Notärztin Andrea Bergen 1533 - Marina Anders - E-Book

Notärztin Andrea Bergen 1533 E-Book

Marina Anders

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Beschreibung

Als Jessica nach Jahren in Australien in ihre Heimat zurückkehrt, scheint ihr Traum endlich wahr zu werden: Sie wird als Rennfahrerin auf dem "Saturnus Speedway" antreten. Vorübergehend zieht sie bei ihrer alten Freundin Andrea Bergen ein - doch die Freude über das Wiedersehen wird von mysteriösen Beschwerden überschattet. Immer wieder plagen sie Kopfschmerzen, Schwindel und rätselhafte Hörstörungen. Dann geschieht das Unfassbare: Während eines Rennens verliert Jessica plötzlich die Kontrolle über ihren Wagen. Ihr Auto prallt gegen die Begrenzung, überschlägt sich - und geht in Flammen auf. Sie überlebt schwer verletzt. Während Andrea als Ärztin um sie kämpft, folgt im Krankenhaus der nächste Schock: Ein Hirntumor könnte die Ursache für ihre Ausfallerscheinungen sein. Jessica steht vor der schwersten Entscheidung ihres Lebens. Wird sie je wieder Rennen fahren?


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Seitenzahl: 134

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Mit Vollgas ins Leben

Vorschau

Impressum

Mit Vollgas ins Leben

Meine Freundin Jessica ist eine Kämpfernatur. Sie hat sich als Rennfahrerin unter all den Männern bewiesen, hat auf der Strecke nie aufgegeben. Aber heute kämpft sie nicht nur um den Sieg – sie kämpft um ihr Leben.

Das Rennen, bei dem ich als Notärztin im Einsatz war, endete in einer Katastrophe. Die Bilder lassen mich nicht los: der Überschlag, das Kreischen des Metalls, die Explosion.

Ich habe Jessica mit schweren Verbrennungen im Gesicht und am Dekolleté eingeliefert. Als sie aufwachte, schrie sie vor Schmerzen. Wenn sie überlebt, wird sie für immer entstellt sein. Ich kann nur erahnen, wie schlimm das für sie sein wird.

Mich quält die Frage: Wird David, ihr neuer Freund, ihr in dieser schweren Zeit beistehen? Oder muss sie sich ihre Kraft woanders holen?

»Ein Brief für dich, Andrea«, empfing Hilde Bergen ihre Schwiegertochter, die gerade vom Dienst im Elisabeth-Krankenhaus nach Hause gekommen war. Mit vielsagender Miene wedelte sie mit dem Brief vor Andreas Nase herum und versteckte ihn dann hinter ihrem Rücken. »Rate mal, von wem?«

Mutter Hilde machte die Dinge gern spannend. Andrea Bergen umarmte sie erst einmal zur Begrüßung, drückte ihr ein Küsschen auf die Wange und nahm ihr dabei rasch den Brief aus den Händen, die sie im Rücken verkreuzt hatte.

Neugierig blickte sie auf die unbekannten bunten Briefmarken. Australien! Wer schrieb ihr aus Australien?

Andrea wendete den Brief und las den Absender.

Jessica von Halpern! Unwillkürlich hielt sie vor Überraschung die Luft an. »Jessica!«

Beinahe hätte sie vergessen, dass eine frühere Freundin von ihr in Australien lebte.

»Wer ist Jessica?«, fragte Franzi, die gerade in die Diele kam, um ihre Mutter zu begrüßen.

Andrea achtete nicht auf ihre zwölfjährige Adoptivtochter, was sonst so gut wie nie vorkam. Eine Flut von Erinnerungen stürmte auf sie ein, die ein breites Lächeln auf ihr Gesicht zauberte.

»Jessica«, sagte sie noch einmal. »Meine uralte Freundin Jessica!«

»Ganz so alt kann sie aber noch nicht sein, wenn du gerade Anfang dreißig bist«, meinte Hilde amüsiert.

»Warum ist sie uralt?«, wollte auch Franzi wissen.

Andrea lachte. »Weil es schon so lange her ist, dass wir befreundet waren. Damals ist sie mit ihrer Familie nach Australien ausgewandert. Das war eine traurige Zeit für uns beide. Ich wollte Jessica nicht verlieren, und sie wollte nicht von Deutschland weg.«

»Hast du sie mal besucht, Mama?«

»Nein. Wir haben uns nur ein paar Mal geschrieben. Dann ist unser Kontakt abgerissen.«

»Mach den Brief auf«, drängte Franzi. »Vielleicht ist ein Bild drin.«

Mutter Hilde hatte Andrea bereits den Brieföffner gereicht. Andrea schlitzte den Brief auf. Mehrere dicht beschriebene Seiten kamen zum Vorschein, ebenso viele Bilder.

»Ich muss in die Küche, sonst brennt mir noch das Gulasch an«, sorgte sich Hilde. »Erzähle mir später, was deine Freundin geschrieben hat.« Damit eilte sie in die Küche.

»Lass sehen, Mama.« Franzi reckte den Hals.

In dem Moment ging die Haustür auf und Dolly kam hereingestürzt, gefolgt von Werner, Andreas Mann. Er hatte Dolly nach Beendigung seiner Sprechstunde Gassi geführt.

Andrea hatte Mühe, die junge tollpatschige Hündin abzuwehren. »Jaja, schon gut«, sagte sie und tätschelte ihr das schwarze Fell.

»Wieso steht ihr hier in der Diele und macht einen so aufgeregten Eindruck?«, wollte Werner wissen. »Und was hast du da für einen Brief?«

Andrea lächelte geheimnisvoll. »Du wirst es nicht erraten. Kommt, gehen wir ins Wohnzimmer.«

Sie ging voran und ließ sich auf dem Sofa nieder. Franzi kuschelte sich neben sie, und Werner setzte sich in seinen Sessel. Als Dolly ebenfalls aufs Sofa springen wollte, wehrte Andrea sie ab.

»Komm her zu mir«, lockte Werner de Hündin. Enttäuscht gab Dolly die Idee mit dem Sofa auf und legte sich brav zu Herrchens Füßen.

Andrea hatte unterdessen den Brief und die Fotos auf ihrem Schoß ausgebreitet.

»Ein Rennauto!«, rief Franzi aufgeregt nach einem Blick auf die Bilder.

Sie wollte danach greifen, doch Andrea schob ihre Hand weg.

»Lass uns erst mal sehen, was Jessica so schreibt.«

Auch Werner wollte wissen, wer Jessica war, und Andrea erklärte es ihm kurz.

»Ich weiß noch, dass sie sich für Autorennen interessiert hat und gern Rennfahrerin geworden wäre. Sie scheint ihren Traum tatsächlich verwirklicht zu haben.«

Andrea begann, vorzulesen. Werner und Franzi erfuhren, dass sich Jessica in der Welt der Autorennen einen Namen gemacht und schon mehrere Rennen gewonnen hatte. Auf Einladung der internationalen Reifenfirma Saturnus, von der sie unter anderen namhaften Firmen gesponsert wurde, sollte sie nun für ein Jahr an den Rhein kommen. Sie würde auf der Saturnus-Rennstrecke trainieren und an mehreren großen Rennen teilnehmen.

»Das ist so cool!«, rief Franzi begeistert. »Kommt sie uns besuchen?«

»Das will ich doch hoffen.« Andrea las weiter. »Sie wird mit dem Frachtschiff von Sydney nach Rotterdam fahren. Ihr Pick-up-Truck samt Anhänger mit ihrem Rennauto wird ebenfalls an Bord sein. Von Rotterdam fährt sie dann hierher. Sie ist gerade dabei, über das Internet eine möblierte Wohnung zu suchen, hat aber noch nichts Passendes gefunden.«

»Sie kann doch bei uns im Gästezimmer wohnen«, schlug Franzi vor. »Vielleicht darf ich dann mal in ihrem Rennauto mitfahren.«

Andrea schickte einen fragenden Blick zu ihrem Mann hinüber. Sie hielt es für eine nette Idee. »Wollen wir es Jessica vorläufig anbieten? Dann braucht sie nicht im Hotel zu wohnen.«

Damit war Werner natürlich einverstanden. Franzi jubelte. Als ihre Omi ins Zimmer kam, erzählte sie ihr gleich die Neuigkeiten.

»Eine Rennfahrerin!« Hilde sank in einen Sessel. »Da wird es bestimmt nicht langweilig werden.«

Die Fotos wurden herumgereicht. Sie zeigten hauptsächlich Jessica von Halpern in ihrer Rennfahrermontur. Auch Bilder von Siegertrophäen und gerahmten Auszeichnungen waren darunter, aber auch eine glückstrahlende Jessica privat.

»Ist sie verheiratet?«, fragte Franzi. »Bringt sie noch jemanden mit?«

»Nein, sie kommt allein«, erwiderte Andrea.

Hilde lachte. »Die Nachbarschaft wird staunen, wenn vor unserem Haus ein Rennauto steht.«

»Und deine Patienten, Papa«, fügte Franzi hinzu.

Werner Bergens Kinderarztpraxis, die er von seinem verstorbenen Vater übernommen hatte, war in einem Anbau der schönen alten Jugendstilvilla untergebracht.

»Die Kleinen werden das bestimmt aufregend finden«, meinte er.

»Ich denke, dass Jessica ihren Rennwagen bei der Reifenfabrik unterstellen wird«, wandte Andrea ein. »Für private Fahrten hat sie ja ihren Pick-up-Truck.«

Sie deutete auf ein Foto, das einen blauen Pick-up-Truck mittlerer Größe zeigte, der mit Markenzeichen bekannter Firmen voll geklebt war, vermutlich Jessicas Sponsoren.

»Hier riecht es komisch«, bemerkte Franzi, nachdem Andrea den restlichen Brief vorgelesen hatte und alle Fotos herumgereicht waren.

»Genauer gesagt, angebrannt«, fügte Andrea hinzu und stand vom Sofa auf.

»Oh Gott, das Gulasch!« Auch Hilde fuhr von ihrem Sessel hoch. Eilig lief sie aus dem Zimmer.

Wenig später war sie mit einem vollbeladenen Tablett zurück.

»Es war zum Glück noch zu retten«, erklärte sie und stellte das Tablett ab.

Franzi deckte den Tisch. Während es sich alle schmecken ließen, plauderten sie über den bevorstehenden Besuch. Gleich nach dem Essen wollte Andrea Jessica zurückschreiben, dass sie in der Villa der Bergens jederzeit willkommen war.

***

Mit beiden Händen hielt Jessica von Halpern ihre Kapuze fest, die ihr der Wind vom Kopf zu reißen drohte. Auf dem Containerschiff Anasis C ging es heute stürmisch zu. Normalerweise liebte sie es, an der Reling zu stehen und den hohen Wellen zuzusehen, durch die sich der Frachter mühelos pflügte.

Doch heute ging es ihr gar nicht gut. Sie hatte schon den ganzen Tag Kopfschmerzen, deshalb war sie auch an Deck gegangen. Aber offenbar war es keine gute Idee gewesen. Ihre Kopfschmerzen waren an der frischen Luft eher schlimmer geworden. Zu ihnen gesellte sich noch ein Kratzen im Hals.

Eine Erkältung konnte sie nun wirklich nicht brauchen. Schließlich war sie nach Deutschland unterwegs, um an Autorennen teilzunehmen. Es war besser, wieder nach unten zu gehen und etwas Heißes zu trinken.

In der Küche ließ sie sich einen Tee geben und trank ihn dann oben auf der Kommandobrücke. Außer ihr waren noch vier andere Passagiere an Bord, drei Männer aus Japan und Australien, und eine Studentin aus England. Sie alle waren beeindruckt gewesen, dass sie eine echte Rennfahrerin war und schon mehrere internationale Rennen gewonnen hatte.

Mit der Tasse in der Hand wanderte Jessica umher und betrachtete die Kommandoanlagen. Von den anderen Passagieren war nichts zu sehen. Wahrscheinlich spielten die Männer wie üblich Darts, und Lynne, die junge Studentin, lag seekrank in ihrer Kabine.

Ein Lächeln zog über Jessicas Gesicht, als sie an die E-Mail dachte, mit der Andrea auf ihren Brief geantwortet hatte. Jessica war froh, dass es ihr gelungen war, die ehemalige Freundin ausfindig zu machen. Über das Einwohnermeldeamt hatte sie ihre Adresse bekommen. Nun freute sie sich riesig darauf, bei Andrea und ihrer Familie zu wohnen.

Natürlich freute sie sich auch auf ihr Training und auf die Rennen. Und darauf, alle wichtigen Orte ihrer Kindheit aufzusuchen. Vielleicht ließen sich wieder Kontakte knüpfen.

Ihre Gedanken wanderten zurück zu ihrem Leben in Sydney. Jessica war sechzehn gewesen, als sie mit ihren Eltern nach Australien ausgewandert war. Ihr Vater hatte einen Vertrag als Dirigent des Opernhauses angeboten bekommen. Ihre Mutter war eine erfolgreiche Violinistin gewesen.

Natürlich hätte auch Jessica eine musikalische Karriere anstreben sollen. Umso entsetzter waren ihre Eltern gewesen, als sie nur Interesse am Autorennsport gezeigt und davon geträumt hatte, Rennfahrerin zu werden. Ihr Vorbild war ihr Onkel Albert gewesen, ein brillanter Rennfahrer, der in der ganzen Welt zu Hause gewesen war. Tragischerweise war er bei einem Autounfall in Paris ums Leben gekommen.

Dennoch hatten Jessicas Eltern sie unterstützt. Mit zwölf hatten sie ihr den Einstieg in den Kartsport in der Juniorenklasse erlaubt und sie auch später finanziell unterstützt, als sie gemerkt hatten, dass es ihrer Tochter todernst war, ihren Traum zu verwirklichen.

Jessica hatte sich rasch an die Spitze gearbeitet und gute Rennen geliefert. In Bathhurst war sie Dritte geworden, und in Andalusien hatte sie die Meisterschaft in den W-Series gewonnen. Nun war sie auf dem Weg in ihre Heimatstadt am Rhein.

Jessica unterbrach ihre Gedankengänge. Stirnrunzelnd lauschte sie auf die Geräusche um sich herum. Etwas stimmte nicht mit ihrem Gehör. Wieso hatte sie plötzlich diese Aussetzer? Das gleichmäßige Stampfen des Schiffes wurde mehrmals von kurzer Stille unterbrochen, bevor sich das Geräusch wieder normalisierte. Ihr war im Moment auch leicht schwindlig.

Sie gähnte und machte Kaubewegungen, doch es half nicht viel. Ebenso wenig das Massieren der Ohren, das sie anschließend durchführte.

»Noch ein Tag, dann laufen wir Rotterdam an«, sagte unvermutet eine Stimme neben ihr.

Sie gehörte Naoto, einem der Japaner. Jessica hatte ihn nicht kommen hören.

Sie schenkte ihm ein Lächeln. »Ja, dann sind wir am Ziel«, erwiderte sie, und ihre Stimme klang in ihren Ohren merkwürdig hohl.

***

»Ist deine Rennfahrerin schon eingetroffen?«, erkundigte sich Dr. Benrath bei seiner Kollegin. Er und Andrea Bergen saßen in seinem Dienstzimmer bei einer Tasse Kaffee und sprachen über die frisch operierte Patientin, nach der Andrea gerade gesehen hatte.

»Wir erwarten Jessica heute Nachmittag«, erwiderte sie. »Deshalb habe ich mich für heute zum Frühdienst einteilen lassen. Und morgen habe ich frei.«

»Eine Rennfahrerin.« Rudolf Benrath schüttelte lächelnd den Kopf. »Wirst du mal mit ihr fahren?«

»Vielleicht.« Andrea lachte kurz auf. »Ich habe ja meine täglichen Rennen mit dem Rettungswagen, wenn Jupp aufs Gas tritt, um so rasch wie möglich bei dem Unfall oder dem Herzinfarkt oder was auch immer, zu sein.« Jupp war der Fahrer des Rettungswagens und einer der Rettungsassistenten in ihrem Team.

»Sicher wirst du ihr auch mal bei einem Rennen zusehen?«

»Oh ja, natürlich. Das schulde ich schon meiner Tochter. Franzi redet von nichts anderem mehr als von Jessica und Autorennen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie aufgeregt sie ist.«

Rudolf betrachtete seine Kollegin mit einem verständnisvollen Lächeln.

»Du scheinst selbst richtig aufgeregt zu sein«, stellte er fest.

»Ja, klar«, gab Andrea zu. »Aber weniger wegen dem Autorennen, sondern wegen Jessica selbst. Wir hatten lange keinen Kontakt mehr, obwohl wir früher die besten Freundinnen waren. Nun freuen wir uns beide auf das Wiedersehen.«

Nach kurzem Anklopfen ging die Tür auf und Dr. Stellmacher stand auf der Schwelle, einer von Andrea Bergens Notarztkollegen.

»Ah, hier finde ich meine Ablösung«, bemerkte er gutmütig.

»Möchten Sie ein Tässchen?«, bot Rudolf ihm an.

Doch der Notarzt lehnte ab. Er wollte die Patientenübergabe hinter sich bringen.

Andrea trank ihren Kaffee aus und erhob sich von ihrem Stuhl. Ihr war nicht bewusst gewesen, dass so viel Zeit vergangen war. Diese konnte man bei Rudolfs bestem Kaffee auch leicht vergessen.

Die beiden Notärzte verließen das Dienstzimmer des Chirurgen. Plaudernd fuhren sie im Fahrstuhl nach unten. Dabei erfuhr Clemens Stellmacher von den neuen Patienten, die in der Notaufnahme lagen.

Nach der Patientenübergabe wünschte Andrea ihm einen angenehmen Dienst und verabschiedete sich auch von den anderen Kollegen in der Notaufnahme. Dann verließ sie das Klinikgebäude und ging zu ihrem Auto, das auf dem Personalparkplatz stand.

Mit froher Miene trat sie den Heimweg an. Sie freute sich sehr auf das Wiedersehen mit Jessica, die in Kürze eintreffen oder gar schon da sein würde.

Als sie in die Beethovenstraße einbog, konnte sie schon von Weitem sehen, dass Jessica bereits eingetroffen war. Vor der Villa der Bergens stand ein blauer Pick-up-Truck mit Anhänger, auf dem sich ein Rennwagen befand, ein neongrüner Chevrolet, wie sie ihn schon auf den Fotos gesehen hatte, die Jessica geschickt hatte. Auf beiden Fahrzeugen prangten bunte Aufkleber verschiedener Markenfirmen, vermutlich Jessicas Sponsoren.

Neben dem Pick-up, dessen Seitenfenster offen war, stand ein kleiner Knirps aus der Nachbarschaft mit seinem Fahrrad. Andrea hielt neben ihm an.

»Eine Frau!«, rief er ihr aufgeregt zu. »Frau Doktor, das Rennauto gehört einer Frau aus Australien!«

Andrea ließ das Fenster auf der Beifahrerseite herunter. »Ja, ich weiß, Marco«, erwiderte sie lächelnd. »Sie ist meine Freundin und ist zu Besuch hier. Hallo Jessica!«, rief sie ihr zu, und Jessica winkte.

»Cool!« Der Junge sagte noch etwas, doch das ging in dem Hupen des Autos hinter ihnen unter. Sie blockierten die Straße. Rasch fuhr Andrea in ihre Einfahrt und stieg aus.

Auch Jessica war ausgestiegen. Unter fröhlichem Lachen fielen sich die Freundinnen in die Arme.

»Herzlich willkommen in der alten Heimat, Jessica! Meine Güte, wie lange ist das her?«

»Eine Ewigkeit, ich weiß. Wahrscheinlich war es meine Schuld, dass unser Kontakt abgerissen ist. Plötzlich befand ich mich im Wirbelsturm meines neuen Lebens, nämlich, meines Rennfahrerlebens. Du glaubst nicht, wie aufregend das für mich war! Darüber habe ich alles andere vergessen.«

Andrea nahm ihre beiden Hände. »Das ist verständlich, Jessica. Wenn man sein Ziel erreicht hat, wie ich zum Beispiel als Unfallchirurgin und Notärztin, hat man für viele private Dinge keine Zeit mehr. Leider gehen dabei auch alte Kontakte verloren.«

»Kontakte, ja.« Jessicas Lächeln war warm und herzlich. »Aber keine alten Freundschaften. Du bist mir sofort wieder so vertraut wie früher, auch wenn viele Jahre vergangen sind.«

»Mir geht es genauso«, erwiderte Andrea ebenso herzlich.

Lächelnd standen sie voreinander und hielten sich an den Händen. Sie merken nicht, dass die Haustür aufging und eine ältere Dame erschien. Erst als ein schwarzer Hund freudig bellend auf sie zu gestürmt kam, wandten sie die Köpfe.

»Komm, lass dir die beste aller Schwiegermütter vorstellen.« Andrea nahm Jessica am Arm und winkte Hilde zu.

Dann musste sie erst einmal Dolly abwehren, die sich wie närrisch aufführte, weil Frauchen nicht nur nach Hause kam, sondern auch noch netten Besuch mitbrachte.

***

»Sehr lecker, Frau Bergen.« Jessica lächelte Andreas Schwiegermutter zu.

Sie fand die ältere Dame ungemein sympathisch. Und backen konnte sie! Die Erdbeersahnetorte war ein Meisterwerk. Wann hatte sie jemals so leckeren Kuchen in Australien gegessen? Jessica selbst hatte mit Backen und Kochen nichts im Sinn. Woher hätte sie auch die Zeit nehmen sollen, wenn sie buchstäblich immer nur am Rennen war?

Hilde Bergen bedankte sich für das Kompliment. »Es ist genug da. Greifen Sie nur zu.«

»Mutter ist nicht nur eine hervorragende Bäckerin, sondern auch eine ganz ausgezeichnete Köchin«, lobte Andrea mit einem liebevollen Blick auf Hilde. »Das wirst du beim Abendessen feststellen können, Jessica. Ich weiß zwar nicht, was es gibt, aber ich kann mir vorstellen, dass es zur Feier des Tages etwas ganz Besonderes sein wird.«