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Der THW Kiel benötigte in der Handball-Bundesliga Ende der 1980er-Jahre einen Strategiewechsel. Ihr Obmann, beruflich Beamter beim Militärischen Abschirmdienst, hatte Gespür für eine Geheimaktion und verpflichtete Magnus Wislander. Der 26-jährige Schwede war der wichtigste Transfer der Vereinsgeschichte, riss seine Nebenleute und Zuschauer mit. Das Herz von Skandinavien war für den THW Kiel als Impulsgeber auf dem Weg zum deutschen Nonplusultra maßgebend. 24 Schweden streiften sich bislang das schwarz-weiße Trikot in Kiel über. Jeder war oder ist in der Ostseehalle auf seine Art ein Idol. Die meisten Schweden verließen Kiel erst, als sie schon »alt« waren. Der Ausruf »Alter Schwede« drückt in Norddeutschland Erstaunen, Respekt und Freude über die Situationen und Personen aus. Mit den Protagonisten erhalten Momente von gestern neues Leben. Das Buch trägt zurecht diesen Titel.
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Seitenzahl: 205
Veröffentlichungsjahr: 2023
Jörg Lühn
Alter Schwede
24 Zebrastreifen an der Kiellinie
Copyright: © 2023 Jörg Lühn
Lektorat: Erik Kinting – www.buchlektorat.net
Umschlag & Satz: Erik Kinting
Fotos: Jörg Lühn, Klaus Kater, Mika Volkmann, Jürgen
Pfliegensdörfer, Living sports
Titelbild: Ingo Nicolaisen / Idee: Jörg Lühn
Verlag und Druck:
tredition GmbH
An der Strusbek 10
22926 Ahrensburg
Softcover
978-3-384-04304-7
Hardcover
978-3-384-04305-4
E-Book
978-3-384-04306-1
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Cover
Titelblatt
Urheberrechte
Literatur
Autoren/Buchveröffentlichungen
Vorwort
Prolog
Magnus Wislander
Ideen aus dem Handgelenk
Staffan Olsson
Lange Haare, linke Klebe
Stefan Lövgren
Löwenjagd im Revier
Jonas Ernelind
Unerfüllter Wunsch
Johan Petersson
Drei Zähne weniger
Mattias Andersson
Fahr’n auf der Autobahn
Marcus Ahlm
Komet mit Löwen-Pranken
Martin Boquist
Name macht keinen Krieger
Henrik LundströM
Gitarrist bei Guns n’ Roses
Kim Andersson
Grüner Zaun in Klausdorf
Per Thomas Linders
Pelle zieht aus
Tobias Karlsson
Overnight-Phantom
Andreas Palicka
Lange Leiden
Herdeiro Lucau
Drei verrückte Wochen
Fredrik Larsson
Widerruf
Peter Gentzel
Ultimativer Tellerrand
Robert Arrhenius
Grünes Licht im Advent
Niclas Ekberg
Titelhungrige Tormaschine
Johan Sjöstrand
Geldsegen mit Systemwetten
Lukas Nilsson
Muskeln à la Popeye
Emil Frend Öfors
Hecht im Karpfenteich
Oskar Sunnefeldt
Taxi nach Leipzig
Eric Johansson
Verdammte Mittelhand
Karl Wallinius
Lunte aus Lund
Schweden in der Handball-Bundesliga
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Urheberrechte
Magnus Wislander
Schweden in der Handball-Bundesliga
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Information zu den Statistiken: Alle Zahlen wurden gründlich recherchiert. Um Saisonüberschneidungen zu vermeiden, wurde der 30. Juni 2023 als Stichtag festgesetzt.
Literatur
Aftonbladet (Schweden).
Allehanda (Schweden)
Archiv THW Kiel
Boyens Medien
Handballwoche
Hamburger Abendblatt
Kieler Nachrichten
Kicker Sportmagazin
NDR-Sport
www.handball-world
www.bundesligainfo.de
Zebra-Magazin
Der Spiegel
Süddeutsche Zeitung
Schleswig-Holsteinischer Zeitungsverlag (shz)
Die Welt
Autoren/Buchveröffentlichungen
Erik Eggers: THW Kiel Schwarz und Weiß; THW Kiel Die Zebras;
Erik Eggers: Handball Helden
Manfred Krieg: Agentur für Print- und Onlinemedien, dataphor
JÖRG LÜHN, geboren 1963 in Neumünster, ist Sportjournalist mit dem Fachgebiet Handball. Er war selbst aktiver Handballer, lizenzierter Trainer. Das Geschehen rund um den THW Kiel verfolgt er bereits seit 1993. Bei vielen Handballspielen ist er als Schreiber und/oder Fotograf im Einsatz. Dabei entstand die Idee zu diesem Buch, dessen Konzept der Autor erstellte und nach vielen Gesprächen in die Tat umsetzte. Und weil Journalisten nun einmal Zahlen lieben, gibt es einen umfangreichen Statistikteil.
Vorwort
Von Klaus-Dieter Petersen
Legenden und Identifikation
Liebe Leserinnen und Leser,
ich freue mich sehr darüber, dass Jörg Lühn ein weiteres Buch über den THW Kiel geschrieben hat. Ich kenne ihn, sein großes Engagement und seinen Enthusiasmus für die Zebras aus meiner eigenen Zeit beim THW von 1993 bis heute. Meine Biografie Das Herz muss voller sein als die Hose haben wir zusammen in der Coronazeit verfasst. Mich hat es gefesselt, die Erlebnisse als Vollblut-Handballer und meine Zeit als Spieler der Zebras durch dieses Buch noch einmal erleben zu dürfen. Jörg war damals in der Lage, viele kleine Details herauszuarbeiten, und hat es mir und wahrscheinlich auch vielen anderen möglich gemacht, wieder in die Welt des Handballsports einzutauchen.
In dem Buch Alter Schwede haben alle Leser jetzt wieder die Möglichkeit, eigene Erlebnisse, die erfolgreichen Zeiten oder einfach nur ihre eigenen Geschichten noch mal zu erleben. Gerade die skandinavische Handballtradition trägt ja zu einem großen Teil dazu bei, dass der THW Kiel so erfolgreich ist. Zu meiner Startzeit durfte ich mit einem der wohl besten Handballer aller Zeiten, Magnus Wislander, zusammenspielen. Darüber bin ich sehr stolz und es gab viele wunderbare Geschichten, die ich mit Max erlebt habe. Nach dem Bosman-Urteil kamen ja viele weitere Spieler aus anderen Ländern Europas und sogar darüber hinaus zu uns. Gerade die Spieler aus Schweden haben einen großen Anteil daran, dass der THW Kiel sich mittlerweile deutscher Rekordmeister und deutscher Rekordpokalsieger nennen darf.
Ich persönlich finde es sehr wichtig, dass Traditionen weitergegeben werden, damit sich viele Menschen später daran erinnern können. Ein Buch über viele einzelne der wunderbaren Spieler zu schreiben und zu zeigen, welche Arbeit hinter den Erfolgen der letzten Jahre steht, ist großartig. Viele von uns Lesern werden abends bei einem Glas Wein zu Hause sitzen und das Buch genießen. Wir dürfen zusammen mit dem Buch träumen, und unsere Erinnerungen aus mehr als 30 Jahren werden wieder wach.
Im Traum stellt sich natürlich die Frage: Was ist der THW Kiel und was macht den Handballverein so besonders? Sind es die Spieler, die wie ein Hein Dahlinger, Staffan Olsson oder Thierry Omeyer gespielt haben? Vielleicht sind es Legenden wie der Bundesliga-Obmann Heinz Jacobsen, Linksaußen Uwe Schwenker, der später als Geschäftsführer viele Weichen stellte, oder Kreisläufer Georg Wegner, der dem Verein als Kommanditist bzw. Mitglied im Wirtschaftsausschuss die Treue hielt. Möglicherweise waren es sogar die Trainer: Fritz Westheider, Zvonimir Serdarušić oder Alfred Gislason. Nicht unwahrscheinlich ist es, dass das Trikot, das ja seit 100 Jahren beim Turnverein Hassee-Winterbek schwarz-weiß ist, eine Identifikation geschaffen hat. Ein wichtiges Element ist mit Sicherheit die Ostseehalle, die als alte Flugzeughalle eingeweiht wurde und inzwischen zu einer einzigartigen Handballarena umgebaut ist. Einen Großteil machen jedoch diese unfassbaren Fans aus, die, sobald das Licht in der Halle leuchtet, aus der ganzen Umgebung zusammenströmen und für eine Riesenstimmung bei jedem Heimspiel sorgen. Damit wurde der Begriff THW Kiel zur Tradition.
Streng genommen müssen wir alle Spieler, alle Trainer, alle Fans sowie Zuschauer und das Trikot in einem Paket zusammenfassen. Jetzt heißt es: Schleife öffnen, voller Spannung das Buch genießen und sich von der wundersamen Welt der Zebras einfangen lassen.
Danke Pitti
Prolog
Alter Schwede
Ob der THW Kiel ohne seine Schweden so erfolgreich gewesen wäre, wird von den meisten Fans mehr als bezweifelt. Wahrscheinlich zu Recht. Erst die Abkehr vom osteuropäisch geprägten Handball mit mehrheitlich wurfstarken Spielern hin zu einer langsam zusammenwachsenden neuen Einheit machte den THW Kiel schließlich zu dem, was er heute ist: Champions-League-Sieger, Super-Globe-Sieger EHF-Pokalsieger, deutscher Rekordmeister, deutscher Rekordpokalsieger, deutscher Rekordsupercupsieger.
Magnus Wislander, Stefan Lövgren und Marcus Ahlm sind noch immer bei jedem Heimspiel im Kieler Handballtempel Ostseehalle (losgelöst von einer Namenssponsorenschaft) mit von der Partie. Ihr Konterfei hängt in Überlebensgröße unter der Hallendecke. Die meisten Schweden fühlten sich in Kiel sauwohl. Einige blieben länger, andere suchten nach kurzer Zeit neue Herausforderungen in anderen Klubs. Bis heute haben sich 24 Schweden das Trikot mit den Zebrastreifen, daher der pointierte Name die Zebras übergestreift. Fredrik Larsson allerdings nur für ein Foto. Er trat den Job in Kiel trotz zunächst anders lautender Vereinbarung gar nicht erst an. Dafür gab es allerdings mit Torhüter Mattias Andersson sogar einen Heimkehrer.
Ein Ende dieser fruchtbaren Zusammenarbeit mit den Schweden ist nicht in Sicht. Immer wieder werden in dem Land, das von großen Nadelwäldern und Gletscherbergen geprägt ist, neue Talente entdeckt. Diese lernen auf ihrer Seite der Ostsee das Schwimmen. Im Haifischbecken Bundesliga folgen die ersten Abzeichen, ehe in den internationalen Gewässern wie der Champions League diese schließlich vergoldet werden sollen.
Die Anfänge eines ersten schwedischen Wechsels nach Kiel nahmen während der 12. Handball-Weltmeisterschaft der Männer in der damaligen Tschechoslowakei ihren Lauf. Kiels Bundesliga-Obmann Heinz Jacobsen und sein Trainer Holger Oertel, die Torwart-Legende des THW von 1971 bis 1984, saßen bei einem Länderspiel der Schweden während der WM 1990 zusammen. Holger Oertel war erst knapp zwei Monate Trainer bei den Kielern. Vorgänger Josip Milković musste nach dem 16:20-Debakel gegen den DSC Wanne-Eickel am 10. Dezember 1989 seine Koffer in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt packen.
Dem THW drohte bei 9:13 Punkten ein Rang unter den letzten sechs Mannschaften, die zum ersten (und zum einzigen) Mal in der Geschichte der Handball-Bundesliga in Play-downs die Absteiger ermitteln sollten. Die Gefahr, aus der Bundesliga gespült zu werden, war seit vielen Jahren ein ständiger Begleiter, aber dieses mulmige Gefühl sollte an der Ostsee in Kiel ein für alle Mal umschifft werden.
»Sie sind nicht billig. Aber sie liefern Leistung ab. Mit Schweden machst du keinen Fehler.«
Niederwürzbach-Manager Rudi Hartz nach seinen Erfahrungen mit Staffan Olsson und Stefan Lövgren
Deshalb ging Heinz Jacobsen den radikalen Weg, trennte sich von Josip Milković und engagierte den früheren Publikumsliebling Holger Oertel als Trainer, der seinem Klub bis dahin nur als Co-Trainer zur Verfügung stand. Nachteil: Holger Oertel war hauptberuflich noch als Lehrer am Kieler Hans-Geiger-Gymnasium tätig.
Unter der führenden Hand von Holger Oertel stabilisierten sich die Zebras und galoppierten nicht nur Richtung Tabellenmittelfeld, sondern sogar in die Meisterschafts-Play-offs. Heinz Jacobsen und Holger Oertel waren sich trotzdem relativ früh und schnell einig, dass der THW seine Ausländerposition neu besetzen sollte. Die letzten Jahre hatten jeweils die Polen Marek Panas und Daniel Waszkiewicz das Ruder auf dem Spielfeld für die Kieler in die Hand genommen. Jeder von ihnen besaß eine andere Form der Genialität. Der einstige Krafthandball aus Kiel hatte inzwischen sogar eine Prise Spielwitz bekommen. Aber über zweite Plätze waren die Kieler trotz aller Kraftanstrengungen einfach nicht hinausgekommen.
Anders als heute durfte jeder Verein allerdings nur einen ausländischen Akteur spielen lassen. Und schließlich war Daniel Waszkiewicz bereits 33 Jahre alt. »Wenn wir den Langen kriegen können, wäre das eine super Verstärkung«, sagte Holger Oertel zu Heinz Jacobsen und zeigte auf das TV-Bild mit Magnus Wislander, dem Kapitän der schwedischen Nationalmannschaft, dessen Stern streng genommen schon 1986 hinter den Schweizer Bergen aufging. Damals kehrten die Tre Kronor, wie die Schweden aufgrund ihrer drei Kronen im Landeswappen in Sportkreisen üblicherweise bezeichnet werden, mit dem vierten Platz bei der Weltmeisterschaft in die Weltspitze zurück.
Heinz Jacobsen und Holger Oertel hatten Zeit, andere Ländermannschaften zu beobachten, schließlich war Deutschland nicht für die Weltmeisterschaft der besten 16 Teams qualifiziert. Bundestrainer Horst Bredemeier spielte mit der DHB-Auswahl bei der C-Weltmeisterschaft (O-Ton: »Ein Turnier der Bananenweitwerfer. «) in Finnland um die Rückkehr auf die große Bühne. Vergeblich, wie wir danach wussten. Das Wort vergeblich aber sollte nach und nach aus dem Wortschatz des Kieler Handballs verschwinden. Und diese Alten Schweden hatten und haben daran einen sehr großen Anteil. Weil die meisten Schweden die Landeshauptstadt Kiel in Schleswig-Holstein erst wieder verließen, als sie im Sinne des Sportlerlebens schon alt waren, trägt das Buch diesen Titel. Genau genommen drückt in Norddeutschland der Ausruf, Alter Schwede Erstaunen, Respekt und Freude über die bestimmte Situation aus.
Magnus Wislander
*22. Februar 1964 in Göteborg
Rückraumspieler beim THW Kiel von 1990 bis 2002 / 386 Länderspiele für Schweden mit 1191 Toren / 357 Bundesligaspiele für den THW mit 1332 Toren / 80 Europapokalspiele mit 306 Toren / 35 DHB-Pokalspiele mit 130 Toren / 6 Supercup-Spiele mit 18 Toren / 2 Golden-Globe-Spiele mit 7 Toren/
Besonderheiten:
1990 zum dritten Welt-Handballer der Geschichte gewählt; im Jahr 2000 zum Welt-Jahrhundert-Handballer gewählt / Kapitän in Kiel von 1992 bis 2001 / Ehrenspielführer
Größte Erfolge während der THW-Zeit:
• Weltmeister 1999
• Olympia-Silber 1992, 1996 und 2000
• Europameister 1994, 1998, 2000, 2002
• Champions-League-Finalist 2000
• EHF-Pokalsieger 1998, 2002
• Deutscher Meister 1994, 1995, 1996, 1998, 1999, 2000, 2002
• Deutscher Pokalsieger 1998, 1999, 2000
• Supercup-Sieger 1996 und 1998
Ideen aus dem Handgelenk
Der Bundesliga-Obmann vom THW Kiel, Heinz Jacobsen, beruflich Beamter beim Militärischen Abschirmdienst, nahm in geheimer Mission Kontakt zu Staffan Holmqvist auf. Dieser war Präsident des schwedischen Verbandes und natürlich ganz nahe an Magnus Wislander dran. »Ich kannte Staffan durch die Verbandsarbeit ganz gut«, gestand Heinz Jacobsen. Als die deutschen Handballer 1978 in Dänemark Weltmeister wurden, war Heinz Jacobsen außerdem noch Männerwart beim Deutschen Handballbund (DHB) und reichte dem Goldschmied von Kopenhagen, Bundestrainer Vlado Stenzel, mehr als nur das Eisen. Nach dem Ende beim DHB avancierte er zum Macher an der Kieler Förde.
Dominierende Vereine nach Heinz Jacobsens Amtsübernahme in Kiel waren der VfL Gummersbach, TV Großwallstadt und TuSEM Essen. Diese machten mehrfach die Titel unter sich aus. Der THW kam über die Vizemeisterschaft 1983, 1985 und 1989 nicht hinaus. Dabei hatten der damals sehr junge Trainer Jóhann Ingi Gunnarsson und dessen Denker und Lenker Marek Panas einen anderen Weg als den des Schlagwurfhandballs gewählt.
Es musste also ein Strategiewechsel her. Über einen Spielervermittler fanden die ersten Gespräche mit Magnus Wislander statt. Dem Rückraumspieler von Redbergslids IK lagen Angebote aus Spanien und vom renommierten TV Großwallstadt vor. Zum Glück für den THW war Magnus Wislander schon verheiratet, mit Camilla – ebenfalls einer Handballerin. Außerdem hatte Tochter Therese im Februar 1990 das Licht der Welt erblickt. »Camilla schob einem angedachten Wechsel nach Spanien ein kategorisches Nein vor«, erinnerte sich Heinz Jacobsen. Sollte es in Kiel nicht passen, so würde sie mit der Fähre schnell zu Hause in Göteborg sein.
Großwallstadt wurde offenbar gar nicht diskutiert und so brachte Magnus Wislander, der zuvor noch für die Post in Schweden arbeitete, zwar keine Briefe, aber den Erfolg zum THW Kiel. Die Kieler waren stolz wie Oskar, dass sie den Weltmeister aus Skandinavien, der mit 33 Treffern bester Turnier-Torschütze seiner Mannschaft war, schon 15 Tage nach dem WM-Titel in der Tschechoslowakei überzeugt hatten, auf die andere Seite der Ostsee zu wechseln. Er war der erste Schwede in der Bundesliga. Und seine Frau Camilla dachte gar nicht an eine Rückkehr.
Sie war selbst die erste Schwedin, die mit ihren Handballerinnen vom TuS Holtenau, einem Kieler Amateurverein, von der Kreisliga bis in die höchste Landesklasse in Schleswig-Holstein, die Oberliga, aufstieg.
»Als ich nach Kiel kam, war die Einstellung zwar nicht ganz mit Betriebssport zu vergleichen, aber alles war ein wenig lockerer«, erinnerte sich Magnus Wislander. Von Jahr zu Jahr sei alles professioneller geworden und inzwischen fast einem normalen Arbeitsalltag angepasst. Es dauerte trotzdem noch vier Jahre, ehe die Kieler erstmals die Meisterschale in den Händen hielten.
Magnus Wislander brauchte eine Anlaufphase. Holger Oertel nahm seinen neuen Spielmacher anfangs sogar vom Feld. Die Bundesliga, obwohl bis 1992 nur mit 14 Mannschaften besetzt, war ein hartes (Knäcke-) Brot. 1991 und 1992 scheiterten die Zebras jeweils im Halbfinale der Play-offs. Dafür vergrößerte Tochter Veronica die Familie Wislander.
Die Kieler gingen mit der Gründung der GmbH 1992 und der verbundenen Ausgliederung aus dem Gesamtverein den Weg Richtung Profitum.
Es war eine Reaktion auf das anhaltende Mäzenatentum anderer Bundesligisten, die sich in große finanzielle Abhängigkeiten einzelner Unternehmer begaben.
Jetzt musste ein echter Vollprofi auf die Trainerbank. Keiner, der vormittags noch Unterricht gab. Für Lehrer Holger Oertel, der am 3. Februar 1993 die Mannschaft mit seinem Rücktritt schocktherapieren wollte, kam im Sommer 1993 mit Zvonimir Serdarušić ein neuer Coach. Dem Kroaten, den alle nur Noka nannten, eilte der Ruf voraus, ein harter Hund zu sein. Uwe Schwenker, zuvor langjähriger Linksaußen, wollte nach der Demission von Holger Oertel ohnehin nicht länger als Interimstrainer agieren. Auf der Saisonpressekonferenz im Haus von Hauptsponsor Provinzial ließ Uwe Schwenker wissen, dass der neue Trainer der Otto Rehhagel des Handballs in Kiel werden solle. Zu dieser Zeit war der Bremer Fußballlehrer bereits zwölf Jahre beim SV Werder Bremen.
Was von der Journaille müde belächelt wurde, sollte Noka Serdarušić sogar noch übertreffen. Rehhagel brachte es auf 14 Jahre an der Weser, gewann zwei Meistertitel. Noka Serdarušić kam auf 15 Jahre an der Förde in Kiel und holte imposante elf Meisterschaften.
Gleich bei seiner Ankunft erhöhte der neue Trainer die Anzahl der Trainingseinheiten von fünf auf sieben pro Woche. Das zahlte sich aus. Den Fans war es egal: »Von der Ostsee bis zu Isar – immer wieder THW«, hallte es durch das Ostseehallenoval. Nach 31 Jahren standen die Kieler Handballer 1994 wieder auf dem nationalen Thron. Zugleich ging Heinz Jacobsens Traum, wenigstens einmal die deutsche Meisterschale in den Händen zu halten, in Erfüllung. Danach gab der Größte Manager aller Zeiten (Abkürzung: GröMaZ), wie er manchmal genannt wurde, seinen Job in Kiel auf, um DHB-Präsident zu werden. Das gelang allerdings nicht. Heinz Jacobsen verlor die sicher geglaubte Wahl mit drei Stimmen gegen seinen Konkurrenten Bernd Steinhauser.
Nachfolger Uwe Schwenker baute in den folgenden Jahren eine immer stärkere Mannschaft auf. Dazu hatte er schließlich den erfolgshungrigen, aber autoritär agierenden Trainer Noka Serdarušić engagiert.
Magnus Wislander beim Siebenmeter.
Magnus Wislander gelang es immer besser, sein Spiel zu entwickeln. Mit gefühlvoller Leichtigkeit in den Bewegungen, dafür ohne harten Wurf ausgestattet, hatte er immer wieder eine neue Idee in seinem butterweichen Handgelenk. Er war der verlängerte Arm des Trainers auf dem Spielfeld und natürlich längst als Kapitän der Anführer der Zebraherde. Allein schon wegen seines Handballverstandes und der vermutlich angeborenen Schlitzohrigkeit.
Natürlich kam bei der ersten Meisterfeier das kleine Kind in ihm und seinem Zimmergenossen Klaus-Dieter Petersen hoch. Die Spieler, die im schwarzen Anzug der Blues Brothers, den Protagonisten einer US-amerikanischen Filmkomödie auftraten, ließen ihren Trainer leiden. Vor den Augen von Ministerpräsidentin Heide Simonis wurde Noka Serdarušić mit Sekt übergossen. Klaus-Dieter Petersen und Magnus Wislander ruinierten den Anzug des Trainers und sorgten bei ihm für ganz schlechte Laune. Der Coach verließ wütend den Empfang und lehnte sogar lange eine Entschuldigung ab.
Der Weg zum Titelhattrick 1996 hing an einem Mittelhandknochen – dem der Wurfhand Magnus Wislanders. »Das war meine schwerste Verletzung«, erinnerte er sich. Im Februar zog sich der Schwede einen Spiralbruch in der rechten Wurfhand zu. Eine Operation war nicht zu vermeiden. Der THW schien vom Titelkurs abzukommen, war in der Champions League ausgeschieden. Dann das Comeback: Sechs Spieltage vor Saisonende lag der THW gegen die SG Wallau-Massenheim 14:17 zurück, das Publikum in der Ostseehalle forderte lautstark die Rückkehr ihres Spielmachers. Schließlich durfte das Spiel nicht verloren werden, weil Nordrivale SG Flensburg-Handewitt ebenfalls schon den Titel im Visier hatte. Noka Serdarušić erhörte die Rufe, das kam sehr selten vor.
Nach der Einwechselung erzielte der Schwede in seiner ersten Aktion mit einem so typischen butterweichen Wurf, der kaum über die Linie rollte, den Anschlusstreffer. Der THW siegte 24:23. Nach dem Auswärtssieg in Düsseldorf (21:20) war der Titel nicht mehr zu nehmen. 39 Tore und zwei Punkte lagen Magnus Wislander und Co vor der SG Flensburg-Handewitt. Am Abend wurde schon einmal mit der gesamten Mannschaft bei Michael Steinbrecher im Aktuellen Sportstudio des ZDF gefeiert. Magnus Wislander traf wie Eishockeystar Didi Hegen sogar einmal an der Torwand. Der Heimerfolg gegen den TV 08 Niederwürzbach rundete die Saison ab. Dort spielte zum letzten Mal der schwedische Kompagnon Staffan Olsson, ehe er zum THW kam. Magnus Wislander hatte seinen Vertrag zuvor bis 1998 verlängert und sollte noch viel länger bleiben.
Mit Olympiasilber kehrte Magnus Wislander zur Vorbereitung auf die Spielzeit 1996/1997 nach Kiel zurück. Wieder einmal hatte er ein Finale verloren. Aber Max, wie ihn inzwischen alle in Kiel nannten, hatte den Frust aus den Kleidern geschleudert. Durch das sogenannte Bosman-Urteil (in Deutschland durfte zuvor nur ein Spieler einer fremden Nation pro Mannschaft eingesetzt werden) war er nicht mehr der einzige Ausländer im Team der Zebras. Das A für Ausländer im Spielerpass wurde auf Geheiß vom DHB gestrichen. EU-Ausländer durften ab 1. Juli 1996 unbegrenzt eingesetzt werden: Dazu war es möglich, zwei Nicht-EU-Ausländer aufzubieten.
Der THW setzte auf Magnus Wislander, den erwähnten Staffan Olsson und verpflichtete noch Goran Stojanović neben Michael Krieter und Carsten Ohle für die Torhüterposition. In der Meisterschaft blieben einige Punkte liegen – vor allem auswärts. Dafür war der THW diesmal in der Champions League so gut vertreten wie nie zuvor. Nach dem Gruppensieg schalteten die Kieler die Weltklassemannschaft Caja Cantabria Santander nach einem 23:26 in Spanien daheim mit 24:19 aus.
Gegen Badel Zagreb, das Kiels Trainer Noka Serdarušić nach der Saison verpflichten wollte, mussten die Zebras in die Alsterdorfer Sporthalle nach Hamburg umziehen. »Ich schätze unsere Finalchance auf 40 Prozent«, meinte der Kieler Kapitän nach dem 23:23-Unentschieden.
Das Rückspiel war für Magnus Wislander und Co der Vorhof zur Hölle. Die Hooligans unter den 10.000 Zuschauern wünschten dem Serben Goran Stojanovic im THW-Tor den Tod. »Drohungen oder Begrifflichkeiten, die an Krieg erinnern, haben im Sport ganz sicher nichts verloren«, mahnte Klaus-Dieter Petersen in seiner Biografie (Das Herz muss voller sein als die Hose). Der THW unterlag mit 23:25 und blieb im März 1997 erstmals unter der Regie von Noka Serdarušić ohne eine Trophäe. »Es war noch nie so einfach, ins Champions-League-Endspiel zu kommen«, ärgerte sich Uwe Schwenker im Anschluss.
In der Handball-Trophäensammlung von Magnus Wislander fehlten immer noch der DHB-Pokal, EHF-Cup und ein Triumph in der Königsklasse – der Champions League. Dafür wurde im Training ganz viel Schweiß vergossen. Die Alsterdorfer Sporthalle kannten die Kieler inzwischen gut. Dort stand der THW erstmals nach 19 Jahren wieder in einem DHB-Pokal-Finale. Der TV 08 Niederwürzbach wurde mit 30:15 aus der Sporthalle gefegt. »Siehst du«, sagte Magnus Wislander zu Klaus-Dieter Petersen, »wir können doch Endspiele gewinnen.« Das war Motivation pur.
»Magnus Wislander war der wichtigste Transfer der Vereinsgeschichte.«
Heinz Jacobsen, ehemaliger THW-Bundesliga-Obmann
Die Zebras ließen während der noch laufenden Bundesligasaison den EHF-Cup gegen den Landesrivalen SG Flensburg-Handewitt folgen. Nach dem 23:25 in Flensburg brannten die Kieler vor eigenem Publikum ein Handball-Feuerwerk ab. Flensburg lief nach 30 Minuten bereits einem 9:16 hinterher. Nach dem Abpfiff stand ein 26:21-Erfolg auf der Anzeigetafel. Von der Hallendecke regneten schwarze und weiße Luftballons.