr als nur ein wenig aufgewühlt darüber, wie nahe er dem Tode gewesen war und wie verletzlich er sich vor seinen Löwen gezeigt hatte, musste sich Hugh sammeln und dann die Situation mit dem Siphon untersuchen, um sicherzustellen, dass so etwas nie wieder passieren würde.

„Ihr habt gesagt, er ist jetzt gesichert?“

„Ja.“

Da er nicht wollte, dass ihn jemand als schwächlich ansah, richtete sich Hugh entschlossen auf und rückte seine breiten Schultern gerade. Wie bei allen Premiers waren seine Haut, sein Haar und seine Augen schwarz, sowohl in menschlicher als auch in Löwengestalt. Und da sein Körper und seine Kräfte mit den Jahren wuchsen, war er im Alter von mehr als einem Jahrhundert über zwei Meter groß und wog über 130 Kilogramm. Seine Größe half ihm, stärker und beherrschter zu wirken, als er sich in diesem Moment fühlte.

„Ich gehe der Sache auf den Grund“, sagte er bestimmt und stellte dabei sicher, dass sein Tonfall keine Widerrede zuließ. Er lief auf seine offene Schlafzimmertür zu, wohlwissend, dass ihm sein Rudel folgen würde, und sagte: „Für heute Nacht sind wir hier fertig.“

Alle vier Löwen wünschten sich daraufhin eine gute Nacht und verließen das Haus, ohne sich umzudrehen. Hugh seufzte; erleichtert, dass sie auch nach seinem Kontrollverlust seine Fähigkeiten nicht angezweifelt hatten. Leider konnte man nicht dasselbe von seinen Gedanken behaupten.

Er war dem Sterben noch nie zuvor so nahe gewesen, nicht mal in der Zeit, bevor er einen Siphon gehabt hatte. Das Gute an diesem Vorfall war der unbestreitbare Beweis dafür, wie groß seine Kraft im letzten Jahrzehnt geworden war. Leider bewies der Vorfall auch, wie unglaublich abhängig er von dem Siphon war. Erschöpft kehrte Hugh in sein Schlafzimmer zurück und ließ sich auf die Matratze fallen, ohne sich die Mühe zu machen, die Decke über sich zu ziehen. Er würde schlafen, seinen Körper und seinen Geist erholen lassen und sich um den Siphon kümmern, wenn er klar denken konnte.

Hugh erwachte in einem pechschwarzen Raum. Er rollte sich auf die Seite und sah zu dem riesigen Panoramafenster. Am Morgen strömte für gewöhnlich das Licht unaufhaltsam an den Rändern der schweren Seidengardinen vorbei, sodass die sonnenabweisende Schutzfolie die Strahlen nicht ganz in Schach halten konnte. Es kam jedoch kein bisschen Licht herein; entweder war es also noch Freitagnacht oder früher Samstagmorgen.

Obwohl er sich körperlich von der Aktion des Siphons erholt hatte, waren seine Sorgen nicht abgeklungen. Was auch immer sein Urteilsvermögen getrübt hatte, musste schnell und entschlossen geklärt werden. Da er zuerst emotional wieder Fuß fassen musste, bevor er sich um diese unerwartete und unwillkommene Situation kümmern konnte, ging Hugh ins Badezimmer.

Sobald er sauber, angekleidet und wieder fast er selbst war, marschierte er in den angrenzenden Raum, legte den Lichtschalter um und sagte: „Du musst dich erklären.“

Der Siphon lag zusammengerollt auf dem Bett, seine Knöchel und Handgelenke gefesselt, und er gab keinen Mucks von sich. Wenn sein Tod nicht Hughs eigenes sofortiges Ableben bedeutet hätte, würde er denken, der Siphon wäre tot.

Als Hugh die hungernden Westgate-Löwen aufgenommen und sie von ihrem vom Feuer verwüsteten Land gerettet hatte, bekamen sie Ressourcen, ein Zuhause, Nahrung und einen Premier. Mit sehr viel Arbeit und Zeit hatte Hugh diese Löwen in das Berk-Rudel integriert und nun waren sie Teil eines erfolgreicheren Rudels, als es vor der Zusammenführung gewesen war. Aber letzte Nacht hätte dieser Siphon das fast alles zerstört.

„Wach auf“, sagte Hugh.

Mit einem resignierten Seufzen bewegte sich der Siphon und versuchte anscheinend, sich aufzusetzen. Die Fesseln hinderten ihn daran.

„Ich befreie dich.“ Hugh war 30 Zentimeter größer und wog doppelt so viel wie der Siphon, daher war es kein Risiko, ihn zu befreien. Er ging zu ihm hinüber, nahm das Seil in beide Hände und zog daran, sodass es einfach zerriss. Die Vorführung seiner Stärke beschwichtigte den Teil in ihm, der ihm noch immer Sorgen bereitete. Die nächtliche Nahtoderfahrung setzte ihm zu.

„Kannst du dich aufsetzen?“, fragte er, als er bemerkte, dass der Siphon noch immer Schwierigkeiten hatte.

„Ja“, krächzte der Siphon und setzte sich zitternd aufrecht. „Gehen wir irgendwohin?“ Er rieb sich mit der bebenden Hand den Nacken und stand auf. „Ich hole meine Schuhe.“

„Nein.“ Hugh packte den Siphon an den Schultern und hielt ihn fest. „Ich bin hergekommen, um mit dir zu reden.“

„Du willst mit mir reden?“ Er blinzelte verwirrt.

„Ja. Wir müssen darüber reden, was du unserem Rudel antun wolltest.“ Der kratzigen Stimme nach zu urteilen, bezweifelte Hugh jedoch, dass der Siphon viel reden konnte. „Du brauchst Wasser.“ Er ließ seinen Blick durch den Raum schweifen, was recht albern war, denn dort waren wie immer nur ein Bett, ein Nachttisch und eine Kommode. Der einzige Unterschied war das Loch in der Decke nahe der Kommode, wo der Siphon vermutlich das Seil befestigt hatte. „Lass uns runtergehen.“

„Oh.“ Der Siphon stand auf und schwankte. Hugh wartete, bis er sich orientiert hatte, und verließ dann langsam den Raum. Bis er wusste, was das sprunghafte Verhalten des Siphons ausgelöst hatte, musste er auf der Hut sein, daher beobachtete er ihn auf dem Weg zur Küche genau.

Nachdem er eine Wasserflasche aus dem glänzenden Edelstahlkühlschrank genommen hatte, setzte sich Hugh auf einen der gepolsterten Stühle vor dem Magnolienholztisch und wartete darauf, dass der Siphon sich sein Getränk holte und sich zu ihm gesellte. Als der Siphon immer noch nicht sprach, nachdem Hugh seine Flasche geleert hatte, verlor er seine Geduld und nahm die Zügel in die Hand.

„Was gestern passiert ist, darf sich nicht wiederholen. Du hast mein Rudel in Gefahr gebracht.“ Unter normalen Umständen hätte Hugh denjenigen getötet, der solch ein Vergehen begangen hatte, aber der Tod des Siphons war genau das, was er verhindern musste, daher war er gezwungen, sich eine andere Lösung ausdenken. „Sag mir, warum du versucht hast, dich zu hängen.“

Der Siphon hob seine Flasche an den Mund, kippte sie und schluckte langsam.

Genervt von der Verzögerung zog Hugh es in Betracht, den Siphon zur Unterwerfung zu prügeln, aber er hatte keine Ahnung, was es mit seiner eigenen Kraft anstellen würde, wenn er den Siphon körperlich schwächte. Nur einer in einer halben Million Löwen wurde als Siphon geboren; es gab also nicht genug von ihnen auf der Welt, um viel über sie zu wissen, und Hugh konnte nichts riskieren, was die Person beeinträchtigte, in der er seine Kraft lagerte.

Er knurrte vor Frust und befahl: „Antworte mir.“

„Was möchtest du wissen, Premier?“, fragte der Siphon müde. Er spielte an dem Etikett der Flasche herum.

„Ich will wissen, warum du versucht hast, mich zu töten und dieses Rudel zu zerstören.“

„Habe ich nicht.“

Schneller als es die normalen Augen eines Löwen hätten verfolgen können, packte Hugh den Siphon an der Kehle. „Diese Seilabdrücke sagen etwas anderes!“, brüllte er, seine Geduld war am Ende. „Wie kannst du es wagen, deinen Premier anzulügen?“

Trotz Hughs Machtdemonstration, seiner lauten Stimme und seiner klaren Überlegenheit zuckte der Siphon nicht einmal.

„Antworte mir.“ Hugh schüttelte ihn.

„Ich habe geantwortet.“ Die Stimme des Siphons war kaum hörbar, sowohl, weil er leise sprach als auch wegen Hughs festem Griff.

„Du hast ein Seil um deinen Hals geschlungen, es an die Decke gebunden und bist von deiner Kommode gesprungen“, beschuldigte Hugh ihn. Der Siphon widersprach nicht, daher fuhr Hugh fort. „Das ist ein Angriff gegen mich und dieses Rudel.“ Wieder sagte der Siphon nichts. Hugh schüttelte ihn. „Leugnest du das?“

Zum ersten Mal, seit sie angefangen hatten zu sprechen, hob der Siphon seinen Kopf und bedachte Hugh mit einem Blick aus seinen einzigartig blauen Augen. „Ich leugne nicht, dass ich mich gehängt habe, aber ich habe niemanden angegriffen.“

Diese Antwort ergab keinen Sinn.

„Ich bin über ein Jahrhundert alt. Ein Premier meines Alters hat viel zu viel Macht, um ohne einen Siphon zu existieren.“ Hugh warf den Siphon zur Seite, sodass sein Stuhl fast kippte. „Das weißt du. Verdammt, jedes Löwenbaby, das alt genug zum Klettern ist, weiß das.“ Er fuhr sich mit den Fingern über sein kurz geschorenes Haar. „Richtig?“

Nachdem er seinen Stuhl wieder gerade gerückt hatte, senkte der Siphon seinen Blick nochmals und nickte.

„Und doch leugnest du, dass ich aufgrund deiner Taten keine Chance mehr gehabt hätte, meine Energie zu kontrollieren?“

Der Siphon schüttelte seinen Kopf.

Premiers waren selten – ein Löwe unter fünftausend war ein Premier, einer der mächtigen Löwen mit schwarzem Fell und diesem speziellen Muster. Aber es gab hundert Premiers für jeden Siphon. Die blauäugigen Löwen waren so selten, dass sie fast gänzlich unbekannt waren. Es gab niemand anderen, der Hughs Kraft aufnehmen konnte, und allein würde er durch diese Kraft implodieren.

„Keine Spielchen mehr!“, schrie Hugh, als er seinen Stuhl zurückschob und auf die Füße sprang. Er legte beide Hände auf den Tisch und baute sich vor dem Siphon auf. „Berk ist ein Premier-Rudel. Mit deinen Taten hättest du vierzehnhundert ausgewachsene Löwen und fünfhundert Löwenbabys verletzen können. Hast du daran gedacht?“

Wieder schüttelte der Siphon seinen Kopf.

„Bist du nicht dankbar?“

Die Augen des Siphons zogen sich verwirrt zusammen. Er fragte: „Dankbar wofür?“

„Wofür?“, brüllte Hugh. „Sieh dich um.“ Ohne zu schauen, deutete er mit seinem Arm im Raum herum. „Du bist Teil eines Premier-Rudels. Wir haben über viertausend Morgen ergiebiges Land. Unsere Mitglieder sind gut genährt, finanziell abgesichert und eng verbunden. Unsere Häuser, Geschäfte und unser Territorium rufen bei den meisten Rudeln Neid hervor. Was willst du noch?“

„Ich weiß nicht.“ Der Siphon zuckte mit den Schultern und sank tiefer auf dem Stuhl hinunter. „Leben, schätze ich.“

„Du bist ein Siphon. Du kannst ewig leben.“

Während gewöhnliche Löwen genauso wie ihre menschlichen Gegenstücke lebten und alterten, hörten die Premiers auf zu altern, wenn sie ihre Höchstposition erreicht hatten. Statt zu altern, wurden sie größer und mächtiger. Und ein Siphon, der die Macht eines Premiers trug, alterte ebenfalls nicht.

„Ich lebe nicht.“ Der Siphon leckte seine Lippen. „Aber ich bin nicht tot.“ Er seufzte tief und flüsterte: „Ich will es sein.“

Diese widersprüchlichen Aussagen ergaben keinen Sinn.

„Du sagst, du willst leben, aber dann sagst du, du willst sterben.“ Hugh sah dem Siphon in die Augen, in der Hoffnung, eine Antwort zu finden. Als er diese nicht fand, fragte er: „Warum hast du versucht, dich zu hängen?“

„Ich bin ein Siphon. Ich kann nicht leben.“ Der blauäugige Blick senkte sich. „Der Tod ist der einzige Ausweg.“

Ein Unheil verkündender Schauer lief über Hughs Rücken. Der Tod des Siphons würde auch Hughs Tod bedeuten. Das würde er nicht zulassen.

Um die Kraft eines Premiers zu tragen, musste ein Siphon immer in seiner Nähe bleiben. Von daher konnte Hugh den Siphon die meiste Zeit über beobachten. Aber Hugh schlief, duschte, fickte. Er konnte den Siphon nicht jeden Tag in jeder Sekunde beobachten. Ihn von Mitgliedern des Rudels bewachen zu lassen, war auch keine Option, denn das würde sie nur auf Hughs Verletzlichkeit hinweisen, was zu Aufruhr im Rudel führen würde und noch schlimmer: Er würde riskieren, dass Außenstehende davon erfahren konnten. Diese Schwachstelle könnte leicht ausgenutzt werden.

Die acht Jahrzehnte lange Führung von Hugh und die harte Arbeit hatten sich bezahlt gemacht – er hatte nicht übertrieben, als er dem Siphon die Eigenschaften des Berk-Rudels aufgezählt hatte. Berk war ein Premier-Rudel, was bedeutete, dass es stärker, wohlhabender und glücklicher als die meisten Rudel war. Es bedeutete auch, dass andere Löwen verzweifelt das haben wollten, was sie hatten, und wenn sie Blut rochen, würden sie nicht zögern anzugreifen. Schwäche zu zeigen, würde das gesamte Rudel gefährden.

Seit er dreiundzwanzig war, hatte Hugh sein Leben dem Schutz des Berk-Rudels gewidmet. Wenn er dem Problem des Siphons nicht auf den Grund gehen würde, wären sein Leben und das Rudel in Gefahr. Das würde er nicht zulassen. Aber um das Problem zu beheben, musste Hugh zuerst verstehen, was das Problem war.

Kapitel 2

Vielleicht zum ersten Mal schaute Hugh den Siphon an. Schaute ihn wirklich an. Er war allem Anschein nach ein durchschnittlicher Löwe. Fast 1,80 m groß, etwa 70 kg schwer, braunes Haar, goldene Haut. Den einzigen Unterschied machten seine Augen – Siphon-Blau statt des gewöhnlichen Brauns, Nussfarben oder Bernsteinfarben. Und sie waren trostlos. Diese Augen quollen über vor Sorge und Erschöpfung.

Es war klar, dass Hugh einen Plan brauchte. Aber er würde vermutlich keinen Fortschritt machen, während der Siphon in dieser Verfassung war. Sie brauchten beide Schlaf, daher sagte er: „Es ist noch früh. Lass uns zurück ins Bett gehen.“

Er stand auf und verließ den Raum. Der Siphon folgte ihm wie üblich. Als sie das Schlafzimmer erreichten und der Siphon auf den Türdurchgang zu seinem anliegenden Raum zusteuerte, sagte Hugh: „Du wirst heute Nacht hier schlafen.“

Der Siphon drehte sich um und sah ihn mit großen Augen an.

„Ich kann dich nicht unbeaufsichtigt lassen“, erklärte Hugh. Obwohl er nicht sehr tief schlief, musste er den Siphon von Gefahren fernhalten können, wenn er gerade mal nicht aufpasste.

„Oh.“ Der Siphon biss sich auf die Lippe und ließ den Blick durch Hughs geräumiges Zimmer schweifen. „Es gibt nur ein Bett. Wo soll ich …“

„Ich habe dieses Bett schon mit einem halben Dutzend Löwen gleichzeitig geteilt.“ Nicht zum Schlafen, aber fürs Vögeln brauchte man sowieso mehr Platz als zum Schlafen, von daher würde es kein Problem darstellen. „Wir haben darin genug Platz zu zweit.“

„Okay.“ Der Siphon ließ seinen Blick vom Bett zu Hugh wandern und schaute dann runter auf den Plüschteppich. „Aber ich muss zuerst duschen.“

Er war aus dem Bett gestiegen, hat ein Glas Wasser getrunken und ging nun direkt zurück ins Bett. Warum brauchte er plötzlich eine Dusche? Hugh fing an, mental Inventur im Badezimmer zu machen, und überlegte, was der Siphon verwenden könnte, um nochmals sein Leben in Gefahr zu bringen.

„Nachdem was vorhin passiert ist, bin ich ganz verschwitzt, und ich möchte dein Bett nicht schmutzig machen“, fügte der Siphon erklärend hinzu.

Bei näherer Betrachtung fiel Hugh auf, dass das Haar des Siphons an den Spitzen verfilzt war. Ihre Art war sehr penibel, wenn es um Reinlichkeit ging, daher entsprach seine Aussage vermutlich der Wahrheit. Trotzdem würde Hugh ihn im Auge behalten.

„Nur zu“, sagte er.

Schnell ließ der Siphon sein Kinn sinken, drehte sich um und eilte in sein Zimmer und dann in das anliegende Badezimmer. Hugh folgte ihm gemächlicher. Als er das Badezimmer betrat, stand der Siphon vor der Toilette.

„Premier?“, fragte er überrascht. Seine Wangen erröteten, als er sich zur Seite drehte und seine Leistengegend verbarg.

Öffentliche Nacktheit war normal für Löwen. Neben der Tatsache, dass sie nackt waren, während sie zwischen ihren Gestalten wechselten, hatten sie auch immer Sex, wenn ihnen danach war, ganz gleich, ob andere erwachsene Löwen dabei waren.

„Ich lasse dich nicht unbeaufsichtigt“, wiederholte Hugh, aber die Nervosität in den blauen Augen des Siphons beunruhigte ihn, sodass er sich doch umdrehte. „So. Da hast du deine Privatsphäre.“ Nicht dass er verstand, warum der Siphon diese benötigte. „Mach schnell. Die Sonne wird bald aufgehen und ich muss zur Arbeit.“

Die Sicherheit und das Wohlergehen des Berk-Rudels zu gewährleisten, war Hughs Job, und den nahm er ernst. Ein starker, erkennbarer Premier stellte den Wohlstand des Rudels sicher und zeigte denen, die sich außerhalb ihres Territoriums befanden, dass Angriffe scheitern würden. Seine Löwen brauchten ihn, um Streit zu schlichten, Ratschläge zu geben und die Zusammengehörigkeit ihrer erweiterten Familie zu sichern. Das bedeutete, seine Tür stand immer offen. Außerdem legte Hugh großen Wert darauf, die Mitglieder des Rudels in ihren geräumigen Gemeinschaftshäusern zu besuchen. Mit fast zweitausend Löwen-Gestaltwandlern in Berk war er beschäftigt von morgens, wenn die Leute aufstanden, bis zum späten Abend, wenn sie sich in ihren Bau zurückzogen.

Nach mehreren Sekunden hörte er Flüssigkeit in die Schüssel tropfen und dann eine Spülung. Hugh drehte sich um, sodass er sah, wie der Siphon sein weites, weißes Hemd auszog, während seine hellbraune Chinohose bereits zu seinen Füßen lag. Er betrat die Dusche, zog den Vorhang zu und stellte das Wasser an.

„Beeil dich“, murmelte Hugh, mehr weil es ihm unangenehm war, herumzustehen und auf jemanden zu warten, als dass er in Eile gewesen wäre.

Nach ein paar Minuten Stille – mit Ausnahme des laufenden Wassers – schaute sich Hugh in dem kleinen Raum um und beschloss, die Zeit sinnvoll einzusetzen und nach Dingen zu suchen, die der Siphon als Waffe verwenden könnte. Zuerst sah er unter dem Waschbecken nach; Toilettenpapier, eine extra Flasche Shampoo, eine Kiste mit Seife und eine Tube mit Lotion. Nichts potenziell Tödliches. Als Nächstes untersuchte er den Medizinschrank; Zahnpasta, ein Rasierer und zusätzliche Klingen. Er nahm die Packung Klingen und sah sie sich an. Er wägte ab, ob der Siphon diese verwenden würde, um sich die Pulsadern aufzuritzen. Er kam zu dem Schluss, dass er das tun könnte und er deswegen einen elektrischen Rasierer würde verwenden müssen, als der Siphon plötzlich hinter ihm sprach.

„Es wird nicht passieren.“

Hugh drehte sich um; er hielt noch immer die Packung mit den Klingen in den Händen. „Was wird nicht passieren?“

„Dass ich mir meine Gelenke aufschneide.“ Der Siphon nickte mit dem Kinn zu Hughs Hand. „Das hast du doch gerade gedacht, oder? Dass ich diese Klingen an meinen Venen ansetzen würde und endlich Freiheit finde?“

Das war nicht gerade die Terminologie, die Hugh verwendete hätte, um einen Akt zu beschreiben, der ihn und jeden, den er geschworen hatte zu beschützen, vernichten würde.

„Das kann nicht passieren“, sagte der Siphon und er klang hörbar enttäuscht.

„Du behauptest also, du wirst dich nicht selbst verletzen?“, fragte Hugh ungläubig. Wenn der Siphon bereit war, sich zu erhängen, Hugh sogar gestand, dass er tot sein wollte, und sein Ableben als Freiheit bezeichnete, war er vermutlich auch bereit, eine andere Selbstmordmethode auszuprobieren.

Der Siphon ignorierte Hugh völlig, griff an sein Handtuch, das wie ein Umhang um seine Schultern lag, und sagte: „Verzeihung“, als er an Hugh vorbei in sein Schlafzimmer huschte.

Dass seine Fragen ignoriert wurden, war unerhört. Hugh fragte sich ernsthaft, woher dieser plötzliche Sinneswandel des Siphons kam. Dann wurde ihm klar, dass sie nie viel miteinander geredet hatte, obwohl der Siphon seit über einem Jahrzehnt sein Schatten gewesen war. Genau genommen fiel es Hugh schwer, sich auch nur an eine einzige Unterhaltung zu erinnern, mit Ausnahme von der in der letzten Stunde. Stattdessen hatte er immer vorgegeben, wo sie hingingen, und der Siphon war ihm still gefolgt, war immer in seiner Nähe geblieben, um Hughs Kraft zu tragen. Dieser Aspekt ihrer Interaktion hatte sich nicht geändert, vielleicht war also die Persönlichkeit des Siphons genau wie immer. Er hatte keine Möglichkeit, das zu überprüfen.

Da er sein Leben damit verbrachte, das Berk-Rudel anzuführen, bedeutete das, dass er sehr wenig Auszeiten hatte, daher war Hugh froh, dass er als der Premier allein lebte. Das war besser so, denn die Löwen würden sicher um seine Gesellschaft buhlen, wenn er diese Option offen ließ. Er wollte jeden Gedanken an Bevorzugung und Eifersucht ausschalten und gleichzeitig hatte er in seinem eigenen Zuhause Zeit zum Entspannen, ohne dass er sich um jemanden sorgen musste. Aber während er da so allein in dem Badezimmer stand, wurde ihm klar, dass sich das geändert hatte. Er musste sich nun um den Siphon sorgen.

Es ärgerte ihn, dass er sein weniges Bisschen an Freizeit verlor, aber was auch immer den Siphon beschäftigte, gefährdete das gesamte Rudel, was einfach nicht hinnehmbar war. Hugh würde ihm das klarmachen. Aber zuerst würde er ihnen beiden Ruhe für die Nacht gewähren. Morgen – oder später an diesem Tag – wäre schon früh genug für eine Unterhaltung. Da Hugh sich nun beruhigter fühlte, weil er einen Plan hatte, marschierte er in das Schlafzimmer des Siphons.

Dieser stand vor der Kommode und zog sich eine Schlafhose auf links an. Sein langärmeliges T-Shirt hing an seiner schlanken Gestalt, ebenfalls linksherum.

„Du trägst deine Klamotten falsch herum“, betonte Hugh.

„Die Nähte stören mich.“ Der Siphon zog ein Sweatshirt über seinen Kopf.

„Normalerweise trägst du deine Kleidung richtig herum.“ Ansonsten wäre das Hugh sicherlich schon vorher aufgefallen.

„Wenn ich wach bin, ist es in Ordnung, aber ich kann nicht schlafen, wenn sie an meiner Haut reiben.“

Sobald sie nachts jeweils in ihren Zimmern gewesen waren, hatte Hugh den Siphon nie gesehen, daher war es möglich, dass er immer so schlief. Die sensible Reaktion auf Kleidungsstücke kam Hugh seltsam vor. Allerdings schlief er selbst nackt, also war es vielleicht normal. Wie auch immer, es spielte keine Rolle.

„Bist du bereit?“, fragte er.

„Ich brauche nur noch meine Socken.“ Der Siphon zog eine weitere Schublade auf und holte ein dickes Paar Socken heraus.

„Wir sind drinnen“, sagte Hugh. „Ist das nicht ein wenig zu viel des Guten?“

„Mir wird kalt.“

Noch eine seltsame Aussage, denn Löwen war es immer warm – in beiden Gestalten. Im Winter drehte Hugh selten die Heizung auf und im Sommer ließ er die Klimaanlage ohne Unterlass laufen.

Einen Moment lang fragte er sich, ob der Siphon krank war. Eine Krankheit würde erklären, dass ihm kalt war und vielleicht auch das seltsame Verhalten. Aber wenn ein Siphon die Kraft eines Premiers trug, bedeutete das, dass er nicht krank wurde. Solange sie keiner schwerwiegenden Gewalt oder einer Trennung ausgesetzt wurden, waren ein Premier und der Siphon unsterblich, hieß es. Es existierten nicht genug Siphons, um diese Theorie zu testen, aber in über zehn Jahren konnte Hugh sich nicht erinnern, den Siphon jemals husten oder niesen gehört zu haben. Andererseits war er sich nicht sicher, ob ihm so etwas Banales aufgefallen wäre. Und solange es nicht mit dem Plan des Siphons, ihn umzubringen, einherging, kümmerte es Hugh auch jetzt nicht.

„Lass uns gehen“, sagte er, sobald der Siphon seine Socken angezogen hatte.

Er drehte sich um und lief durch die angrenzende Tür in sein Schlafzimmer; der Siphon folgte ihm. Er stieg über das Bett, zog die Decke zurück und legte sich darunter. Nachdem er sein Kissen aufgeschüttelt hatte, bis es in seiner bevorzugten Form war, legte er sich hin und überlegte, ob er den Siphon irgendwie fesseln sollte, sodass es ihn warnen würde, sobald dieser versuchen sollte, das Bett zu verlassen.

Er setzte sich aufrecht und sah den Siphon am anderen Ende des Bettes, zu einem Ball zusammengerollt und die Decke bis zum Hals gezogen. Seltsam. Er war seltsam. Aber den Ringen unter seinen Augen und seiner zusammengesackten Haltung nach zu urteilen, würde er vermutlich länger und tiefer schlafen als Hugh. Der hatte ohnehin einen leichten Schlaf – eine Notwendigkeit, denn er musste immer bereit sein, sich um sein Rudel zu kümmern. Er beschloss, dass er den Siphon ausreichend überwachen konnte, indem er sich ein Bett mit ihm teilte, und störte ihn deshalb nicht, um ein Seil um seine Handgelenke zu binden.

Es kam ihm vor, als hätte er nur wenige Sekunden geschlafen, als eine Bewegung Hugh weckte. Adrenalin wurde durch seinen Körper gepumpt und er schnellte sofort in eine sitzende Position. Er ließ seinen Blick durch den Raum gleiten und fand alles so vor, wie es sein sollte, außer dass er – im Gegensatz zu anderen Nächten – sein Bett mit jemandem teilte. Er schaute zur Seite und sah die Quelle der Bewegung: Der Siphon, der noch immer zusammengekauert unter der Decke lag, zitterte.

„Bist du okay?“ Hugh war es nicht gewöhnt, mit dem Siphon zu interagieren, aber ein Rudelmitglied, das Angst hatte, war ein Rudelmitglied, das Angst hatte. Er war der Premier; er war für die Sicherheit und den Komfort seines Rudels verantwortlich. Und technisch gesehen war der Siphon Teil des Berk-Rudels. „Wach auf … Äh – “ Er stolperte über das Fehlen eines Namens, den er an das Satzende hängen konnte. „Siphon, wach auf. Du hast einen bösen Traum.“

„Schlafe nicht.“ Die kaum hörbaren Worte wurden unter der Decke hervorgeflüstert.

„Du zitterst.“

Das Laken raschelte und der Siphon streckte seinen Kopf hervor.

„Warum habe ich keinen Namen?“

Verwirrt darüber, dass die Frage seinen eigenen Gedanken so ähnelte, knurrte Hugh: „Du bist der Siphon.“

„Aber warum habe ich keinen Namen?“ Die Zähne des Siphons klapperten, als er sprach. „Alle anderen haben einen Namen. Du bist der Premier und du hast einen Namen. Zwei Namen. Hugh Langley. Ich bin der Einzige, der keinen Namen hat.“

Der Verstand des Siphons funktionierte auf ungewöhnliche Weise, aber damit Hugh das Problem lösen konnte, das ihn belastete, musste er den Fremden in seinem Bett verstehen.

„Das stört dich?“, fragte er. „Dass du keinen Namen hast?“

„Personen haben Namen.“

„Personen?“, wiederholte Hugh.

„Personen. Löwen. Jeder hat einen Namen.“

Der Siphon war der Siphon, egal wie man ihn nannte. Wenn ein Name sein Problem lösen würde, konnte der Siphon einen Namen haben.

„Wie willst du genannt werden?“, fragte Hugh.

„Ich kann einen Namen haben?“, fragte der Siphon atemlos, seine Augen weit aufgerissen. „Wirklich?“

„Es ist bloß ein Name“, murmelte Hugh und drehte seine Schulter, um die plötzliche Verspannung in seinen Muskeln loszuwerden.

„Was glaubst du, wie mein Name lauten sollte?“

Hugh öffnete den Mund, um zu sagen, dass die Sache mit dem Namen die Idee des Siphons gewesen war und er keine Ahnung hatte, wie er lauten sollte. Aber selbst in dem dunklen Raum leuchteten die blauen Augen des Siphons vor Aufregung und Hugh konnte sich nicht dazu durchringen, etwas zu tun, das ihm diesen hoffnungsvollen Ausdruck nehmen würde.

„Wie wäre es mit John?“, sagte er und warf die erste Antwort in den Raum, die ihm in den Sinn kam. „Gefällt dir der Name?“

„John“, wiederholte der Siphon das Wort langsam, als würde er das Gefühl auf seiner Zunge testen. „John ist ein schöner Name.“ Er zog seine Augenbrauen grüblerisch zusammen. „John.“

„Oder vielleicht Johnnie“, schlug Hugh vor, als er an die unschuldige Art des Siphons dachte. „Der passt besser zu dir.“

„Johnnie. Johnnie Langley.“ Das Gesicht des Siphons hellte sich auf. „Gefällt mir.“

Langley? Der Siphon würde Hughs Nachnamen verwenden, anstatt den seiner eigenen Mutter?

Erwachsene Löwen hatten Sex mit jedem, den sie wollten und der zurzeit Interesse hatte. Es gab keine Grenzen, keine Barrieren und keine Verpflichtungen. Die einzige Ausnahme war, wenn ein Weibchen ein Löwenbaby wollte. Unter diesen Umständen wählte das Weibchen sorgfältig Männchen aus, deren Gene sie ansprechend fand. Daher war es den Männchen im Grunde eine Ehre, für die Fortpflanzung ausgewählt zu werden, und sie gingen fröhlich auf die Annäherungsversuche eines paarungswilligen Weibchens ein. Um eine erfolgreiche Fortpflanzung zu gewährleisten, paarten sich die Weibchen mit einer Handvoll potenzieller Erzeuger, und daher war der letztendliche Vater eines Löwenbabys nicht bekannt. Die männlichen Löwen lebten mit anderen Männern zusammen, während die Weibchen und die Löwenbabys neben anderen Müttern und deren Babys lebten. Deswegen nahmen die Löwenbabys die Nachnamen ihrer Mütter an.

„Du willst nicht den Namen deiner Mutter annehmen?“

„Ich weiß nicht, wer sie ist.“

„Wie ist das möglich?“

Mit einem Seufzen rollte sich der Siphon auf den Rücken. „Sie wussten es schon, als ich geboren wurde.“

Nachdem er sich etwas Zeit gelassen hatte, den Kommentar zu überdenken und das, was er bedeutete, sagte Hugh: „Sie haben dich alle bei der Geburt schon als Siphon erkannt?“

„Ja.“ Der Siphon nickte. „Wegen meiner Augen, weißt du.“ Er tippte mit seinen Fingern auf ein geschlossenes Augenlid. „Sie sahen das Blau, wussten, dass ich ein Siphon bin und hielten mich von den anderen fern.“ Er schluckte laut. „Oder zumindest vermute ich, dass das passiert ist. Es ist nicht so, als hätte mir das jemand erzählt, aber solange ich denken kann, hat mich das Rudel in dem sichersten Haus unserer alten Rudelländereien gehalten.“

„Sie haben sich um dich gekümmert.“

Der Siphon drehte langsam seinen Kopf zu Hugh und fixierte ihn mit diesen blauen Augen.

„Sie wollten sicherstellen, dass mich niemand entführt und dass mir nichts passiert, bevor ich erwachsen werde und als Siphon für die Kraft eines Premiers dienen kann. Das Rudel starb aus und sie brauchten mich, um einen Premier anzulocken. Das haben sie gesagt.“

„Also hat sich das Rudel um dich gekümmert“, wiederholte Hugh in der Hoffnung, den Siphon an all das zu erinnern, was das Rudel für ihn getan hatte, damit er aufhören würde zu versuchen, seinen destruktiven Plan umzusetzen.

„So siehst du es zumindest.“

Hugh ballte frustriert die Fäuste und versuchte, seine Stimme ruhig klingen zu lassen, als er fragte: „Wie siehst du es denn?“

„Du willst meine Meinung hören?“, fragte der Siphon mit hoher Stimme, während er seine Augenbrauen hochzog.

„Deswegen habe ich gefragt“, knurrte Hugh. Die sich im Kreis drehende Unterhaltung und die Unfähigkeit, dem Problem auf den Grund zu gehen, frustrierten ihn.

„Meine Meinung“, der Siphon rieb seine Lippen aufeinander, „ist, dass die Leute, die sich um jemanden kümmern, demjenigen auch einen Namen geben.“ Seine Mundwinkel zogen sich leicht nach oben und er schloss die Augen. „Johnnie Langley.“

Mit einem zufriedenen Seufzer entspannte sich sein Körper und er schlief ein, sodass ihre Unterhaltung effektiv zu einem Ende kam. Und Hugh war seiner Antwort nicht näher als zuvor.

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Kapitel 3