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Stefan Schnoor stammt aus Neumünster, einer ehemaligen Industriestadt in der Mitte Schleswig-Holsteins. Seine Karriere beginnt er in ganz jungen Jahren als Straßenfußballer und feuert als Kind in der legendären Westkurve des Hamburger Volksparkstadions den HSV an. Über die Stationen VfR Neumünster und Olympia Neumünster wird Stefan Schnoor später Bundesligaspieler beim Hamburger SV. Bundestrainer Berti Vogts lädt ihn zu einem Lehrgang ein. Mit dem Wechsel nach England zu Derby County in die Premier League erfüllt sich der kampfstarke Abwehrspieler einen Jugendtraum. Schließlich erhört der Linksfuß den Ruf des VfL Wolfsburg und gibt als Kapitän in der Arbeiterstadt den Ton an. Die Karriere klingt bei Holstein Kiel und Germania Schnelsen aus. Seine Stimme ist auf der Fußball-Bühne weiter hoch im Kurs. Meinungsstark äußert er sich zur aktuellen Lage beim HSV, spricht als TV-Experte über die Zweite Bundesliga und die Champions League, ehe er als Sportdirektor beim VfB Lübeck anheuert. In der Biografie erzählt er seine Geschichte von der Pike auf.
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Seitenzahl: 245
Veröffentlichungsjahr: 2021
Stefan SchnoorMit Jörg Lühn
Nur Spatzen tragen Gamaschen
Bequem geht im Fußball anders
Copyright: © 2021 Stefan Schnoor, Jörg Lühn
Lektorat: Erik Kinting – www.buchlektorat.net
Umschlag & Satz: Erik Kinting
Titelbild: Jörg Lühn
Fotos: Agentur Holsteinoffice, Claus Bergmann, DC-Press, Klaus Kater, Jörg Lühn, Patrick Nawe, Eberhard Ziemke
Verlag und Druck:
tredition GmbH
Halenreie 40-44
22359 Hamburg
978-3-347-30117-7 (Paperback)
978-3-347-30118-4 (Hardcover)
978-3-347-30119-1 (e-Book)
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Stefan Schnoor, geboren 1971 in Neumünster, wechselt 1998 noch als A-Jugendlicher aus seiner Geburtsstadt in die Hansestadt Hamburg. Dort spielt er zehn Jahre für den Hamburger SV. Nach anstrengenden Kämpfen um den Klassenerhalt ist die Qualifikation für den UEFA-Cup 1996 der größte Erfolg mit dem Traditionsverein. Nach 131 Bundesligaspielen für den HSV spielt Schnoor 60 Mal in der Premier League für Derby County in England. Nach der Rückkehr kommen noch 146 Partien für den VfL Wolfsburg hinzu, für den er als mutiger Kapitän durch manches Stahlbad geht. Eine mögliche Länderspielkarriere scheitert früh am damaligen Bundesligatrainer Berti Vogts. Nach seiner sportlichen Laufbahn macht sich Schnoori zunächst als TV-Experte einen Namen und tritt später beim VfB Lübeck eine Stelle als Sportdirektor an. Heute arbeitet Schnoor freiberuflich.
Jörg Lühn, geboren 1963 in Neumünster, ist freier Sportjournalist, schreibt für einige Tageszeitungen und Magazine über Fußball, Handball und andere Sportarten. Er war selbst aktiver Handballer und lizenzierter Trainer. Das Geschehen um Stefan Schnoor verfolgt er bereits seit vielen Jahren mit großer Akribie. Der Inhaber der Agentur Holsteinoffice ist außerdem als Fotograf im Einsatz. Seine Text- und Fotoarbeiten sind bereits mehrfach ausgezeichnet worden.
Kontakt per E-Mail: [email protected]
Inhalt
Anmerkungen in eigener Sache
Vorwort von Thomas Helmer
Gänsehautmomente einer Karriere
Zwischen den Hochhäusern
A-Junioren und Amateure
Wir sind nicht verwandt
Ich werde Profi
Anruf von Berti Vogts
Prophet im eigenen Land
Abenteuer Premier League
Kapitän in der Arbeiterstadt
Noch zu früh für die Rente
Feierabendfußball in Schnelsen
Meine Vereinstrainer
Sport- und Berateragentur
Fantalk XXL/TV-Experte
Sportdirektor in einer Hansestadt
Um kein Wort verlegen
Stefan-Schnoor-Arena
Golf und GOFUS
Namen sind Nachrichten (alphabetisch sortiert)
Zahlen der Laufbahn
Anmerkungen in eigener Sache
Plötzlich rückt mein 50. Geburtstag immer näher. Diese große Party muss anno 2021 aufgrund der weltweiten Corona-Pandemie aber wohl erst mal ausfallen. Viele Wünsche habe ich mir in meinem Leben erfüllen können beziehungsweise sind mir erfüllt worden. »Schnoori, warum schreibst du nicht einmal ein Buch?«, meinen nun einige. »Das passt doch zu dir. Du bist kein Leisetreter, traust dich, die Wahrheiten auszusprechen, und hältst mit deiner Meinung nicht hinterm Berg.« Tja, nach anfänglichem Zögern fand ich immer größeren Gefallen an der Idee. Aber wo anfangen und vor allem: wie aufhören? Die Erlebnisse sind so vielfältig! Für mich stehen nicht nur die Ergebnisse, sondern auch Emotionen im Vordergrund, denn das macht doch den Fußball aus! Deshalb kommen die Fans in die Stadien, wenn sie es endlich wieder dürfen. Die Schönfärberei von manchem Trainer und Manager gehört ganz sicher ebenso wenig dazu wie die glattgebügelten Interviews der vom Klub aufgebauten Medienabteilungen. Wenn es gut war, muss man ausgelassen feiern dürfen, wenn es nicht rund gelaufen ist, müssen diese Dinge klar beim Namen genannt werden.
Für das Schreiben und die Recherche der wichtigsten Dinge meiner langen Laufbahn habe ich den Journalisten Jörg Lühn gewinnen können, einen Sportreporter aus meiner Geburtsstadt Neumünster. Wir kennen uns bereits eine halbe Ewigkeit. In Kindheitstagen sind wir hinter den Hochhäusern gemeinsam fast täglich dem Ball hinterhergelaufen, da war es nur logisch, dass wir uns den Spielen zwischen den Hochhäusern in einem längeren Kapitel widmen. Selbst nach Beginn meiner Profilaufbahn ist der Kontakt nie abgerissen. Nach unseren zum Teil sehr langen und häufigen Telefonaten hat er dann alle möglichen Archive durchforstet, mit vielen meiner Weggefährten persönlich gesprochen und die Details sehr zu meiner Zufriedenheit niedergeschrieben.
Der Fußball spielt seit meinem fünften Lebensjahr eine sehr große Rolle für mich. Wir erzählen in diesem Buch autobiografisch meine Geschichte von der Pike auf. – Ich möchte fast sagen: Von der ersten Trainingsstunde an. Ich habe wirklich viel erleben dürfen. Jetzt werde ich demütig, aber das soll auch so sein.
Ich bin jedem meiner Trainer dankbar. Diese Männer haben mich nicht nur auf dem Fußballplatz ausgebildet, sondern mich als Mensch geprägt und sportlich immer weiter entwickelt, dabei bin ich bestimmt nicht immer einfach gewesen. Aber mit viel Fleiß, Ehrgeiz und dem notwendigen Willen bei bescheidenen technischen Möglichkeiten erreichte ich mein Optimum.
Ein wirkliches Extralob muss ich meinen Jugend- und Auswahltrainern aussprechen. Die Herren haben ihre Freizeit neben dem Beruf geopfert und sind nicht mit einer Tasche voller Geld nach Hause gegangen. Sie haben die ideellen Werte unseres Sports gelebt und oft noch Geld mitgebracht. Das ist im bezahlten Fußball natürlich nicht mehr der Fall. Hier lernte ich, was es bedeutet, die Ziele noch konsequenter zu verfolgen und wirklich wie ein Profi zu leben. Und wenn wir einmal alle Fünfe haben gerade sein lassen, war am Tag danach immer oberste Maxime: Gas geben. Der Trainer darf nichts merken.
Insgesamt haben mir die Fußballlehrer sehr geholfen. Ich darf sagen: Zu meiner Zeit wurde Fußball noch gelehrt, sowohl auf dem Rasen wie auch an der Taktiktafel. Und eines haben wir immer – wie auch die Trainer – gehasst: als Verlierer vom Feld zu gehen. Das bedeutete Zusatzschichten im Training, manchmal kein freies Wochenende. Deshalb war mein Ziel stets, vermeintlich übermächtigen Gegnern den Spaß am Spiel zu nehmen. – Dann hast du in jedem Spiel eine Chance.
Spiele gegen den FC Bayern München im Olympiastadion sind mir mit die liebsten gewesen. Da hatte ich nichts zu verlieren. Was soll das, den Mannschaftsbus vor dem Tor zu parken, also wie beim Catenaccio extrem defensiv spielen? Natürlich bin ich während meines Aufenthaltes auf der Britischen Insel ebenso gern im Old Trafford von Manchester United aufgelaufen wie an der Anfield Road in Liverpool. Der Fußball in England passt einfach perfekt zu meiner Spielweise. Selbst die neue Arena in Wolfsburg hatte das gewisse Etwas. – Und allen Kritikern darf ich sagen: Der VfL ist kein Retortenverein. Am Mittellandkanal bin ich als Kapitän vorangegangen. Wir haben schwierige Zeiten mit tragischen Ereignissen durchlebt, doch ist es mir gelungen, immer ehrlich meine Meinung zu vertreten. Es geht immer vorrangig um die Sache und um den Verein.
Ob ich wegen meiner 277 Bundesligaspiele oder 60 Premier-League-Partien ein Star bin, müssen andere beurteilen. Ich fühle mich als ein ganz normaler Mensch. Ich habe immer versucht, mit einer profihaften Einstellung vorweg zu gehen, für den Sport zu leben und auf dem Spielfeld alles zu geben. Eventuell wären bei etwas mehr Diplomatie 100 Einsätze mehr möglich gewesen. Natürlich danke ich meinen Eltern. Beide haben mir den Weg aufgezeigt, den ich schließlich gegangen bin. Dass mein Vater und meine Mutter mich dafür zu vielen Jugendturnieren und Spielen begleitet haben, erfüllt mich mit Stolz und großer Freude.
Jetzt seid ihr, liebe Leser, an der Reihe. Nehmt Platz auf meiner Reise durch das schöne norddeutsche Fußballland und auf den Ausflug nach Großbritannien. Ob ich noch einmal auf die Fußballbühne zurückkehre, kann ich aktuell nicht sagen.
Euer Stefan Schnoor
»Du hast dich nie verbiegen lassen«
Ein Vorwort von Thomas Helmer
Es ist doch erstaunlich, wie lange wir uns schon kennen. Gerade als ich diese Zeilen verfasse, stoße ich auf ein Ereignis, das für dich der Startschuss zu deiner Karriere in der Fußball-Bundesliga war. Wir spielten mit Borussia Dortmund im Hamburger Volksparkstadion. Es war der 29. Spieltag der Saison 1991/1992. Wir reisten als Tabellenführer an und hatten zwei Punkte Vorsprung vor Eintracht Frankfurt. Dem Bundesligagründungsmitglied HSV stand an der Elbe wieder einmal das Wasser bis zum Hals. In der 1. Liga spielten nach der Aufstockung aufgrund der Zusammenführung mit den neuen Bundesländern 20 Mannschaften. Vier mussten die Klasse verlassen.
Seit ein paar Tagen stand Egon Coordes, der Gerd-Volker Schock ablöste, als euer neuer Trainer auf der Kommandobrücke. Unser Coach Ottmar Hitzfeldt warnte noch vor möglichen Nachlässigkeiten. Wir sollten die Aufgabe keinesfalls auf die leichte Schulter nehmen. Dietmar Beiersdorfer verletzte sich früh nach einem Zweikampf mit Flemming Povlsen, aber biss noch ein bisschen auf die Zähne. Wir gingen durch Stéphane Chapuisat mit 1: 0 in Führung, dann wurdest du eingewechselt und warst indirekt an der Vorbereitung zum 1: 1-Ausgleichstreffer von Jan Furtok beteiligt. – Ein couragierter Auftritt für einen 20-jährigen Hamburger. In Hamburg war es zu der damaligen Zeit keine Selbstverständlichkeit, Spieler aus der eigenen Amateurmannschaft ins Profiteam hochzuziehen. Irgendwie herrschte in Hamburg lange ein Vakuum zwischen den Amateuren und den Profis.
Am Saisonende waren wir punktgleich mit dem VfB Stuttgart und wurden lediglich Zweiter. Nein, Stefan, du bist nicht schuld, dass wir am Ende nicht deutscher Meister wurden. Das hatten wir in den Spielen danach selbst zu verantworten. Ihr habt noch Platz zwölf belegt und seid der Liga erhalten geblieben.
Nach meinem Wechsel zum FC Bayern München standen wir uns noch einige Male auf dem Feld gegenüber, waren allerdings nie direkte Gegenspieler. Nicht einmal bei den Standards. Im Nachhinein erinnere ich mich daran, dass ich gegen den HSV immer sehr gern gespielt und mit elf Treffern die meisten meiner 41 Bundesligatore erzielt habe.
In den Jahren nach der Karriere lernten wir uns immer besser kennen. Du berichtetest mir ausführlich, wie du eigentlich Bundesligaspieler geworden bist. Du kommst aus einer Stadt, in der Fußball nicht die erste Geige spielt, aber hast es von der Pike herauf bis ins deutsche Fußball-Oberhaus geschafft, obwohl dir einige Leute gesagt haben Du schaffst es nicht. Es ging dir dabei immer um den maximalen Erfolg für deine Mannschaften.
Dabei haben wir noch eine weitere Gemeinsamkeit: Wir hatten beide das große Glück, dass wir mit dem linken Fuß deutlich stärker waren als mit rechts. Deswegen konntest du wie selbstverständliche gleich mehrere Positionen vom Libero über den Manndecker bis zum Außenverteidiger einnehmen. Schön war außerdem zu beobachten, dass du genau wusstest, was du kannst, und dich dabei nie überschätzt hast. Du hast im Spiel immer ein gutes Gefühl bewiesen, gabst deinen Mitspielern die notwendigen Kommandos und überzeugtest deine Trainer und Mitspieler mit deinem Verhalten sowohl auf als auch neben dem Platz.
Zu deiner Bundesligastation beim HSV kam schließlich noch das Abenteuer bei Derby County in England und die sehr erfolgreiche Rückkehr in die 1. Liga mit dem Engagement beim VfL Wolfsburg. Dort hast du dich wieder als Stammkraft etablieren können und bist sogar zum Kapitän der Wölfe aufgestiegen.
Das war zu unserer Zeit nicht so selbstverständlich, dass man einfach die Binde bekam. Das war eine besondere Wertschätzung. Du hast dich immer voll rein gehauen und bist dir auf dem Feld für nichts zu schade gewesen. Allerdings gehört zu deinen starken Charaktereigenschaften, dass du natürlich auch mal angeeckt bis. Du hast dich jedoch nie verbiegen lassen. Das bekommen die Zuschauer, die Fans, die Mannschaft, der Verein mit.
Mir hat es immer imponiert, dass du dir nie etwas hast gefallen lassen. Besonders wichtig ist, dass du damals wie heute immer aufrichtig bist. Jeder weiß bei dir, woran er ist. Wenn ich dich heute anrufe, schlägst du mir meine Bitte nicht ab. Du bist für mich ebenso da, wie ich für dich. Das zeichnet eine Männerfreundschaft aus. Wir sind auf vielen Veranstaltungen gemeinschaftlich aufgetreten. Toll war natürlich die Zeit beim Fan-Talk, den zum Teil unvergessenen TV-Auftritten. Wir haben sowohl vor als auch hinter der Kamera viel Spaß gehabt.
Deshalb freue ich mich jetzt, deinen Lebensweg noch einmal in aller Ausführlichkeit nachlesen zu können.
Dein Thomas Helmer
Thomas Helmer ist ein ehemaliger deutscher Fußballprofi, der mit dem Sieg bei der Europameisterschaft 1996 im Trikot der Nationalmannschaft seinen größten internationalen Erfolg feierte. Aktuell arbeitet er als Moderator und Sportjournalist für den deutschen Privatsender Sport 1.
Gänsehautmomente einer Karriere
Zu Beginn dieses Buches brauchen wir einen Opener. Momente, die den Leser einfangen, sagt mein Schreiber Jörg Lühn. Das animiert zum Lesen, denn dann wissen alle, was sie erwartet: detailreiche Episoden mit ganz viel Hintergrund. Wir müssen den Leser von der ersten Minute an packen und durch die Wucht unserer Erzählungen in den Sessel drücken. Na dann …
Ein Opener könnte sein, eine Analyse der aktuellen Situation rund um die Fußball-Bundesliga, zum Beispiel eine Spieltaganalyse, oder die deutsche Fußball-Nationalmannschaft vorzunehmen. Etwas Neues können wir dabei aber nicht entdecken. Jogi Löw hätte spätestens nach der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 zurücktreten sollen, das habe ich oft genug gesagt. Die Manager in der Bundesliga müssen sich seit Jahren fragen lassen, warum ihre Kader 30 und mehr Spieler aufweisen, obwohl sie doch in keinem internationalen Wettbewerb stehen. Insgesamt sind zu viele Unwägbarkeiten im Spiel. Wir können heute nicht vorhersagen, ob der FC Bayern München zum neunten Mal in Folge deutscher Meister wird. Wir wissen nicht einmal, wie es sich bei der bereits einmal verschobenen Fußball-Europameisterschaft verhält. Sind die Spiele überhaupt möglich? Deshalb ist es natürlich schwer, einzelne Bausteine in den Konstruktionen konkret zu beurteilen.
Wir entscheiden uns stattdessen für ein Highlight-Paket aus meiner Karriere und schnüren Momente mit Gänsehaut zu einem Erlebnis zusammen wie in einem Sport-Rückblick. Spontan sind mir dazu die folgenden Spiele in den Sinn gekommen:
20. März 1992: Hamburger SV– Borussia Dortmund 1: 1
Die Bundesliga biegt auf die Zielgerade ein. Der 29. Spieltag ist für Freitag, 20. März 1992 angesetzt. Ich bin noch 20 Jahre alt und in der Spielzeit 1991/1992 inzwischen über drei Jahre beim Hamburger SV. Egon Coordes ist seit acht Tagen Trainer und damit Nachfolger von Gerd-Volker Schock.
Der HSV ist Tabellen-15. und hat nur noch zwei Punkte Vorsprung vor dem ersten Abstiegsplatz. Hamburg versinkt an diesem Tag im Dauerregen. Im Fußballjargon nennen wir das Fritz-Walter-Wetter, weil es beim WM-Erfolg 1954 in Bern (Schweiz) ebenso unaufhörlich schüttete. Das Flutlichtspiel gegen den Tabellenführer Borussia Dortmund lockt nur 31.500 Zuschauer in das Volksparkstadion. Erstmals bin ich für den 16er-Kader der Profis nominiert. Alles einmal in Ruhe anschauen, Abläufe kennenlernen, das ist meine Devise.
Ganz früh im Spiel verletzt sich unser Kapitän Dietmar Beiersdorfer, ein Manndecker. Trainer Egon Coordes schickt mich zum Aufwärmen los. Noch vor einem möglichen Wechsel erzielen die Dortmunder das erste Tor. Stéphane Chapuisat behauptet sich gegen Libero Frank Rohde und trifft gegen Torhüter Nils Bahr zum 1: 0 für den BVB. Trainer Egon Coordes bringt mich für Dietmar Beiersdorfer. Einer meiner ersten Ballkontakte bringt die Kugel zu Herbert Waas, der schließlich von links flach in die Mitte flankt, wo Jan Furtok aus zwölf Metern zum 1: 1 ausgleicht. Das ist auch der Endstand.
Im Anschluss stehe ich erstmals vor der Westkurve und darf mit den Fans feiern. Vor einigen Jahren blickte ich selbst noch von oben aus dem Block E auf die rote Tartanbahn herunter. Ein Schauer läuft über meinen Rücken. Später, wieder zu Hause, komme ich kaum in den Schlaf. Mit dem ersten Bundesligaspiel erfüllte sich ein Jugendtraum.
3. September 1994: Hamburger SV– Karlsruher SC 3: 1
Über zwei Jahre später in der Saison 1994/1995 gehöre ich längst fest zum Profikader des Hamburger SV. Neben Richard Golz und Carsten Kober zähle ich als 23-Jähriger inzwischen zu den dienstältesten Spielern beim HSV. Endlich bekomme ich regelmäßig das Vertrauen von Trainer Benno Möhlmann. Achtunddreißigmal habe ich bis zum 3. September 1994 schon in der Ersten Bundesliga gespielt. Im Auswärtsspiel beim 1. FC Saarbrücken am 20. November 1992 erziele ich mein erstes Profitor für den HSV. Nur im Hamburger Volksparkstadion leuchtet mein Name noch nicht als Torschütze auf der Anzeigetafel.
Heute, am 3. September 1994 läuft der Karlsruher SC in Hamburg auf. Die von Winfried Schäfer trainierte Mannschaft ist mit 5: 1 Punkten in der noch jungen Saison ungeschlagen und sogar Tabel-lenzweiter. Mit dem KSC hatte ich im DFB-Pokalspiel noch zu Amateurzeiten einen ersten Berührungspunkt. Wir unterlagen damals 0: 1. Jetzt führen die Gäste nach einem Tor von Thorsten Fink wieder 1: 0.
Eine knappe Viertelstunde nach der Pause ist es mein Treffer, der uns den Ausgleich bringt. Über Yordan Lechkov und Jörg Bach landet der Ball an der Strafraumkante bei mir und ich dresche das Spielgerät Claus Reitmaier in die Maschen. HSV-Stadionsprecher Carlo von Tiedemann schreit meinen Namen ins Mikrofon. Das bekomme ich in dem Moment, als mich meine Mannschaftskameraden vor Freude fast erdrücken, gar nicht mit. Es ist einfach nur geil: Endlich das erste Heimtor – und dann noch direkt vor der Westkurve, wo unsere treuesten Fans stehen.
Jörg Albertz und Yordan Lechkov legen die Tore zwei und drei nach, sodass wir als 3: 1-Sieger vom Feld gehen.
Am Abend schaue ich mir mein Werk noch einmal im Aktuellen Sportstudio des ZDF an. Nach einem zuvor erfolgten Anruf von Bundestrainer Berti Vogts bekomme ich zehn Tage später eine Einladung zu einem Sichtungslehrgang bei der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Es kribbelt.
18. Mai 1996: Eintracht Frankfurt – Hamburger SV 1: 4
Nur eine Spielzeit später schwingt bei uns Trainer Felix Magath das Zepter. Wir können tatsächlich noch einen Platz im UEFA-Pokal erreichen.
Am 18. Mai geht der Schlussspieltag der Saison 1995/1996 über die Bühne. Die Ausgangslage ist schnell erzählt: Wir sind Tabellensiebter und brauchen bei Eintracht Frankfurt einen Auswärtssieg mit drei Toren Unterschied, um noch an Hansa Rostock (Rang 5) und dem Karlsruher SC (Platz 6) vorbeizuziehen. Allerdings dürfen die beiden vor uns platzierten Klubs keinesfalls ihre Spiele gewinnen. Die Frankfurter sind Tabellen-17. und bereits nicht mehr zu retten. Eigentlich unglaublich, weil die von Dragoslav Stepanović trainierten Hessen Topleute wie Torhüter Andreas Köpke, Jay-Jay Ochocha, Jan Furtok und Thomas Doll in ihrem Kader haben. – Schon nach der 1992 verpassten Meisterschaft mit den Frankfurtern sagte Stepi: »Lebbe geht weida.«
Wir erledigen unsere Hausaufgaben erst in der Schlussviertelstunde, nachdem Frankfurts Kakhaber Tskhadadze vom Platz gestellt wird. Karsten Bäron (8., 77.) trifft zweimal. Hasan Salihamidzic lässt seine ersten beiden Saisontore (78., 87.) ebenfalls per Doppelpack folgen, sodass für den HSV ein 4: 1-Sieg auf der Anzeigetafel leuchtet.
Mit Ausnahme einer Kölner Führung in Rostock, die zwischendrin angezeigt wird, ist der Kontakt zur Außenwelt bis weit nach dem Schlusspfiff abgerissen. Sind wir international dabei oder nicht? In diesen endlosen Minuten sind die Nerven zum Zerreißen gespannt, das Hoffen und Bangen ist schlimmer als das Spiel zuvor. Bis 17.30 Uhr werden immer noch keine Endstände angezeigt. Erst per Funktelefon bekommen Trainer Felix Magath und Bernd Wehmeyer Klarheit: Rostock verliert 0: 1 gegen den 1. FC Köln, der KSC unterliegt im badischen Derby beim VfB Stuttgart 1: 3.
Bei uns und den 6000 mitgereisten HSV-Fans brechen in der Gästekurve des Waldstadions alle Dämme der Freude; Manager Bernd Wehmeyer wird zum Getränkewart umfunktioniert. Erstmals seit Sommer 1991 dürfen sich die HSV-Fans und wir wieder über eine Teilnahme an einem internationalen Fußballwettbewerb freuen. In den Katakomben versuchen wir Uwe Seeler – vergeblich – mit ins Entmüdungsbecken zu zerren. Dazu singen wir: »Harry, rück die Kohle raus!« Gemeint ist Präsidiumsmitglied Harry Bähre, der uns nun eine Extraprämie überweisen muss. Die Feier führt uns nach der Rückkehr aus Frankfurt bis in den frühen Morgen durch die Hamburger Kneipenwelt. Oh, wie ist das schön! Tränen der Trauer fließen neben Frankfurt noch beim 1. FC Kaiserslautern. Zwei weitere Bundesliga-Gründungsmitglieder steigen ab. Nur der. 1. FC Köln und der HSV haben bislang immer die Klasse gehalten.
15. August 1998: Blackburn Rovers – Derby County 0: 0 Jetzt bin ich tatsächlich auf den Britischen Inseln, genauer in England, gelandet. Der Wechsel vom Hamburger SV zu Derby County läutet eine ganz besondere Phase meiner Karriere ein. Einmal mehr beweise ich, dass viel mehr in mir steckt, als die allermeisten mir viele Jahre lang zutrauten. Ich spiele in der englischen Premier-League, der reichsten Liga der Welt. Manchester United überweist im Vorfeld 31 Millionen Mark Ablöse an PSV Eindhoven für Jaap Stam, einen niederländischen Abwehrspieler. Dagegen bin ich als ablösefreier defensiver Linksfuß ein Schnäppchen für Derby-Manager Jim Smith. – Mr. Smith informiert mich früh, dass ich am Sonnabend, 15. August 1998 in seiner Startelf stehen werde.
Kurz vor 15 Uhr geht die Kabinentür auf und ich betrete mit meinen Mitspielern den Rasen im Ewood-Park, dem Stadion der Blackborn Rovers. Trainer des Vorjahressechsten ist Roy Hodgson, Stars im Team sind Chris Sutton, Tim Sherwood und mein früherer HSV-Teamkollege Stéphane Henchoz. Der Himmel ist leicht bedeckt, aber entgegen aller Vorhersagen regnet es während des Spiels nicht. Ich bin begeistert vom Empfang der englischen Fans.
Kein Gästespieler wird ausgepfiffen oder gar beschimpft, auch ich als Deutscher nicht, obwohl die deutsche Nationalmannschaft vor zwei Jahren im Mutterland des Fußballs bei der Europameisterschaft den Pokal holte.
Die Rovers machen über die gesamte Spielzeit richtig viel Druck. Unsere Abwehr, in der ich mit Jacob Laursen als Manndecker agiere, hält die Null. Bedanken müssen wir uns noch bei Torhüter Russel Hoult, der mit seinen Paraden mehrmals einen Gegentreffer verhindert. Mit dem Punktgewinn ist der Start gelungen.
Erstmals erlebe ich jedoch über die TV-Nachrichten einen der schrecklichsten Momente auf den Britischen Inseln: Während unser Spiel läuft, belastet ein schwerer Bombenangriff in Nordirland den Friedensprozess. Um 15.10 Uhr Ortszeit detoniert in Omagh, westlich von Belfast, eine Autobombe und bringt viel Leid über die Menschen dort. Es ist einer der schwersten Anschläge seit 30 Jahren. Das lässt nicht nur das Blut in meinen Adern gefrieren. Fußball interessiert in dem Augenblick niemanden.
13. Mai 2006: VfL Wolfsburg – 1. FC Kaiserslautern 2: 2 Seit sechs Jahren bin ich wieder zurück in Deutschland. Die Zeit beim VfL in Wolfsburg ist ziemlich aufregend. Klaus Augenthaler ist seit Ende 2005 unser Trainer, bevorzugt ganz lange die Formation seines Vorgängers. Trotz unserer Motorisierung von Volkswagen stecken wir im Abstiegskampf fest – einem Stau auf Platz 15. Der Vorsprung auf den auf Rang 16 platzierten 1. FC Kaiserslautern beträgt nur ein winzigen Punkt. Jene Lauterer sind nun in unserer Arena gefragt und müssen das Spiel gewinnen, um nicht abzusteigen.
Trainer Klaus Augenthaler ist vor dem Spiel allerdings die Ruhe selbst. Er zwingt uns nicht in ein Trainingslager. Wir sollen uns so normal wie möglich auf das Endspiel vorbereiten. In meinem 277. Bundesligaspiel führe ich die Wölfe zum 57. Mal als Kapitän aufs Feld. Mit diesem Einsatz verlängert sich mein Vertrag automatisch um ein Jahr, allerdings nur für die Bundesliga. Ich bin noch nie als Profi abgestiegen, und das soll auch so bleiben.
Die Gäste aus der Pfalz legen durch Halil Altintop das 1: 0 (20.) vor. Er setzt sich gegen mich durch und ist nach einem Doppelpass mit Danil Halfar frei vor unserem Torhüter Simon Jentzsch. Mich packt die Jetzt-erst-recht-Wut: Ich setze mit einem rustikalen Foul ein Zeichen und bekomme die Gelbe Karte. In diesem Moment wäre Kaiserslautern gerettet.
Wir brauchen in einem nervösen Spiel quälend lange weitere 45 Minuten zum Ausgleich durch Cédric Makiadi (66.). Diego Klimowicz schiebt mit einem perfekt vorgetragenen Konter nur drei Minuten später das 2: 1 hinterher. Im Anschluss stehen wir wie die PS-starken Kraftfahrzeuge unseres Fuhrparks vor dem eigenen Strafraum, soll heißen, wir verrammeln unser Tor, verstärken wir die Defensive. Kaiserslautern schlängelt sich zwar noch zum 2: 2 (86.), aber vergebens. Der Abpfiff von Schiedsrichter Wolfgang Stark kommt einem Moment der Erlösung gleich. – Der VfL Wolfsburg bleibt in der Ersten Bundesliga.
Ich fühle nur noch Leere in mir. Nach der Partie lassen sich einige Kameraden von den Fans feiern, die in diesem Spiel nicht ganz so viel zum Klassenerhalt beigetragen und uns diese finale Partie um den Klassenerhalt eingebrockt haben. Die eigentlichen Retter Maik Franz, Marian Hristov, Peter van der Heyden, Tom van der Leegte, Rick Hoogendorp, Cédric Makiadi, Mike Hanke und ich sitzen abseits auf dem Trainingsplatz und trinken gemütlich das eine oder andere Bier. Während wir Spieler den Bierschaum vom Mund abwischen, schäumen die Vorstandsmitglieder eher vor Wut. Die Gänsehaut kommt erst jetzt, Jahre später, wenn ich an diese Minuten zurückdenke.
Zwischen den Hochhäusern
Meine Kindheit ist, das fühle ich heute noch, aus meiner Sicht richtig toll verlaufen. Überall spürte ich die Geborgenheit, die notwendig ist, um unbeschwert durch die Jugend zu gehen. Ich komme als erstes Kind von Herbert und Silvia Schnoor in Neumünster zur Welt und wachse im Westen der Stadt auf. Meine Geburtsstadt wird von der Schwale, einem kleinen Fluss mit einigen Schlingen und Verästelungen, durchquert und liegt im Herzen von Schleswig-Holstein. Meine Eltern und ich leben zunächst in der Böckler-Siedlung, in der Legienstraße 4. Deshalb beginnen meine Erzählungen weit vor meiner Geburt, sind mir in der Geschichte zu Neumünster wichtig.
Der Stadtteil Böckler-Siedlung ist aufgrund der sozialen Wohnraumförderung zum Anfang der 1950er-Jahre entstanden. Hans Böckler initiierte 1949 das erste und größte systematische Wohnungsbauprojekt Westdeutschlands von 10.000 Flüchtlingswohnungen in Schleswig-Holstein. Alle Einheiten werden vom europäischen Wiederaufbau-Programm unter dem bekannten Stichwort Marshallplan finanziert. Das nördlichste Bundesland ist durch die Flüchtlingszahl und einer besonders hohen Arbeitslosigkeit stark von der Wohnraumnot betroffen. Weil sich Hans Böckler zusammen mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) um die Fördermittel für die Bauten bemühte und bei der organisatorischen Verteilung half, trägt der Stadtteil seinen Namen. Außerdem ist der erste Vorsitzende des DGB am 5. März 1950 selbst bei der Grundsteinlegung in Neumünster mit dabei. Mit diesem bedeutenden Wirtschaftsförderungsprogramm der USA kommt der Wiederaufbau einiger Staaten Europas nach dem Zweiten Weltkrieg in Schwung. Das Bild der Häuser ist von Anfang an bestimmt von seinen charakteristischen roten Ziegelsteinbauten. Um diese Häuser herum gibt es viele ansehnliche Grünflächen mit Büschen und Bäumen.
Zentraler Ort der Siedlung ist der Kantplatz. Hier gibt es bis heute Geschäfte, Kindergarten und Schule. Logisch, dass ich also mit dem Schwalewasser getauft bin, wie es so schön heißt. Allerdings nicht, wie möglicherweise einige Neumünsteraner denken, in der nahen Bugenhagenkirche in der Böckler-Siedlung. – Meine Taufe fand in der Vicelinkirche, einem Wahrzeichen Neumünsters statt. Genau dort macht die Schwale im Übrigen einen ihrer Bögen. Der Däne Christian Frederik Hansen stand als Architekt für das mit gelben Backsteinen versehene Gebäude Pate. Die silberne Taufschale ist innen vergoldet, sogar dänische Königskinder sollen darin getauft worden sein.
Die Stadt ist wegen der Tuchfabriken, Färbereien, Gerbereien und Braustätten über Jahrzehnte eine Industriestadt, im Zuge des Zweiten Weltkrieges wird Neumünster dann großflächig zerstört. Weil noch dazu viele Flüchtlinge ihre Heimat in den ehemaligen deutschen Ostgebieten verlassen müssen oder aus der sowjetischen Besatzungszone nach Neumünster kommen, brauchen sie händeringend eine Behausung. Sie kommen zu Beginn lediglich in Notunterkünften wie den Nissenhütten am Ehndorfer Platz, in den Jahren danach besser als Exer bekannt, unter. Deshalb erhalten einige Straßen in Anlehnung an diese Gebiete – Breslau, Danzig, Königsberg, Lötzen, Stettin, Sudetenland – ihren Namen.
Für mich ist es nicht weit in den 120 Hektar großen Stadtwald. Immer frische Luft, immer im Grünen. Ich brauche viel Bewegung. In der Siedlung treffe ich meinen ersten Freund: Stefan Meseberg aus der Breslauer Straße. Anfangs teilen wir Schaufel und Eimer im Sandkasten. Im Laufe der Jahre entwickeln Mese – so nennen ihn alle bis heute – und ich die besondere Leidenschaft zum Fußball. Drei Fußballvereine gibt es hier in unmittelbarer Nachbarschaft in der Böckler-Siedlung. Der FC Union ist mit seinem Standort in der Stettiner Straße nur einen Katzensprung von der Legienstraße entfernt, gerade einmal 800 Meter. Er ist der jüngste Verein aus dem Trio. Im Jahr 1920 – damals noch als sogenannter Arbeiterverein in der Gaststätte Wurstglöckle – wird er aus der Taufe gehoben. Schließlich war Fußball zu Zeiten der Weimarer Republik nur etwas für Proleten.
Ein Stück weiter am Forstweg auf der anderen Seite des Stadtwaldes ist der MTSV Olympia beheimatet. Neumünsters ältester Sportverein nimmt später noch eine bedeutende Rolle auf dem Weg zu meiner späteren Profilaufbahn ein. Obwohl bereits 1859 gegründet, sind die Fußballer aus dem 1909 gegründeten SC Olympia hervorgegangen und beginnen 1921 mit dem Spielbetrieb. Elf Jahre zuvor wird der VfR Neumünster am 3. März in der Gaststätte Zur Perle von zwölf fußballbegeisterten Männern gegründet. Unter ihnen ist mit Heinrich Schnoor sogar ein Namensvetter. Wie mein Vater allerdings versichert, gehört er nicht zu unserem Familienstammbaum.
Erst nach der Abspaltung vom Turnverein Gut Heil sowie der Fusion des FV Neumünster mit dem VfR von 1923 entsteht das spätere Fußball-Aushängeschild der Stadt, das als Rasensport Schlagzeilen macht. Acht Jahre spielt der VfR in der höchsten deutschen Spielklasse, der Oberliga Nord, zusammen mit etablierten Klubs wie dem Hamburger SV, Werder Bremen, FC St. Pauli, VfL Osnabrück, Eintracht Braunschweig, Holstein Kiel und Hannover 96. Das ist von 1955 bis 1963, also noch vor der Gründung der späteren Bundesliga. Für diese hatte sich der VfR, anders als 46 andere Vereine aus allen Oberligen Deutschlands (später ziehen die Sportfreunde 05 Saarbrücken und der Wuppertaler SV ihre Bewerbung zurück), allerdings weder beworben, noch später in der Abschlusssaison 1962/1963 mit dem vierten Platz qualifiziert. So werden der HSV, Werder und, trotz Protesten aus dem Norden, Braunschweig als Gründungsmitglieder in die Bundesliga aufgenommen. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat zwar eine Zwölfjahreswertung als Entwicklungsschlüssel installiert, ist aber letztlich in Nuancen davon abgewichen, um die 16 Gründungsmitglieder zu finden. Innerhalb meiner Familie ist eigentlich klar, dass ich nur beim Verein für Rasensport (VfR) das Fußballspielen vereinsmäßig beginnen kann, zumal mein Vater Herbert zwischen 1966 und 1969 selbst dem Kader in der Amateurliga und späteren Landesliga (trotz Umbenennung die höchste Staffel in Schleswig-Holstein) angehört und einige Spiele absolviert.
Bevor wir ausführlich über das Fußballspielen im Verein zu sprechen kommen, müssen wir jedoch noch einen Schritt zurückgehen: Wenn ich den Erzählungen meines Vaters Herbert und meiner Mutter Silvia sowie den Großeltern Oma und Opa Kracht Glauben schenken darf, soll meine Fußballlaufbahn im zarten Alter von zwei Jahren begonnen haben. In der Wohnung von Oma Käte und Opa Johannes in der Wasbeker Straße kicke ich mit meinem Onkel Bernd und meiner Cousine Silke die ersten Bälle hin und her. Heute würde man sagen, wir haben es krachen lassen. Das bollert ordentlich.