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Neue Deutsche Rechtschreibung Paul Johann Ludwig von Heyse (15.03.1830–02.04.1914) war ein deutscher Schriftsteller, Dramatiker und Übersetzer. Neben vielen Gedichten schuf er rund 180 Novellen, acht Romane und 68 Dramen. Heyse ist bekannt für die "Breite seiner Produktion". Der einflussreiche Münchner "Dichterfürst" unterhielt zahlreiche – nicht nur literarische – Freundschaften und war auch als Gastgeber über die Grenzen seiner Münchner Heimat hinaus berühmt. 1890 glaubte Theodor Fontane, dass Heyse seiner Ära den Namen "geben würde und ein Heysesches Zeitalter" dem Goethes folgen würde. Als erster deutscher Belletristikautor erhielt Heyse 1910 den Nobelpreis für Literatur. Null Papier Verlag
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Paul Heyse
Novellen in Versen
Lyrik
Paul Heyse
Novellen in Versen
Lyrik
Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019 1. Auflage, ISBN 978-3-962811-85-3
null-papier.de/521
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Inhaltsverzeichnis
Die Braut von Cypern.
Erster Gesang.
Zweiter Gesang.
Dritter Gesang.
Vierter Gesang.
Fünfter Gesang.
Sechster Gesang.
Die Brüder.
König und Magier.
Margherita Spoletina.
Urica.
Die Furie.
Rafael.
Michelangelo Buonarotti.
Die Hochzeitsreise an den Walchensee.
Erster Gesang.
Zweiter Gesang.
Dritter Gesang.
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(1856)
Eduard Mörike zugeeignet.
Es gibt ein Buch, vor Zeiten viel bewundert, Bei Niedrigen und Hohen wohlgelitten, Ein welterfahrener Tröster, dessen hundert Geschichtlein sanft in Ohr und Herzen glitten, In unserm höchst anständigen Jahrhundert Verpönt indes ob allzu freier Sitten, Ein Lustwald voll der schönsten Abenteuer, Nur, wie die Sage geht, nicht ganz geheuer. Doch Stellen gibt’s in dem verrufenen Hain, Die selbst der lieben Jugend ungefährlich. Von Belladonnen sind die Wiesen rein, Der Weg für guten Wandel unbeschwerlich; Kein schnöder Faun grins’t unverschämt darein, Der strengen Mütter Aufsicht wird entbehrlich, Und lose Vögel plaudern von Geschichten, Zwar auch verliebt, doch zügellos mitnichten. Solch ein Geschichtlein – wenn ihr lauschen wollt – Gelüstet mich, dass ich im Reim erzähle. O wären meine Verse helles Gold Zu würd’ger Fassung diesem Lichtjuwele! Nie ward der Schönheit Huldigung gezollt Andächtiger von einer Dichterseele, Nie hat Boccaz sich höheren Flugs erhoben – Doch still! Ich will erzählen – ihr mögt loben! Der Ort ist Cypern, jenes Sonnen-Eiland, Um das ein Sagenmeer melodisch brandet; Die Heimat Fortunats, wo kläglich weiland Der beiden Söhne Lebensschiff gestrandet; Auch edle Ritter, glühend für den Heiland, Sind öfter hier, als nötig war, gelandet. Wer kennt nicht Zyperkatzen, Zyperweine Und Venus Cypria mit ihrem Haine! »Zeit: die poetische!« wie Hebbel sagt, Und schwerlich meint er die maschinenreiche, Die sich als überklug und alt verklagt, Macht sie auch noch die jüngsten dummen Streiche. Indes, so leidlich sie mir sonst behagt, Zuweilen lohnt sich’s, dass man ihr entweiche Zu Menschen in verschollene Zeitenfernen, Die noch das Leben nicht aus Büchern lernen. Auf Cypern also und vor grauen Jahren Gab’s einen Kaufmann, reich an Geld und Gut, Dem stets bewahrt vor Stürmen und Korsaren Manch wackres Schiff sich schaukelt’ auf der Flut. Und doch die liebsten seiner Güter waren Ihm seine Söhne, frisch an Seel’ und Blut. Ergötzt uns ja zumeist von allen Gaben Was wir nächst Gott uns selbst zu danken haben. Nur Einer war zu seinem Gram geboren, Der Schönste zwar, und doch sein steter Kummer. Jedwede Mühe schien an ihm verloren, Den trägen Geist zu rütteln aus dem Schlummer. Er ging umher, wie mit verschlossnen Ohren, Verschlossnem Mund ein Tauber und ein Stummer, Und musst’ er einem ja ein Wörtlein gönnen, Hätt’ ihn ein Kind an Witz beschämen können. Er hieß Galeso. Doch bei allen Leuten War’s Brauch, dass sie ihn nur Cimone hießen. Dies dunkle Wort weiß ich euch nicht zu deuten, Da ich des Cyprischen mich nie beflissen. So was wie »Tölpel« wird es wohl bedeuten; Boccaccio sagt es auch, der muss es wissen. Genug, mit diesem Namen rief man ihn, Der ihm durchaus nicht ehrenrührig schien. Der Vater selbst ergab sich in sein Los, Von vieren einen dummen Sohn zu haben. Am Ende ward er wirklich auch zu groß, Zu hoffen auf noch unentdeckte Gaben. Er sprach ihn also von dem Lehrer los. Der Frucht erzielt an seinen andern Knaben, Und dessen Kunst im Schreiben, Rechnen, Lesen Nur bei dem Jüngsten gar umsonst gewesen. Denn allzu rasch hat Eines angeschlagen: Der Kinderzucht ultima ratio So gut in jenen, wie in unsern Tagen. Cimone, zwar in allen Künsten roh, Begriff die eine schnell, die Kunst zu schlagen, Und übte sie an seinem Lehrer so, Dass dieser wackre, vielerfahrne Mann Im Schüler bald den Meister sich gewann. Was war zu tun? Man musst’ ihn laufen lassen, Ein Füllen, dem der Zaum nicht anzuheften. Die Brüder gingen längst auf fernen Straßen Der Bildung nach, den Weibern, den Geschäften. Cimone blieb daheim und schlug gelassen Die Tage, Wochen, Jahre tot nach Kräften. Doch sonst unschädlich tat er Niemand weh, Und hasste nichts, als nur das Abece. Zwar schien er auch von Liebe nichts zu wissen; Den Vater liebt’ er kaum, Gott nicht zu sehr, Sich selbst am wenigsten. Denn abgerissen Mit wirren Haaren ging er stets umher. Sein Samtrock war, kaum angeschafft, zerschlissen, Und ein Barett besaß er bald nicht mehr. Der Vater, ihm den Unfug zu verleiden, Ließ endlich ihn wie seine Knechte kleiden. Das war ihm eben recht. Von da an blieb er Ganz aus den Mauern weg der dumpfen Stadt. Ein Leben gleich dem ärmsten Bauer trieb er, Schlief auf dem Stroh, aß sich am Herde satt. Sein Vater hatt’ ein Landgut, wo der Cyper Auf Felsen reift’ an wohlgeschirmter Statt, Maisfelder wogten und Orangengärten Ihm Schatten, Blüt’ und Frucht zugleich bescherten. Da braucht’ es Arme, und im Arm Cimone’s War Mark genug, um viere zu beschämen. Kein Knecht vermaß sich, mit des Herrensohnes Gewalt’ger Muskelkraft es aufzunehmen. Er pflegte jedem Tagewerk, obschon es Oft nicht das feinste war, sich zu bequemen, Als tät’s ihm Not, den Übermut der Kräfte Zu bändigen durch knechtische Geschäfte. Mit einem Faustschlag fällt’ er jedes Tier, Dass ihm der Schädel tödlich schütterte, Und wenn sich losgemacht ein junger Stier, Der hörnerwetzend Freiheit witterte, Cimone fing ihn ein im Waldrevier, Riss ihn zu Boden, dass er zitterte, Dann führt’ er ihn nach Haus, pfiff seinen Hunden Und wandert’ auf die Jagd für lange Stunden. Denn fast vergaß ich, etwas liebt sein Herz: Die beiden Rüden, die ihn stets umsprangen. Bald nahm er sie und warf sie himmelwärts, Um am Genick sie wieder aufzufangen, Bald, hingelagert, hatt’ er seinen Scherz, Wenn wütend sie auf seiner Brust sich rangen, Und hetzte laut die ungetümen Bestien; Es schien im Mindsten nicht ihn zu beläst’gen. Doch auch ein nützlicher Vergnügen fand sich Für ihn und sie: den stolzen Hirsch zu jagen. Ein Wölflein auch, ein Luchs und Eber stand sich Nicht wohl dabei, mit ihnen es zu wagen. So kam mein junger Wildling in die Zwanzig Und schien dem Weltlauf wenig nachzufragen, Von des Gedankens Blass nicht angekränkelt, Doch desto breitrer Brust und schlank geschenkelt. Nun war’s im Juni, eines Nachmittags, Wo Tier’ und Menschen große Glut betäubte. Das müde Meer, im Sonnendunste lag’s, Kein Lüftchen ging, das eine Welle sträubte. Im tiefen Wald anstatt des Vogelschlags Klang nur der Bach, der von der Klippe stäubte, Dem Hirsche, dem Cimon den Rest gegeben, War heut der Tod bequemer als das Leben. Sein Jäger, sonst ein Freund von Vierzehnendern, Heut schilt er selbst auf den gewicht’gen Braten. Es wär’ ihm lieber, leer nach Haus zu schlendern, Zumal er weit ins Land hineingeraten. Doch da Geschehnes selten mehr zu ändern Und oft uns drücken unsre besten Taten, So geht Cimon, die Hund’ ihm nach mit Schnaufen, Verdrossen leckend an den blut’gen Traufen. Der Wald zog sich im Innern meilenweit Die Höh’n entlang, und schirmte so den Rücken Landhäusern, die, nicht nach der Schnur gereiht, Mit bunten Gärten das Gestade schmücken. Die Reichen bargen hier zur Sommerszeit Sich mondenlang vor des Scirocco Tücken, Und oft erscholl am Waldsaum ihrer Töchter Gesang und Tanz und fröhliches Gelächter. Mehr braucht es nicht, dass allen Nachbarpfaden Der Menschenfeind Cimone stets entflieht. Doch heut, mit dem verwünschten Hirsch beladen, Wählt er den nächsten Weg durch dieß Gebiet. Zum Glück erscheint in Stein- und Laub-Arcaden Ihm nichts, was einem Menschen ähnlich sieht; Ein jedes Haus gleicht einer sichern Veste, Vor deren Toren Wache steht die Sieste. Wie nun ganz friedlich und gedankenlos Der kleine Jagdzug wandelt seiner Straßen, Auf einmal stehen in eines Wäldchens Schoß Die Hunde still und wittern mit den Nasen. Ihr Jäger stutzt und späht; sie winseln bloß Und fegen mit dem Schwanz den hohen Rasen. Da plötzlich schimmernd aus dem grünsten Schatten Sieht er das Wild, das sie gewittert hatten. Ein Fleck des Waldes war’s, den Gärtnerhände Entwildert schon, allein nicht zahm gemacht. Ein Quell sprang aus den Büschen vor behände Und plätschert’ in ein Becken, überdacht Von wilden Rosen. Hohe Lorbeerwände Umhegten diesen Traum der Waldesnacht. Von ferne sah das Landhaus eines Reichen Herüber durch die immergrünen Eichen. Und hier, ins Moos am Brünnlein hingestreckt, Lag eine Jungfrau, schlafend in der Hitze. Ein luftig sommerlich Gewand bedeckt Den schlanken Leib bis zu der Füßchen Spitze. Cimone steht wie aus dem Schlaf geweckt, Wie angesengt von einem flücht’gen Blitze; Die Hunde selbst, die täppischen Gesellen, Sehn, dass es hier unziemlich sei, zu bellen. Ein Künstler, dessen Feuergenius Manch großes Irrlicht ruhig überragt,Genelli, den die Zeit verkennen muss, Weil dieß Geschlecht nichts mehr nach Größe fragt, Malt’ uns den Liebesgott, wie er am Fuß Der Eiche schläft. Das Waldesdunkel tagt Von seiner Fackel, die im Boden steht, Und ihm zur Seite ruht sein Kampfgerät. Und eine Löwin, fraßbegierig, schleicht Am Waldrand zu des Knaben Schlummerstätte. Allein sobald ihr Scheelblick ihn erreicht – Als ob sie bang den Gott gewittert hätte, Hebt sie die Tatze, duckt sich und entweicht. So mit den blöden Tieren in die Wette Wird sich Cimon in Tiefen seiner Brust Zum ersten Mal des Göttlichen bewusst. Die Schläferin ließ sich fürwahr nicht träumen, Welch wilder Sippschaft sie den Weg verlegte. Fest lag die Wimper mit den schwarzen Säumen, Kaum dass den Mund einmal ein Seufzer regte, Wenn sich der Wind, erwachend in den Bäumen, Mit schwülem Hauch um ihre Brust bewegte. Den bloßen Armen, die ihr Haupt umfingen, War viel zu wohl, zu lösen ihre Schlingen. Das Angesicht war frei; nur dass sich eine Der dunkeln Flechten um die Stirn verschoben. Die Wangen schimmerten in Jugendreine, Die zarte Brust war mädchenhaft gehoben. Von so viel Adel, Herbigkeit und Feine War diese selige Gestalt umwoben, Dass auch ein größrer Kenner als Cimone Sie nennen musste: des Geschlechtes Krone. Und er nun gar, mein armer dummer Junge, Sonst allen Weibern blind vorbeigerannt, Er wär’ auch jetzt vorbei mit einem Sprunge, Doch hält ein Zauber seinen Fuß gebannt. So steht er vor ihr, wie mit blöder Zunge Der erste Mensch vorm ersten Weibe stand. Da aber brach Gott Vater selbst das Schweigen; Und hier – will denn kein Gott sich gnädig zeigen? O heil’ges Wunder! uralt ist die Welt, Und dennoch steht am Anfang aller Dinge Das Herz, in das ein Strahl der Schönheit fällt. Als ob dich eine Schöpfung neu umfinge, Wird dir die Brust erschüttert und geschwellt, Es trifft dich wie ein Schlag von Adlerschwinge, Die Träne fühlst du dir im Auge beben – Nun weißt du erst, lebendig sei dein Leben. Sie aber, die mit himmlischen Organen Nie in sich saugen diese Lebenskraft, Die nie, in Gold und Staube wühlend, ahnen Den reinen Schatz verklärter Leidenschaft, – Ein dumpfer Nebel liegt auf ihren Bahnen, Begier allein dünkt ihnen wesenhaft; Der bleib’ uns fern, der nicht zu scheiden wüsste Die Schönheitstrunkenheit vom Rausch der Lüste! Es lag auf dieses Mädchens Stirn und Brauen Unschuld’ge Majestät, selbstunbewusste, Dass, wer nicht würdig war, sie anzuschauen, Sich als ein Knecht vor ihr empfinden musste. So spürt Cimon ein ungewohntes Grauen, Dem seine Seele nicht zu wehren wusste; Ahnt gar vor diesem edeln Menschenbilde Die eigne dumpfe Niedrigkeit der Wilde? Ein dunkler Zug der Andacht, der ihn fasste Zum ersten Mal, hält sein Gemüt im Zaum. Als ob ein schweres Schicksal auf ihm laste, Steht er von fern und wagt zu atmen kaum, Obwohl er wie im Fieber darauf passte, Dass sich, ermuntert aus dem letzten Traum, Die Wunderschöne möchte zu ihm neigen Und was die Wimper noch verhüllt ihm zeigen. Indessen schlief das Fräulein immer fort, Wer weiß wie lang. Still war’s um diese Stunde; Kein lebend Wesen nahte sich dem Ort, Als Freund Cimon und seine biedern Hunde. Die aber sprachen alle drei kein Wort. Die letztern nur – verzeihlich war’s im Grunde – Beginnen endlich doch sich langzuweilen, Da sie die Kurzweil ihres Herrn nicht teilen. Anfangs vermag sie noch ein Blick zu bänd’gen, Ein Fußtritt und ein Speerhieb zu regieren. Doch wilder murren schon die Unverständ’gen, Die endlich heulend die Geduld verlieren. Die Schläferin erwacht, fährt mit den Händchen Sich übers Antlitz, sieht bei seinen Tieren Cimone stehen, und in des Schrecks Erbleichen Vergisst sie Rufen, Fliehn und all dergleichen. Auch unser Freund versäumt, was üblich ist; Sich zu entschuld’gen mocht’ er wenig taugen. Hatt’ er doch nur geharrt so lange Frist, Um endlich auch zu schaun die hellen Augen. Indes er alles um sich her vergisst, Ihr Licht allein in seine Brust zu saugen, Besinnt das Fräulein sich, und dreist und dreister Rückkehren die verscheuchten Lebensgeister. Denn ob Cimone gleich kein Mädchen kannte, Sie kennen ihn, die alt’ und jungen alle, Und Manche, der er scheu vorüber rannte, Gestand sich ein, dass er ihr wohlgefalle, Obwohl die Welt ihn einen Tölpel nannte. Das Fräulein zwar war nicht in gleichem Falle, Doch sagte sie zu ihm mit güt’gem Tone Und holdem Lächeln: Guten Tag, Cimone! Er aber gab den Gruß ihr nicht zurücke, Er starrte nur sie an. Zu Häupten schoss Ein Schwindel ihm von unbekanntem Glücke, Da wie Musik ihr Grüßen ihn umfloss. Sie ahnt nicht, was so seltsam ihn berücke, Und mehr und mehr wird ihre Sorge groß: Wenn seine Wildheit jetzt ihn überkäme, Was fängt sie an, dass sie allein ihn zähme? So stellt das kluge Kind sich unbefangen Und steht mit Hoheit auf von ihrem Quelle. Ein leichtes Rot entbrennt auf ihren Wangen, Da sie mit tapferm Schritt, doch nicht zu schnelle, An ihm vorbeigeht mit geheimem Bangen. Behüt’ dich Gott, Cimone! spricht sie helle. Doch er, dem alle Menschenfurcht geraubt ist, Sagt: Ich geleit’ Euch, Fräulein, wenn’s erlaubt ist. Das Jungfräulein erschrickt und ist geneigt, Ein wenig misszutraun so sanften Sitten. Doch wenn ein Löwe höflich sich erzeigt, Wie dürfte sich’s ein armes Reh verbitten! Sie geht voran und staunt bei sich und schweigt, Er hinter ihr mit seinen Riesenschritten, Und immer schwankt im Gehn um seine Lenden Das Hirschenhaupt mit seinen vierzehn Enden. Der Wald hört auf, und durch des Gartens Gitter Tritt leichtern Muts das schöne Mädchen nun. Hier hofft sie loszuwerden ihren Ritter, Doch pflegt ein ganzer Mann nichts halb zu tun. Gedankenvoll den Laubengang durchschritt er Und ließ auf ihr allein das Auge ruhn. Erst als die Villa wird den Blicken frei, Besinnt er sich, dass er ein Fremder sei. Auch lädt sie ihn nicht ein. Mit kurzem Gruße Schlüpft sie hinein und ach! verschwindet drinnen. Da steht er nun und hat die schönste Muße, Des Glückes schnellem Wechsel nachzusinnen. In so beschaulichem Gedankenflusse Verfällt er auf ein löbliches Beginnen: Er hebt den Hirsch von seiner Schulter schnelle Und legt ihn widmend nieder an der Schwelle. Dann aber macht er eilig sich davon, Als hätt’ er, statt zu bringen, ihn gestohlen. Ihm brennt der Kopf – er meint bei jedem Ton, Man setz’ ihm nach, um ihn zurückzuholen. Durchmessen ist der kleine Garten schon, Er stürmt den Waldweg hin auf flücht’gen Sohlen Und macht erst Halt an jener Quelle Rand, Wo er sein himmlisches Verhängnis fand. Da bückt er sich und trinkt in langen Zügen;. Nie ist ein Quell so labend ihm erschienen. Ach, könnte man des Herzens Durst betrügen Mit schlechtem Wasser – Manchem würd’ es dienen! Die Heil’gen mögen sich damit begnügen, Poeten zählen selten nur zu ihnen, Und dürft’ ich jetzt die Tradition verletzen, Ließ’ ich Cimon sich in die Schenke setzen. Dieß Wasser zwar ist kein gewöhnlich Nass, Denn ihren Atem hat es eingesogen; Der Duft des Haars, da sie hier niedersaß, Ihr Schatte selbst ist drüber hingeflogen. Und dort – was liegt in jenem sel’gen Gras, Das unter ihrem Füßlein sich gebogen? Ein Buch, in blaue Seiden eingebunden. Las sie darin, eh sie den Schlaf gefunden? Cimone hebt es auf, mit seinen Händen, Die grob ihm däuchten jetzt zum ersten Mal. Er öffnet’s und beschaut’s an allen Enden, Und auf die Seele fällt es ihm mit Qual: Wie er es immer drehen mag und wenden, Es bleibt ihm stumm, es sagt ihm nicht einmal Den holden Namen jener einzig Lieben, Der, wie er mutmaßt, vorn ist eingeschrieben. O ihr Dämonen der versäumten Jugend, Nun stürmt ihr vor! Erhabnes Abece, Wenn dein erzürnter Geist herniederlugend Jetzt deinen Spötter so im Elend säh’, Und du, Magister, dessen Lehrertugend Ihm doch nicht wohl getan, und dir so weh, Wenn, sag’ ich, ihr ihn Alle säht, den Armen, Trotz eures Grolls, – ihr müsstet euch erbarmen! Tiefsinnig steht der gute Junge dort, Die Hunde können keinen Blick erhaschen. Wohl konnt’ in aller Welt kein andrer Tort Des Schicksals hämischer ihn überraschen. Zuletzt besinnt er sich und steckt sofort Den Fund in eine seiner großen Taschen. Trotzdem dass Ehrlichkeit am längsten währt, Hält er, was er gefunden, für beschert. Dann geht er fort. Ja, Ärmster, gehe nur, Doch wirst du kaum vor Nacht nach Hause kommen. Ein schlimmer Schütz ist jetzt auf deiner Spur Und hat den Jäger auf das Korn genommen. Er hetzt ihn durch Gebirge und Wald und Flur, Empor den Klippenweg, den er erklommen – Hört ihr in Lüften goldne Pfeile klingen? Wie tief sie trafen, will ich nächstens singen.
Ein Stachel ist’s in edleren Gemütern, Den Dank für reiche Wohltat nicht zu zollen. Wer aber segnet uns mit höheren Gütern, Als wer uns Lehre spendet aus dem Vollen! Und gehn wir gar der Dichtkunst greisen Hütern Danklos vorbei, wird uns die Muse grollen. Nicht weiter führt sie mich des Liedes Pfad, Bis ich verehrend, Uhland, dir genaht. Dir dank’ ich diese Strophe, die elastisch Und leicht dem Lied sich an die Hüften schmiegt, Jetzt seinen Wuchs bezeichnet, streng und plastisch, Jetzt flatternd als ein Schleier es umfliegt. Mit ihr hat schon Orlando hochfantastisch Und üppig Don Juan die Welt besiegt. Doch wie auch in ihr glänzt der Welsch’ und Britte, Erst Fortunat trägt sie nach deutschem Schnitte. O warum hat dein Meister, armer Wicht. Die Hand so jählings von dir abgezogen! War unerschöpflich denn der Seckel nicht, Draus des Humors Goldmünzen klingend flogen? Und tat dein Wünschelhut nicht seine Pflicht Und trug den Dichter flugs durch Lüft’ und Wogen? – Fortuna selber hat sich abgewendet, Und Fortunat blieb leider unvollendet. Hier hör’ ich Manchen sich ins Fäustchen lachen. Ei, sagt ein gründlich kunstverständ’ger Mann, Verdankt Ihr Stoff und Form bei Euern Sachen Boccaz und Uhland, was ist Euer dann? Da wär’s ein Kinderspiel, Gedichte machen. – Er mache sie! Wer hindert ihn daran? »Hier ist der Bogen noch und hier die Ringe!« Wir aber kümmern uns um bessre Dinge. – Am Tag nach jenem, wo im Walde drauß So unerhörte Wunder sich begaben, Saß in der Hafenstadt im stillen Haus Cimone’s Vater, in sein Buch vergraben. Er sah gesund und satt und gütig aus Und übersann zufrieden Soll und Haben; Nicht den Roman; noch war an Cyperns Strand Die Firma T. O. Schröter unbekannt. Wie nun von diesen würd’gen Folioseiten, Sich auszuruhn, Aug’ und Gedanken eben Hinaus zum Fenster auf die Rhede gleiten, Die lärmt und wimmelt von geschäft’gem Leben, Erdröhnt im Vorsaal ein so mannhaft Schreiten, Dass Tür’ und Fenster in den Angeln beben. Dazwischen knurrt ein seltsam heisrer Ton; Die Tür geht auf, und es erscheint Cimon. Verlegen wedelnd, mit verhaltnem Bellen Hat sich das Rüdenpaar ihm nachgeschlichen. So standen im Gemach die drei Gesellen Mit Blicken, die aufs Haar einander glichen. Doch hat der Jüngling an des Stadttors Schwellen Erst Wams und Locken sich zurechtgestrichen, Und wie die Wangen jetzt ihm scheu entbrennen, Muss, dass er schön sei, auch der Neid bekennen. Der Vater selbst sieht ihn mit Freuden an, Doch minder froh die zottige Begleitung. Er denkt: der Junge wird fürwahr ein Mann. Wie könnt’ ich stolz sein, folgt’ er weiser Leitung! – Mit stillem Seufzer fragt der Gute dann: Nun, lieber Sohn, was bringst du mir für Zeitung? Der fasst ein Herz und sagt: Ich hätte gerne, Wenn du erlaubtest, dass ich lesen lerne. – Wenn jetzt auf einmal von den Hunden einer Sich hätt’ im Tanz durch das Gemach geschwungen, Indes dem andern wär’ ein glockenreiner Tenorgesang aus rauer Brust erklungen, Das Staunen unsres Mannes wäre kleiner, Als da er hört, dass seinem großen Jungen, An dem die Bildung nie hat wollen haften, Der Trieb erwacht ist zu den Wissenschaften. Der brave Kaufherr – offen sei’s gesagt – War selbst kein Freund von vielem Bücherwesen. Ein Buch nur gibt es, das ihm stets behagt, Drin die Geschichte seines Gelds zu lesen. Und einzig darum hat er es beklagt, Dass sein Herr Sohn ein Lernenichts gewesen, Weil er auch ihm die Lebensfreude gönnte, Dass er dies Buch verstehen und mehren könnte. Nun spricht er würdiglich: Mich freut, mein Sohn, Dass dir verleidet ward dein wildes Treiben. Zum Lernen wird man nie zu alt, obschon Du fast schon alt genug, dich zu beweiben. Gleich geb’ ich in Korinthos Commission, Dir einen Pädagogen aufzutreiben, Den allertrefflichsten in West und Osten; Ich lass’ es gern mich tausend Drachmen kosten. Nein, Vater, sagt Cimone, spart das Geld, Ich warte nicht so lang; mir eilt die Sache. Ich weiß hier einen Mann der Schule hält, Die Schifferkinder lernen da die Sprache. Da will ich hin. Und wenn es Euch gefällt, Befehlt, dass man mir andre Kleider mache. Ich schäme mich, so durch die Stadt zu traben. Auch eine neue Mütze möcht’ ich haben. Das war die längste Rede, die zu halten Der junge Mann sich je die Mühe gab. Man denke sich den freud’gen Schreck des Alten! Er küsst den Sohn, läuft selber dann hinab, Beschickt den Schneider, heißt ihn flugs entfalten Was er an Kunst und edlen Stoffen hab’, Und lässt den sämtlichen Verwandten sagen, Was sich mit seinem Jüngsten zugetragen. Nun läuft zusammen bis ins dritte Glied Die ganze Freundschaft, Keiner bleibt zu Haus. Doch ihm, zu dessen Feier dieß geschieht, Wird all die Lieb’ und Ehre bald ein Graus. Wie er nun gar die vielen Tanten sieht, Stürmt er auf einmal blind zum Saal hinaus, So tölpelhaft wie je, und bleibt verborgen, Obwohl man nach ihm sucht in großen Sorgen. Er saß im Pferdestall und schlief die Nacht, Wie er am liebsten schlief, auf einer Streue. Die paar Gedanken, die er sich gemacht, Ich meine fast, sie schmeckten stark nach Reue. Dann aber fühlt’ er in die Tasche sacht Nach seinem Buch, und über ihn aufs Neue Kam ein Gewühl von himmlischen Gewalten Und gab ihm Mut, dem Schlimmsten Stand zu halten. Und in der Früh, da in die Schul’ am Hafen Die Buben schwärmen, wie zum Korb die Bienen, Sehn höchlich sich verwundernd meine braven Zypreser Freund Cimone unter ihnen. Doch er, obwohl ihn alle Blicke trafen, Geht seines Weges mit gefassten Mienen Und mitten in der wilden Jugend Chor Stellt er beklommen sich dem Lehrer vor. Das war zum Glück kein leidiger Philister, Wie jener, der Cimon erzog vor Zeiten; Denn seines Zeichens ein gewes’ner Priester Kennt er das Leben von so manchen Seiten. Und jetzt nach bunten Wechselfällen ist er Bestellt, den Jugendunterricht zu leiten. Der kränkende Verdacht blieb stets ihm ferne, Dass irgend wer bei ihm sich überlerne. Er kennt Cimone wohl; wer kennt ihn nicht? Und überdies kommt er mit seinen Hunden. Der Lehrer macht ein höflich ernst Gesicht Und weis’t die Bestien fort aus seinen Stunden. Gutwillig tut Cimon auch den Verzicht. Die Rüden werden draußen angebunden, Und wie sie winseln, kratzen und rumoren, Heut hat ihr Herr nur für die Weisheit Ohren. O goldne Zeit! o wundervolles Land! Sogar dem Schulzwang nehmt ihr seine Schauer. Was unter Schulhaus damals man verstand, War nur ein Hof mit einer schatt’gen Mauer. Der Himmel lacht herein, vom nahen Strand Erklingt das Meergebraus; es fliegt kein grauer Gelehrter Staub den derben Wetterjungen Hier jugendmörderisch auf Geist und Lungen. Das steht und liegt und kauert durcheinander, Malt schlecht und recht Buchstaben mit der Kreiden; Der Lehrer mitten drin. Gar wohl verstand er, Dem Übermut die Flügel zu beschneiden. Doch keinen Schüler wie Cimone fand er, So lernbegierig, sittig und bescheiden. Stillsitzen lernt er heute schon, ingleichen Vom Alphabet die ersten sieben Zeichen. Und als das Nützliche nun abgetan, Will man im Schönen auch sich weiter bringen. Der Lehrer selbst stimmt einen Hymnus an, Den man in Kirchen damals pflag zu singen, Und zu der Kinder fröhlichem Sopran Lässt er sein altes Geigenspiel erklingen. Cimonen treibt’s, dass er ein Herz sich fasse; So gut er kann, fällt er mit ein im Basse. Das war ein Bass! Es wankt bei seinen Tönen Die alte Lehmwand, die in Risse sprang. Nie war auf Erden seit den Enakssöhnen Ein Abeceschütz, der so wacker sang. Die Hunde hören diese Stimme dröhnen Und heulen los bei dem bekannten Klang, Die Brandung selbst hält ein in ihrem Grimme, Als hörte sie Poseidons Herrscherstimme. Dann aber geht der Schüler stille fort. Besorgt, sein kostbar Wissen zu verlieren, Sucht er sich eilig einen sichern Ort. Der Weisheit Mutter ist das Repetieren. Er zieht sein Büchlein vor, am ersten Wort Beginnt er gleich ein ernstlich Buchstabieren, Doch wie erheblich viel er auch gelernt, Vom Ziel des Strebens ist er weit entfernt. Geduld, mein Freund! Es kommt der Tag zum Tage, Auch der zuletzt, der die Erfüllung bringt, Wo dir, dem Staunenden, mit Einem Schlage Die harte Fessel von den Augen springt. Denkt euch hinein in des Adepten Lage, Dem endlich Gold aus seinem Tiegel blinkt: So war dem Jüngling, als sich lösen ließ Das Rätsel ihres Namens: Flordelis. Nicht Iphigenie, wie Boccaccio meint; In diesem Punkte folg’ ich andern Quellen. Und wenn sie allen Reiz der Welt vereint, Sie darf sich doch nicht neben Jene stellen, Die wie der Mond am Frauenhimmel scheint, Verklärend Tauriens unholde Wellen. Wo ist die Jungfrau, die nicht müsste zagen, Den Namen dieser Priesterin zu tragen! Doch dieß beiseit. Was kann dem Herzen auch Ein Name sein? Schien’s unserm Freunde nicht, Als müss’ ihn ganz besel’gen dieser Hauch, Und ist er selig nun, da er ihn spricht? Er fühlt es wohl: »Der Nam’ ist Schall und Rauch!« Zu fern, ihn zu erwärmen, flammt das Licht, Und freilich auch zu fern, die dunkeln Stellen In seinem armen Kopfe zu erhellen. Denn, was noch sonst im Büchlein stand geschrieben, Bleibt leider ihm Geheimnis ganz und gar. Im Abece ist er nicht stecken blieben, Doch fremde Worte stellen sich ihm dar. Und wie er zornig sich die Stirn gerieben, Die dunkeln Laute werden ihm nicht klar. Ihm fällt nicht ein, dass etwa fremd die Sprache; Er denkt nur, dass er Lesefehler mache. Nun war bei seinen andern Schulgenossen Ein aufgeweckter Bursch von vierzehn Jahren, In fremdem Lande kräftig aufgesprossen, Ein Seemannskind; und hier in Cypern waren Die Eltern ihm gestorben. Ausgestoßen, Verwais’t im Leben, musst’ er bald erfahren, Wie Vieles man zu lernen hat hienieden, Um sich auf eigne Faust ein Glück zu schmieden. So kam es, dass er bald der Erste ward Und ihn Cimone sah mit stillem Neide. Doch heut, da er am Meerstrand ihn gewahrt, Verhofft er Trost von ihm in seinem Leide. Er lädt ihn ein zu einer kleinen Fahrt Ins Meer hinaus, ins Schifflein springen Beide, Cimone stößt mit ganzer Macht vom Lande, Und bald ist ihre Gondel fern dem Strande. Und wie sie jetzt auf abendlicher Flut Hintreiben, wo die Tiefen purpurn blauen, Fasst unser Liebender sich einen Mut, Sein Ungeschick dem Knaben zu vertrauen. Das Büchlein zieht er vor aus sichrer Hut Und heißt Pedruccio mit hinein zu schauen, Und ihm zu sagen, wenn er selbst es wisse, Wie man die schweren Worte lesen müsse. Kaum blickt der Knab’ hinein, so jauchzt er auf, Klatscht in die Händ’ und seine Augen strahlen. Herr, das sind Lieder, jubelt er darauf, Wie man sie singt im Land der Provenzalen. Bei mir daheim an der Durance Lauf Hört’ ich sie klingen zu vielhundert Malen. Und nun beginnt er mit den muntern Augen An der vertrauten Schrift sich festzusaugen. Lehr’ mich die Sprache! sagt Cimone schnelle; Fang’ an beim ersten Blatt, und dann so fort. – Gehorsam folgt sein kleiner Schulgeselle Und lies’t und übersetzt ihm Wort für Wort. Der Andre wiederholt es auf der Stelle Und birgt’s im Geist, wie einen goldnen Hort. Im Takte wiegt den Kahn das stille Meer, Und Abendlüfte schwanken um sie her. Du aber, was du liesest, weißt du kaum, Du Waisenkind! Doch weiß es um so besser, Der dir die Worte nachspricht wie im Traum, Den Blick versunken in des Meers Gewässer. Und während über ihm am Himmelsraum Die Abendglut sich dämpfet, blass und blässer, Fährt wie ein Sturm in seine Flamme wieder Der sanfte Atem dieser Liebeslieder. Doch endlich setzt das Zwielicht goldner Sterne Dem Lehrer wie dem Lernenden ein Ziel. Das Andre morgen! spricht Cimon, und gerne Gelobt’s der Knabe. Heimwärts fährt der Kiel Des kleinen Boots; noch aber sind sie ferne, Da trifft ihr Ohr Gesang und Saitenspiel, Und durch die Flut, von Fackeln überglommen, Kommt ein bekränztes Schiff dahergeschwommen. Ein Lustschiff war’s, drauf die Zypreserinnen Der Meereskühle manche Nacht genossen. Jungfrauen mit den Müttern saßen drinnen, Und Jünglinge, der ersten Häuser Sprossen. Cimone sieht’s, und plötzlich hält er innen, Von tiefem Not das Antlitz übergossen, Denn wie der Fackelschein ihm deutlich wies: Sie ist im Schiff, sie selber, Flordelis! Auf einem Teppich ruht sie, dicht am Bord, Und blickt hinüber in die Meeresweiten. Zuweilen wechselt sie ein flüchtig Wort Mit jenen Jünglingen an ihren Seiten. Auch dass sie lache, meint der Späher dort Zu sehen, zu hören gar von Zeit zu Zeiten. Ihm ist, als ob der Wohllaut ihrer Stimme Durch die Musik hindurch in Lüften schwimme. Nun sieht er Einen, der die Flöte nimmt, Und einfällt zu des Citherspiels Accorden. Ob dieser Ton zu ihrem Herzen stimmt? Dem Spieler ist ein Blick zu Teil geworden, So freundlich, dass Cimone tief ergrimmt; Ihm zuckt die Faust, als gält’ es Wen zu morden, Und seinen Zorn in etwas auszutoben, Schlägt er ins Meer; hoch spritzt die Flut nach oben. Dieß schien ein Wink dem kleinen Provenzalen, Dass seinen Freund nunmehr nach Haus gelüste. Er rudert emsig; kaum beachtet stahlen Sie von dem Schiff sich weg zur Inselküste. Cimone sitzt untätig und in Qualen, Als ob Meduse seine Lippen küsste, Und da sie kaum ihr Boot gelandet haben, Verlässt er schweigend den betroffnen Knaben. Die Nacht war schlaflos, – was man selber nämlich Schlaflos zu nennen pflegt bei zwanzig Jahren: Dass noch ein Stündlein vor dem Schlaf vernehmlich Und klar sich Tön’ und Bilder um uns scharen Und früh uns wecken, wenn zuvor bequemlich Acht Stunden lang gelös’t die Glieder waren. Doch reift’ in dieser nächtlich kurzen Muße Ein wicht’ger Plan Cimonen zum Entschlusse. Er folgt dem Lehrer, als die Schulzeit aus, Und sagt, er hab’ ein sonderlich Begehren. Der nimmt ihn freundlich plaudernd mit nach Haus Und bittet ihn, sich näher zu erklären. Verlegen kommt Cimon damit heraus, Ob er ein Instrument ihn wolle lehren. An Geig’ und Cither find’ er groß Gefallen, Doch sei die Flöte sein Geschmack vor allen. Und Jener sagt: Ich denk’, ich kann Euch dienen. In mancher Kunst hab’ ich mich umgesehen, Und auch das Flötenspiel war unter ihnen; Was ich Euch lehren kann, soll gern geschehn. Er öffnet einen Schrank, drin Mandolinen, Violen, Cithern und Guitarren stehen, Verschiedne Saiten auch aus Darm und Stahle Und eine Flöt’ im Lederfutterale. Cimone greift danach, so wie ein Kind, Das blankes Spielzeug sieht vor Augen blitzen, Und eh’s der Lehrer ihm gezeigt, beginnt Der junge Musiker den Mund zu spitzen. Doch wehe! viel zu ungefüge sind, Zu riesenmäßig seine Fingerspitzen, Die zu des Lehrers lachendem Erschrecken Der Flötenlöcher zwei auf einmal decken. Mit einem Blick wie wenn zu Nacht der arme Schatzgräber schwinden sieht den goldnen Topf, Den er schon zitternd wog in seinem Arme, So steht Cimone, kratzt sich stumm am Kopf Und legt die Flöte weg in schwerem Harme. Der Lehrer selbst beklagt den guten Tropf, Und wie er sinnt, was er ihm Liebes täte, Fällt ihm ins Aug’ ein seltsam Tongeräte. Im Winkel stand’s, ein Unding von Posaune, Schier einer Ellen weit der Fuß geschwungen. Vom glänzenden Metall war schon der braune Lack hie und da buntscheckig abgesprungen. Der Lehrer holt sie vor in bester Laune, Bläs’t ab den Staub und reicht sie dar dem Jungen Und sagt zu ihm: Dieß wird zu Euern Maßen, Mein junger Freund, vermutlich, besser passen. Wohl hat er Recht; sie passen für einander, Wie einst die Keule zu Alkmene’s Sohn, Bucephalus zum jungen Alexander Und jener arge Turm zu Babylon. Von selber schon den richt’gen Ansatz fand er Und stieß hervor solch einen freud’gen Ton, Dass sich der Lehrer stracks die Ohren hält Und ihn hinausführt in das freie Feld. Nun gingen sie zusammen viele Wochen Ins Waldgebirg, der edlen Kunst zu pflegen. Auch manches Wort wird unterwegs gesprochen, Und langsam lernt Cimon die Zunge regen. Am Wissen zwar hat Jener nur gerochen, Doch braucht’ er Kopf und Augen allerwegen; Er kennt den Weltlauf, fremder Völker Brauch, Und Ein’ges von Geschichte weiß er auch. Er war dem Jungen bald so zugetan, Wie nur ein Bruder kann den Bruder lieben. Hört, Bester, fing er einst im Wandern an, Nachdem sie im Gebirge Musik getrieben, Ihr tatet, wie mir scheint, nicht wohl daran, Dass Ihr nur immer so für Euch geblieben. Was ich vermag, will ich Euch gerne geben, Allein das Beste lernt man doch vom Leben. Geht in Gesellschaft! meidet nicht so scheu Das junge Volk im Weinhaus und Theater! – Cimonen war die Rede gar nicht neu, Allein verdrießlich, wenn sie kam vom Vater. Dem Freund versprach er’s, und dem Worte treu Den ersten Schritt ins neue Leben tat er Und steuert herzhaft noch denselben Tag